Kurt Köpruner nachgeschrien:
Kurt! Steh auf und bleibe!
eine letzte Aufforderung zum Aufstand
– Meinem Freund und schärfstem Joschka-Fischer-Feind Kurt Köpruner gewidmet

Ach Kurt
zu kurz
blieb uns die zeit
des Kennenlernens
Ich hätte Arta folgen sollen
nach Sarajewo
als unsre öffentlich bestellten
Abschieberbanden
sie abgeschoben haben
kam sie mir
wie schon so viele
KriegsKinder vor ihr
abhanden,
abköpfen,
abbeinen
Nachreisen?
Nachweinen ?
in die zerschossne Stadt
da hätten wir uns treffen können.
und hätten wie besessen
daran gearbeitet
der Fischer-Scharping-Albright-Bande
den Prozess zu machen 

 

Ach Kurt
zu kurz
die Zeit für den Prozess
mit Dir als Zeugen
hätten dann die Völker
Jugoslawiens
Gericht gehalten
Recht gesprochen
gegen
Unrecht
Kriegsverbrecher
Kriegsgewinnler
herausgeputzte Mafia-Dealer
Kettenhunde
ihrer wahren Herren.

 

Du hast gesagt,
du wärest nicht mit allem
einverstanden
was ich so schreibe?

 

Na klar, Du bisst doch in der SPÖ
und ich bin Kommunist
doch beide haben wir gesehen
und können es beweisen
wer der Zerstörer Jugoslawiens ist
und wer in bester AA-Tradition
jetzt Libyen aufteilt
und zerbombt
und Flüchtlinge ersaufen lässt
im Namen Kaputt-Baals

 

Ach Kurt
Du hast das zweite , dritte Buch 
noch in der Lade,
wir brauchen Dich
Bitte, bitte bleibe
und schreibe

 

bleibe
damit die Leute sich
nicht unter Kriegsverbrecher-Lügen beugen

 

bleib Kurt
wir brauchen Dich
als Zeugen
als Freund
und Hoffnungsmacher
gegen unsre mächtigen Widersacher

 

Komm
lass uns weiter Bücher tauschen
uns unsere Geschichte(n) schreiben

 

 Ach Kurt
ich werde
die paar Jahre
die mir hier unten bleiben
noch bleiben
und weiterschreiben
so wie Du mir es vorgeschrieben hast

 

Und sei gewiss, Du bist
einer der Wenigen
von denen ich mir etwas vorschreiben lasse

 

Dein HaBE

 

Kurt Köpruner ist am 1.7.2011 viel zu früh gestorben.
Wir hatten noch so viel gemeinsam vor.
Ich wollte/sollte ihn in Bosnien-Herzogowina besuchen,
wo er eine Maschinenfabrik zusammen mit den Leuten dort wieder aufgebaut hat.

