Mit der ARD Sozialstaatsreste ausMERZen: TAGESSAU pusht Black-Rocker zum Kanzlerkandidaten

Dr. Gniffkes Macht um acht

ARD macht dem Merz die Räuberleiter

Für den Bewerber um den CDU-Vorsitz wird der Rote Teppich ausgerollt / ARD-aktuell missachtet ihre gesetzlichen Programmrichtlinien

 

Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam ****

Die Tagesschau und ihre Geschwistersendungen der ARD-aktuell bewähren sich derzeit als Steigbügelhalter des Finanzmanagers Friedrich Merz bei dessen Bewerbung um den CDU-Vorsitz. Er ist als Vorsitzender des Vereins „Atlantik-Brücke“ ein Wasserträger der USA und der Geldaristokratie; ein Transatlantiker par excellence, verbrüdert im Geiste mit ARD-Repräsentanten wie dem Tagesthemen-Moderator Zamperoni, Tina Hassel, dem WDR-Intendanten Buhrow, WDR-Fernsehprogrammdirektor Schönenborn und dem BR-Intendanten Wilhelm, die wie viele andere namhafte Figuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Atlantikbrücken-Vereinsmitglieder sind.

Zwar schreibt das Gesetz dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor, in seinem Informationsangebot die Grundsätze der Unabhängigkeit und Objektivität zu wahren, seine Nachrichtensendungen parteipolitisch neutral zu gestalten, der Wahrheit verpflichtet, um Vollständigkeit bemüht. Im Falle Merz praktiziert der Laden jedoch wieder einmal parteipolitische Vetternwirtschaft.

Kanzlerin Angela Merkel hatte nach der Serie von Wahlschlappen ihrer Partei am 29. Oktober öffentlich erklärt, sich auf dem CDU-Parteitag im Dezember nicht noch einmal für den Vorsitz kandidieren zu wollen. Schon vorher waren mehrere Bewerber um das Parteiamt bekannt. Die ARD-aktuell nannte in ihren ersten Sendungen nach dem Merkel-Auftritt aber nur zwei, beide politische Funktionsträger: CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn. Die hatten nun flugs ebenfalls „ihren Hut in den Ring geworfen.“ Die Scheinsachlichkeit währte allerdings nur Stunden. Noch gleichentags brachte die Tagesschau wie alle anderen Mainstreammedien einen Nachfolgekandidaten „ins Gespräch“: Friedrich Merz. Der hatte sich zwar bis dahin noch gar nicht als Bewerber gemeldet, aber offenbar schon viele Wochen zuvor partei- und medieninterne Strippen gezogen. (2)

Merz steht seither immer ganz oben, ganz vorne. ARD-aktuell manipuliert damit die Kandidatenkür, dass die Schwarte kracht. Häufigkeit und Reihenfolge der Namensnennung der Bewerber folgen in den Tagesschau-Sendungen keinem neutralen Kriterium. Weder wird eine alphabetische Reihenfolge gewahrt, noch eine zeitliche entsprechend dem Bewerbungseingang. Zu schweigen von der unterschiedlichen Ausführlichkeit der Kandidatenbeschreibung. Die Redaktion verstößt mit dieser Form der Berichterstattung massiv gegen die gesetzlichen Bestimmungen für die Nachrichtengestaltung: gegen das Neutralitätsgebot, gegen journalistische Grundsätze und gegen alle Fairnessregeln.

Absicht ist offenkundig, einen Bewerber in den Sattel zu hieven, dem noch viele hinderliche Beschreibungen anhaften: „umstritten“, „nicht integrativ“, „extrem rechtslastig“. Es geht darum, ihm den Weg in eines der wichtigsten politischen Ämter der Republik zu ebnen, einem unerbittlichen Neoliberalen, Abzocker, Vertreter des Geldadels und Arbeitnehmerfeind. Der Mann könnte als Abbruchunternehmer gegen unseren Rest-Sozialstaat berufen, soll aber jetzt der Gesamtbevölkerung „schmackhaft“ und „wählbar“ gemacht werden; als sei er geeignet, das gestörte „Gemeinwohl-Gefühl“ der Nation wieder herzustellen und die Rückkehr der CDU zu einer „Volkspartei“ zu ermöglichen. Ein Charakteristikum übrigens, das auf die CDU längst nicht mehr zutrifft, auch schon vor Merkels Regierungszeit nicht. Die CDU war immer die Partei der gefüllten Geldbeutel, Habenichtse waren ihr gleichgültig; um die sollten die Sozis sich kümmern…

