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Wer wissen will, was in der Ukraine passiert, welche faschistische Armada dort von EU-Politikern und (deutschen) Stiftungen herangezüchtet wurde, der muss diesen zuerst bei indymedia erschienenen Text von Dr. Martin Krämer Liehn lesen, der seit 1999 in der Ukraine lebt. Er ist schwierig zu lesen, wer sich aber für die Ukraine interessiert, der wird sich durchkämpfen. Wenn ich die Zeit hätte und er auch, dann wüde ich gerne mit ihm zusammen den Text überarbeiten. Aber dafür ist keine Zeit. Alles muss schnell raus. Und wir brauchen gegen die tagtäglich-nächtliche Propagandamaschine der auf KapitalInteressen gleichgeschalteten Medien schnellstens Gegenmittel, weil mittlerweile alle Sender und alle Sendungen- bis in Jörg Pilawas „Einer Wird Gewinnen“- EWG-Kuhlenkampf-Gedächtnissendung auf dieser Welle reiten. Zum Kotzen!
(den Text habe ich bei „scharf links“ herauskopiert. Hier ist er wenigstens von der Schriftgröße her besser lesbar)
Weitere Augenzeugenberichte und videos: http://nocheinparteibuch.wordpress.com/2014/02/24/wie-eurofaschisten-unbewaffnete-einwohner-der-krim-ermordet-haben/
Der österreichische Eu-Parlamentarier, Ex-FPÖ & Ex-Haider-Spezi Ewald Stadler (ein „unverdächtiger“ Rechter, der auch für die FAZ schreiben könnte) spricht Klartext zur Ukraine:
http://www.antizensur.de/mep-ewald-stadler-ueber-die-aktuelle-situation-in-der-ukraine-interview-must-see/
Kiew, Morde und Morddrohungen an uns
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26.02.14
von Dr. Martin Krämer Liehn via linksunten.indymedia.org
Linke: auch ihr seid gefragt…
Morde und weitere Morddrohungen an Linke in der ukrainischen Hauptstadt, SBU arbeitet nach Hinweisen der letzten Stunden mit Nazis (’naro- dny narbat‘) an einer ‚kill list‘ gegen linke Akti- vistInnen, Beginn der Operation geplant für morgen
Leute,
dass hier bei uns in der Ukraine der Bär los ist werdet ihr mitbekommen haben. Aber die Lage verändert sich stündlich und nicht wirklich zum Besseren, KollegInnen. Ohne Eure geschärfte Wachsamkeit und hoffentlich wie sonst spannfreudiges Kritikvermögen sind wir hier auf zu dünnem Eis, im momentanen Auge des braunen EU-Sturms.
Informiert, mischt Euch ein!
GenossInnen, helft uns! Die Häuser von KommunistInnen brennen. Die Plätze und die politische Initiative im Land sind in der Hand offen bekennender Nazis. Die Geldliberalen, die ihnen mit der EU zur Macht verholfen haben, verstecken sich vor ihnen hinter Schreibtischen einer imaginierten Putschregierung. Wie lange noch? AntifaschistInnen, die öffentlichen Raum zurückfordern, wurden in den letzten 72 Stunden nicht nur brutal zusammengeschlagen, sondern auch in mehreren Fällen gezielt auf offener Straße von faschistischen Freikorps-Kadern umgebracht.
Im Internet häufen sich Anhaltspunkte, dass spätestens morgen die neo-faschistische Organisation „Narodny Narbat“ mit Hilfe eines rechtsradikalen Analysten der ukrainischen politischen Polizei (SBU) mit Schockkommandos eine Todesliste linker Aktivisten abar- beiten wird.
Hintergrundinformationen von Martin, nach einer Reise zu proletarischeren Widerstands- zonen der Zentralukraine (Krivoj Rog) und einer aktuellen ausführlichen Fahrraderkund- ung durch Kiev, nach Interviews mit vertrauten Oppositionellen im Untergrund und auf der Flucht. 25. Februar. 2014, 13:00
Ultra-nationalistische Paramilitärs haben in einem Putsch die Zentralmacht in der ukrainischen Hauptstadt an sich gerissen. Ihr faktischer Prä- sident, ist ein Kader der politischen Polizei der Ukraine, SBU, die für ihre CIA-durchsetzung bekannt ist. 2006 stand Turchynov vor Gericht weil er bei der politischen Polizeiarbeit Materia- lien zum Wirtschaftsimperium von Mogilevi? verschwinden lassen hat.
Die bürgerlichen Oppositionsparteien in Koalition mit der Nazipartei ‚Svoboda‘ haben wenig wirk- liche Kontrolle über die Tätigkeit der faschisti- schen Milizen, die sie an die Macht gebracht haben.
Diese rechtsradikalen Freikorps bestimmen derzeit die das Tempo der Repression gegen linke Gegner, die Methoden des Vormarsches und realisieren ihre politischen Vorstellun- gen in Personal- und Wirtschaftsentscheidungen fast des gesamten Landes.
Rechtsradikale Gewalt bestimmt Tempo und Stoßrichtung der militärischen Übernahme auch in den Subzentren aktuell
Das vorläufige Bild von Freitagnacht verdichtet sich. Nach unserer Einschätzung ist es in der Tat in diesen Stunden so, dass die Nazi-Freikorps faktisch im Land durchregieren, aktuell bis auf Teile der Stadt Har’kov und die überwiegende Teile der Krim. Massive Gewalt und politischer Mord war konstitutiv für die neuen Macht. Schon in den ersten Tagen der Platzbesetzung wurden Obdachlose und angeblich „Betrunkene“, die russisch sprachen ausgesprochen brutal zusammengeschlagen.
Dasselbe erlitten bald darauf liberale pro-EU-FeministInnen und Freiwillige einer eigent- lich rechts aufgestellten Gewerkschaft. Im Verlauf der vom Majdan ausgehenden, fortschreitenden Paramilitarisierung der Oppositionsforderungen hat sich eine spezifische Gewalt- und Kommandostruktur herausgebildet, die nicht aus Zufall fast komplett unter neonazistischer Symbolik operiert. Gefangene des rechtsradikalen Majdankommandanten (seit gestern abend „Gesundheits“minister) wurden auf Befehl gefoltert und zum Teil verstümmelt (Hände, Füße, Augen).
Diese jetzt als Zentralmacht etablierten Gewaltverhältnisse werden jetzt als Angriffe auf Lenindenkmäler generalstabsmäßig koordiniert mit viel Geld und mobilen Paramilitär-Trupps in allen Subzentren durchgesetzt. Auch auf der Krim gelangen so momentweise Terraingewinne, die dort und um Har’kov (Lugansk) aber bis jetzt nur mit „hit-and-run“-Techniken Erfolg haben. Eine neue Form der repressiven Öffentlichkeit mit ent- sprechenden akademischen Kadern und sich liberal gebenden rechten Medien begleitet diese paramilitärischen Übernahmen des öffentlichen Raums ideologisch und hat faktisch intellektuelle Hegemonie bis in ehemals sich als „links“ definierende Zusammenhänge von GewerkschaftlerInnen und bürgerlichen AnarchistInnen.
Die symbolische Inbesitznahme öffentlichen Raums durch paramilitärische rechte Formationen hat sich auf die Zerstörung von Lenindenkmälern erklärtermaßen nur vorläufige eingeschossen.
Zerstörung der Denkmäler bedeutet dabei schon jetzt immer auch Zerstörung der Menschen, die sich schützend vor sie stellen.
Ihre Zusammenhänge werden massiv und gezielt angegriffen. Die para-militärischen rechten Ein- heiten werden für ihre präzise dirigierte Randale mit meist einheitlichen Autobussen angefahren, in zentralen Hotels untergebracht und profess- ionell militärisch kommandiert.
Die Beflaggung und Losungen dieser Freikorps-Angriffe greifen unverhohlen die von ukrainischen SS-Einheiten des Zweiten Weltkriegs auf. Andere Symbole und Losungen sind, bis auf „Ukraine über alles“ meist überhaupt nicht präsent in den Ansammlungen von jeweils mehreren hundert selbsternannten „Kämpfern“. Ihre Aggressionen gegen linke Opposition geben sich in Wort und Tat eindeutig neonazistisch.
Rechte Dirigierarbeit um Gewaltwirkung im Land zu maximieren und westliche Medien aus den Bürgerkriegsvorbereitungen herauszuhalten
Dabei sind politische Kader der Neonazis in Kommandofunktionen, die sehr genau abstufen wie viel Brutalität gegen politische Gegner am gegebenen Ort sinnvoll ist für ihre derzeitige landesweite Übernahme und die ihnen derzeit nötige Propagandawirkung. Ich habe gesehen, wie sie in einer lebensgefährlichen Lage, in der 300 Neonazis uns 25 linke Gegendemonstranten in Krivoj Rog eingekesselt hatten die überwiegend alkoholisierten paramilitärischen Hundertschaften sowohl in ihren Hassäußerungen aufpeitschten als auch stellenweise leicht abbremsten.
Dafür stellen sich Abschnittskommandeure vor die grölende und mit Tötungswaffen drohende Menge und geben mit Armbewegungen und Megaphonkommandos konkrete Anweisungen: mehr, langsamer. Zwei Aktivisten, die sich dem faschistischen Mob vor einem Lenindenkmal entgegengestellt haben sind in den letzten Stunden von einer auf diese Weise kommandierten Menge umgebracht worden. Ich habe selber schwere Verletzungen gesehen die bei diesen in der Regel nächtlichen Platzübernahmen gegen unbewaffnete GegendemonstrantInnen wegen ihrer antifaschistischen Position verübt wurden.
Nach Zerschlagung von linken Organisationszusammenhängen jetzt individuelle Verfolgung
In der Nacht auf den 25. Februar brannte das Haus, in dem der Sohn des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Ukraine wohnt. Zentralkomitee der kommunistischen Partei der Ukraine und die Redaktion der Zeitung „Kommunist“ sind militärisch von faschistischen Freikorps gestürmt worden und seitdem nicht mehr zugänglich, schon gar nicht für die Handvoll Polizisten, die auf die Straße geschickt werden, weil sie ihre Loyalität mit dem rechten Mob bewiesen haben. Bei den Angriffen auf linke Infrastruktur sind umfangreiche Datenbanken in die Hände der faschistischen Paramilitärs gelangt, die aller kommunistischen Parteimitglieder, auch unsere, z.B. als Abonnent*innen und kritische LeserInnen der Zeitung „Kommunist“ bis zu ihrer Zerschlagung.
Gegenwehr, Schutz linker Zusammenhänge, Abtauchen Linker in Untergrundarbeit und Flucht ins Ausland
Die für uns alle ätzende, aber eben definitiv nicht faschistisch ambitionierte Macht der Präsidentialklientele um Janukovi? ist seit den aggressiven Signalen aus Brüssel ab Ende November 2013 zusammengebrochen wie ein Kartenhaus. Besonders die letzten Stunden Freitagnacht zeigen, dass viele Wahrnehmungsmuster seiner tatsächlichen Macht und der Handlungsfähigkeit seiner Verbündeten eher Projektionen aus dem eigenen politischen Vorgehen gewesen sind. Es ist wie mit der extremen Rechten in den USA vor ihren Militärschlägen: sie werfen den Gegnern vor, was sie selber grade planen. Aber ärgern wir uns besser nicht an ihrer Ideenlosigkeit, denn mit der Knarre in der Hand als Obercoole von Kiev haben sie Ideen genug.