Editionen

Neuausgabe mit einem neuen Vorwort von Kurt Köpruner:Promedia Verlag, Wien 2010
352 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-85371-309-9
Euro 19,95
Bestellung
http://www.koepruner.info/images/cover/CoverDiederichs.jpg
Lieber Kurt,
für Dich eins meiner neueren und eins meiner besten:
DER STERN VON BETHLEHEM
IST EINE PHOSPHORBOMBE
ÜBER GAZA.
DIE DREI KÖNIGE
AUS DEM MORGENLAND
SIND EINEM DEUTSCHEN
LUFTSCHLAG BEI KUNDUS
ZUM OPFER GEFALLEN.
MARIA UND JOSEF
FANDEN IN EINEM
TUNNEL ZUFLUCHT BIS
DIE MINI-NUKE EINTRAF.
DIE HERBERGE
HATTE EIN CATERPILLAR PLATTGEMACHT.
DIE ENTBINDUNGSSTATION IN KUNDUS
HATTEN FREIHERRODISCHE KUNDSCHAFTER
ALS TALIBAN-BRUTSTÄTTE DEKLARIERT
UND DEN HINTERBLIEBENEN WURDE KOLLATERAL-
ENTSCHÄDIGUNG VERSPROCHEN.
DIE SPEISUNG DER ZEHNTAUSEND
FAND VOR SOMALIA EIN JÄHES ENDE:
EIN ANFÜHRER UND ZEHN CO-PIRATEN
WURDEN VON EINEM SPEZAILKOMMANDO
DER FREGATTE HESSEN ERFOLGREICH
GEJAGT UND UNSCHÄDLICH GEMACHT.
ALS ZIVILE AUFBAUMASSNAHME
WURDE EIN CONTAINER
MIT CAPTAIN-IGLU-TIEFKÜHL-FISCHSTÄBCHEN
AM STRAND ZURÜCKGELASSEN.
DIESES JAHR TRAGEN DIE STERNSINGER
DIE NATO-FAHNE
UND DIE ISRAELISCHE FLAGGE,
JESUS WIRD DER EU-STERNENKRANZ
MIT BRÜSSLER SPITZEN
AUFS HAUPT GEZWUNGEN
UND DIE SCHWEINEKRIPPE
WIRD MIT DEN STARS & STRIPES ZUGEDECKT.
DIE HIMMLISCHEN FREIHERRSCHAREN
SINGEN: HOSIOBAMA, HOSIOBAAL
GELOBT SEI DER HERR:
DER MACHT SICH DIE ERDE UNTERTAN,
SEIN IST DAS REICH,
SEIN WILLE GESCHEHE
TRANSÜBERALL,
WER SICH NICHT BEUGT,
DEN BRINGT ER ZU FALL
– OHN BAAL-ERBARM –
UND WIR SIND SEIN
BEWAFFNETER ARM,
SEIN ÜBERFALLKOMMANDO,
SEIN WELTGENDARM –
DAS GOLDENE KALB,
DER KAPUT-BAAL
HERRSCHT ÜBERALL …
Lieber Kurt, Du weißt warum euer folgendes Gespräch nie in den Mainstream-Medien veröffentlicht wurde: 9 Jahre wäre zeit dafür gewesen und Kosowo würde nicht von einem rassistischen Mafia-RauschgiftDealer regiert. Das Gespräch habe ich aus Deiner Seite herauskopiert:
http://www.koepruner.info/html/wortmeldungen/tismainterview.html

„Die Idee vom ‚reinen Volk‘ kommt vom Westen“

Gespräch mit dem in Novi Sad lebenden jüdisch-serbischen Schriftsteller Aleksandar Tisma

Erschienen in „konkret“, März 2002.

Frage: War Jugoslawien als Vielvölkerstaat nicht schon zum Zeitpunkt seiner Gründung (1918) zum Scheitern verurteilt?“

Tisma: Ich glaube nicht. Jugoslawien hatte Chancen wie jede andere Gemeinschaft oder Familie auch. Es gibt immer zentrifugale Kräfte. Andererseits gab es daneben auch starke Kräfte, die die Einheit bewahren wollten. Immerhin hatten alle dieselbe oder zumindest eine ähnliche Sprache, Kroaten und Serben trugen oft dieselben Namen. Große Teile Serbiens waren zwar viele Jahrhunderte unter türkischer Verwaltung und Herrschaft gewesen. Doch andere Teile waren lange unter österreichisch-ungarischer Verwaltung gewesen, das verband uns mit Kroatien und Slowenien. Auf dieser Grundlage wuchs im 19. Jahrhundert die große illyrische Bewegung, die eine Einheit aller Südslawen wollte. Das hat sich durchgesetzt und konnte bestehen. Wenn nicht eine Aggression von außen gekommen wäre, wäre Jugoslawien nicht zerfallen. Von Anfang an gab es natürlich Serben, Kroaten und Slowenen, die den Jugoslawismus ablehnten. Bei den Serben allerdings war die Zustimmung noch am größten, weil sie zahlenmäßig die stärksten waren und überdies in allen Gegenden der Region lebten. Deswegen nahmen sie die jugoslawistische Idee, die zuerst in Kroatien entstanden war, gerne an.

