In tiefer Trauer um meinen väterlichen Freund Jakob Moneta, der in der Zeit eines von Israel ausgehenden drohenden neuen Weltkriegs so dringend gebraucht würde. Der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift „Metall“ ist Gestern im Alter vor 97 Jahren gestorben.
Die Falten von Margot Honecker
Jakob Moneta antwortet Wolf Biermann
D I E F A L T E N V O N M A R G O T H O N N E C K E R
Vor nun 25 Jahren wurde Wolf Biermann aus der ehemaligen DDR ausgebürgert. In einem umfangreichen Beitrag für den Spiegel (vom 12.11.01) hat der Sänger und Dichter die folgenreichen Ereignisse erinnert und reflektiert. Dass Jakob Moneta, Urgestein der deutschen Gewerkschaftslinken und mitbeteiligt an der damaligen Affäre, 15 Jahre später, nach der „Wende“ in der PDS gearbeitet hat, ist für Biermann heute ein Zeichen politischen Doppelspiels, denn ein „waschechter Trotzkist“ wie Moneta könne alles werden, „ein SPD-Mann, ein CDU-Mitglied, ein fundamentaler Moslem, ein RAF-Terrorist oder ein Banker oder ein Immobilienhai oder ein Sozialfall, er kann sich sogar umoperieren lassen zur Frau — aber ein Mitglied der stalinistischen Bande wird er nur dann, wenn er es im Grunde immer schon heimlich war“. SoZ-Redakteur Moneta antwortet hier auf diesen Vorwurf.
Die literarischen und poetischen Fähigkeiten von Wolf Biermann sind unbestritten. Allerdings hat er sie auch den ihm von der SED und DDR gebotenen Möglichkeiten eines Studiums zu verdanken. Als Autodidakt fällt mir jedoch auf, wie oft er in seinem Spiegel-Artikel seinen Mut hervorkehrt. Dass er z.B. besonders scharfe Lieder im Osten all die Jahre gesungen und massenhaft verbreitet hat, dort also, wo es mehr Mut brauchte als auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs. Ich fragte mich, wie es möglich war, dass er zwar rund um die Uhr von der Stasi bewacht wurde, aber im Gegensatz zu vielen anderen, die weniger scharf waren als er und ihre Sachen keineswegs massenhaft verbreiten konnten, keine jahrelangen Haftstrafen abbüßen musste. Aber ich verdrängte, wohl weil ich soviel Sympathie für ihn hatte, diese Gedanken.
Wolf Biermann wüsste gern, wer in der IG Metall auf die tolle Idee kam, ihn einzuladen, oder wer sie listenreich aufgegriffen habe. Ich bekenne mich als der Schuldige. Bereits zum Protestkongress in Offenbach gegen die beabsichtigte Hinrichtung von fünf Kommunisten in Spanien mit der Garotte, einem Halseisen, hatte ich zusammen mit Daniel Cohn-Bendit vorgeschlagen, Biermann einzuladen. Wusste ich doch, dass dessen Vater, zusammen mit einem anderen Genossen, versucht hatte, ein mit Waffen beladenes Schiff an die spanische Republik für deren Kampf gegen den Faschismus zu entsenden. Die Gestapo hat dies verhindert. Beide wurden zu hohen Haftstrafen verurteilt und Biermanns Vater, der nicht nur Kommunist, sondern auch Jude war, von den Nazis ermordet. Was ich nicht wusste war, dass Margot, die Tochter dieses Genossen, von seiner mutigen, kommunistischen Mutter Emma, in Obhut genommen wurde. Sie zog sie zusammen mit ihrem Sohn auf. Als Biermann die Ausreise nach Offenbach von der DDR-Bürokratie verboten wurde, gelang es, Tonbänder mit seinen Spanien-Liedern heraus zu schmuggeln und vor etwa 3000 begeisterten Zuhörern abzuspielen.
Da mir bekannt war, dass die SED versuchte, ein gutes Verhältnis zu den Gewerkschaften im Westen herzustellen, schlug ich dem IG-Metall-Vorstandsmitglied Georg Benz, einem der mutigsten und klügsten Köpfe, vor, Biermann zu dem jährlich zu Werbungszwecken veranstalteten Jugendmonat einzuladen. Die Rechnung ging auf, Biermann durfte ausreisen. Als damaliger Chefredakteur von Metall stellte ich auf drei Seiten Biermanns Biografie und seine Lieder den 1,7 Millionen Lesern vor, von denen die meisten sicher noch nie etwas von Biermann gehört hatten.