An den zerstörten Leninstatuen kristallisieren sich neue Kampfkonstellationen, auch antifaschistische. Nazi-Kader patrouillieren das Umfeld ihrer Zerstörungen in den Folgetagen und verfolgen Gegenstimmen mit weiteren Gewaltandrohungen, das ist allen augenfällig, es wird kein Hehl draus gemacht. Trotzdem finden ausgerechnet an den zerschlagenen Statuen jetzt wichtige Vernetzungen von AntifaschistInnen statt. Viele Neulinge, die vorher politisch unorganisiert waren, sprechen laut, trotz der Gefahr von rechten Prügelkommandos aus der Menge gezogen zu werden.
„Ich habe ein zweijähriges Kind und ich werde nicht zulassen, dass es in einem faschistischen Staat leben muss,“ sagt zum Beispiel eine Fliessbandarbeiterin aus Krivoj Rog, die ein Protestplakat am Fundament der zerstörten Leninstatue aufgehängt hat. Mir kamen das erste Mal die Tränen als ich das hörte. Unser Kind ist ein halbes Jahr älter und diese politisch, nach eigenem Bekunden, nie vorher in Erscheinung getretene Frau vermag plötzlich das zu sagen was mich vor allem anderen belastet. Und weil sie, die Fabrikarbeiterin mit Volksschulabschluss, es so sagen kann und die möglichen Konsequenzen für ihre Worte nicht scheut, deswegen ist es eigentlich schon keine Belastung mehr, sondern eine proletarische Organisationsaufgabe.
Ihre einzige Realisierung nach feindlicher Übernahme des Staates oder was von ihm übrig ist: Gegenmacht von unten. Eine Krankenschwester und eine Studentin stehen neben ihr und schützen sie vor Zudringlichkeiten der heran drängenden und ausschließlich männlichen Rechter. Zehn Minuten später ist diese Szene komplett gewandelt, das Plakat runter gerissen, alle drei Frauen weg und neue kommen mit ähnlichen mutigen Auftritten. Solche antifaschistische Zivilcourage ist sichtlich improvisiert, dadurch sehr lebendig und verbunden mit ökonomischen Tagesüberlegungen von Lohnabhängigen, deren Realitätssinn umstehende mitreißt. Sie sind damit auch hochgradig angreifbar.
Trotzdem werden, oft in der Schnelle, an diesen halboffen umkämpften öffentlichen Orten halbkonspirativ Kontakte ausgetauscht und Zugänge zu geschlossenen Internetforen im weiten und diversen Umfeld „Anti-Majdan“ von Hand zu Hand gegeben. Es ist nicht außergewöhnlich, dass die TeilnehmerInnenzahlen solcher neu-initiierter Foren wenn ich eine halbe Stunde später konspirativ einlogge bereits um einige hundert TeilnehmerInnen höher sind als ihre InitiatorInnen mir erzählten, die den Stand wussten als sie selber außer Haus gegangen sind.
Aber Internetpräsenzen sind nicht maßgeblich. Die Gegenmobilisierung aus der antifaschistisch gebildeten Bevölkerung verständigt sich überall, wo sie zu Haus ist: Das Potential der Zivilcourage ukrainischer Lohnarbeitenden ist im Westen des Landes durchaus präsent (sogar bei Kirchweih‘) auch in allen Kleinzentren, in der Zentralukraine groß, nicht nur in Industrieschwerpunkten, und im Osten und Süden eindeutig hegemonial. Institutionalisierte „Intellektuelle“ des Nationalprojekts, die üblichen „Übersetzer“ geben diese Verhältnisse systematisch verzerrt wieder.
Ihre Kaderauslese seit 20 Jahren hat eine spezifisch-provinzielle Oberflächigkeit hervorgebracht, in der völkische und rechte Denkmuster dominieren. Und nichts verklickert sich so leicht an z.B. freie ‚Deutsche Radios‘ wie das Ethnisieren alles Sozialen, das universelle Fraßwerk jeder Faschisierung. In vielen Situationen wird geradezu eine solche abgereicherte völkische Ekklektik verlangt, für parawissenschaftliche Meinungskarrieren in der prekären Aufmerksamkeitsökonomie unserer kolonialen Situation hier und ihrer ukrainischen Oberschicht. Beispielhaft dafür ist die ehemalige KGB-Kaderschmiede und rechte Ideologieschmiede Mogiljanka, in der auch zwei ausgesprochen rechts investierte deutsche Parawissenschaftler als Dozenten und Kulturtransferexperten vom Dienst bezahlt werden.
Welchen Antifaschismus ruft der EU-Durchmarsch und seine Hilfstruppe hier auf den Plan?
Eine antifaschistische Widerstandsbewegung wird anti-akademischen Charakter haben und – wenn sie erfolgreich sein wird – die Sprache jener Lohnabhängigen sprechen, die von dem jetzt anstehenden neoliberalen Kahlschlag im Staat und seiner Rest-Sozialwirtschaft nun nach Weltbank und Lissabonner Diktat brutal und zielstrebig aufs Korn genommen werden. Ideologische Eigenständigkeit von den russischen Diktatur- und OligarchInneninteressen ist kaum zu erwarten.
Die Machtfrage wurde von den rechten Aggressoren vor 72 hier so gestellt (Ultimatum trotz schriftlich ausgehandeltem Steinmeier-Kompromiss), dass die darauf folgende Polarisierung noch weiter und radikaler eine schablonenhafte „Ethni“sierung genuin sozialer Widersprüche durchsetzt. Jede anti-russische Stellungnahme in der Drohkulisse jetziger Gewaltverhältnisse ist Öl auf das Bürgerkriegsfeuer, das deutsche Kapitalinteressen hier seit 2007 angezettelt haben.
Der EU-Generalplan zur Expansion nach Osten, vorgeblich getragen von polnischen und schwedischen Attacken, wurde merkwürdigerweise an der eigenen schweren Krise vorbei eskaliert. Um soziale Forderungen aus dem Anschlussfieber privilegierterer ukrainischer Mittelklassen grundsätzlich rauszuhalten hat die EU bewusst das Zweckbündnis mit rechtsnationalen Kräften nach ungarischem Vorbild gesucht… und gefunden. Seit Freitag sieht es so nun so aus, als ob die EU sehr bald Opfer ihrer eigenen braun überschäumenden Erfolge werden kann. Schmeiß Hefe in ein Plumsklo und Du bekommst so ’ne Art ukrainischer Gärung.
Klar treibt das der deutschen Wirtschaft willige Nicht-ZwangsarbeiterInnen zu, die mehr Arbeitslosigkeitsstress aushalten als das in Zentraleuropa physisch möglich ist. Aber was sollen all die arbeitswillig Unterbezahlten und konsumloyal Frierenden wenn sich jetzt absehbar der Gaspreis verdoppelt? Wieviel Erfolge verträgt das hegemoniale Deutsche Großkapital denn noch auf seiner Eroberungs-Reise durch den Osten hindurch bis ganz nach Indien?
Interessanterweise gibt es zum britischen Erfahrungshintergrund, der mit „imperial overstrech“ benannt wird, im deutschen keine wirkliche Entsprechung. Im Deutschen wird Überfressenes ausgekotzt und weitergefressen. So geht das vielleicht mit Karrieristen der Linkspartei im Vierten Reich, so geht es aber nicht im ‚run‘ auf die letzten Ressourcen vor dem ungleich erwartbaren kapitalistischen Gesamtzusammenbruch.
Imperiales Überfressen an Durchmärschen zum Erfolg, wie viel verträgt das Korporativ-Modell Deutschland eigentlich noch?
Gerade der zunächst vergleichsweise leicht erbeutete Gewinn ukrainischer Territorien spielte interessanterweise sowohl im August 1918 als auch im Dezember 1941 und schließlich vorläufig durchaus entscheidend im Januar 1943 eine wichtige Rolle, deutsche Kapitalinteressen im Osten kräftig zu Fall zu bringen. Die damaligen militärischen Ziele sind inzwischen wirtschaftlich wieder restituiert worden und die administrative Unterordnung der Ostmisere kann deshalb technisch vergleichsweise glatt erzwungen werden. Aber um so tiefer liegen, gerade in russisch-ukrainischen Interessenlagen von Lohnabhängigen, eben jene Erfahrungen und Solidarzusammenhänge, die diesen Sieg reichsdeutscher Waffen und Propaganda nicht das erste Mal entgegentreten.
Die Waffen deutscher Kapitalinteressen sind modernisiert worden aber sie schießen immer noch im Handumdrehen über ihre Ziele hinaus, weil sie sich in diesen entscheidenden Tagen mit wenig üblichen Zynismus auf das Kooptieren alter Kollaboranteninteressen verlassen. Bei der Liquidierung des Aufstands im Ghetto von Warszawa 1943, dem ersten Flächenbrand im Deutschen Hegemoniesystem für seinen Osten, nahm die SS ihre ukrainischen und lettischen Hilfstruppen für das Gröbste. Warum soll was 1943 noch klappte 2014 besser, glatter, netter und kapitalwirksamer funktionieren ausgerechnet mit einer Hilfstruppe offen erklärter Bewunderern der „Kämpfer für Ukraines Selbstständigkeit“ von 1943 – unter ihren schwarz-roten Fahnen, kaum anderen, wird seit November 2013 in Kiev gekämpft… soviel Bundeszentrale für Politische Bildung ist hier nötig, falls es Dir Deutsche Medien noch nicht weitergesagt haben.
Wir kommen noch nicht vom Fleck, und doch: Antifaschistische Skizzen, wie aus dem ukrainischen Krieg herauszukommen wäre
Etwas frühlingshaftes war spöttischerweise doch in der Nachtluft über Kievs ArbeiterInnenviertel Nivki, als wir zu viert aus dem Haus traten. Freitagabend. Die Stunde, in der die Era Janukovi? endete. Sie endete nicht in Bürgerkrieg, sondern in progressiver feindlicher Übernahme der Staatsmaschinerie. Ihr Ende legte das Fundament für jenen Bürgerkrieg, den die triumphierende Ultra-Rechten jetzt eh gegen die Interessen Lohnabhängiger führen, egal ob und wie viel antifaschistischer Widerstand ihnen dabei in der ersten Phase tatsächlich in ihren Weg tritt.
Die macht liegt auf der Straße. Sie hat scharfe Schusswaffen und Reservemunition für ein voll ausgewachsenes Massaker. Seit zweieinhalb Monaten wird sie in aller Öffentlichkeit von ukrainischen Grossunternehmern uniformiert, diversifiziert und bekocht, gewärmt, ja sogar auf altväterliche Wiese bekirchelt. Alle wesentlichen Hebel, die die Rechtsradikalen Kommandeure für ihren vorläufigen Erfolg angewendet haben, haben sie von linken Erfolgen abgeguckt: Machtkartelle zwischen Politik und Konzernen skandalisieren und privat haftbar machen, Großmobilisierungen, Platzbesetzung, Protestwohnen, Alltag vorführen, der an seiner Oberfläche nicht als monetarisiert erkennbar ist.
Daneben Schwarze-block-Strategien bis hin zu individuellem Terror als Methode (Terror ist immer nur Methode). Das Duett von feist-natonalistischen Spießbürgerinteressen und fanatisierten Rassisten, die für ihr Abstraktum Rassenreinheit zu sterben bereit sind, funktionierte als „diversity of tactics“ in bester Koexistenz und Duldung. Niemand spielte die Distanzierungsgeige, die bei linken methodenmixen so schnell Konjunkturwirkung bekommt. Von eliminatorischen Rassisten, die tötend vorgehen distanziert sich keiner der im Majdan investierten ukrainischen National-Intellektuellen, kein Pope im sozialen Kriegsdienst, und erst recht kein Wirtschaftskapitän, denn Firtaš, Kolomojskij (de.wikipedia.org/wiki/Ihor_Kolomojskyj), Ahmetov haben die Nazis von Svoboda ja erst zu einer landesweiten Kraft herausfinanziert aus ihren jämmerlichen Privatunternehmer-Soziotopen im westlichen Armenhaus des Landes.