Frage: Wenn doch die jugoslawische Idee schon im 19. Jahrhunderts in Kroatien entstanden war, warum war dann nach der Gründung des gemeinsamen Staates 1918 die Ablehnung in Kroatien so stark?

Tisma: Serbien war neben Montenegro das einzige Gebiet im neuen Staat, wo es schon vorher ein Königreich gab, mitsamt einem König, mit Ministerien, einer Armee, einer Polizei. Die schon bestehenden serbischen Institutionen hatten die Tendenz, sich auf ganz Jugoslawien auszudehnen. Das hat den anderen nicht gefallen. Man muß aber auch sehen, daß das faschistische Deutschland, und auch Italien, in den Dreißigerjahren antijugoslawische Terroristengruppen organisiert und gefördert hat. Das sind keine Phantasien, das ist historisch. Die kroatische Ustascha unterhielt in Mussolinis Italien Ausbildungslager. Ähnliches geschah in Deutschland. Trotzdem wäre es möglich gewesen, Jugoslawien zu erhalten, wenn nicht 1941 der Krieg über uns gekommen wäre. Jugoslawien hat sich nur etwa 17 Tage halten können – dann wurde es sofort aufgeteilt: Die Deutschen haben gleich ein „freies unabhängiges Kroatien“, also den Ustascha-Staat, kreiert, Slowenien wurde teils den Italienern, teils den Deutschen gegeben, Bosnien wurde ein Teil von Kroatien, Mazedonien wurde den Bulgaren geben, die Vojvodina den Ungarn, das Kosovo ging an das von Italien beherrschte Albanien, Serbien und Montenegro wurden von den Deutschen okkupiert.

Frage: Wie kam es zum Putsch vom März 1941, als Jugoslawien dem Dreimächtepakt – Deutschland, Italien, Japan – beigetreten war, womit man Hitler den Grund zur Zerschlagung Jugoslawiens lieferte.

Tisma: Historisch waren es zunächst nur die Serben, die Widerstand leisteten. „Lieber Krieg als Pakt“, das riefen die Menschen auf den großen Demonstrationen in Belgrad. „Lieber das Grab als Sklave zu sein!“ Das war unglaublich. Ich war damals hier in Novi Sad in der 7. Klasse des Gymnasiums, und ich muß zugeben, für mich war das etwas Unverdauliches: Ich konnte nicht verstehen, daß es besser sein sollte, einen Krieg zu führen als einen Pakt zu machen oder daß das Grab besser sei. Deswegen habe ich mich damals zurückgehalten. Andererseits mußte ich später – nach Jahren – zugeben: Wenn alle so gedacht hätten wie ich, dann wäre Hitler sehr schnell Herr von ganz Europa geworden, niemand hätte sich ihm widersetzt.

Frage: Haben damals nur Serben Widerstand geleistet?

Tisma: In Kroatien gab es auch Widerstand – dort war es ein kommunistischer Widerstand – und auch in Slowenien, in Mazedonien. Aber der Putsch fand nur in Belgrad statt, am 27. März 1941. Am 6. April wurde Jugoslawien von den Deutschen angegriffen und im Juni dann die Sowjetunion. Erst als Tito aus Moskau die Direktive zum Aufstand bekam, hat er – ab Juli 1941 – zu den Waffen gegriffen. Tito war ja Kroate, konnte aber den Krieg gegen die Deutschen nur mit den Serben führen. Der Grund ist ganz einfach: Weil die Serben im Ustascha-Staat auch physisch in Gefahr waren. Wenn das Leben in Gefahr ist, dann muß man sich wehren, ganze Dörfer haben das getan. Schauen Sie sich Titos Fluchtroute während des Krieges an: Er floh mit seiner Armee nur in Gebiete, wo die Serben lebten, zuerst in Serbien selbst, dann nach Montenegro, in die serbischen Gebiete Bosniens, die Krajina und so weiter. Er ist nicht nach Zagreb gegangen oder in die Umgebung von Zagreb, wo er zuhause war. Nein, er versteckte sich dort, wo er sicher war. Seine Flucht zu den Serben ist verständlich, denn diese Menschen waren in Todesgefahr, bei ihnen war Widerstand nicht eine Frage der Ideologie. Wenn du im Ustascha-Staat Serbe warst, wurdest Du einfach erschossen.

