Unser Land braucht echte Antifaschisten

Unser Land braucht echte Antifaschisten

Keine Spaltung der Linken und der Friedensbewegung

Autor: U. Gellermann
Datum: 01. Februar 2016

Die VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) ist eine Organisation, deren Gründungsmitglieder in der in alten Bundesrepublik ich persönlich kannte: Männer wie Emil Carlebach, Peter Gingold und Kurt Bachmann habe ich auf meinem politischen Weg getroffen. Frauen wie Henny Dreifuss, die aus dem französischen und Alice Stertzenbach, die aus dem niederländischen Widerstand gegen die Nazis kamen, haben an meinem Lebenslauf mitgeschrieben. Von diesen tapferen Kämpferinnen und Kämpfern gegen den Faschismus kann ich heute sagen, dass sie den aktuellen Kurs der VVN kaum verstehen würden. Ich will das an einem Artikel deutlich machen, von dem mir erklärt wurde, das dessen Position einstimmig vom Bundessprecherkreis der VVN-BdA begrüßt und unterstützt wird.

„Aus dem Katastrophengebiet zwischen Links und Rechts“ ist ein Artikel in der Zeitschrift „antifa“, der Verbandszeitung der VVN/BdA überschrieben. Angeblich gefunden hat dieses Gebiet der Bundesgeschäftsführer der VVN Thomas Willms. Er glaubt, er habe es in einer „Querfront“, in den „ausgezehrten Reste(n) der traditionellen Friedensbewegung“ gesichtet. Die Willmsche Begrifflichkeit der „Auszehrung“ stammt aus dem Arsenal reaktionärer Hoffnungen, die zu gerne die Friedensbewegung auf dem Totenbett sähen. Doch trotz der „Auszehrung“ bemerkt Willms „die Kampagnen gegen Drohnen“, um die ein „harter Kampf“ tobe. Kämpfe um eine Leiche? Die „Querfront“ war ein populäres Gerücht des vorletzten Jahres, jene nie bewiesene Zusammenarbeit zwischen Rechten und Linken, die so wunderbar pünktlich auftauchte, als der Ukraine-Krieg mehr Mobilisierung für den Frieden in Deutschland erfordert hätte.

Kommt man dem angekündigten „Katastrophengebiet“ näher, stellt es sich als völlig nebulös heraus: „Im Vordergrund“ sieht der Autor „zahlloser Berichte und Kritiken informelle(r) Netzwerke aus Autoren, Online-Medien und Aktivisten.“ Die mag er einfach nicht mit Namen nennen. Auch wenn er behauptet: „Mancher ist bereit . . . die Achtung der Menschenrechte und die Niederringung faschistischer Ideologie und Politik – hintan zu stellen“ kann er weder Belege noch Namen beibringen. Ein „Mancher“ hat nun mal die Beweisqualität eines „Niemand“. Immerhin fällt dem Willms der Verband der „Freidenker“ unangenehm auf: „Aus zahlreichen Orten wird berichtet, dass Freidenker-Aktivisten die VVN-BdA systematisch abwerten.“ Zahlreich wird berichtet: Das ist Nebeldeutsch, die Sprache, die aus dem Ungewissen in die Lüge führt. Geradezu empörend findet Willms, dass im Verbandsmagazin der „Freidenker“ – unter dem Titel 70 Jahre Befreiung von Faschismus und Krieg – eine „Zusammenschau zugelassen“ sei. Man riecht den Versuch des Antifa-Monopols geradezu. Und noch schlimmer findet Willms, „dass es dem Verband wichtig ist, als antifaschistisch zu gelten.“ Echte Antifaschisten sollten sich freuen, dass es auch andere gibt. Aber wenn die anderen keine Erlaubnis von Thomas Willms haben, dann dürfen die sich natürlich nicht als Antifaschisten begreifen.

Unzufrieden ist der VVN-Autor auch damit, dass die „Freidenker“ doch tatsächlich „NATO raus aus Deutschland“ fordern. Warum ihm das nicht behagt, ist aus seinen Zeilen nicht zu erfahren. Oder doch: „Dies (ist) eine Weltsicht, die in frappierendem Kontrast zum Anliegen eines antifaschistischen Verbandes steht“. Echt? Soll Deutschland lieber in der NATO bleiben? Schrecklich findet Willms auch, dass die „Freidenker“ von der NPD sagen, die sei „geheimdienstlich gesteuert“. Die vielen vom Verfassungsschutz bezahlten V-Leute müssen dem vorgeblichen Antifaschisten genau so entgangen sein, wie die staatliche Kumpanei bei den NSU-Vertuschungsaktionen, jener NSU, die fraglos der NPD entschieden nahe steht.