Jeder dieser Hebel linker Innovation nutzte die kapitalgestützte ultra-rechte Kommandostruktur von ihren ersten Schlägen an in völkischer Verdrehung. Das emotionale Solidarkollektiv ist die völkisch-rassische Einheit. In dieser Einheit soll genuin neo-liberales Unternehmertum für Auswahl der Kräftigsten sorgen. Einem unterbezahlten Subalternen, der über eine gewisse Anzahl ukrainischer Sprachelemente verfügt, kann dabei der Eindruck entstehen, dass er sich mit gefälligem Sprachmix (Suržik) eine Art zweites Gehalt verdienen kann. Dieses Gehalt besteht aus der Realisierung von Sachvorteilen aus der Diskriminierung derer, die ihr Umangsrussisch nicht mit ukrainisierenden Versatzstücken zur primitiv-formalen Schulpflichtsprache hin abmischen können.
Wo das erste Gehalt, das in Geld ausgezahlt wird, oder nicht, je nach Laune und Interessenlage des Vorgesetzten, definitiv nicht zum Leben, z.B. nach Sowjetstandards, reicht, ist jede Hilfe willkommen und sei es nur Raubgut aus einem der derzeit in der Ukraine politisch aufgeplusterten Pogrome. Die Sprachgymnastik, um im guten Ton der Angreifer bestehen zu bleiben ist nicht schwer für eingeborene aber praktisch unerlernbar für Zureisende. Ich hab’s versucht. Du findest schlicht keinen Muttersprachler, der sich mit Dir hinsetzt und die Schulsprache einpaukt, wenn die Möglichkeit besteht das ganze auch viel direkter und lebendiger im Suržik-Umgangsrussisch zu sagen.
Zwischen Erwachsenen sträubt sich da der gesunde Menschenverstand. Sowas geht augenscheinlich nur beim bearbeiten und verkneten williger Kindermasse zu ukrainischen Nationalwachteln. Ich bin erst seit 1999 in der Ukraine unterwegs, versuchte zunächst „ukrainisch“ vom Polnischen aus zu lernen, dann vom Russischen. Nach 15 Jahren weiß ich, dass es wesentlich einfacher ist, chinesisch zu lernen, hier in Kiev. Hundert richtig ulkige Situationen lassen trotz aller Winkelzüge der übereifrigsten Anpasser an den ukrainischen Unabhängigkeitston vor allem einen Schluss zu: Sobald auch nur der leise Verdacht besteht, man könne sich in der dynamisch und kosmopolitisch versieteren russischen Umgangssprache verstehen, geben SprecherInnen, die nicht unter einem direkt politisierten Zwang stehen die ukrainischen Schulmanieren und sprechen emotionaler, konkreter auch komplexer, auf einmal entfernt vom Ton der autoritären Examinierungsrituale der auf Elitesieben gedrillten ukrainischen Schule. Verhindert wird der Austritt aus der von Primitivismen und Formelhaftem gespickten Schulsprache nur durch ganz direkten Zwang, z.B. Vorgesetzter hört mit, oder – mittlerweile gleichbedeutend als Drohpotential – Abhängigkeit von einer der 5 ärmsten Westgouvernements im faschisierten Kernbereich der jetzigen Freikorps-Regierung.
Wer jetzt auf der Siegerseite stehen will muss in der Lage sein, nicht zu mechanisch ukrainische Marker mit den für allen zeitgemäßen Verkehr zwischen Menschen notwendigen polonisierten und kosmopolitisch-russischen Umgangssprachen seiner Region zu vermischen. Der ex-Premier Azarov war im mechanistischen Tonfall seiner Suržik-Konstruktion sicherlich an der Untergrenze der Toleranz, die ukrainische Sozialtechniker der auch nach 20 Jahren weiterhin in Konstruktion befindlichen Zwei-Kasten-Gesellschaft in Universitäten und Geschäftskarrieren zu dulden bereit sind. Ich habe gezielt interviewt und recherchiert, um rauszufinden, warum er sich nicht einen Sprachtrainer nimmt… oder die Menschen in einer lebendigen Sprache anspricht, die über die Grenzen einiger Karpaten- und Pripetdörfer hinaus verstanden wird, dh. entweder russisch oder eben, wie die Mehrheit der Lohnabhängigen Lvovs bei ihren EU-Brotherren: Polnisch.
Ethnisierungsfetisch für die Sozialmisere, dringend gesucht, unbefriedigende Funde
Seitdem Genscher für alle sonst noch interessierten so überwältigend den Kommunismus gestürzt hat, sind die aberwitzigsten Gründe in Konjunktur genommen worden, um seinen Nachbarn das Haus anzuzünden und die Nase einzuschlagen. Im deutschen Erfolgsfall Kroatische Küste 1992 und Krajina ab 3.8.1995 ging es nicht über Sprache. Das Serbokroatische Sprachprojekt war seit dem 19. Jahrhundert auf produktiven Austausch angelegt worden. Zwischen dem Zentralrussischen und seinen Abwandlungsgradienten bis ins Russinische der Karpaten fand etwas ähnliches schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts statt und anders hätte die russische Literatur wohl auch nicht diese weltweite Verbreitung und solch umfassende Alphabetisierungserfolge in der ArbeiterInnenklasse erringen können, tatsächlich die Kontrollfunktion des Bürgertums zeitweise zu übernehmen.
Anhand Gogols Prosa und ihrer Echowirkung kann sehr spannend gezeigt werden, wie sogar der ‚high-brow‘ Literaturbetrieb im russischen Weltreich wie ein Schwamm Ukrainismen aufnahm und nur wenige Jahre später schon als seine eigenen Manierismen weiterentwickelte. Es ist eine weitgehend willkürliche Entscheidung gewesen, das Buchukrainisch Poltavas zu einer zweiten Sprache neben dem Russischen zu konfektionieren. Wesentlich näher an den regionalen Gradierungen der Vermischung wäre eine tschechoslowakische Lösung gewesen, die Sprachen als Austauschfreudiges integratives Gesamtsystem von anderthalb Redeweisen in Beziehung zusammen zu setzten.
Aber wie so oft in den ukrainischen Nominalsiegen war auch dies ein Pyrussieg. Auch nach 20 Jahren systematischer Verunsicherung russischsprechender in Pflichtsprache von Schule, Werbung und Kaserne WILL die Mehrheit im Regionengebilde Ukraine effektiv nicht Buchpoltavisch (offiziell Ukrainisch) sprechen. Wie im aktuellen antifaschistischen Mobiliserungsgeschehen ist der erstbeste Notausgang aus diesem erschreckenden Projekt einer mit leblosem Phrasendreschen zusammengehaltenen Zwangsgemeinschaft grade gut genug, und dieser Notausgang ist eben bis nach Kovel an der Polnischen Grenze, wo z.B. auch eine tschechisch-sprachige Bevölkerungsgruppe auszukommen versucht das russische. Der grusinische Flaneur Majakovskij bekannte, er würde Russisch schon allein aus dem Grunde lernen, weil Lenin in ihr so erfolgreich war. Damit hat er das aktuelle Dilemma der ukrainischen Nazis gut eingekreist. Bleibt nur noch, den Erfolg Lenins mit Denkmalstürzen und dafür nötigen Morden an linken AktivistInnen irgendwie anzukratzen.
Die Farbenrevolutionen sind vorbei. Die Grenzen des farb-revolutionären PR-Spuks in Serbien (Revolution der „Bagger“), Georgien (Revolution des Angriffskriegs gegen Russland unter EU-Flagge), und Julias Zelle (auch in den USA droht ihr eine) sind offensichtlich erreicht. Mit Farbenrevolution kommt das rechte Machtkartell EU nicht weiter auf seinem Weg zur Durchsetzung der von der Bevölkerung Frankreichs, Irlands und der Niederlanden klar abgelehnten neo-liberalen Konstitution neuaufgelegt in der Lissaboner Erklärung nun angeblich gegen Außenfeinde als umfassendes soziales Formierungsprojekt imperialer Weltambition.
Die EU-Expansion der Kapitalinteressen, die nach innen auf spektakuläre Weise nicht zu Ende zündeten, setzt im Erweiterungskrieg jetzt auf direkte Kooperation mit faschistoiden Hilfstruppen und ihrem wirklich erstaunlichen Terrorpotential. Sie werden umwerfenden Erfolg haben in der ukrainischen Sozialimplosion. Das zweite ukrainische Tschernobyl 2014, die Kernschmelze und Kettenreaktion dreister Formen von Machogewalt in allem sozialen Umgang kann das endgültige Grab der europäischen Sozialdemokratischen Tagträume werden.
Davon kann auch die sozialdemokratische Schwanzpartei „DIE LINKE.“ betroffen werden, die immer noch darauf setzt, eines Tages mal mit dem Hund zu wedeln. Es ist nicht toll auf den Hund zu kommen, wenn er schon kaum mehr am Leben ist. Da rettet Andrej Hunko auch kein berechtigtes Hin-und Herschreien unter löblicher Polarisierung gegen die perfiden, olivgrünen Svoboda-KriegerInnen im deutschen Bundestag und ihre Claquere aus der Globke-Partei der Klitschko-Sponsoren, CDU.
Hunkos Betrag vom 20. Februar war schwach, begann – ganz im Stil der neuen Rechten hier – mit einer entsetzlich familien-sentimental-selbstbezogenen Anrufung der zentralen Glaubensdogmen der antikommunistischen Hegemoniepriester hier im Kessel und endete mit dem wahnwitzigen Appell an die Herrschaft, doch nicht so sehr Grenzen für Kapitalinteressen einzureißen, sondern vielleicht mehr solche für „die Menschen“ zu öffnen. Also ne, sowas von linkischer Koofmich an Niveau. Vielleicht hat er doch viel mehr gemein mit seinen grünen Banknachbarn als hiesige AntifaschistInnen?
Denn leider, leider, liebe humanistischen Linksapologeten, sind Kapitalverhältnisse in allererster Linie aus Menschen gemacht. Und wer freien Verkehr für die zu liberalisierende Handelsware Mensch und damit ihre abstrakt ausbeutbare Arbeitskraft fordert, betreibt mit der rechten Hand was der linke Zeigefinger gerade noch angeprangert hat. Klar hat er das besser gemeint als ers rübergebracht hat. Ich habe ihn aber nicht seiner guten Absichten wegen auf diese liederliche Tribüne mitgewählt für seine 4 Minuten ausnahmsweise mal ein bisschen linker gestrickte Begleitmusik.
Für mich ist diese schwache Show trotzdem (immer noch) kein Grund aus der Partei der „Linken“ gerade jetzt auszutreten. Im Gegenteil, alle Kräfte, die auch nur den Hauch eines Verdachts erregen, in den Kämpfen der kommenden Monaten einen Antifaschismus der Tat für das ukrainische Kampfgebiet wirksam werden zu lassen, verdienen und brauchen unsere aktive Mitgliedschaft. Raushalten gibt es nicht. Die Nazi-kommandos gehen von Haus zu Haus, wir zwangsläufig von einem ihrer ‚check points‘ zum anderen, wir werden demnächst hier was erleben, was einer Synthese aus Kosovo und Syrien nahe kommt. Wir brauchen jeden, der es mit uns aushält gegen den blanken Wahnsinn dieses braungesternten EU-Feldzugs.
