Eine sehr lesenswerte Stellungnahme der Redaktion von www.bds-kampagne.de – lesenswert für alle, die sich für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina interessieren, für den Zusammenhang von gewaltfreien Kampagnen, Internationalem Recht und Menschenrechten – und für den Kampf gegen Rassismus in allen Schattierungen, sei es Antisemitismus, antimuslimischer Rassismus, Anti-Roma-Rassismus und Rassismus gegen schwarze Menschen. Auch für medienkritische Bildungsveranstaltungen sei der Text dringend empfohlen.
Exklusiv: BDS-Kampagne bedankt sich bei der Jerusalem Post und Benjamin Weinthal
Publiziert am 29. Februar 2016 von Redakteur
Ein großes Danke schön! an Benjamin Weinthal und an die Jerusalem Post. Es ist großartig, endlich nach Jahren eine solche Beachtung zu erfahren!
Viele Jahre politischer Arbeit in der internationalen BDS-Kampagne tragen endlich auch hier in Deutschland die ersten Früchte. Wie oft mussten wir uns anhören, die politische Situation und die Diskurse in Deutschland würden sich nie dahingehend verändern, dass die Verletzung internationalen Rechts durch Israel auch hierzulande als solche aufgefasst und behandelt würde. BDS, der Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft aus dem Jahre 2005 zu Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel, bis es internationalem Recht und den universellen Prinzipien der Menschenrechte nachkommt, hätte hier keine Chance auf Beachtung oder gar Unterstützung, während der Aufruf in vielen Teilen der Welt positiv aufgegriffen wurde und wird.
Fast zeitgleich mit der Kündigung unseres Kontos durch die DAB Bank München, rief uns einer der Mitarbeiter*innen der Jerusalem Post an und sagte u.a. gehört zu haben, dass die DAB Bank unser Konto gekündigt habe. Was war passiert? Warum wusste die Jerusalem Post von der Kündigung? Nun, weil die Jerusalem Post sich offensichtlich bei der DAB Bank für eine Kündigung stark gemacht hatte.
Dieser Vorgang zeigt uns 2 Dinge:
- Die DAB Bank kündigt ohne Nachfragen und ohne weitere Erklärungen ein Konto ihrer Kundschaft aufgrund einer Intervention der Jerusalem Post.
- Die Jerusalem Post schreibt Nachrichten über Vorgänge, an denen sie selber als Akteur beteiligt ist.
Der erste Punkt wirft eine Reihe von Fragen auf: Welche Informationen hat die DAB Bank dabei an wen weitergeleitet? Woher weiß die Jerusalem Post, dass es sich bei dem Bankkonto um ein ‚top BDS-linked account‘ handelt? Na ja, wahrscheinlich steckt hinter der sensationellen Aufdeckung dieses Bankkontos eine jahrelange Recherche der Mitarbeiter*innen der Jerusalem Post, die am Ende zur Aufdeckung dieses Kontos führte. Ein Klick auf das Impressum / Unterstützung auf der Webseite www.bds-kampagne.de hätte es auch getan.
Der zweite Punkt klingt zunächst etwas banal. Schließlich arbeiten viele politische Gruppen und Organisationen auf diese Weise. Sie organisieren und veranstalten politische Aktionen und berichten hinterher darüber. Bislang dachten wir allerdings, dass es sich bei der Jerusalem Post um eine Zeitung handelt, deren Anspruch es ist, ‚objektiv‘ über verschiedene Dinge zu berichtet. Nun müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Jerusalem Post eine politisch arbeitende Organisation ist, die ihre eigenen Ideen und Vorstellungen mit Hilfe ihres Presseorgans verfolgt.
Und diese Erkenntnis hilft uns dann auch, die Vorgehensweise ihres Mitarbeiters besser zu verstehen. Wir kommen somit zu einer Betrachtung der Arbeitsweise von Benjamin Weinthal.
Die internationale BDS Kampagne bezieht sich in ihrer Argumentation auf das Internationale Recht und ist ausdrücklich eine gewaltfreie Kampagne. Sie stellt dabei dieselben Forderungen, wie sie in zahlreichen UN-Resolutionen und anderen internationalen Verträgen mit Unterstützung der überwiegenden Mehrheit der Länder dieser Welt formuliert werden: Das Ende der Besatzung, gleiche Rechte für die arabisch-palästinensischen Bürger*innen Israels und das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge. Die Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, leiten sich aus dem Bezug auf das Internationale Recht ab:
Der Aufruf richtet sich an „alle rechtschaffenen Menschen auf der ganzen Welt“, Firmen und deren Produkte, die von der Besatzung und der Apartheidpolitik Israels profitieren, zu boykottieren, sich von den Beteiligungen an diesen Firmen zurückzuziehen bzw. diese zu verkaufen und die eigenen Regierungen zu drängen, den Staat Israel zu sanktionieren, wie sie es schon viele Male gegenüber anderen Staaten dieser Welt praktiziert haben, die sich nicht an das Internationale Recht halten.
