„Quo vadis, Amerika?“
von Dr. Izzeddin Musa

Dr. Izzeddin Musa, geb. 1938 in Haifa, Palästina. Die Familie zog 1945 nach Nablus. Sie floh vor den Übergriffen der Terrorgruppen Stern-Bande und Irgun. In Nablus besuchte er die Grundschule. Ende 1956 beendete er seine Schulausbildung mit dem Abitur in Nablus und kam Anfang 1957 nach Deutschland. Hier studierte er Naturwissenschaften und promovierte.

Als Diplom-Geologe arbeitete in einem Ingenieurbüro in der Nähe von Köln und machte sich dann selbstständig. 1991 gründete er zusammen mit einer Gruppe von Deutschen und Deutsch-Palästinensern einen gemeinnützigen Verein: Gesellschaft zur Humanitären Unterstützung der Palästinenser e. V. Seit einigen Jahren gibt er eine Zeitschrift im Internet  heraus. (www.palaestina-stimme.de)  unbedingt anklicken: her findet man das schönste Bild aus Palästina das ich je gesehen habe

Izzeddin Musa

Quo vadis, Amerika?

Kaum haben Russland und China ihr Veto gegen die Verurteilung Syriens verkündet, gerät die demokratische westliche Werte-Welt, NATO- und arabische Quisling-Golfstaaten in Aufruhr. Alle reagieren ungewöhnlich fassungslos. Die USA antworten mit der Schließung ihrer Botschaft in Damaskus; Frankreich ruft seinen Botschafter zurück, andere EU-Staaten folgen, Deutschlands Außenministerdarsteller Guido Westerwelle zitiert den syrischen Botschafter ins Auswärtige Amt. Merkel erwägt die totale Schließung der diplomatischen Vertretung. Die Golfstaaten, angeführt von den reaktionärsten Regimes weltweit, an der Spitze Saudi Arabien und Katar (dort ist eine gigantische Militärbasis der US-Armee beheimatet),  Untertanen und Befehlsempfänger Amerikas, schließen ihre diplomatischen Vertretungen und demonstrativ beordern alle ihre Diplomaten zurück. Ja sogar Tunesien schließt seine Botschaft in Damaskus. Und alle drohen mit noch schärferen Sanktionen. Verhandlungen, um diplomatische Problemlösungen zu finden, sind fehl am Platz und werden nicht gefragt. Die Wertegesellschaft ermächtigt sich selbst, in innere Angelegenheiten des Landes mitzumischen. Zu guter Letzt sitzen heute alle Staaten, die Syrien nicht gut gesonnen sind in Tunesien zusammen, um dort schlimme Sachen gegen das Land zu beschließen.

Alle Regierungen der westlichen Welt, USA inklusive seines kriegslüsternen  Klientelstaates Israel, Europa und die meisten arabischen Staaten gerieten außer Band und Rand, verloren die Fassung und fielen mit ihren beleidigenden Äußerungen gegen Russland und China aus dem Rahmen. Die Medien, ob Tageszeitungen, Zeitschriften oder TV-Sender, staatliche wie private, westliche wie arabische, stimmen dasselbe Lügenlied an. Angeführt vom TV-Sender Al Jazeera, US-Sprachrohr in Katar, der einmal als seriös galt, jedoch eine 180-Grad Umwandlung erfahren hat, und Al Arabia vom Despoten Abdullah in Saudia, einer Marionette Amerikas. Ein Schreiberling des Bonner Generalanzeigers drückte sich in seinem Kommentar so aus: „Eine Resolution gegen das „Menschenrecht absichtvoll missachtenden Regime“ in Syrien sollte verabschiedet werden“. Oder Claus Kleber vom ZDF, der uns einen Bericht eines BBC-Korrespondenten mit Schießereien und Kampfhandlungen in Homs zeigte, tischt uns am 7. Februar 2012 im „heute journal“ den gleichen Bericht des BBC-Korrespondenten, mit gleichen Bildern, auf, jedoch mit einer anderen herzerweichenden Lügengeschichte über den Tod eines siebenjährigen Mädchens, getötet durch Assads Raketen. Das ist keine seriöse Berichterstattung, sondern übelste Propaganda. Damit sollen nur die Gefühle der Zuschauer manipuliert und aufgewühlt werden. Solcher Art Geschichten liest und beobachtet man fast in allen Medien. Jürgen Todenhöfer war kürzlich lange in Syrien, hatte überall Zutritt und wurde vom Präsidenten empfangen. Er sagt, jede zweite Berichterstattung in westlichen Medien ist absolut falsch und die andere Hälfte mit Vorsicht zu genießen. Karin Leukefeld berichtet ständig aus Syrien und stimmt mit Todenhöfer überein. Am Tag der Abstimmung war die Rede der Opposition in Syrien von mehreren hundert getöteten Menschen durch das Regime Assads. Nach der Abstimmung wurden diese Zahlen um das zehnfache nach unten korrigiert. Auf westlicher Seite verloren nach dem Veto Russlands und Chinas die Politiker ihre Beherrschung. Sie wurden ausfallend gegenüber den Vertretern beider Staaten. Das politische Traumpaar  Merkel und Sarkozy waren nicht nur „geschockt“, ja sogar „entsetzt“. Wo war ihr Entsetzen über die eine Million Toten im Irak, oder beim Massaker der Israelis in Gaza, oder bei den über 50000 Toten in Libyen? Die Liste ist lang.