Wie bewegen wir uns im Vorfeld dieses Konflikts? Ich meine das materiell, nicht nur materialistisch. Ich habe ein paar Minuten auf dem Weg vom geputschten Kiev ins noch nicht geputschte ArbeiterInnen-Montangebiet Krivoj Rog rekonstruiert. Sowas ist unter Umständen so nervig zu lesen, wie mitzumachen. Wenn Euch die Hutschnur platzt beim Lesen habe ich mein Agitationsziel erreicht.
Nach russischem Winterdrill hatten wir beim Rausgehen streng darauf geachtet, dass allen die Mütze richtig saß. Keine modischen Zwischenlösungen, freie Ohren oder sone Flausen, kommt nicht in die Tüte wo vor einer guten Woche noch knapp 30 Grad Frost am Morgen in den jetzt weiter zerfrorenen ArbeiterInnengärten standen. Zumal weil unsere jüngste Genossin, unser „Oktoberchen“ – Oktobrinka noch keine 30 Monate alt ist. Wenn wir nicht die Mütze gut zubinden, den Schal ohne Lücken wickeln, dann werden die Nachbarn einschreiten, Skandal machen, ein letztlich immer willkommener Anlass für das eingesessene Matronat und ihren verqueren Helfershelfer und Haus-Quäler vom beiwohnenden Patriarchat, das Heft in die Hand zu nehmen und alle seinen Befehlsdetails zu unterordnen: weiter über die Ohren ziehen, unten bündig zubinden, ganz zubinden habe ich gesagt. Oktobrinka war noch keine 3 Minuten alt gewesen, mir gerade erst auf die Brust geklatscht worden, da bekam ich schon den ersten Anpfiff dass ihre Mütze nicht richtig sitzen würde, dabei war sie über den ganzen Kopf und Rücken behaart wie ein Tigerküken und das spätsommerliche Krankenhaus wirklich nicht von Frischluft geplagt. Aber Drill ist Drill. Schonfrist ist nicht vorgesehen. Wir schwärmten im Schrittmaß Oktobrinkas stöbernd in die Gartenstraße aus, badeten durch die Luft, die so lau war, grad mal ein paar Minusgrade, die uns mit Sommerahnung überschütteten, so angenehm fühlten sie sich auf einmal an. Über der Stadtmitte fortgesetzte Reihen von Explosionen. Oktobrinka also ist ein Kriegskind geworden.
Niemand von uns hätte das vor kurzem noch für möglich gehalten. Streng legten die Meldungen der mehr oder weniger untergehenden Staatsautorität nahe, unbedingt zu hause zu bleiben. Wir wollten nicht auch noch dem Folge leisten. Andererseits war es für uns und ein paar dutzend GenossInnen, die wir kurzfristig telefonisch um ihre Meinung fragen konnten, ausgeschlossen, sich wie die deutschen ParteipiratInnen oder Olivgrüne Parteibefreier in der Operationszone der faschistoid befehligten Majdanschützen für Presseinterviews bereit zu halten, wo auf beiden Seiten ein Menschenleben niederer Chargen sichtlich so wenig wert ist, grad mal nen interessanten Hintergrund abgibt.
Warum alle unsere GenossInnen die Faschohegemonie Zone Majdan meiden? Sehr einfach. Wer dort mitmischen, mitmachen, selbstverwalten will unter Nazifahnen und völkischem Kommando ist nicht mehr unsere Genossin, nicht mehr unser Genosse. Verständlich? Wir hatten uns mit ersten Schritten, trotzig, schematisch, noch unelastisch, also auf zum 9-stündigen Schienenweg gemacht in die ArbeiterInnenstadt Krivoj Rog, ins Krumme Horn, die geologisch definierte Schwermetallbasis des einstigen Sowjetbaus überhaupt, eine Stadt 40 km lang und manchmal nur ein paar Gartenzeilen und obligatorische Eisenerzhalden breit, eine Stadt von sechshunderttausend lohnabhängig gehaltenen ProletarierInnen weniger von ihnen in Lohnarbeitslosigkeit gedrückt als im Westen des Landes nötig, um die Klassengefügigkeit aufrecht zu erhalten.
In Krivoj Rog brummt’s. Die DrahtzieherInnen der nun schon knapp 10 Jahre abrostenden orangenen „Revolution“ haben nach damaliger Machtübernahme das staatseigene Weltkombinat Krivojrogstal dem Duisburger Kapitalakkumulierer Mittal zuschlagen können. Und in dessen Interesse kracht es und staubt es jetzt krebs-, Asthma und Feuerspuckend durch die Tage und Nächte über den StahlarbeiterInnen-Wohnzeilen der südrussisch-ukrainischen Stadt. Dahin, in den industriellen, den mit noch mehr Wärme russisch sprechenden Süden, in die gewissenhaft verlorene Provinz, dahin wollen wir, mein Geliebter, zieh‘n. Wollen doch mal sehen was die Bürgerkriegsmobilisierung fern der Westbotschaften und der Gier ihrer Fernsehkameras mit den Objekten ihrer Lustfixierung noch so anstellt. Wollen doch endlich mal Subjekte ihrer Geschichte sehen und nicht mehr nur Kälber in steif festem Tritt wenn der Metzger der Adenauerstiftung sie ruft (das Fell für die Trommeln, das liefern sie selber).
Und wir haben sie gefunden: die Verständigungsfertigkeiten der lohnabhängig gehaltenen Klasse. Wir haben ihre wirkliche Lust auf realen Kommunismus gespürt, der immer und immer wieder neu zu machen ist, und ihre antifaschistische Solidarität für den Weg dorthin. Es gibt sie. Dass wir sie wochenlang nicht hörten liegt an unseren zugerichteten Ohren. Dass wir sie tageweise nicht erkannten lag an dem Werk den paramilitärischen Blendgranaten im Fernseh-Direktübertragungsfeuerwerk der hauptstädtischen Eitelkeiten. Und wir bekamen dabei freilich die Bestie selber vor die Nase. 300 besoffene Nazis, zum Teil mit Bussen rangekarrt, im ersten Hotel der Stadt zum Übernachten ausgehalten von Figuren die nicht schlecht Geld verschieben, dabei präzise dirigiert von hart trainierten Chefideologen und Einheizern: „Lyncht die Kommunistenschweine! Jetzt, macht sie kalt, jetzt, jetzt!“
Damit waren wir gemeint, die 25 letzten vor dem Leninstandbild von Krivoj Rog, das Gesicht unseres 19jährigen Genossen mit dem schönen polnischen Rufnamen Stas schon blutüberströmt, die Tierärztin, Olla, neben mir stößt ein letztes Mal die Leiter um, mit dem der Motoradbehelmte die plasteummantelte Stahlschlinge um das Genick unseres Genossen Illich legen wird. Er fällt noch mal. Nicht mehr lange. In seinem Suff des gewaltigen Erfolgs merkt er es nicht richtig. Olla wird von anderen gezielt gepackt. Es gibt genau koordinierende Nazis in der scheinbar formlos brutalen Bewegung. Sie haben Olla erkannt als Haupthindernis auf ihrem Weg nach oben, die Schlinge um den Hals zu legen und zuzuziehen. Die Körperbewegungen von Ollas Verfolgern sind dem Prädatorenarsenal ritualisierter Vergewaltigung verpflichtet.
Die RentnerInnen an unserer Seite mit eisernen Nerven, die nur noch jene Sowjetkinder haben, die vor oder unter deutscher Besatzung geboren wurden. Die standen neben uns bis sie halt von den Angreifern hingemäht wurden. Ich habe keinen Augenblick bemerkt, in dem ihnen ihr Leben zu schade war für unsere gemeinsame Sache. Bei den jüngeren ist das noch nicht so einfach, noch kompliziert, bewegt sich nur in Sprüngen, wahnsinnigem Herzschlag. Sie quälen Olla, zerbrechen fast die Armknochen, so sehr entspricht die Zwangs- und Klemmhaltung ihren Rollenerwartungen. Erziehung zum Vergewaltiger ist die deutlichste Mitschuld der ukrainischen Nachwendegesellschaft bei der derzeitigen Faschisierung.
Wie beim ersten Tschernobylgeschehen wird dafür nicht nur die Ukraine zu bezahlen haben. Als wir trotz allem, trotz des 300fachen, handgreiflichen Wunsches, uns mitaufzuhängen doch noch einmal lebend rausgekommen waren und prompt uns über unser Lebendigsein wieder zu wundern begannen – diese unsagbare Lebensfreude am Rand ihres Abgrunds … fingen wir auch schon an, Olla auszufragen, woher sie diesen unglaublichen Mut herhat, immer wieder weiterzuwirken gegen den Klassenfeind, wenn er ihr nur ein paar Zentimeter Bewegungsmöglichkeit lässt. Ihre Antwort gab sie am nächsten Tag, über einem Teller Buchweizenpapp: „Ich arbeite jeden Tag mit Schweinen, kastriere noch von Hand, 12-Stunden Arbeitstag ist üblich bei uns, drei Stunden an- und heimfahrt, Krivoj Rog ist so unpraktisch langgezogen, 1oo Euro im Monat, nicht immer wird auch ausgezahlt. Mach ja auch noch die Buchhaltung im Mastbetrieb (nicht im Schlachtbetrieb). Auf jede Kopeke Lohn von uns allen Arbeiterinnen zusammengenommen macht der Mäster das etwa zwölffache Profit. Ich mach‘ auch die Lohnverhandlungen, die anderen sind dafür zu eingeschüchtert, die schieben mich nach vorne, bei der täglichen Scheißarbeit im Stall, weil ich die Tierärztin bin, sagen sie; und bei der monatlichen Scheißarbeit gegen das verwöhnte Portemonnaie vom Chef, da sowieso, könnte ja Entlassung nach sich ziehen zu sagen was wir denken.“
Marina Achenbach hat anhand ihrer wenigen eigenen Fehler aus dem jugoslawischen Zusammenbruch der 90er Jahre erzählen gelernt für den Deutschen Bürgernepp, der unsere Umgangs-Sprache als Geisel hält, sobald sie uns aus ihren proletarischen Produktionsbedingungen der Klassenwirklichkeit herausgerinnt. „Martin, völlig verquer. Keiner kann Dir folgen wenn Du das so machst. Erst die Pointe, dann nochmal chronologisch mit diesen Kleinstschritten und ihren ungeduldig-assoziativen Veitstanz-Sprüngen!“ „Freie Assoziation freier Klassenstandpunkte des kämpfenden Proletariats. Ein Bild schärfster revolutionärer Dissonanz.“ „Vergiss es, nicht im deutschen Schriftbild, nicht mit den sagenhaft verinnerlichten Bürgerzensoren all derer, die es mal wirklich anlesen könnten.“ „Wo sie eh alle nur immer wieder anlesen und dann die Beleidigten spielen, die um ihre gewohnten Lesegefühle betrogenen, machen wir das Gute halt nebenbei.“ „Mach was Du willst, ich und viele andere wird das kaum mehr irgendwie beschäftigen.“ „Weil ich kein Unternehmer bin, sondern Lohnabhängiger, nicht mal unternehmerisch im linken Schrebergärt*innenwesen deutscher Nationen. Deswegen werde ich Euch nicht die Beschäftigung verschaffen helfen, die ihr Euch angewohnt habt. Wacht auf aus Eurem träumen, denn Eure Träume sind schlecht!“ „Das genau wird die unternehmerisch-olivgrüne Fraktion von Deinem Leninbild sagen.“ „Eine notwendige Polarisation. Im Klassenkrieg ist Polarisation bisweilen im Interesse der werktätigen Klasse. In solchen Fällen werden wir unerbittlich zuzuschlagen haben. Repression gegen Faschisten? Wo immer nur möglich sofort und auf der Stelle. Schlagen wir sie wo wir sie treffen! Weichen wir ihnen nur dann und dort aus wo es ihnen passen könnte, uns zu treffen. Krieg dem Faschismus paneuropäischer Kapitalinteressen! Klasse gegen Klasse. Sie haben uns für sturmreif erklärt. Wollen doch mal sehen.“
Ich bin kein Gast im ukrainischen Klassenkrieg. Ich wohne hier. Ich bin ein Teil der Widersprüche, die täglich leben beenden. Und wichtiger noch, ich bin Teil linker und klassenbewusster Solidarzusammenhänge, die den Umschwung der rechten Generaldynamik herbeiführen können. Ich bin nicht auf der „Deutschenliste“ für dessen Erweiterung die Referenten der 5. Kolonne auf den schmierig majdanisierten deutschen Botschaftsseiten unentwegt werben. Lassen sie sich eintragen in die Deutschenliste. Meiden sie Reisen in die Ukraine wenn Ihr äußeres nicht europäischer Norm entsprich, raten sie klugscheißerisch. Seit Majdanbeginn, so referieren sie, häufen sich die Angriffe auf auch EU-PassträgerInnen mit „nichteuropäischen Aussehen“, so die Botschaftsseiten des deutschen Auswärtigen Amts für das reichlich kühn geplante Anschlussgebiet Ukraine.
