170 Jahre Demokratischer Verein Mittel-Gründau / 80. HDV-Erzählabend Fr. 04.08.2017 Volkshaus 18.30h

Mittel-Gründau: ein ganzes Dorf arbeitet für den Verfassungsschutz

Sie haben richtig gelesen! Das ganze Dorf hat für den Verfassungsschutz gearbeitet ….

und versucht, einen Putsch gegen die Demokratie zu verhindern.

Wer mit dabei war ? 

Das steht alles in den Akten: alles was in Mittel-Gründau und den Nachbarorten Rang und Namen hat: Kalbfleisch,Weinel, Dauth, Noß, Meininger, Hölzinger, Lott, Geiß, Wagner, Mohn, Schmidt, Betz, Jäger, Günther, Volz, Birkenstock, Reuß, Pfeifer, Hainbuch, Hartwig, Schwinn, Burghardt, Herle, Achtzehnter, Schwarzhaupt …..

Das war aber bereits vor 160 Jahren. Die Mittel-Gründauer haben nicht nur ihren Abgeordneten demokratisch gewählt und seine Arbeit unterstützt. Sie haben sich selbst aktiv in die Politiik eingemischt, ihren Abgeordneten mit dem Einbringen von  Petionen und Anträgen beauftragt, die sie vorher in ihrem “Demokratischen Verein” disktiert und beschlossen hatten. Die Anträge aus Mittel-Gründau waren dabei so radikal demokratisch und sozial, dass die Parlamentspräsidenten sowohl in der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche als auch im Hessischen Landtag ihre Behandlung nicht zuließen. Von den Mittel-Gründauer Anträgen an beide Häuser konnte bisher kein einziger wieder gefunden werden. Nur die Antworten auf die Anfragen des für Mittel-Gründau zuständigen linken Abgeordneten Dr. Christian Heldmann, warum die Anträge aus Mittel-Gründau nicht behandelt würden, sind noch zu finden: die Auskunft der Sitzungs-Präsidenten lautete jeweils, die Anträge aus Mittel-Gründau seien “zu radikal demokratisch” , “zu radikal sozial”, “zu majestätsbeleidigend” usw… Deshalb wurden die Anträge auch nicht in die Protokolle aufgenommen und verschwanden in der Versenkung. Der Frankfurter Historiker Dr. Manfred Köhler hatte bei einer Veranstaltung zum 150. Jahrestag der 1848er Revolution in der historischen Alten Schule entsprechende Zitate aus den Antworten auf die Heldmann-Anfragen vorgetragen. Bei dieser Veranstaltung der IAS (“Initiative Alte Schule”) 1998 zeigte Dr. Köhler neben den auch aus Mittel-Gründau stammenden Forderungen der Oberhessischen Bauernaufstände von 1830/32  auch die einzige noch erhaltene 1848er Resolution des Mittel-Gründauer “Demokratischen Vereins” zur Unterstützung der Reichsverfassungskampagne.

Mittel-Gründauer Resolution zur Verteidigung der demokratischen gesamtdeutschen Verfassung

204. öffentliche Sitzung (der Paulskirchen-Nationalversammlung in Frankfurt/Main)

vom 23. April 1849

Hohe Nationalversammlung!

(übergeben von dem Abgeordneten Heldmann)

Auch wir, die Mitglieder des hiesigen Vereins, erheben unsere Stimme, um vereint mit den anderen Vereinen, ja mit dem ganzen Volke, den Volksvertretern zuzurufen:

Haltet fest an der Verfassung, die Euer Werk, mit der Ihr stehen und fallen werdet, und welche zu verteidigen das ganze Volk fest entschlossen ist!

Wagt nicht den törichten Versuch einer Vereinbarung mit den Fürsten und sprecht entschieden das Recht der Nation aus, aus ihrer Mitte ein verantwortliches Oberhaupt zu wählen!

Hört auf die Stimme derer, die Euch berufen. Die ihre Ehre, ihre Freiheit in Eure Hand gegeben! Handelt im Sinne und nach dem Willen des Volkes, und seid versichert, dass das Volk dann auch Eurem Rufe folgen und mit allen Mitteln zur Durchführung unserer gerechten Sache Euch unterstützen wird.