Warum eigentlich diese ganze Aufregung? Man behauptet, Russland und China haben sich isoliert oder vielleicht ehrlicher, man droht ihnen, sie zu isolieren. Den Vereinigten Staaten von Amerika steht ihre geheuchelte Aufregung schlecht zu Gesicht. Stimmen sie doch regelmäßig gegen jede Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates, die Israel für seine völkerrechtswidrigen und menschenverachtenden Untaten in Palästina, ob Siedlungspolitik, bauliche Veränderungen in Jerusalem, Enteignungen, Plantagen- und Feldrodungen, Hauszerstörungen, F16-Bomber-Einsätze gegen die zivile Bevölkerung, außergerichtliche Exekutionen, Menschen mit Phosphorbomben verbrennen u.v.a.m.. Stimmten die USA einmal für eine UN-Resolution wie zum Beispiel für die Resolution 194 – Rückkehrrecht für die Flüchtlinge –, die am 11. Dezember 1948 verabschiedet wurde, dann scherte sich Israel einen Dreck um deren Beachtung. Die einzige Resolution, die Israel akzeptierte war die Teilungsresolution 181 vom November 1947, weil sie den Zionisten mehr als das halbe Palästina auf dem Silbertablett präsentierte. Auch dies war nur ein taktischer Schachzug Ben Gurions, um nach und nach sich das ganze Land völkerrechtswidrig unter den Nagel zu reißen. Auch seine Nachfolger arbeiten nach dem gleichen Muster und säubern Palästina von ihrer einheimischen Bevölkerung bis heute. Gegen Israel permanenten Verstößen gegen Völkerrecht und die Achtung der Menschenrechte haben sich zwar einige europäische Länder sich hin und wieder der Stimme enthalten, aber ernsthaft verhindern konnten und wollten sie Israels verbrecherische Politik nicht.

Die Resolution gegen Jugoslawien hatte ein Embargo zum Ziel, und man hat anschließend hemmungslos das Land bombardiert. Bei Libyen handelte es sich um die Einrichtung einer Flugverbotszone zum angeblichen Schutz der Zivilbevölkerung, anschließend hat das Nato-Bombardement etwa 50.000 Menschenleben gekostet und die Infrastruktur des Landes völlig zerstört. Den Irak überfiel man einfach. Dort wurden über eine Million Menschenleben ausgelöscht und das Land in die Steinzeit zurück gebombt. In Afghanistan wurde das Land demoliert, weil die westliche Welt dort Demokratie und die Frauenrechte etablieren wollte! Und nun soll nach Ansicht der Nato Syrien dran glauben, weil dort das „Menschenrecht absichtvoll missachtet wird“. Die Menschenrechte in Saudi Arabien, Bahrein und in den kleinen Golfstaaten werden mit Füßen getreten. Dies interessiert die USA und ihre westlichen Verbündeten nicht, da es bei diesen Despoten um „gute“, sprich westliche handelt. Wenn es ihnen um Demokratie und Menschenrechte ginge, wieso und warum versucht der Westen, sprich USA, den demokratischen Wandel in Ägypten zu verwässern und zu vereiteln?

Syrien akzeptierte und ließ eine Untersuchungs- und Beobachter-Kommission  von der arabischen Liga ins Land ein. Es wurde auch beschlossen, eine zweite Kommission mit noch mehr Beobachtern nach Syrien zu schicken. Syrien stimmte auch diesmal zu. Aber nachdem der Bericht der ersten Kommission objektiv und neutral ausfiel und von brutalen bewaffneten Gruppen sprach, passte dies Saudi Arabien und den anderen US-Marionetten am persischen Golf nicht. Daraufhin zogen sie ihre Beobachter aus der Kommission zurück. Der Kommissionsbericht darf bis heute nicht veröffentlicht werden.