Und sie fügen ihrer Reisewarnung mit dem klebrigen Lächeln eines eben bisweilen amtstonelnden Fascho-Dorfbullen an der noch-Neissegrenze vertraulich augenzwinkernd hinzu: „Ein fremdenfeindlicher Hintergrund ist nicht auszuschließen.“.(www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/UkraineSicherheit.html) So ein Rat vom hauptamtlichen Streichholzgeber (wie Jugoslawien 1992: die Amis stellen nur die Benzinfässer, den streichholz schmeißt der deutsche Biedermann) wird befolgt. Fremd wirkt nur noch das nichteuropäische Aussehen mancher Untertanen im Expansionsgebiet. 1929 wurde im Umland Krivoj Rogs der erste Jiddische Rajon der Welt ausgerufen. Seine Räteverwaltung im Hauptort (damals auf jiddisch Stalindorf, heute ukrainisch Oktoberdorf, Žovtnevoe) setzte sich aus 23 einzelnen Dorfräten zusammen: einer verhandelte den überlieferten Protokollen nach auf russisch, zwei auf deutsch, vier auf ukrainisch und 16 der Einfachheit nach in jiddisch, der Mehrheitssprache.
Alles Land ab ein paar Kilometer südlich Kiev war im Hochbarock Teil der osmanischen Toleranz. Darum war sie wirklich gross, die Verlegenheit der Zerbster Rekonquistadorin im Osten, Ekaterina Velikaja, gross: womit die Einöden füllen, die ihre erzbrutale Kriegspolitik geschaffen hatte? Ekaterina besann sich auf ihre Untertanen letzter Klasse, ihre „dummen Judenbengel (Rückübersetzung der Quellensprache)“. Generation auf Generation wurden sie nun in die Roterden um Krivoj Rog zwangsumgesiedelt, um meist schon nach wenigen Missernten auf der eisenlastigen Erde neuem Zuzug Platz zu machen. Dieses Kolonisationsprojekt – aus den Ghettos in die Landwirtschaft – war nicht nur phänomenal einmalig für das gesamte Zarenreich, es war angesichts der Bedingungen für Landwirtschaft in der roten Steppe auch ausgemacht fies.
Es reichte in dieser Erde mit Landbau nicht wirklich zum Leben, es reichte aber sehr wohl zum Sterben unter diesem pan-europäischen Regime, dem Voltaires Rat, klug und teuer, einfühlsam mit den Sorgen der Großen Zarin zur Seite stand. In solchen mies gehaltenen Gegenden schossen die Sozialverhältnisse des entstehenden Weltverbunds kapitalistischer Produktion wie Pilze aus kongenial vorbereitetem Boden. Und für beide Rollen gab es nur ein und dieselben Dörfer und Städtchen, um die ersten Statisten zu stellen.
Die industrielle Ausbeutung von Krivorožer Eisenerz brachte jüdisch bekennende Bergingenieure in Einsatz gegen jüdisch sozialisierte Bergarbeiter*innen. Aleksander der Zweite erkannte daraufhin, dass sich sogar in dieser Gruppe von Outcasts, die seine VorgängerInnen in die rote Steppe gezwungen hatte, sich das Teilen und teilend Beherrschen lohnen würde. Und während in Wien nur mehr die lumpige Oper Roma zu Zigeunerbaronen über andere zu erheben wusste, wurden in der Eisenerzstadt Krivoj Rog nun nach zarischem Willen tatsächlich auch echte Judenbarone über das entstehende Schlotregime gesetzt. Weil aber der Laden so für die Kassen der Selbstherrschaft noch mehr zu brummen versprach, gab es auf einmal sogar BürgerInnenrechte für JüdInnen im Umkreis der Stadt, die ihnen allerdings bald wieder abgenommen wurden. Der 4. Stand malocht seitdem bis hinein in die miserablen Lohnverhältnisse des letzten Jahrzehnts, nun erzwungen von der Duisburger Mittal, ohne substanzielle BürgerInnenrechte; gewerkschaftliche Organisationsrechte gewährt sie nicht mal dem Anschein nach.
Der Vormarsch der deutschen Wehrmacht in die Montanregion war das Ende der jiddischsprachigen Mehrheit. In einer ersten Sammelerschießung wurden 15.000 Sowjetbürger von den deutschen Besatzern umgebracht. Warum? Offiziell weil mindestens einer ihrer vier Großeltern etwas mit den Synagogen der Region zu tun gehabt hatte, so die Annahme der Exekutivmaßnahme auf Grundlage der Globke-Kommentare des Nürnberger Gesetzgebungsprozesses. Kinder im Schulalter wurden gesondert gesammelt und erschossen. Die letzten überlieferten Fotos ihrer Gesichter hinter deutschem Stacheldraht vergisst Du Dein Leben nicht wenn Du sie einmal an Dich herangelassen hast. Es gab Widerstand, auch bewaffneten und hochgradig organisierten gegen die deutsche Politik in Krivoj Rog 1941 bis 22. Februar 1944. Und doch konnte auch er die Interessen der Mehrheit nicht gegen die der militarisierten Minderheit durchsetzen. Wer unter der Globke-definierten Zielgruppe die ersten Erschießungen überlebt hatte wurde plangemäß im Wirtschaftsbetrieb der Wehrmacht für den Straßenbau nach Osten vernutzt. Die einzelnen Lager wanderten nicht lange mit den Straßenbauabschnitten in Richtung Osten, sobald die durchschnittliche Arbeitsleistung nachließ wurden auch sie in Massenerschießungen liquidiert. Im Stammlager 338 wurden als erstes Krankenschwestern, Ärztinnen und Ärzte unter den Zwangsarbeiter*innen ausgesiebt und sofort erschossen, die Fähigkeit der Lager, ihre Gesundheit zu erhalten bei der ungeheuren Arbeitsbelastung sollte von vornherein gebrochen werden.
Den Tag der Befreiung durch die Rote Armee, den sagenhaften 22. Februar 1944, erlebten letztlich nur jüdische Widerständsarbeiter*innen, die in der Illegalität gegen den deutschsprachigen Klassenfeind operierten. Die sieben+ Lenindenkmäler, die in jedem Rajon des Stadtgebiets während der unmittelbaren Folgezeit der Befreiung auf den Denkmalsabrissen von 1941 entstanden, waren auch Teil des Vermächtnis dieser jiddischsprachigen PartisanInnen. Und als wie weise erwies sich für die einstigen Pionier*innen des jiddischen Rajons Stalindorf, dass sie schon vor dem Jahr 1948 und seinen unheimlichen Kampagnen gegen gewisse „KosmopolitInnen“ (nicht Ehrenburg) und später ÄrztInnen (1953) eben nicht Sosso, sondern Vovik in ihren wiedergewonnenen Stadtraum konstruktivistischer Planungslinien stellten.
Fast 70 Jahre gab es augenscheinlich keinen Grund, an dieses Vermächtnis zu rühren. Ausgerchnet aber zum 70. Jahrestag letzter deutscher Militärdiktaturverhältnisse in Krivoj Rog, und das wirklich nicht zufällig, holten zahlungskräftige Kreise in mehren Dutzenden Autobussen Sturmabteilungen in die Region, brachten sie auf ihre Kosten im zentralen Hotelkomplex der Stadt unter und organisierten unter Naziflaggen und SS-Rufen den Sturm auf das Nachkriegsvermächtnis in Form Lenins am Ausgangspunkt der kastanienumsäumten ulica Revoljucionnaja. Wie wird so was gemacht? Was ist das, kapitalgestützte Nazihetze 2014? Auf was für Gesichter trifft die Offensive? Wie sieht ihr Leben aus, wie könnte es werden, wenn statt dümmlichem Denkmalsturz doch endlich mal Kapitalmachtsturz auf die Tagesordnung der MalocherInnenstadt käme? Antworten müssen wir uns erlaufen. Fast alles ist zufällig bei der stets nötigen Neuerfindung proletarischer Klassenpolitik. Sehr vieles ist dabei aber auch regelrecht absehbar: es gibt Bewegungsgesetze, politische Ökonomie persönlich leistbarer Mobilisierungen, und schließlich gibt es eine Schutzmacht von Kapitalherrschaft: den modernen Staat.
Wie verhalten sie sich hier zueinander? Warum kippt der letzte grad sichtlich aus den Latschen oder muss nur einmal mehr alles sich wandeln, damit alles für die alten Knacker im Herrschaftspersonal des Verwertungszyklus aber auch alles beim alten bleiben kann? Ein herausragender Vertreter dieses alten Personals, den wir unterwegs treffen und sprechen werden, ist – laut offiziellen Quellen – übrigens Jahrgang 1977, ausgesprochen streng ortodoxer Synagogenbesucher. Mit uns treffen am Samstag war schon im Vorzimmersekretariat völlig undenkbar. Also Sonntag nach der Aktion. Seine Synagoge steht im historischen Stadtkern von Krivoj Rog. Sie ist eine der größten ganz Osteuropas. Sie ist erst wenige Jahre alt. Der Exponent der herrschenden Partei Janukowi?s hat sie sich selber gebaut und – meinen einige – auch sich selber zu Ehren benannt. Das ist nur halb richtig, denn offiziell heißt sie nach seinem Großvater, dessen Vorname eben derselbe ist, den sein Enkel führt. Wir hören eine Ukrainerin im Krankenhaus plaudern, die in diesem Synagogenbetrieb per Lohnverhältnis ausdrücklich als Nichtjüdin gebraucht wird… irgendwer muss schließlich Samstags was ein- oder ausschalten dürfen. Und schließlich erkennen wir bei dem kleinen Krankenhausklatsch die Fragerin: unsere ebenfalls proletarische Olla, sie liegt im Krankenbett nebenan und lässt sich einiges durch den Kopf gehen (woraus sie, wie in Arbeiter*innenfamilien üblich, selten einen Hehl macht).