Frage: Wie bewerten Sie die geschichtliche Figur Tito?

Tisma: Ich habe mich nie mit ihm befaßt, ich habe mich ja nie mit Politik befaßt. Ich bin sicher, er wäre in jedem Fall aufgetaucht irgendwo, auch wenn er nicht zufällig zu der kommunistischen Partei gegangen wäre. Er wäre irgendwo anders eine führende Figur geworden. Er war ein talentierter Mensch. Er war in der österreichischen Armee ein guter Fechter mit vielen Auszeichnungen. Außerdem hatte er großen Charme – das, was die Amerikaner Glamour nennen. Tito hat die Potenz gefühlt, die im Volk liegt, hat gefühlt, daß sie sich wirklich erheben. Und das ist ihm absolut gelungen, besonders in der Gegend, wo die Serben so gefährdet waren, waren alle für Tito. Warum? Eben weil er kämpfen konnte, sie fühlten, daß ihr Leben davon abhängt, ob gekämpft wird. Und darum gingen sie mit Tito.

Frage: Wie gelang es Tito, die Völker zu einen, die sich im Zweiten Weltkrieg so unsägliches Leid zugefügt hatten?

Tisma: Titos große Erfindung war zum einen die Parole „Tod dem Faschismus“ – vom ersten Tag an. Er hat es verstanden, die Energie aller jugoslawischen Völker gegen den Faschismus zu bündeln. Das Volk war zermürbt durch die Okkupation, und zwar nicht nur physisch, sondern auch moralisch. Vier Jahre in der Okkupation zu leben, da kann man nicht rein bleiben – man muß sich einschmeicheln bei den Okkupanten, es ist unmöglich, da ein stolzer Mann zu bleiben. Aber Tito hat ihnen den Stolz wiedergegeben.

Zum anderen sagte Tito auch: Alle Völker, alle Nationen haben in Jugoslawien den Sieg gegen den Faschismus errungen beziehungsweise waren am Sieg in gleicher Weise beteiligt. Das war großartig. Das war ganz anders als bei Stalin, der, obwohl selbst kein Russe, gesagt hat: Das russische Volk hat den Sieg errungen.

Bei Tito waren alle gemeint, auch Deutsche. Es gab bei den Partisanen auch deutsche Einheiten, es gab eine „Wilhelm Pieck-Brigade“, es gab die italienische „Brigade Garibaldi“ – es war einfach genial. Tito hat nicht zugelassen, daß man damit anfängt, Slowenen hier oder Ungarn da – nein, alle haben es gemacht und er hat es von Anfang an so konzipiert und das war gut und es ist gelungen. Es ist gelungen, viele Jahre und Jahrzehnte, aber dann doch gescheitert.

Denn auch nach dem Krieg sind die Unterschiede, zwischen Serben und Kroaten zum Beispiel, geblieben, aber es war nicht so, daß man sich absolut nicht leiden konnte. Es gab immer Nationalisten: bei den Serben, bei den Kroaten, bei den Slowenen. Überall machten sie sich bemerkbar, aber es gab ein rechtliches Regulativ: Es war einfach verboten. Sie konnten Nationalisten zu Hause sein, aber sie konnten nicht in einer Kneipe nationalistische Gespräche führen – da wäre die Polizei gekommen, denn es gab den Paragraphen, daß man eine andere Nation nicht beleidigen darf, also keinen Moslem, keinen Juden, keinen Kroaten, denn das hätte zwanzig oder dreißig Tage Gefängnis bedeutet.