Mittelgründau, den 19ten April 1849

Der Vorstand des Vereins

B. Kaffenberger

H. Schwinn

Bürgermeister Günther

Kalbfleisch

Johannes Lott

Bei dieser Resolution des „Demokratischen Vereins Mittel-Gründau“ ging es um die Unterstützung der Wahl eines Staatsoberhauptes, das dem Parlament verantwortlich und von diesem auch abwählbar sein sollte. Die Gegenposition -vertreten u.a. durch den Büdinger Wissenschaftler und Heldmanns unterlegener Wahlkreis-Gegner  Ludwig Thudichum – forderte die Wahl eines nicht mehr absetzbaren Fürsten als Staatsoberhaupt, das auch dem Parlament nicht verantwortlich ist und jede parlamentarische Entscheidung durch ein absolutes Veto blockieren können sollte.

Die Mittel-Gründauer hatten diesen pseudodemokratischen Schwindel zu Gunsten des Adels schnell durchblickt… Bereits Ende April 1949 versuchte das deutsche Volk seine demokratische Verfassung gezwungener Maßen mit Waffengewalt gegen preußische Monarchisten und Militaristen und ihre Hilfstruppen zu verteidigen. Gewürdigt wurde die Teilnahme nicht weniger Gründauer an der Reichsverfassungskampagne zur Verteidigung der ersten deutschen Demokratie bisher nur einmal: in der Festschrift „750 Jahre Niedergründau“ macht sich ein Artikels zu diesem Thema über die Teilnehmer lustig. Es ist der gleiche Zungenschlag, der auch dort im Bericht über den Bauernaufstand 1830 in Niedergründau den Ton angibt.

Trotz seiner konstitutionell-monarchistischen und seiner dem Büdinger Fürsten unterwürfigen Haltung wurde Thudichum 1850 verdächtigt, sich für Demokratie und Republik eingesetzt zu haben. Ihm wurde deshalb ein Lehrstuhl an der Gießener Universität verweigert, worauf Thudichum nach England auswanderte.

Dr. Christian Heldmann wurde zu Zuchthaus verurteilt. Er starb im Alter von kaum 58 Jahren an den Folgen seiner Haftzeit. Die Inbetriebnahme der im Volksmund nach ihm benannten und von ihm initierten Butzbach-Licher-Eisenbahnverbindung. der „Heldmann-Bahn“ von Gießen nach Gelnhausen 1870 konnte er nicht mehr miterleben.

Die folgende Unterschriften-Liste unter der Resolution zum Kampf um die demokratsiche Verfassung besagt, dass über 80 Familienvorstände (damals nur die Männer!) für ihre Familien mit unterschrieben haben. Die Familien waren damnals größer als heute, 5 bis 10 Kinder waren die Regel. So wurde die Resolution von wahrscheinlich weit über 500 Mittel-Gründauern unterstützt. Wobei der Lehrer Bernhard Kaffenberger die Resolution als Vorstandsmitglied und Schriftführer des “Demokratischen Vereins” verfasst haben dürfte. Dafür wurde er 1850/51 zunächst nach Darmstadt strafversetzt, dann ins Zuchthaus gebracht und dann zur Auswanderung in die USA gezungen. Sein UrUrUrUrEnkel  Richard Kaffenberger hat sich vor einiger Zeit aus den USA per internet beim Verfasser dieses Artikel gemeldet und sich alle Geschichten um seinen Vorfahren schicken lassen

(Unterschriften des Vorstandes des “Demokratischen Vereins Mittelgründau” vom 23. April 1849, die Erstunterzeichner)

B. Kaffenberger

H. Schwinn

Bürgermeister Günther

Kalbfleisch

Johannes Lott

Weitere Unterschriften unter der Mittel-Gründauer Resolution vom April 1849: (Günther, Johannes Lott, H. Schwinn und Kaffenberger haben damals wohl doppelt unterschrieben)

B. Kaffenberger

Bürgermeister Günther

Tobias Meininger II

Heinrich Reuß

Wilhelm Meininger I

Heinrich Boller

Friedrich Weinel I

Friederich Hoenstein

Edgar Wagner

Philipp Burkhardt

Freiedrich Jäger

Peter Gärtner (?)