Die Luft war dick über Kiev und zwischen uns, da half kein Anflug von Pirolgesang und Birkensaft. Lewins Mühle war den Bach runter. Im Mischwahlkreis Kiev-Zentrum, zu dem auch unsere Peripherie im Nachkriegs-Gartenland-Schatten der Antonov-Flugzeugwerke gehört hatte ein offen bekennender Nazi, Lev?enko hatte offiziell über 30.000 Stimmen bekommen. Im Exitpoll waren sogar über 51% für ihn aussagebereit. Deswegen kann schon angenommen werden, dass sein Wahlergebnis um runde 7% nach unten korrigiert wurde. Eine Neuauszählung hat das Gericht aus ausgesprochen formalen Gründen abgelegt, die Nazi-Beschwerdeführer seinen selber im Kreis nicht wahlberechtigt. So, und jetzt bitte schnell eine Meinung, war es in den frühen 30er Jahren im deutschen eventuell legitim öffentliche Wahlergebnisse zu fälschen, damit ein Nazi nicht in den Reichstag einzieht? Unser Wahlkreis 223 war eine von 5 Nachwahlmandaten und damit hochgradig überbewertet mit Kaffeesatzlesender Aufmerksamkeit. Die Adenauer Stiftung mit ihrer haudrauf-Partei „Udar“ und die orangene OligarchInnenmischpoke „Vaterland“ waren als „geeinte Rechtsopposition“ mit der Nazipartei Svoboda angetreten. Dass in Kievs Zentrum und seiner einstigen Flugzeugarbeiter*innenvorstadt Nivki diese unheilige Rechtsallianz auserechnet einen Jungnazi aufstellt war nicht zufällig.
Der Fang war dort angesetzt, wo es etwas zu fangen gab. Kurz vor unserer Abfahrt aber packte Mašas Mutter (Schreinertochter, selber Buchhalterin auf Kurzarbeit) aus: keiner in dieser beschaulig-popeligen Gartenstrasse ehemaliger ArbeiterInnenhäuschen und ihrer Bauherrennachfolger hatte für jemand anderes gestimmt als den Nazi, soviel war unter der Hand bekannt. Und Mašas Eltern fanden auch, es sei der beste von 70 (!) zur Auswahl stehenden Kandidaten gewesen. Damit kamen sie auf einmal heraus.
Etwas ähnliches hatte ich drei Tage vorher in einem Fascho-völkischen Diskussionsforum „Ukrainiskij dom“ erlebt, wo schmierliberale Linksintellektuelle (Zeitschrift Spilne) und trotzkistische Super-EntristInnen (leva opposicija) ihre halbe Stunde Kasperei bekommen hatten… und das – alle waren baff erstaunt – ohne einen Prügelüberfall. Später war klar geworden warum die Auftragsmörder der Nazipartei „Svoboda“, zum Beispiel ihre Elite-Schlägereinheit C 14 unter ihrem Führer mit internet“spitz“name „Vorteks“ (benannt nach seiner Schlagtechnik, die selbige bei den politischen AbschusskandidatInnen durchschlägt) an diesem Termin noch nicht eingesetzt wurden, obwohl die Aufklärungsabteilung der Parteiführung und ihre langjährigen Kontaktpersonen ins linksliberale Spektrum (Kosteleckij) den Vorgang genau begleiteten und koordinierten.
Mord und Totschlag war für den Folgetag zum Parlamentssturm so massiert in Vorbereitung, dass ein bisschen Pluralismus im völkischen Betrieb im Vorfeld ganz recht kam… zumal die sich sichtlich, mit zittrigen Stimmchen, in-die-Hose-scheißenden Vorzeigelinken, trotz ihrer musterliberalen Guardianauftritte etc., im völkischen Rahmen nur sagenhaft verwunden auszudrücken vermochten. Sie wollten doch zu bedenken geben, dass „die sozio-ökonomische Frage“ bei Protesten, auch rechten, nie so hinter rein völkisches zurückgetreten war in den letzten Jahren wie beim Majdangeschäft. Niemand der herumsitzenden männlich-rechten Schwerenöter und, wie sie später zum besten gaben, als sie auf ihr einziges soziales Thema kamen, kaum beschreibbar aggressiven Abtreibungsgegner-um-jeden-Preis, konnte oder mochte begreifen was die linkstheoretischen Platzhische und –Hirschinnen der gefällig ukrainisch-neologisierenden Gelehrtenrepublik mit ihren bemüht-politologielastigen Leerformeln wollten… und das hielt ihnen bestimmt unter anderem auch viel persönlichen Ärger an diesem Abend vom Halse. Ich bewundere alle 4, die sich da auf die Bühne gesetzt haben. Es wäre toll, sie nutzten ihren sagenhaften Mut für linke Interessen und nicht für rechte Fortbildungsveranstaltungen. Viktor, ein Bibliothekar mit Schwerpunkt 17. Jahrhundert, raunte mir später zu, „das war so furchtbar mit anzuhören, diese Diskussionsrunde, von denen ist nichts linkes mehr übriggeblieben.“
Ja, diese einstigen KontrahentInnen sind unter den überlebensgroßen SS-Heldenportraits, unter die sie die Majdan-Regie gesetzt hatte ganz in sich zusammengeschmolzen, nur noch fließendes Wachs im faschistoiden Teig. Mitterand in Vichy stelle ich mir so vor. Aber für präzise Vergleiche fehlt mir der Überblick über rechtssozialistische Verdrehungs- und Verrenkungsmöglichkeiten des menschlichen Körpers. Und während die Kerzen unter den SS-Bannern in sich zusammenschmolzen erklärte mir der begeisterte Ukrainisch-Redner (wenn keine Fernsehkamera läuft spricht er wirklich ausschließlich russisch) Andrij Movchan, Platzhirsch im anarchisierenden Stundentenverein („freie Gewerkschaft“) Direkte Aktion (PD) die Sicherheitslage wie er sie sieht. Als ich zurückfragte, warum er glaubt, die Psychologie und Schlagstrategie des Gegners „Vorteks“ so gut einschätzen zu können, richtete sich Andrij auf einmal sehr selbstbewusst empor. So hatte ich ihn noch nicht gesehen all die 4 Jahre vorher und erklärte mit klarer fester Stimme: „weil ich selbst voher in der Sturmabteilung www.unaunso.org organisiert war. Ich war Rechter“.
Es gibt einige wirklich gute AntifaschistInnen, die als Überläufer aus dem rechten Lager angefangen haben. Es gibt auch passende und unpassende Momente so was halböffentlich zu machen. Dieses abendliche Rattenrennen der Anpasser an den völkischen Machtdiskurs in der rechtsradikal geframeten Speakers Corner aber schien vor allem Andrij ganz gut so zu passen. Für ihn kamen an diesem furchtbaren Abend endlich zwei Welten zusammen und der alte Boss blieb aus, gar kein schlechtes Ergebnis. Ich habe nachgefragt um sicherzugehen, ob er das wirklich so meinte. So ist es in der Ukraine nach dem rechtsdynamischen Tschernobyl-II: Du wirst nie so viel essen können wie Du kotzen musst.
Als ich mitgeteilt bekommen hatte, dass zwei Grosseltern Oktobrinkas in Kiev mittlerweile für Nazis stimmen, bat ich, nicht kommentieren zu müssen und schloss mich, weil in ArbeiterInnenfamilien der Stadt so nicht einfach die Unterhaltung gekappt werden kann in einer Kammer ein. Der Rest ging dann nur noch per Verhandlung mit Parlamentären. Erst kam raus, dass der Opa zwar wohl erklärtermaßen gern für den Nazi gestimmt hätte, „leider“ aber in einem anderen Wahlkreis gemeldet sei. Die Oma dagegen hatte das Schließen der Wahllokale bei der Anfahrt verpasst, hätte aber im erfolgsfall für den Nazi gestimmt. Das gab mir die Möglichkeit, unsere Sachen für die Abreise in den Süden fertig zu packen mit folgender Schönfärberei. MaterialistInnen interessieren sich für schlechte Taten und ihre Folgen. Schlechte Absichten sind was anderes.
Allgemeine Erleichterung im Grossfamilienkreis, dieser Kelch war also am kleenen, seit 68 Jahren hier verbandelten und über die Straßenecke verschwägerten Gemeinwesen vorübergegangen. Eine Scheinlösung, wie so vieles was wir derzeit in der Ukraine anstellen, um nur vom Fleck zu kommen und nicht zu reinen Miesepetern, die nur noch reine Westen fordern. Mit einer reinen Weste ist es offensichtlich nicht getan. Großonkel Oktobrinkas, Andrij, zum Beispiel ist nicht wählen gegangen, seine politische Stellungnahme war, bei Beginn der Massenschiessereien im Stadtkern das erste Mal in 4 Jahren seinen Kleinwagen nicht mehr im Gemüsebeet seiner Schwester zu parken, sondern in die Garage reinzufahren. Dafür mussten einige Bretter umgeräumt werden, etc. also niemand hätte gedacht, dass er diese soziale Leistung vor den 2. olympischen Winterspielen noch hinbekommt.
Dass die materiell vorgespurten Kleinlichkeitsverhältnisse von ArbeiterInnenvierteln stets auch ins Kleinbürgerliche herüberchangieren (ein Lotto-Gewinn trifft da regelmäßig ins Schwarze) ist aus historisch konsequenter industriellen Verhältnissen in Deutschland bekannt. Wir leben hier in den Kiever Favelas der Nachkriegsjahre aber förmlich in aufgemotzten Schweinekoben und Hühnerhäusern, Taubenschlägen (essen woanders und bringen den kleinen Braten auf weißen Flügelchen nach Hause), in ehemaligen Truthahnbrütern für längst vergangene Schwarzmarktoperationen und ziehen krumme Petersilie in gerade erst trockengelegten Entenpfuhlen. Solche komplizierten Amphibienverhältnisse sagen aber noch nichts über mögliche Luftsprünge in klassenlose Existenz voraus. Auch hier wäre Kaffeesatzlesen nicht die richtige, die materialistisch notwendige Systematisierungsart ethologischer Frosch-Beobachtung, oder?
Wichtig ist, aus solchen Verschachtelungen zwischen Lohn- und abgeleiteter familienförmiger Feudalabhängigkeit herauszukommen, in einen allgemeineren Zusammenhang als lohnabhängige Klasse zu treten, die wesentlichen Linien des Kampfes um die Interessen dieser Klasse zu erkennen und zu verfolgen, ohne sich vom KleinbürgerInnenmief vordergründiger Deklassierungsvermeidungsstrategien gleich um die Ecke bringen zu lassen. Aha, bin ich jetzt selbst schon im Verharmlosungsgeschäft der neu-ukrainischen Spiessermafia investiert. Nein. Zwar verkenne ich nicht das Ansteckungsrisiko, aber ich kenne die Phänomenologie des Krankheitsverlaufs zum sozialen Tode des Besitzstandsbürgers gut genug, um die Symptome früh ernst zu nehmen. Jedes Besitzdenken, jede Sehnsucht nach Ruhe, nach „kreativem werkstattraum“ und sonstigen bourgeoisen Eseleien kreiden wir uns an, machen wir uns kaputt, weil wir wirtschaftlich und vor allem klassentechnisch nicht die Fundamente für die hinter solchen platten Sehnsüchten nötigen persönlichen Ausbeutungsverhältnisse legen. Wer hat Angst vorm Beobachter-Spiesserdasein? Niemand. Und wenn wir’s plötzlich geschenkt kriegen, weil die herrschende Polizeigewalt z.B. eine Woche faktische Ausgangssperre voraussetzt (ohne sie zu erklären)? Dann rennen wir! Wohin? Weg! Du rennst nicht einfach aus einem Bürgerkrieg, schon alleine weil Du selbst ihn mit Dir herumträgst.