Frage: Welche Rolle spielte die Geschichte der Serben im Zerfallsprozeß Jugoslawiens? Sie stellten einmal fest, daß in Serbien eine Periode der Aufklärung fehlt und sie aufgrund der jahrhundertelangen Okkupation durch die Türkei mehr in Mythen verhaftet sind als andere Völker.

Tisma: Die türkische Okkupation war sehr schlimm, die Christen waren nicht gleichberechtigt, sie konnten nur als Haustiere vegetieren, sie konnten nicht Richter sein, sie hatten keine Schulen, keine Universitäten. Also konnten die Serben erst mit großer Verspätung beginnen, bürgerliche Positionen einzunehmen, nämlich erst als Mitte des 19. Jahrhunderts ein serbischer Staat gegründet wurde. In dieser geschichtlich kurzen Phase nach 1850 konnte sich kein Bürgertum herausbilden. Es begann sich zu entwickeln, wurde aber sehr schnell mit der kommunistischen Bewegung konfrontiert, das heißt, dem Bürgertum stand sehr schnell ein Gegenbürgertum gegenüber. Die Vertrautheit mit bürgerlichen Institutionen, der Einfluß des Bürgertums – das fehlt in Serbien bis heute, und das ist ein Handicap. Doch das ist manchmal auch ein Vorteil, denn die Leute sind nicht so entfremdet, sie sind ein bißchen näher am Dorf, an der Familie. Zum Beispiel während des Nato-Krieges: Es fielen die Bomben, aber die Bauern kamen weiter regelmäßig mit ihren Sachen auf den Markt, es war keine Hysterie, die Bauern sagten nicht: Jetzt bleiben wir alle zu Hause, und die anderen können vor Hunger sterben. Auch die Preise stiegen nicht. Kein Bauer sagte, jetzt kosten die Kartoffeln das Doppelte, weil ich mein Leben riskiere. Nein, er hat es als ganz normal gesehen, sein Leben im Krieg zu riskieren. So denkt kein Bürger.

Frage: In zwei Weltkriegen haben Deutsche und Österreicher Ihr Land verwüstet. Ein Jahr nach der deutschen Wiedervereinigung hat Deutschland gegen den erklärten Willen des Restes der Welt die Anerkennung von Slowenien und Kroatien durchgesetzt, womit der erneute Zerfall Jugoslawiens besiegelt wurde, und die Deutschen waren auch dabei, als zum dritten Mal im gleichen Jahrhundert Belgrad bombardiert wurde. Was denken Sie darüber?

Tisma: Die Völker benehmen sich wie einzelne Menschen: selbstsüchtig und egoistisch, und das geht auch bis zum Töten. F&uum l;r mich als privaten Menschen ist das alles so fern wie die Sterne. Wie wenn jetzt jemand in dieses Hotel käme und sagte: „Jetzt müßt ihr aufstehen, niemand soll hier sitzen außer mir.“ – das wäre ebenso absurd. Aber das geschieht, das ist keine Theorie. In genau dieses Hotel ist einmal einer hereingekommen, ein aggressiver Mensch, und alle wurden still, weil sie ihn kannten, und dann hat er seine Zigarette auf dem Gesicht eines anderen, der ihm unsympathisch war, ausgedrückt und ist wieder hinausgegangen. Und der andere hat geschwiegen, weil er wußte, sein Leben ist in Gefahr. Das geschieht nur einmal in fünf Jahren im Hotel „Vojvodina“. Keine Angst, Sie sind sicher hier. Aber das geschieht. Und das ist geschehen mit Jugoslawien oder mit Serbien, von Seiten Österreich-Ungarns und Deutschlands. 1914, 1941, und jetzt wieder.
Als Franz Ferdinand, der österreichische Thronfolger 1914 nach Sarajewo kam, kam er nicht in ein österreichisches oder ein ungarisches Land, er kam in ein Land, in dem keine Österreicher waren, außer Beamte und Polizisten. Und er kam, um Manöver anzusehen, also eine Armee, die absolut nicht hierher gehörte, sie gehörte zu Österreich-Ungarn. Das war freilich eine Aggression, und ein Nationalist wie dieser Gavrilo Prinzip hat dann auf ihn geschossen. Und deswegen wurde der Krieg gegen Serbien gemacht.