Peter Herle

Konrad (?) Herle

Georg Lott II

Friedrich Meininger II

Johannes Geiß

Johs Lott

Friedrich Lott

Balthasar Glock

Friedrich Meininger 6

Konrad Mohn

Johannes (?) Schmidt

Christian Mohn

Friedrich Hölzinger

Gabriel Altvater

Konrad Heinbuch

Friedrich Diederich

Wolf Geiß

Heinrich Volz

Conrad Lott

Johs Altvater

Christian Eckart

Tobias Geiß

Wilhelm Meininger III

Heinrich Käufig (?)

Johannes Birkenstock

Wilhelm Reuß

Johannes Pfeifer

Heinrich Wiegand II

Johannes Mohn

Gabriel Schmidt II

Heindrich Eckart

Christian Betz

Friedrich Dauth II

Johs. Dauth III

Heinrich Geiß

Heinrich Weinel II

Heinrich Meininger

Konrad Mohn

Georg Dieterich

Peter Henning

Johannes Schmidt II

Heinrich Hölzinger V

Heinrich Jäger

Gottfrit Echart

Johannes Jäger

Peter Jäger

Georg Lott I

Johs. Schwarzhaubt

Wilhelm Dietrich

Friedrich Weinel II

Konrad Boller

Georg Achtzehnter

Heinrich Schwinn

Johannes Wolf

Heinrich Noß

Heinrich Rühl

Heinrich Weinel I

Johs. Schmidt III

Peter Bieber

Peter Wagner

Wilhelm Meininger IV

Conrad Birkenstock

Johs. Pfeifer II

Georg Geiß

Heinrich Mohn

Johs. Meininger IV

Friedrich Hartwig

Johs. Meininger 5

Peter Hartwig

Johs. Hartwig

J. Schwinn

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Mittel-Gründaus Paulskirchen Abgeordneter, der Naturforscher, Arzt, Landwirtschaftsreformer und Eisenbahn-Pionier Dr. Christian Heldmann, der im Wahlkreis gegen den konstitutionellen Monarchisten, den Büdinger Wissenschaftler Ludwig Thudichum gewann.

Thudichum besuchte wahrscheinlich das Gymnasium seines Vaters und begann 1847 ein Medizinstudium an der Universität Gießen, wo Justus von Liebig und Theodor Bischoff zu seinen Lehrern zählten. 1848 wurde er Mitglied des Hassia.[1] 1850 verbrachte er ein Jahr an der Universität Heidelberg, wo er sich bei Robert Bunsen mit der Spektralanalyse befasste und bei Jacob Henle Anatomie und Pathologie studierte. 1851 kehrte er nach Gießen zurück und wurde zum Dr. med. promoviert. Nach einer erfolglosen Bewerbung um eine Stelle als Pathologe in Gießen – man hatte ihm vorgeworfen, ein Sympathisant der Revolution von 1848 zu sein[2] – emigrierte Thudichum 1853 nach London. Dort arbeitete er von 1855 bis 1863 als Dozent an der privaten St. George School of Medicine. In den Jahren 1856 bis 1858 war er als Arzt am St. Pancras Dispensary tätig und fungierte seit 1865 als Dozent und erster Direktor des neu geschaffenen Labors für Chemie und Pathologie am Londoner St. Thomas Hospital. 1871 gab er diese Stellung auf und praktizierte als Arzt.

Wahlmanifest

                 Der Bezirkstag

der demokratischen Vereine von Oberhessen

        An die Bürger der Provinz

Mitbürger!

In wenigen Tagen werden die Wahlen zu einem neuen Landtag stattfinden, der wohl der wichtigste ist, welcher je in Darmstadt getagt hat. Denn ist auch diesem Landtag die Befugniß verweigert worden, unserem Staate eine von Grund aus neue Verfassung zu geben, so wird es doch seine Aufgabe sein, diejenigen Veränderungen der hessischen Verfassung vorzunehmen, welche die deutsche Reichsverfassung, die Grundrechte, die unveräußerlichen Rechte des Volkes vorschreiben, deren schleunigste Ausführung durch ein Edikt vom 6. März vorigen Jahres vom Großherzog auf das feierlichste versprochen worden ist.