Zugegeben, das Regime in Syrien hat am Anfang zu langsam wirkliche Reformen umgesetzt. Und so wurden Oppositionelle im Ausland von Geheimdiensten vorbereitet, mit Geld und Waffen ausgerüstet, damit sie das Regime, das ihnen ein Dorn im Auge ist, zu destabilisieren. Sie lehnen jede Verhandlungen ab, auch wenn umfassende Reformenvorschläge inzwischen auf dem Tisch liegen. Diesen bezahlten Gewaltgruppen liegt das Wohl ihres Landes nicht am Herzen. Sie wollen den Umsturz, damit sie, wie im Irak, eine US-Quisling-Regierung das Ruder übernehmen soll, die im Interesse USrael handeln soll. Das muss mit allen Mitteln verhindert werden.

Ist es nicht so, dass, wenn Syrien fällt, als nächstes der Iran auf der zionisitisch-amerkanischen Abschussliste stehen würde? Denn der Versuch, Iran anzugreifen, ist so alt wie Methusalem. Das Verhältnis zwischen den USA und Iran ist seit 1953, als die CIA die demokratisch gewählte Regierung vom Ministerpräsidenten Mossadeqh stürzte. Und dann die Geiselnahme in der US-Botschaft von 1979 und die missglückte Befreiungsaktion, die sog. Iran-Contra-Affäre, hinzu kommt, dass sich die Amerikaner auf der Seite Saddam Husseins gegen Iran standen und diesen im achtjährigen Krieg mit Chemiewaffen ausgerüstet haben, wirft einen langen Schatten auf diese Beziehungen. Eine weitere Delikatesse, dass 2002 George W. Bush (der Kleine) Teheran auf  die Liste „Achse des Bösen“ setzt, wohin in Wirklichkeit die USA und Israel gehören. Iran hat seit über 200 Jahren kein einziges Land angegriffen. Israel und die USA tun dies fast jährlich. Das Verlangen Irans nach USA-Garantien, nicht angegriffen zu werden, was zu beiderseitigem Gewinn und Zufriedenheit führen würde, wird stets abgelehnt. Um einen Angriff zu legitimieren, haben die USA ihren Handlanger, den Japaner Yukiya Amano, angewiesen, einen manipulierten Bericht über das iranische Nuklearprogramm zu liefern. Er tut es jetzt auch mit Nachschlag, bevor ihm der Bericht von der IAEA-Delegation vorlag. Amano verlangt mehr als das was ihm zusteht. Mit Recht werden seine Gelüste vom Iran abgelehnt. Denn solche unbegrenzten Inspektionsrechte, wie Amano sie fordert, dienen dem Ausspionieren potentieller Angriffsziele, wie wir das in Irak erlebt haben.

Iran weiß um die Absichten des im Absinken befindlichen US-Imperiums. Das sind nicht die angeblichen iranischen Atombomben, die die USA und Israel beunruhigen. In erster Linie wollen sie einen Regimewechsel. Vielleicht gelingt es, so denken die US-Imperialisten doch, ein Regime zu installieren wie zur Zeiten des Schahs Reza Pahlawi auf den Pfauenthron. Noch wichtigere Gründe ist das Öl- und Gasgeschäft sowie geostrategische und machtpolitische Interessen, die mit dem gegenwärtigen Regime nicht zu machen sind. Der Westen weiß, dass der Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei und Präsident Mahmud Ahmadinedschad Atomwaffen, aus religiösen Gründen, strikt ablehnen. Das wird vom USrael  immer überhört und ignoriert, da sie Probleme mit einem Streiter für Unabhängigkeit in der Region haben.

Die Vorbereitungen für einen Angriffskrieg gegen Iran sind ein offenes Geheimnis. Propagandistisch werden sie von den westlichen Medien vorbereitet. Nach einer Umfrage von  n-tv vom  9. Februar 2012 befürworten 44 Prozent der US-Amerikaner die Bombardierung Irans. Diese Menschen jenseits des Atlantiks scheinen nichts dazu gelernt zu haben. Durch die Zig-Tausenden gefallenen US-Soldaten in Irak, Afghanistan und anderswo, dazu ein Mehrfaches an Kriegsverletzten, Uran-verseuchten (durch Einsatz eigener uranangereicherte Waffen!), Mentalgeschädigten und Drogenabhängigen, hat die kriegslüsterne Politikklasse der USA nichts dazu gelernt, andere Menschen und Länder auf gleicher Augenhöhe zu begegnen? Abu Ghreib, Guantanamo, Pissen auf Leichen, Leichen schänden und Koranverbrennungen sind lediglich amerikanische Tugenden.  Ein Demokratie-Exporteur, wie Amerika stets angibt, ist sie wahrhaftig nicht. 