Frage: Und 1941? und 1991?

Tisma: Da war es die gleiche Tendenz: Fremde Territorien erobern, die Leute dort ausnützen, anderen den eigenen Willen aufzwingen. Staaten benehmen sich wie Einzelmenschen. 1991 hat man ein separates Kroatien gegründet, das ähnlich aussah, wie das, das Hitler gegründet hat, ohne daß man den Menschen, allen Menschen, die sich dort zu Hause fühlten, ihre Rechte garantiert hat. Kein Wunder, daß dies den Serben in der Krajina Furcht eingeflößt hat, so daß sie gleich angefangen haben, Barrikaden zu bauen. Das mußte zum Krieg führen. Die Kroaten zwangen sie schließlich zum Exodus – und zwar durch Waffen, durch Granaten und Bomben, die vom Westen kamen, vor allem aus Deutschland oder aus Ungarn, bezahlt von Deutschland.

Frage: Die Idee vom ethnisch reinen Staat, ist das eine serbische Erfindung?

Tisma: Nein, Kroaten und Slowenen neigen mehr zu einer Geringschätzung der Minderheiten, die in ihren Staaten leben, als die Serben. Nie haben die Serben auf ihrem Territorium auf Kroaten oder Moslems geschossen, um sie zu vertreiben. Montenegriner und Mazedonier übrigens auch nicht. Slowenen und Kroaten stehen unter dem negativen Einfluß dieser Zivilisation auf dem jugoslawischen Gebiet, und der kommt aus dem früheren Österreich-Ungarn, aus Deutschland oder aus Italien: Die Idee vom „reinen Volk“, die kommt nicht vom Osten, sie kommt vom Westen.

Frage: Wie paßt das zum Bild, das die Welt über die Serben hat?

Tisma: Die Serben haben vor diesem Krieg auf ihrem Territorium nie andere vertrieben, auf kroatische oder moslemische Leute geschossen. Das geschah nicht, auch nicht unter diesem schrecklichen Regime von Milosevic. Serben haben auch nicht auf Albaner geschossen oder Leute gequält nur weil sie Albaner waren. Das ist einfach nicht wahr.

Frage: Wie kam es denn zu den Problemen im Kosovo, zum Exodus der Albaner?

Tisma: Die Albaner verließen in den letzten Jahren das Kosovo, ebenso wie die Serben, alle wollten weg, weg von dieser Öde, von dieser Armut. Vielleicht gingen die Albaner in einem größeren Ausmaß, aber daß sie vertrieben wurden, nur weil sie Albaner waren, das ist einfach nicht wahr. Es gab vor der Bombardierung keine Vertreibung.
Die Serben haben versäumt, sich mit dem Kosovo zu befassen. Tito war hier wie immer ein Opportunist. Er hatte Recht, als er sagte, alle Völker sind gleichberechtigt, die Albaner sind ebenso gute Patrioten wie die Serben, es gab auch in Albanien Antifaschisten und so weiter. Aber warum hat er den Serben, die im 2. Weltkrieg aus dem Kosovo verjagt worden waren, nach 1945 die Rückkehr verboten? So bildete sich im Kosovo allmählich eine große Disproportion zwischen der serbischen und albanischen Bevölkerung heraus. Angesichts der großen Übermacht der Albaner wurde es für die Serben irgendwann unmöglich, dort noch normal zu leben. Sie verkauften ihre Häuser, ihr Land und gingen in andere Gebiete. Ein Staat, der ein bißchen vorausschauend ist, hätte das regulieren sollen. Entweder hätte Tito neue Institutionen schaffen müssen, die dann den Serben ermöglicht hätten zu bleiben, obwohl sie in der Minderheit sind, oder die verhindern, daß sie zur Minderheit werden. Und jetzt ist es zur Internationalisierung dieses Problems gekommen.