So macht sich der antifa-Autor schwere Sorgen um die den Freidenker-Verband: „Das verbandspolitische Ergebnis ist für die Freidenker . . . eine starke Einengung ihres Bündnisspektrums“ schreibt er, und wie in seinem Artikel üblich, belegt er das mit dem blanken Nichts. Doch seine Sorge gehen weiter: „Verloren gegangen ist (dem Freidenker-Verband) dabei die Fähigkeit, offenkundig irrationale und wahnhafte Personen abzuwehren.“ Zu solchen Personen zählt Willms den „aus Island zugewanderte(n) Elias Davidsson“. Dass Davidsson als Sohn deutscher Eltern mit jüdischem Glauben geboren wurde und ursprünglich aus Israel nach Island kam, diesen gravierenden Teil von dessen Biografie, unterschlägt Willms. Das passt ihm nicht. Wie ihm auch nicht ins Konzept passt, dass der „Isländer“ sich seit den 80er Jahren für einen gemeinsamen Staat für Israelis und Palästinenser einsetzt. Alles Wahn, oder was?

Weiter schreibt der „antifa“-Autor: „Typisch für die Szene (in der Willms den Freidenker-Verband sieht) sind politische Unternehmer wie Jürgen Elsässer.“ Dass Elsässer lange zu den „Antideutschen“ gehörte, zählt Willms natürlich nicht auf, denn zu denen gehört er selbst. Aufgezählt werden nur alle anderen Stationen von Elsässers politischer Laufbahn, die ihn endlich ins Reaktionäre geführt haben. Und auch wenn Elsässer mit den Freidenkern nichts, aber auch gar nicht zu tun hat, macht nichts: ,Irgendwas wird schon hängen’ bleiben heißt die Methode des furchtbaren Journalisten Willms.

Das durchweg schlechte Deutsch von Willms findet seinen vorläufigen Höhepunkt in diesem Satz: „Dass berechtigte Kritik am Bestehenden in etwas umschlagen kann, was wiederum selbst ein Problem ist, musste Wolfgang Lieb, der Mitherausgeber der bekannten Internetplattform Nachdenkseiten erleben.“ Doch nicht nur der Umschlag von Kritik in „selbst ein Problem“ ist eine aberwitzige Konstruktion. Vor allem die Behauptung von Willms, Wolfgang Lieb habe sich von den „Nachdenkseiten“ getrennt, weil die zu einem „Meinungsmacheprodukt mit Schlagseite nach rechts geworden“ sei, ist eine schlichte Lüge. Statt dessen schreibt Lieb in seinem Abschiedstext: „Nach wie vor findet sich auf den NachDenkSeiten ein wichtiges Informationsangebot.“ Ein Katastrophengebiet zwischen Links und Rechts ist nirgend zu finden, gefunden habe ich eine mittlere Katastrophe namens Willms.

Henny Dreifuss, Alice Stertzenbach, Emil Carlebach, Peter Gingold, Kurt Bachmann – Töchter und Söhne jüdischer Eltern – und viele andere aus dem deutschen Widerstand, sofern sie denn die Juden- und Linken-Hatz der Nazis überlebt und den Konzentrationslägern entkommen waren – haben in den 80er Jahren das gebildet, was geschichtsvergessene Schreiber wie Thomas Willms heute eine „Querfront“ nennen: Gemeinsam mit dem ehemaligen Oberst der Wehrmacht Josef Weber und Gert Bastian, einem Generalmajor a. D. der Bundeswehr mobilisierten sie im „Krefelder Appell“ Millionen Westdeutsche gegen die Nachrüstung.

Gerade in einer Zeit, in der rechte und faschistische Kräfte so manche Straße in Deutschland mit ihren Aktionen verdrecken, in denen Anschläge auf wehrlose Flüchtlinge in Serie verübt werden und die Große Koalition von einer Begrenzung der Flüchtlinge redet, statt ihre Kumpanei mit den USA und deren Kriegen in den arabischen Ländern aufzukündigen, ist eine echte antifaschistische Bewegung und Organisation vonnöten. Was unser Land nicht braucht, ist die Spaltung der Linken und der Friedensbewegung, wie sie von Leuten wie Willms betrieben wird.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Ein Gedanke zu „Unser Land braucht echte Antifaschisten“

  1. … deshalb eine Anmerkung aus dem letzten Beitrag;

    „Historische Querfront
    Lässt sich aus diesem Durcheinander ein Begriff von „Querfront“ gewinnen? Natürlich kein brauchbarer. Als „Querfront“ gilt Willms „der Versuch, … Links und Rechts zusammenzubringen“. „

    „Diese seine „Querfront“ gibt er ( Wilms ) als „Zwillingsschwester“ der Totalitarismus-Doktrin aus. Das macht auf den ersten Blick den Eindruck, er lehne diese antikommunistische Doktrin ab, in Wirklichkeit strickt er an ihr mit, indem er Kommunisten und NSDAP-Nahe in seine „Querfront“ zusammensperrt.“

    Und das ist wiederum ein Hauptargument von Antikommunisten und absoluten Sozialismus – Hassern.

    Es ist müßig aufzuzählen, wer und wie oft es betont wurde, dass es zwischen Kommunisten und Faschisten niemals eine Zusammenarbeit geben wird, jedoch um so mehr mit allen anderen antifaschistischen Kräften einschließlich Vertretern der beiden Hauptkirchen.

    Und, was meistens unerwähnt bleibt, Kurt von Schleicher wurde nach der Machtübernahme durch die Nazis – erschossen.

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