Es brachte mir allerdings herbe Kritik ein, als Betriebsräte sich beim Vorstand beschwerten, einen Kommunisten für den Jugendmonat empfohlen zu haben. Im Beirat der IG Metall gelang es mir, zu erläutern, wie wichtig es sei, oppositionelle Kommunisten in ihrem Kampf für die Demokratisierung von Partei und DDR zu unterstützen.
Meine Lebenspartnerin Sigi und ich nahmen Biermann und seine Mutter Emma in unserem Haus in Frankfurt auf. Wir erlebten seine tiefe Bestürzung, als er nach der Massenveranstaltung in Köln seine Ausbürgerung erfuhr. Als er jedoch eines Abends erzählte, wie sehr er sich vor den Falten im Hals von Margot ekelte, die inzwischen die Ehefrau des Staatsratsvorsitzenden Honecker war, wollte Sigi ihn, angewidert von seinem Machismus, hinaus schmeißen. Nur ihre tiefe Sympathie für seine aufrechte und tapfere Mutter, die als Kommunistin noch Mitglied der DKP war und ihren Sohn vergötterte, hinderte Sigi daran, ihr Vorhaben auszuführen. Allerdings war sie während seines wochenlangen Aufenthaltes bei uns in einen ständigen Kleinkrieg mit ihm verwickelt. Mir jedoch ging langsam ein Licht auf, wieso sich Wolf Biermann unter der schützenden Hand von Margot Honecker soviel in der DDR heraus nehmen konnte, ohne von Haft bedroht zu sein.
In seinem Spiegel-Artikel „Die Ausbürgerung“ führt Biermann meine angebliche Spitzenkandidatur für die PDS in Frankfurt als Trotzkist darauf zurück, dass ich nur darum „ein Mitglied der Stalinschen Bande“ werden konnte, weil ich „im Grunde es heimlich immer schon war“. Abgesehen davon, dass ich in Thüringen auf dem 6.Platz kandidierte und später — bis zum meinem 80.Geburstag — Vorstandsmitglied der PDS war, möchte ich Biermann bitten, mir zu erklären, wieso aus meinen Stasi-Akten hervorgeht, dass im Juli 1978 meine Einreisesperre in die DDR bis zum 30.12.1999 verlängert worden ist. Ich bin, soweit ich weiß, der einzige in diesem Lande, der bis zum Jahre 2000 nicht einreisen durfte.
Die Gründe, die hierfür von der Stasi angeführt werden, leuchten mir durchaus ein. Ich hätte einem Osteuropakomitee angehört, dem Bahro-Komitee, einem Unterstützungskomitee für freie Gewerkschaften in Polen, dem „Schutzkomitee Freiheit und Sozialismus“ in Westberlin, sei ein Sektionsleiter der IV.Internationale. So etwas gibt es zwar nicht, aber ich sei eben ein Anhänger des Beelzebubs Trotzki. Dass auch die Stasi nicht allwissend ist und ihr andere, subversive, antistalinistische, sozialistische Aktivitäten von mir unbekannt waren, hat mich allerdings beruhigt.
Um Biermanns Neugierde, wie ein Trotzkist in eine „stalinsche Partei“ eintreten kann, zu befriedigen, möchte ich ihm einiges aus meiner Ansprache an den Kongress der Linken Liste/PDS vom 15.9.1990 in Berlin zitieren:
„Ich komme aus einer Tradition der Arbeiterbewegung, die sich ‚Linke Opposition‘ nannte. Ihre Gegnerschaft zur bürokratischen Gewaltherrschaft in der Sowjetunion musste sie mit zehntausenden Opfern bezahlen. Heute, viele Jahre nach ihrer Ermordung, werden diese Opfer rehabilitiert. Aber ihre wahre Rehabilitierung werden sie und die Opfer der anderen Oppositionen aus dem sozialistischen, kommunistischen, anarchistischen Lager erst dann erhalten, wenn wir uns wieder mit ihren Ideen, ihrer Kritik, den von ihnen vorgeschlagenen Alternativen beschäftigen werden.“ „Die Kriegsfrage ist in der deutschen Arbeiterbewegung — und nicht nur der deutschen — stets der Lackmustest dafür gewesen, wer es ernst meint mit den Idealen des Sozialismus und wer sie verrät.“
Obwohl Biermann mit dem Tod Havemanns seinen politischen Kopf verloren hat, müsste er sich doch heute fragen, warum sein lautes Bellen als Schoßhündchen der deutschen Rechten es nicht vermochte, all jene in den Berliner Wahlen zu überzeugen, die der Antikriegspartei PDS ihre Stimme gaben.
Zum Schluss kann ich es mir nicht verkneifen, Wolf Biermann einen Spruch aus meiner jiddischen Muttersprache auf den Weg zu geben: „Nicht gedacht soll seiner werden.“
Jakob Moneta
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