Für Merz läuft es wie geschmiert. Merkel hatte eben ihre Verzichtserklärung beendet, Minuten später jubelten ihn die Mainstream-Medien BILD und WELT schon voller Begeisterung zum besten aller denkbaren Nachfolger hoch. Er sei in den vergangenen Wochen von Parteifreunden massiv gedrängt worden, für das Amt des CDU-Chefs zu kandidieren, hieß es bei BILD. Anzunehmen ist also, dass seine Kandidatur für den Parteivorsitz von langer Hand vorbereitet worden war. Auch die anderen Kampfblätter der Bourgeoisie, der Münchner Merkur, die FAZ und DIE ZEIT ließen an ihrer Sympathie für den Mann keinen Zweifel. Für ihn sprach seine Lobbyarbeit als Vorsitzender der „Atlantikbrücke.

Kognitionsforscher haben herausgefunden, dass unser Denken im Wesentlichen von Metaphern und nicht von Fakten bestimmt wird. (3) In allen Kulturen findet sich die Metapher „mehr ist oben“ und „weniger ist unten“. Tatsachengestützte Beispiele gibt es genug: wer z.B. in der Bundesliga-Tabelle oben steht, wird als „gut und erfolgreich“ wahrgenommen. Bei fortwährender Wiederholung solcher Rankings registriert unser Gehirn: der oben in der Tabelle ist der Beste. Der Volksmund sagt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Beachtet man diese Regel bei der Präsentation politischer Kandidaten, dann wirkt sich das in der allgemeinen Wahrnehmung als befeuernd für den Erstgenannten aus.

Der im Ranking auf Platz 1 genannte Kandidat wird in unserer Vorstellung zum Besten, zum Bewerber mit den größten Erfolgsaussichten. Es bedarf besonderer Reflexion, diesen Eindruck zu korrigieren oder zu widerlegen. Die Medienberichterstattung wird in aller Regel mit „Meinungsumfragen“ ausgestattet, die dem manipulativen Auswahlprozedere eine scheindemokratische Note geben – als ob dabei die an sich sachfremden Kriterien „Erstgenannter“ und „Bekanntheitsgrad“ keine Rolle spielten. „Der Bürger“ wird nach seiner Meinung befragt in der unmerklichen Absicht, ein Wunschergebnis bestätigen zu lassen. Das funktioniert prima: Beispielsweise sprachen sich in einer Leserumfrage des CSU-affinen, rechtskonservativen Münchner Merkur bereits unmittelbar nach Bekanntgabe seiner Kandidatur erwartungsgemäß mehr als 40 % der Teilnehmer für den Merkur-Favoriten M. aus.

Gniffkes ARD-aktuell schien in ihren Nachrichten über die CDU-Vorsitz-Kandidaten zunächst korrekt bleiben zu wollen. Die Tagesschau berichtete zwar ebenfalls ziemlich früh, am 29. Oktober um 10.45 Uhr, über eine „mögliche“ Bewerbung des Mainstream-Favoriten Merz. Sie behandelte das aber noch halbwegs seriös. Nicht er, sondern A. Kramp-Karrenbauer wurde im Vorstellungsranking als Nr.1 geführt. Korrekt, weil sie als Generalsekretärin der CDU die ranghöchste Bewerberin im Parteigefüge der CDU ist. Am Nachmittag hatte sich das Präsentationsmuster aber schon geändert. Merz lag nun auch bei ARD-aktuell vorne, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht offiziell gemeldet hatte. Er wurde regelrecht „herbeiberichtet“.