Frage: Welche Rolle spielte Milosevic, warum konnte er sich so lange an der Macht halten?

Tisma:
Milosevic war ein kommunistischer Apparatschik, der die nationale Krise der Serben ausgenützt hat. Als sie in anderen Gebieten gefährdet waren, hat er Kriege geführt. Aber ohne die ausländische Einmischung, ohne die Sanktionen hätten sich die Leute nicht um ihn geschart. Er war ihr Verteidiger – ein schlechter Verteidiger, das sieht man jetzt, der alles verloren hat, aber der einzige Verteidiger, sie hatten keine Wahl. Die anderen Parteien, die anderen Parteiführer waren nicht so entschlossen wie er. Außerdem repräsentierte er den Staat – man weiß ja, wie es einem ohne Staat ergeht. Wir können darüber als Intellektuelle spotten, aber nur ein Staat mit seiner Polizei und seiner Armee kann Ihnen garantieren, daß Sie heute ruhig auf der Straße gehen können und daß niemand auf Sie spuckt, nur weil Sie jemandem nicht gefallen oder weil Sie anderer Religion sind.

Frage: Wie haben Sie die Bomben auf Novi Sad erlebt?

Tisma: Man weiß bis heute nicht, warum das geschehen ist. Niemand versteht, warum die Brücken von Novi Sad zerstört wurden. Das ist einfach unverständlich. Wie zu Ostern 1944: Die Deutschen waren schon weg, wir haben sie auf den Straßen wegziehen gesehen, und auf einmal kommen die Amerikaner, bombardieren Belgrad und töten einige tausend Menschen. Das hatte absolut keinen Sinn, das ist die Parallele zu damals. Doch das sind freilich Wunden, das sind Atrozitäten, die in fünfzig Jahren wieder etwas hervorrufen können, wenn sich dann jemand darauf beruft. So etwas vergißt man nicht.

Frage: Milosevic hat den Krieg verloren. Müssen sich die Serben unterwerfen?

Tisma: In gewissem Sinn müssen sich die Serben unterwerfen. Schon daß sie auf den internationalen Konferenzen den Nato-Krieg nicht erwähnen, ist eine Unterwerfung. Eigentlich sollte man es jeden Tag erwähnen. Aber das wird man nicht machen können. Zoran Djindjic ist ein kluger Mensch, schärfer als Kostunica, der ein ruhiges Temperament hat. Djindjic sagt, wo man etwas nicht erreichen kann, muß man es lassen. Wenn ich Bill Clinton nicht stürzen kann, nützt es mir nicht, gegen Bill Clinton zu sprechen. Damit würde ich mir keinen Gefallen tun, denn er würde sich dafür rächen. Das müssen auch die Serben als kleines Volk akzeptieren.

Das Interview wurde während der Arbeit am Buch „Reisen in das Land der Kriege – Erlebnisse eines Fremden in Jugoslawien“ bereits im Oktober 2000 geführt, aber von Tisma, der sich nie aktuell zur Tagespolitik äußern will, erst Anfang 2002 freigegeben.

 

 

 

 

 

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

2 Gedanken zu „Kurt Köpruner nachgeschrien:
Kurt! Steh auf und bleibe!
eine letzte Aufforderung zum Aufstand
– Meinem Freund und schärfstem Joschka-Fischer-Feind Kurt Köpruner gewidmet“

  1. Trauer und Schmerz sind groß, ein ehrenvolles Gedenken an meinen lieben Bruder ein wenig Balsam. – Danke. Aber bitte: Kurt hat sich nie als „Feind“ oder gar „schärfsten Feind“ definiert. Er mag den vormaligen Turnschuhträger entlarvt, auch verachtet haben, seine treibende Kraft war aber immer die Liebe zu Besserem, zu Gerechtigkeit und Wahrheit, niemals Feindschaft und Hass.

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