Dieser Ansatz der internationalen, palästinensisch geführten BDS-Kampagne ist also in seiner Transparenz und Legitimität kaum angreifbar. Wer will sich schon offen gegen die Beendigung der Besatzung, gegen gleiche Rechte für die arabisch-palästinensischen Bürger*innen Israels und gegen das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge stellen? Bleibt nur das Ignorieren, so lange es geht. Wenn dennoch die Kampagne einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat, bleibt die Verunglimpfung und falsche Darstellung. Dafür geben sich offenbar die Jerusalem Post und deren Mitarbeiter*innen her, die unter dem Deckmantel des Journalismus die ‚Hasbara‘ der israelischen Regierung unterstützen und umsetzen.
In seinem Artikel ‚Exclusive: Main German bank closes top BDS-linked account‚ vom 16. Februar 2016 will Benjamin Weinthal gleich doppelt punkten:
- eine Möglichkeit der Unterstützung der Webseite bds-kampagne.de in Deutschland ausschalten
- Die Inhalte der Kampagne falsch darstellen und diffamieren
Das erste Ziel scheint erreicht worden zu sein. Die DAB Bank hat das Konto tatsächlich gekündigt (zum 14.04.2016). Ist das jetzt das Ende von www.bds-kampagne.de? Nein, natürlich nicht. Die Webseite ist immer noch online. Finanzielle Zuwendungen zur Unterstützung der Webseite sind immer noch willkommen und können gegenwärtig (bis 08.04.2016) immer noch direkt auf das angegebene Konto auf der Webseite erfolgen.
Die Veröffentlichung von Weinthal ist gleichzeitig ein gutes Beispiel dafür, wie eine Kampagne falsch dargestellt und diffamiert werden kann. In dem Artikel heißt es:
„It is unclear if action by BNP Paribas against the BDS-Kampagne account is connected to possible violations of French anti-BDS or anti-terrorism laws.“
Wenn also ein Bezug nicht hergestellt werden kann, dann schreibt man „Es ist unklar, ob …“. Alles was jetzt folgt, braucht nicht mehr in einem Zusammenhang stehen. Es ist ja vorher geschrieben worden, dass es unklar ist. Am besten jetzt so richtig schlimme Dinge benennen, damit wenigstens etwas hängen bleibt, wenn die Leser*in nächstes Mal etwas über die BDS Kampagne liest. Also schnell noch mit einem Begriff nachsetzen wie ‚Terrorismus‘. Dass die französischen Gesetze hier in Deutschland in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen, weiß auch der Mitarbeiter der Jerusalem Post.
Der Begriff ‚Terrorismus‘ scheint jedoch nicht suggestiv genug zu sein. Ein weites Feld von Anspielungen wird durch nachgeschobene Fragen eröffnet. Schließlich ist man ‚Journalist‘, und zu dessen Aufgaben gehört es, Fragen aufzuwerfen. Dabei spielt es keine Rolle, ob auf diese Fragen geantwortet wird oder nicht. Dem Einbringen von suggestiven Begriffen sind hier keine Grenzen gesetzt.
„… declined to respond to the queries, including questions about BDS-Kampagne’s views of Hezbollah and Hamas, which are designated by the EU and US as terrorist organizations, and about the Iranian backed al-Quds Day protests in Germany.“
Und was fragt man, wenn es um die BDS-Kampagne geht? Nach den Zielen? Den Gründen? Nach den Methoden, den Erfolgen? Nach den anstehenden Kampagnenschwerpunkten? Alles uninteressant! Man fragt nach Hezbollah, Hamas und dem al-Quds Tag.
Diese Methode ist nicht besonders originell. Allerdings erfordert ein solches suggestives Vorgehen bei den Leser*innen eine unermüdlich kritische Aufmerksamkeit, wenn sie nicht unfreiwillig oder unbewusst falschen Zusammenhängen aufsitzen wollen, eine Schwäche oder Unaufmerksamkeit, die jeder/m passieren kann. Genau darauf baut der Mitarbeiter der Jerusalem Post.
Wir haben immer wieder erlebt, dass unsere Teilnahme an gemeinsamen Projekten von Positionierungen abhängig gemacht werden sollte, die mit BDS nichts zu tun haben. Dabei handelt es sich bei der BDS-Kampagne um eine offene und transparente Bewegung, die inhaltlich differenziert argumentiert. In zahlreichen Veröffentlichungen hat das Palestinian BDS National Commitee (BNC), zu den Grundlagen der Kampagne Stellung bezogen. Alles nachzulesen, häufig in deutscher Übersetzung, auf www.bds-kampagne.de in der Rubrik ‚Grundlegende Erklärungen‘. Wir erwarten nicht, dass alle Menschen diese Grundlagen gut und hilfreich finden. Es bleibt jeder/m selbst überlassen, ob sie/er die BDS-Kampagne unter diesen Bedingungen und auf Grundlage dieser Ausführungen unterstützen will oder nicht. Wir sehen uns dementsprechend auch nicht dazu veranlasst, zu Themen Stellung zu beziehen, die mit BDS nichts zu tun haben.