Als wir in die Metrogitter kamen waren wir schon wieder mittendrin. Nur 7 Stunden später war der wackelige Pakt zwischen blauen Masodonten und Faschos unter Steinmeier-Regie schriftlich besiegelt worden, schon war der strategische Eingangspunkt zur Metro, wo sonst immer von Zivilbullen Schwarzfahrer abgegriffen wurden eine Fascho-Patrouille aufgestellt worden. Zwei junge glattgescheitelte standen mit „Helfer“-Armbinden Spalier und zeigten ihren hormonbedingten Hähneschmuck, die Euro-Breitschlagswilligkeits-Bändelchen, die wirklich niemand mehr trägt, sonst.
Interessanter Reinfall. Waren aufgelegt worden wie die orangene Sündflut vor 10 Jahren aber keine, keiner nahm den Scheiss diesmal. Und die 2 von hundert, die sie in den ersten Stunden der EU-Kriegsführung hier anlegten hatten sie ruck zuck auch schon wieder abgelegt. Die Gründe dafür sind nicht zu erraten. Ein linker Internet-Sitzer von Marxens Gnaden recherchierte sich folgende Theorie zusammen: es gab Fälle, wo speziell Autos in Brand gesetzt worden waren, die diese blöden Euro-Farben, bzw. Ukraine-über-alles-Banner (offizielle Majdan-Losung) an ihren Antennen durch den superüblen Abgasdreck ihrer Dauerstaus spazieren fuhren.
Witziger als diese Blechverlustserie ist die Verschwörungstheorie bestimmter linker Computerbesitzer dazu: demnach hätten Majdan-AktivistInnen diese Autos von (mehr oder weniger) Protest-Kolleg*innen in brand gesteckt, um zu zeigen, wie gewalttätig Anti-Majdan gegen Eigentum vorgeht. Effekt dieser ‚false-flag-attacks‘ sei nun aber wieder dass gar niemand mehr diese Farben in seiner Nähe wissen möchte, es sei denn beim Abfilmen auf dem kurzlinsigen Kamerazirkus, der in zweieinhalb Innenstadtsträßchen, im wesentlichen aber auf dem Edelkaufhausdach „Majdan“ zum besten gegeben wird.
Dort kann es gar nicht genug sein, horizontal schwarz-rote Nazi-fahne und blau-gelbe Ukraine-über-alles-Fahne stets inszenierungsbedingt engverschlungen. Das Geschehen vor den superauflösend kurzsichtigen Linsen aber hat sehr wenig mit den waren gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen und ihren Umlagerungen zu tun, denn die gehen über den Arbeitsmarkt und seine Vorteilsnahmen. LohnarbeiterInnen konnten auf dem Majdan nicht mehr als 9% gefunden werden, doppelt so viele sollen leitende Angestellte sein und der Rest freies Unternehmertum, also LohnschinderInnen, verschiedener Mobilfunkqualitäten, vom Kiever Immo-besitz-er bis zum Lumpenproletariat des ukrainischen Armenhauses, der 5 streng-faschistoid erziehenden Westgouvernements, deren einziges Unternehmen so gross ist wie genuin unerfüllbar, da aus bloßer Luft gemacht, nicht mal besonders heißer: das national-ukrainische Hoheitsgebiet, einfach nur gereckte Brust, Gorillapose und ein paar ethno-Plattitüden, die Westlern vorführen sollen, dass die Lumpern auch ihnen so aus der Hand fressen werden wie denen, die ihnen jetzt Helm und Brei bezahlen beim Militärrekruten-Totkloppen. Totkloppen ganz besonders nach deren Vereinzelung.
Das erstaunte uns sogar noch beim blutigen Anmarsch der Stürmer in Krivoj Rog: sie schlagen mit ungeheurer Feigheit, die wirkliche Kraftentfaltung, die dann tödlichen Tritte, das Abschneiden von Händen Füßen, Augen wird für sie erst aktuell ein wenn sie den Gegner vom Anti-Majdan einzeln, isoliert am Boden liegen haben. So lange Du, geschweige denn Bestehende sich noch richtig wehren könnten sind sie eher Hunden ähnlich unterwegs in ihrer Verletzungsabsicht, vorwärtspreschend mit tollen Bissen, in denen die Kühnheit die eigene Angst kurzwellig überlistet, und immer wieder gleich danach auch schnell wieder ganz weg. Das sind die Bewegung einzelner. Die Bewegung als Masse wird von strengen Kommandoverhältnissen bestimmt und nutzt Erfahrung professioneller Offiziere, die unter Kombination der sonderbaren Einzelschlagfertigkeiten über dutzende Stunden und ganze Tage bestimmte Linien halten können.
„Nehmen Sie bitte die Fahnenbänder ab, wenn sie in öffentlicher Funktion jetzt hier rumstehen.“ Versuchte ich einen der neuen Beigeordneten der Metroautorität zum Reden zu bringen. Der aber verstand seine Propaganda-Funktion besser. Schon in wenigen Sekunden kommen neue hunderte von Vorübergehenden, die sich unter seiner Autoritätsposition loyal verhalten werden und so das Bild der beherrschung wieder herstellen. Gestern und in der Nacht noch haben einige unter ihnen, von denen sie sich nicht distanziert haben gemordet soviel sie konnten, noch 18 Stunden gibt es eine Amnestie für Besitz und Transport erbeuteter Mordwaffen und schon spielen sie die Friedensregulierer des Nach-Kriegs. Die Faschisierung der Nachkriegsukraine hat noch keine definitiven Formen, das sie eintreten wird scheint unausweichlich, wenn eine soziale antifaschistische Position nicht die Oberhand zurückgewinnt in den alltäglichen Zusammenstößen.
Unser Sammelpunkt für AktivistInnen der Hauptstadt, die mit nach Krivoj Rog kommen wollten, war im Büro der Kleinstpartei „borotba“ vorgesehen, das gleich beim Hauptbahnhof liegt. Borotba wird von der schwedischen Linkspartei finanziell unterstützt. Nen integreren Sponser kannste auch schwerlich finden diese Monaten in der crash-version von ukrainischer Politik, die vorläufig noch übriggeblieben ist. Verglichen mit den elenden rechtsseiernden Abkochern, die die ‚Rosa Luxenburg Stiftung‘ in der Ukraine bedient (Volynets, KVPU) ist die Solidarität der schwedischen Linkspartei erste Sahne. Aber dieses Vergleichen mit dem Schwanz der imperialistischen Leitmacht (der im Bundestag ab und an auch versucht, mit dem Hund zu wackeln, Hunko: meine arme Familie) hilft nicht, scharf zu sehen.
Was die Linkspartei Deutschlands zur Ukraine verzapft ist einfach so grottenschlecht, dass es in Vergleichen nicht mehr hilft, das genaue Sehen zu schärfen. Scharfe Bitterkeit ist kein Freund guter Küche. Ich find’s trotzdem gut, dass der ach so familiengeschädigte Hunko sich an seinem Arbeitsplatz Bundestagstribüne mit den olivgrünen Svoboda-HeldInnen anschreit. Wie wir an Brasilien-Portugal und USA-UK sehen wirkt bei weitem nicht nur das Mutterland auf seine imperiale Kolonie, sondern auch öfters mal andersherum. Der nächste Import aus der ukrainischen Verhovna Rada nach Berlin wär nach dem vorbereitenden Anschreien das hier bereits obligatorische Massenprügeln der seriösen EU-PartnerInnen im Plenarsaal.
Wir trafen uns dann aber doch nicht im Büro der „borotba“, weil die akut von einem rechtsradikalen Pogrom bedroht sind. In den rechtsradikalen Foren (z.B. rechter Sektor, C 14) werden offen die Operationsziele der nächsten Schläge diskutiert.
Ich muss die Aufzeichnung abbrechen. Wir müssen unser Verschwinden organisieren, bevor es die rechten in die Hand nehmen. Eben bekam ich übers Telefon eine konkrete Todesdrohung.
https://linksunten.indymedia.org/node/106975
[1] http://derunbequeme.blogspot.de/2014/01/die-swoboda-nazis-und-ihre-rolle-in-der.html
VON: DR. MARTIN KRÄMER LIEHN
Ukraine, aktuell: Nazi-Freikorps schiessen auf zivilen Widerstand linker Aktivist*innen, Polizei der neuen Putschregierung laesst ihnen freie Hand
Am 26.2 – um 4:30 Kiever Zeit, von Martin: Die beiden linken Aktivisten, denen Nazis beim Angriff in Il’i?evs (Oblast Odessa) in den Bauch und in den Hals geschossen haben sollen nach Meldung unserer ultra-nationalistischen Siegeragenturfirma UNIAN hier noch am Leben sein
(am 24.2 – um 14:03, unian.net/society/889036-v-odesskoy-oblasti-iz-za-vozmojnogo-snosa-pamyatnika-leninu-postradali-dvoe-chelovek.html),
Kremelquellen haben ihre Version der Strassenkaempfe mittlerweile – zum Teil wortgleich – uebernommen
(am 24.2 – um 14:03 http://interfax.com.ua/news/general/192315.html; – um 11:18 http://www.interfax.ru/news/360897, \ am 25.2 – um 01:15 http://russian.rt.com/article/23008).
Haltet Augen und Ohren auf, der Berliner Jubel ist nicht unser Jubel! (und unser linker Klumpfuss im Bundestag arbeitet zur Zeit mal wieder richtig schlecht)
Eben haben wir erfolgreich unser Sparschwein mit der eisernen Reserve zerschlagen und 1000,- Euro an linke Aktivist*innen verteilen koennen, die sich noch in der Nacht (mit Zahnbuerste und SNG-Inlandspass) nach Weissrussland durchschlagen wollen – naechste Grenze, gleich hinter Tschernobyl hier, wie bekannt. …das erste woran sie sich dort stossen werden sind richtig fiese, neoliberale Studiengebueren in Lukaslandia.
Noch ne Frage: Macht Ihr imperiumsbedingt Besserbezahlten eigentlich auch was oder lasst Ihr es wieder buchstabengetreu beim alten Kalle Marks und unserem neuen Einheitsfrontlied bewenden: „es kann die Befreiung der Arbeiter*innen Nur das Werk der betroffenen Arbeiter*innen sein“?
Falls Ihr wirklich keine besseren Kontakte habt aufbauen koennen in den 3 Monaten Vorlauf zum Faschoputsch im Anschlussgebiet… ich komm im diesem Moment noch per Plastikkarte an Konto Nr. 15 17 19 – 507 (auf Dr. Martin Kraemer Liehn, bei der Braunschweigischen Landessparkasse, BLSK, BLZ 250-500-00). Eventuell Beitragenden schicke ich Verwendungsweise unter PGP-Verschluesselung, am besten riseup.net zu riseup.net.(Kontakt: Martin bei Kiev@riseup.net)
Interessantes Detail: seit 10 Stunden kommen wir hier im Stadtgebiet Kiev nicht mehr mit torproject.org ins Internet, „server denies access“, gab’s vorher nie in unserer weggeputschten Praesidentialdiktatur hier. Kann reiner Zufall sein, … oder aber ploetzlich will jemand partout ALLES wissen, was wir hier noch von uns geben koennen.
schlaflos unterwegs fuer unsere nicht verlorene, gemeinsame Sache, Euer Martin
PS.: beinah noch so aktuell wie dieses Telegramm hier: https://linksunten.indymedia.org/de/node/1069757. Dezember 2013: www.indymedia.org.uk/en/2013/12/514114.html
Waren Janukowitsch-Gegner Scharfschützen des Maidan?