Die Manipulationsabsicht wird erkennbar, wenn man betrachtet, wie der Name Merz seither die Berichterstattung beherrscht, während über die anderen Kandidaten wenig oder überhaupt nichts mehr gemeldet wird. Dass, um die zeitliche Abfolge des Bewerbungseingangs zu wahren, schon vor Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn und Friedrich Merz auch der Marburger Unternehmer Andreas Ritzenhoff (4) sowie der Bonner Juraprofessor Matthias Herdegen (5) ihre Kandidatur angekündigt hatten, blieb nahezu unerwähnt; und das, obwohl beide sogar gegen Merkel antreten wollten, als von deren Verzichtsabsicht noch keine Rede war, und obwohl beide nach dem Teilrückzug der Kanzlerin ausdrücklich bei der Kandidatur geblieben waren. Die Tagesschau behandelte diese Männer, als seien sie auf der Brennsuppe hergeschwommen.

Der WDR schließlich protegierte Merz in einem Beitrag für die Tagesschau dermaßen aufdringlich, dass er die Konkurrentin Kramp-Karrenbauer nicht einmal mehr erwähnte. (6) Wen wundert´s? Der WDR stellt mit seinem Intendanten Buhrow und Fernseh-Programmdirektor Schönenborn zwei prominente Mitglieder in der von Friedrich Merz geführten, US-hörigen „Atlantikbrücke“. Da wäscht eine Hand die andere.

Von kritischer Berichterstattung gerade über Merz ist die ARD-aktuell ohnehin meilenweit entfernt, das journalistische Hemdchen des Chefredakteurs Dr. Gniffke ist zu kurz. Sein Qualitätsladen bleibt lieber bei Sprechblasen: „Merz gilt als wirtschaftsliberal und konservativ“. Aha.

Leerformeln. Dass er ein schamloser Abzocker ist, wird dem Publikum vorenthalten. Wenn man wissen möchte, wer dieser Friedrich Merz eigentlich ist, muss man wie so oft die bewussten („alternativen“) Medien befragen, die um seriös kritischen Journalismus bemühten: Das im Heise-Verlag erscheinende Politmagazin Telepolis (7), den russischen Internet-Sender RT Deutsch (8) und vor allem Albrecht Müllers NachDenkSeiten (9), um nur einige wichtige Beispiele zu nennen.

Der Wunschkandidat reaktionärer Kreise sitzt in dutzenden Gremien von Versicherungskonzernen, Finanzdienstleistern, Banken und Beraterfirmen, er sammelt Vorstandsposten wie andere Menschen Briefmarken. Und er kassiert nach allen Regeln der Beutelschneiderkunst: für Beratertätigkeit bei der Zerschlagung der maroden West LB verlangte er eine Tagesgage von 5000 Euro.

 

Was versteht dieser Hohepriester des Kapitals von der Welt der Menschen „da unten“? Von den Arbeitnehmern erwarte er „volle Zustimmung für die Begrenzung des Sozialstaats“. Eine „Grundsicherung von 132 Euro pro Monat“ reiche für Bedürftige aller Art völlig aus. Das sind einige seiner üblen früheren Sprüche. Jetzt hat er vorübergehend soziale Kreide gefressen um sich wählbar zu machen. Wichtige Arbeitgeberverbände aber bejubeln ihn als ihren Mann. Sie kennen den Vorher/Nachher-Effekt von Wahlen.

Wie schaut es mit seiner geopolitischen Orientierung aus? Sie ist der „Westlichen Wertegemeinschaft“ gemäß, es unterscheidet ihn diesbezüglich fast nichts von Merkel, Maas, Spahn und v.d. Leyen. Alle sind transatlantische Konfektionsware, stets bereit zum Bückling in Washington und zur Rektalvisite bei den NATO-Oberen:

„Wir brauchen eine strategisch ausgerichtete Außen- und Sicherheitspolitik. Nicht ambivalent – sondern an der Seite unserer europäischen Partner und Amerikas. Im Ergebnis bedeutet das, dass wir die Zusage endlich einhalten müssen, die wir seit Jahren geben: bis zu zwei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts tatsächlich für Verteidigungsausgaben bereitstellen.“ (s.u. Anm.7)