   Da es sich aber in den früheren Ständekammern oft und kürzlich im deutschen Parlamente ereignete, dass Männer als Wahlkandidaten versprachen, die Rechte des Volks zu schützen, später aber gerade diese rechte, welche sie zu schützen gelobt hatten, auf das Freventlichste mit Füßen traten; so hat der Congreß der demokratischen Vereine zu Nidda, in Übereinstimmung mit der Volkspartei in den beiden Schwesterprovinzen, dieses Manifest aufgestellt, um die Hauptgrundsätze der Volkspartei festzusetzen, deren Vertheidigung auf dem Landtage die Wahlkandidaten zu übernehmen haben. Diese Grundzüge müssen Euch bei der Wahl der Deputirten einzig und allein leiten, wenn ihr nicht Euer und Eurer Nachkommen gutes Recht schmachvoll veräußern und verrathen wollt.

 

              Solche Grundsätze sind:

  1. Festhalten an der Reichsverfassung, welche die allein berechtigte, aus der Wahl des souveränen Volkes hervorgegangene constituirende Nationalversammlung beschlossen hat, und die von unserer Staatsregierung verkündet worden ist, als der gesetzlichen Grundlage, auf welcher die Neugestal-tung Deutschlands im Ganzen und in seinen einzelnen Theilen erfolgen muß; und hiernach bestimmte Verweigerung des Beitritts zu dem, von den Königen von Preußen, Hannover und Sachsen vereinbarten, sogenannten Reichsverfassungsentwurf.
  2. Vollständige Durchführung der deutschen Grundrechte, durch Aufnahme in die Verfassungsurkunde und Aufstellung derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche nach dem Einführungsgesetze der gesetzgebenden Thätigkeit der Einzelstaaten vorbehalten sind. Wir erwähnen hier unter Anderm:

 

Abschaffung der Standesvorrechte.

Sicherung der persönlichen Freiheit durch möglichste Einschränkung der vorbeu-genden Untersuchungshaft und Feststellung von Garantieen gegen den Missbrauch der Amtsgewalt

 

3.  Umgestaltung der hessischen   Verfassung soweit es das Edict vom 6. März, die Grundrechte und die Reichsverfassung (§ 194) erfordern.

 

Hierzu ist Euch in der jetzigen Wahl Gelegenheit gegeben, versäumt Ihr diese, so werdet Ihr und Eure Kindeskinder bitter bereuen müssen, die Männer nicht gewählt zu haben, welche Muth und Fähigkeit besitzen, dem mit riesigen Schritten andringenden Elend einen Damm entgegen zu setzen. – Betrachtet das Wahl-manifest der sogenannten Constitutionellen, es enthält nur einen ehrlich, offen und unumwunden ausgesprochenen Grundsatz; Alles andere sind allgemeine Redensarten, die man so oder so, je nach Belieben deuten kann; es sind Lockspeisen, die man hinwirft um Euch zu angeln, und habt Ihr einmal angebissen, dann seid Ihr willenlos gefangen und müßt der Angel-schnur folgen, wohin es auch gehe.

Nur in dem Einen sind die Herren sog. Constitutionellen ehrlich, nämlich in dem offen ausgesprochenen Abfall von der deutschen Nationalversammlung und der Reichverfassung, der sie früher Gut und Blut zu opfern versprachen, die sie beschworen haben. Dass Kammern, nach solchen Grundsätzen und aus einer solchen Partei gewählt, nicht die geringste Bürgschaft für die Erhaltung Eurer Rechte gewähren, daß sie sogar im Gegentheil zu Eurer Unterdrückung mitstimmen und ihre Rechtfertigung dafür aus ihrem schwan-kenden Wahlmanifest herleiten können, bedarf keines näheren Verweises.

 

Darum prüfet und wählet das Beste.

Nidda, den 16. September 1849

Der Bezirkstag der demokratischen Vereine Oberhessens

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Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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