07.03.2014: In einem abgehörtem Telefongespräch zwischen dem estnischen Außenminister Urmas Paet und der Hohen Vertreterin der EU für Außenpolitik Catherine Ashton wird der Verdacht geäußert, „jemand aus der neuen Koalition“ in Kiew könne die Scharfschützen-Morde auf dem Majdan veranlasst haben, die dem von Berlin massiv vorangetriebenen Umsturz in Kiew unmittelbar vorausgegangen sind. Das Gespräch fand nach Paets Besuch in Kiew am 26. Februar statt. Es wurde abgehört und ins Internet gestellt. Seine Authentizität wurde inzwischen auch von Urmas Paet bestätigt. Paets Informationen zufolge verstärkt sich der Verdacht, dass Demonstranten und Polizisten auf dem Maidan von ein- und denselben Scharfschützen erschossen wurden, hinter denen nicht, wie in den westlichen Medien berichtet, Präsiden Viktor Janukowitsch stand, sondern Mitglieder der neuen Regierungskoalition. Das Telefonat zeigt aber auch, wie intensiv sich die EU in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einmischt.
Weltnetz.tv hat einer Übersetzung veröffentlicht:
Ashton: Hallo wie geht’s?
Paet: Gut und Ihnen?
Ashton: Gut, gut ich wollte nur hören was Sie dort gesehen haben.
Paet: Ich bin schon gestern Nacht zurückgekommen, nach einem Tag.
Aston: Welche Eindrücke?
Paet: Starke Eindrücke. Ich habe Vertreter der Partei der Regionen getroffen, auch der neuen Koalition und der Zivilgesellschaft. Da ist diese Dame mit Namen Olga, die Leiterin der Ärzte …Sie kennen sie?
Ashton: Ja ich kenne sie.
Paet: Nun mein Eindruck ist, dass es kein Vertrauen gibt auch nicht in die Politiker, die jetzt in die Koalition zurückkehren. Die Leute vom Maidan und aus der Zivilgesellschaft sagen, sie kennen alle, die in der neuen Regierung sein werden. All diese Typen haben eine schmutzige Vergangenheit. Sie haben Angebote gemacht an Olga und einige andere aus der Zivilgesellschaft in die neue Regierung einzutreten. Aber diese Olga z.B. sagt, dass sie nur in die Regierung geht, wenn sie ihr Team, ausländische Experten mitbringen kann, um wirkliche Gesundheitsreformen zu beginnen.
Es gibt also sehr wenig Vertrauen. Und auf der anderen Seite, all die Sicherheitsprobleme, die Integrationsprobleme, die Krim, und all das Zeug. Die Partei der Regionen ist total entrüstet. Sie akzeptieren jetzt, dass es eine neue Regierung geben wird und außerordentliche Wahlen. Aber es gibt großen Druck auf die Abgeordneten des Parlaments. Ungebetene Gäste besuchen nachts Parteimitglieder.
Einige Journalisten, die mich begleiteten, haben tagsüber gesehen, wie ein Abgeordneter vor dem Parlamentsgebäude zusammengeschlagen wurde von diesen Typen mit Gewehren auf der Straße.
Der ganze Schlamassel ist noch da. Leute wie diese Olga aus der Zivilgesellschaft sind sich absolut sicher, dass die Menschen die Straße nicht verlassen werden, bevor sie nicht sehen, dass wirkliche Reformen beginnen. Der Regierungswechsel ist nicht genug. Das ist der wichtigste Eindruck.
Aus der Sicht der EU und der estnischen Regierung sollten wir bereit sein, das Finanzpaket zu schnüren – auch zusammen mit anderen.
Wir brauchen eine klare Botschaft, dass es nicht genügt, die Regierung zu wechseln, sondern wirkliche Reformen, echte Aktionen, um das Vertrauen zu stärken. Ansonsten wird es schlimm enden.
Die Partei der Regionen sagte auch, nun Sie werden sehen, dass die Leute aus dem Osten der Ukraine aufwachen werden und werden ihre Rechte einfordern. Einige sagten, sie waren in Donezk, und Leute dort sagen, wir können nicht warten wie lange die Okkupation der Ukraine noch anhalten soll in Donezk. Das ist wirklich eine russische Stadt und wir möchten, dass Russland übernimmt … Eindrücke in Kürze..
Ashton: Sehr sehr interessant. Ich hatte gerade ein großes Treffen hier mit Olli Rehn und den anderen Kommissaren, um darüber zu sprechen, was wir tun können. Wir arbeiten an einem Finanzpaket, kurz-, mittel- und langfristig. Wie wir dort schnell Geld hineinschaffen können, wie wir den IWF unterstützen können und wie wir Investmentpakete und Wirtschaftsführer bekommen etc. Auf der politischen Ebene haben wir aussortiert welche Mittel wir haben und ich habe der Zivilgesellschaft ein Angebot gemacht und Jazenjuk und Klitschko und allen anderen, die ich gestern traf.
„Wir können Euch Leute anbieten, die wissen wie man politische und wirtschaftliche Reformen durchführt. Die Länder, die der Ukraine am nächsten sind, haben dramatische politische und wirtschaftliche Reformen durchgemacht. Wir haben große Mengen an Erfahrungen, die wir Euch gerne geben können.“
Ich habe den Leuten auf dem Maidan gesagt: „Ihr wollt echte Reformen, aber Ihr müsst erst das Kurzfristige machen. Ihr müsst Wege finden, wie Ihr einen Prozess beginnen könnt, um Antikorruption ins Zentrum zu stellen, mit Leuten zusammenarbeiten bis zu den Wahlen und Ihr auf den Prozess vertrauen könnt.“ Und ich habe Olga gesagt, „vielleicht werden Sie nicht gleich Gesundheitsministerin, aber Sie sollten sich überlegen, in der Zukunft Gesundheitsministerin zu werden. Denn Leute wie Sie werden gebraucht, um sicherzustellen, dass das alles passiert“. Aber ich habe ihnen auch gesagt, „wenn Ihr jetzt nur die Gebäude verbarrikadiert und die Regierung funktioniert nicht, dann können wir kein Geld hineinschaffen. Wir brauchen einen Partner, mit dem wir handeln können.“
Paet: Absolut
Ashton: Und ich sagte zu den Oppositionsführern, die sicherlich die Regierung stellen werden, „Sie müssen auf den Maidan zugehen, sich müssen sich mit ihm einlassen. Sie müssen wieder normale Polizisten auf die Straße bringen mit einem neuen Gefühl ihrer Rolle, damit die Menschen sich sicher fühlen“. Ich habe zu den Leuten der Partei der Regionen gesagt, „Sie müssen Blumen dort hinlegen, wo Menschen gestorben sind. Sie müssen zeigen, dass Sie verstehen was Sie – was hier passiert ist“.
„Was Sie hier erfahren ist die Wut der Leute, die gesehen haben wie Janukowitsch lebte und die Korruption. Und sie denken, dass Sie alle gleich sind. Und das sind Leute, die Menschen verloren haben und sie denken, dass er das befohlen hatte.“ Es gibt viel Betroffenheit in der Stadt. Traurigkeit und Betroffenheit. Und das wird sich in seltsamer Weise äußern, wenn sie nicht vorsichtig sind. Ich denke wir müssen an all dem arbeiten. Ich hatte ein großes Treffen hier heute, um das alles einzuleiten. Ja, Ihre Beobachtungen sind sehr interessant.
Paet: In der Tat der einzige Politiker, den die Leute der Zivilgesellschaft positiv erwähnen ist Poroschenko.
Also er geniest so eine Art Vertrauen bei all diesen Maidan Leuten. Und was in der Tat sehr beunruhigend war, diese gleiche Olga sagte, dass alle Indizien darauf hinweisen, dass Menschen, die von Scharfschützen auf beiden Seiten getötet wurden, Polizisten und Demonstrierende, dass es die gleichen Scharfschützen waren, die Leute auf beiden Seiten erschossen.
Sie zeigte mir dann auch ein paar Fotos und sagte, dass sie als Ärztin sagen kann, dass es die gleiche Handschrift ist, die gleiche Art von Munition, und es ist wirklich besorgniserregend, dass die neue Koalition nicht gewillt ist, zu untersuchen, was genau passiert ist. Somit wird der Verdacht verstärkt, dass hinter den Scharfschützen nicht Janukowitsch stand, sondern jemand aus der neuen Koalition.
Ashton: Ich denke wir wollen untersuchen. Ich meine, ich wusste das nicht, das ist interessant, meine Güte…
Paet: Es war sehr beunruhigend, dass wenn das jetzt beginnt ein starkes Eigenleben anzunehmen, dass es schon von Anfang an diese neue Koalition in Misskredit bringt.
Ashton: Ich denke davor müssen sie sich auch hüten. Sie müssen große Änderungen fordern, aber sie müssen die Rada auch arbeiten lassen. Wenn die Rada nicht funktioniert, dann gibt es totales Chaos. Also, Aktivist und Arzt zu sein ist sehr wichtig, aber es bedeutet nicht, dass man Politiker ist. Sie müssen sich irgendwie damit arrangieren für die kommenden Wochen, wie das Land tatsächlich regiert werden kann. Und dann kommen wir zu den Wahlen und Dinge können sich ändern. (…) Ich werde nächste Woche wieder dorthin gehen, wahrscheinlich am Montag.
Paet: Es ist wirklich sehr wichtig, dass sich nun Leute aus Europa und aus dem Westen dort zeigen, damit es absolut…
Ashton: Nun, Miroslaw wird mit der Viségrad-Gruppe am Freitag kommen, William Hague am Sonntag und ich am Montag
Paet: Ich hörte, dass auch der kanadische Minister am Freitag kommt und wir haben William Burns gestern in Kiew getroffen (…)
Ashton: Ich wusste nicht, dass er kommt…Okay mein Freund. Gut mit Ihnen zu sprechen.
Paet: Danke für Ihre Anmerkungen. Gute Reise nach Australien..
Ashton: Was?
Paet: Genießen Sie Australien
Ashton: Ich habe die Reise aufgeschoben, denn ich gehe anstelle in die Ukraine…
Quelle: weltnetz.tv
Es ist gut von den Kräften in der Ukraine zu hören, die sich unter Demokratie etwas anderes vorstellen als es der Westeuropäische Mainstream propagiert.
Wie erklären wir so viel und so heftigen Faschismus in der Ukraine? Als Kind habe ich 1942 täglich erlebt, wie fünfhundert ukrainische Frauen durch meine Wohnsiedlung im sächsischen Chemnitz geleitet wurden, um vom Quartier – einem Ballsaal am Stadtrand – fünf Kilometer in eine stadteinwärts gelegene Fabrik zum Schuften geleitet wurden, Schuhe und Kleidung waren durch die Vertreibung aus ihrer Heimat kaputt und zerschlissen. Und nach dem Krieg habe ich Menschen kennengelernt, die als deutsche Okkupanten in der Ukraine Massenerschießungen von Frauen und Kindern beobachtet hatten und Fotodokumente vorweisen konnten. Rainer Thiel