Iran ist sich der Bedrohung durch die USA und seinen aggressiven Schützling Israel bewusst und arbeitet darauf hin, um diese existentielle Bedrohung zu begegnen.  Auch Syrien weiß um diese Gefahr. Die Standhaftigkeit Syriens und sein Verbündeten Iran beunruhigt den Westen und seine arabischen Quislinge. Sie würden lieber ein Syrien, nach Glaubensbekenntnis, nach Gesichts- und Hautfarbe, nach Überzeugung, Meinung und Einstellung, nach Stammes- und Sippenzugehörigkeit geteilt sehen. Danach könnte Israel den Todfeind Hisbollah ohne Rückendeckung aus Syrien im Nu vernichten. Der israelische Hegemon wäre dann der absolute Alleinherrscher im Nahen Osten. 

Die Palästinenser dürfen in diesem Machtpoker nicht fehlen. Wir Palästinenser sind alle dafür, dass die Querelen zwischen den palästinensischen Gruppen beigelegt werden sollten. Hamas und ihr nahe stehenden Gruppierungen wollten mit einer saubereren PLO-, bzw. Fatahleuten den innerpalästinensischen Streit beilegen. Denn solange die Handlanger Israels, sprich Mahmoud Abbas, Saeb Erekat, Yasser Abed Rabbo, Azzam Al-Ahmad, Ahmad, Qurei, Salam Fayyad  u.v.a.m. noch in Amt und Ehren sind, kann kein Palästinastaat entstehen. Auch Hamas wird langsam durch Gelder und ein neues Exil zahnlos gemacht. Erst begannen die Verhandlungen in Mubaraks Ägypten. Hamas war standhaft und widersetzte sich den Verlockungen und Drohungen. Nach dem unfreiwilligen Abgang von Hosni Mubarak wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen und Abbas war bereit, mehr Konzessionen an Hamas zu machen, da sein Mentor in der Zwischenzeit vor Gericht gelandet war.  Der Durchbruch kam erst, als Abbas endgültig die Hoffnung auf einen angemessenen Verkauf Palästinas aufgeben müsste.

Netanyahu trotzte Barack Hussein Obama mit der Fortsetzung der Besiedelung, und Avigdor Liberman, Nachtclub-Türsteher, „Mafiosi“ und jetziger israelischer Außenminister, sagte es deutlich, dass in  99 Jahren keinen Palästinastaat geben werde. Erst dann ging dem Architekten des Osloer Diktats, Mahmoud Abbas, ein Licht auf, dass er sich und seine Mannen nicht mehr retten kann, wenn er den Streit nicht beilegen wird. Folglich war die Einigung eine populäre Maßnahme und ein Schachzug, um ihre Köpfe aus der Schlinge zu ziehen. Hinter den Kulissen begann eine fieberhafte Tätigkeit in Amman, Katar und Saudi Arabien, gesteuert vom Weißen Haus und diktiert aus Tel Aviv. Zunächst soll Hamas neutralisiert werden, heißt die Devise. Abdallah von Jordanien lädt zu israelisch-palästinensischen Zeitvertreib-Sondierungen nach Amman ein. Hamas wird mit der Wiedereröffnung ihrer Büros in Amman geködert. Gleichzeitig werden sie nach Katar gelockt für eine Umarmung zwischen Khaled Meshal und Mahmoud Abbas. Beim Treffen mit Prinz Elefant umarmte Meshal seinen früheren Kontrahenten Abbas und hörte fast nicht mehr auf, ihn abzuknutschen. Erinnert an die ewigen Knutschereien vom vergifteten Arafat. Bei diesem Treffen verwandelte der Elefant den Hamas-Tiger zu Papier, in dem er ihm die Zähne zog und die Lücken mit US-Dollars stopfte und vergaß nicht zu versprechen, wie er das schon mal tat, kurz nach dem Phosphorüberfall auf Gaza, Gaza wieder aufzubauen. Syrien, das die Hamas einst mit offenen Armen aufnahm und ihnen eine Heimat anbot, als niemand sie haben wollte,  wurde kalt von diesen Islamisten abserviert. Sicherlich bleibt das nicht ohne Folgen für Hamas. Das Mindeste dürfte eine Spaltung in den eigenen Reihen sein.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Ein Gedanke zu „„Quo vadis, Amerika?“
von Dr. Izzeddin Musa“

  1. Danke schön, Hartmut!
    Was man sich ansonsten mühsam selbst zusammensuchen muss an geschichtlichem Wissen, hier hat man es aus einer Hand. Zusammenfassend kann man nur sagen: Das alles ist Kolonialismus, jedenfalls versuchter, in Reinkultur. Ich hoffe nur, dass China und Russland ein Licht aufgegangen ist uns sie sich energisch im eigenen Interesse diesen Kriegsvorbereitungen entgegenstellen.
    Ich verbreite den Artikel weiter.
    Mit freundlichem Gruß Lothar Ratai aus Feldberg

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