Aus unserem Selbstverständnis als Redakteur*innen der Webseite wird deutlich, was wir anstreben: „Die BDS-Kampagne informiert über bundesweite Aktivitäten im Rahmen der internationalen BDS- Bewegung, die dem Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft von 2005 folgt.“
Zum Selbstverständnis der BDS Kampagne gehören weder Positionierungungen zur Hezbollah oder zur Hamas noch zum al-Quds-Tag. Zum Selbstverständnis der Kampagne gehören alle Punkte, auf die sich das größte Bündnis der palästinensischen Zivilgesellschaft geeinigt hat und die in dem Aufruf und den Erklärungen des BNC dokumentiert sind.
In dem Artikel der Jerusalem Post heißt es völlig zusammenhanglos:
„German Chancellor Angela Merkel and the European Union officially oppose BDS.“
So what? In der Tat, die BDS-Kampagne ist eine weltweite Graswurzel-Bewegung. In der Tat, sie wurde ins Leben gerufen aufgrund des Versagens der internationalen Staatengemeinschaft, wie es nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 9. Juli 2004 deutlich wurde; in dem Gutachten heisst es:
“ In Bezug auf die rechtlichen Konsequenzen für andere Staaten, kommt das Gericht zu dem Schluss, dass alle Staaten verpflichtet sind, die illegale Situation, die Ergebnis des Baus der Mauer ist, nicht anzuerkennen und keine Hilfe zu leisten, die die Situation, die durch den Mauerbau geschaffen wurde, aufrechterhält. Das Gericht ist darüber hinaus der Auffassung, dass alle Staaten verpflichtet sind, in Respektierung der Charta der Vereinten Nationen und des internationalen Rechts, jedes Hindernis, das als Ergebnis des Baus der Mauer für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes des palästinensischen Volkes besteht, beseitigt wird. Hinzu kommt, dass alle Unterzeichnerstaaten der Vierten Genfer Konvention verpflichtet sind, in Respektierung der Charta und des internationalen Rechts, sicherzustellen, dass Israel sich in Einklang mit dem internationalen humanitären Recht, wie es in der Konvention dargelegt ist, verhält.“
Das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft und damit auch der deutschen Regierung und der EU besteht darin, den eigenen Ansprüchen in keiner Weise entsprochen zu haben, ein Zustand der bis heute anhält. Das ist der Grund für die BDS-Kampagne. Wer also gegen BDS anführt, dass politisch Verantwortliche die Kampagne ablehnen, hat die Kampagne offenbar nicht verstanden und will sie vermutlich auch nicht verstehen, sondern hat sich auf Verwirrung und Fehlinformation verlegt.
Natürlich darf in dem Artikel – mangels belastbarer Argumente – der Hinweis auf die Kampagne der Nazis aus den 30er Jahren nicht fehlen.
“ ‘Don’t buy from the Jewish State. ‘“
Wer auf unserer Webseite einen Hinweis darauf findet, dass wir die BDS-Kampagne dermaßen entstellen, bekommt ein Lecker-Eis spendiert. In der Erklärung des BNC vom 21. Februar 2013 ‚Die Position der BDS Bewegung zum Boykott von Individuen‘ wurde Folgendes deutlich gemacht:
„Die globale BDS-Bewegung hat immer einen auf Rechten basierenden Ansatz vertreten und auf der Basis einer Anti-Rassismus-Plattform gearbeitet, die alle Formen von Rassismus, einschließlich Islamophobie und Antisemitismus ablehnt.“
Argumente, die sich an Nazi-Parolen aus Deutschland orientieren, sind mit einem Engagement in der internationalen BDS Kampagne unvereinbar. Wenn Außenstehende trotzdem eine Analogie sehen oder herbeischreiben, dann haben sie die BDS-Kampagne völlig falsch verstanden oder möchten einen Zusammenhang herstellen, um sie zu diffamieren.
Zum Schluss möchten wir uns noch einmal bei der Jerusalem Post und ihren Mitarbeiter*innen bedanken. Sie haben uns eine Steilvorlage geliefert, ausführlich über die BDS-Kampagne zu informieren und uns und vielen anderen einmal mehr deren Legitimität vor Augen zu führen. Wir werden weiterhin über die schnell wachsende und erfolgreiche internationale BDS-Kampagne informieren: auf der Webseite www.bds-kampagne.de und der dazugehörigen Facebook-Seite www.facebook.com/BDSKampagne.de und dem Twitter-Account @BDSKampagne
Die Redaktion von www.bds-kampagne.de
Berlin, 29. Februar 2016