CDU-Generalsekretärin „AKK“ ist dagegen fast aus den ARD-aktuell-Berichten verschwunden. Hervorgehoben wird ihre Nähe zur Kanzlerin und dem „linken Sozialflügel der CDU“. Dr. Gniffkes Agitprop-Journaille weiß, was derartige Hervorhebungen nach monatelangen Diskussionen um die GroKo bedeuten: Eine Vorlage für Merz, einen Tritt gegen Karrenbergers Schienbein. Das Ganze massenmedial gerahmt mit weiteren Umfragen, in denen Merz als Favorit gehandelt wird (10) und gekrönt vom Ruf nach einer Mitgliederbefragung. (11) Der Grund liegt auf der Hand: Die Delegierten des Parteitags in Hamburg dürften noch überwiegend dem Merkel-Lager angehören, Kramp-Karrenbauer einen kleinen „Heimvorteil“ gegenüber den anderen Bewerbern haben.

Merz und seine Strippenzieher wissen das. Um ihm den Erfolg zu sichern, wäre nichts mehr geeignet als eine Mitgliederbefragung. Mit Hilfe der Mainstream-Medien und der Netzwerke von Atlantikbrücke und Wirtschaftsverbänden wäre es kein Problem, Merz als den Retter der CDU und des deutschen Abendlandes anzupreisen. Diese Kreise wissen, wie sie den CDU-Vorsitzenden kriegen, den sie haben wollen. Ob die Mitgliederbefragung zustande kommt, hängt teils von Satzungsfragen, teils von den Chancen ab, eine Mehrheit für Merz bereits bei den 1000 Parteitagsdelegierten herbeizumauscheln. ARD-aktuell mauschelt jedenfalls mit.

Quellen:

(1) Maßgeblich für ARD-aktuell (Sitz: Hamburg, NDR): NDR-Staatsvertrag, siehe https://www.ndr.de/der_ndr/unternehmen/staatsvertrag100.pdf, hier Seiten 4 und 5, §§ 5 (Programmauftrag), 7 (Programmgrundsätze), 8 (Programmgestaltung)

sowie die „Grundsätze für die Zusammenarbeit im ARD-Gemeinschaftsprogramm“ gem. §11e des Rundfunkstaatsvertrages, siehe https://www.ard.de/download/1899726/Grundsaetze_fuer_die_Zusammenarbeit_im_ARD_Gemeinschaftsprogramm_.pdf

(2) https://www.tagesschau.de/inland/merkel-nachfolger-101.html sowie https://www.youtube.com/watch?v=fV-4ilpQw20

(3) (Lakoff/Wehling: „Auf leisen Sohlen ins Gehirn“, Carl Auer Verlag 2018, ISBN 978-3-8497-0141-3, https://www.carl-auer.de/programm/artikel/titel/auf-leisen-sohlen-ins-gehirn/

(4) http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/kampf-um-cdu-vorsitz-andreas-ritzenhoff-im-interview-15863804.html

(5) https://www.welt.de/politik/deutschland/article181781218/CDU-Vorsitz-Matthias-Herdegen-will-gegen-Angela-Merkel-antreten.html

(6) https://www.tagesschau.de/regional/nordrheinwestfalen/wdr-story-17941.html

(7) https://www.heise.de/tp/features/Friedrich-Merz-Habe-nicht-die-Absicht-in-die-Politik-zurueckzukehren-4207518.html

(8) https://deutsch.rt.com/meinung/78515-merz-kandidatur-fur-cdu-vorsitz/

(9) https://www.nachdenkseiten.de/?p=46793#more-46793

(10) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/cdu-spon-umfrage-mehrheit-wuenscht-sich-friedrich-merz-als-merkel-nachfolger-a-1235893.html

(11) https://www.tagesschau.de/inland/cdu-wahlkampf-101.html

 

**** Das Autoren-Team:

Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 – 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Journalist. 1975 – 1996 im NDR, zunächst in der ARD-Tagesschau, nach 1991 in der NDR-Hauptabteilung Kultur. Danach Lehr- und Forschungsauftrag an der Fu-Jen-Uni Taipeh.

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden auf der Seite https://publikumskonferenz.de/blog dokumentiert.

 

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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