Prof. Dr. Rolf Verlegers „Beschneidungsbriefe“
– HaBE dazu ein Vorwort

Auf meinen Artikel zum Kölner Urteil:

Beschneidungsdebatte:
Vorhut statt Vorhaut !
HaBEs Wort zum Sonntag
wider einen modernisierten Hexenwahn an der Heimatfront der Kreuzzüge“ …. http://www.barth-engelbart.de/?p=2001

kamen heftige Reaktionen.  Auf ein zentrales Argument möchte ich hier detailliert eingehen, bevor  ich die Position Prof. Dr. Verlegers (mit dem ich weitgehend & nicht nur in dieser Frage übereinstimme)
http://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Verleger mit dreien seiner Briefe dokumentiere
Es geht gar nicht um die Beschneidung,
es geht um den Umgang mit den Anderen.

Es ist gut, wenn man bei sich ist, aber es ist noch besser, wenn man gelegentlich auch außer sich ist.  Und ich bin außer mir, wenn ich mir genau überlege, was einzelne Kritiken an meiner Position zur „Beschneidungsfrage“ wirklich bedeuten:

Da heißt es in einer der Kritiken als Erwiderung auf meinen Vorschlag: Zu fördern sind Maßnahmen, die die Beschneidung an geltende medizinische Standards binden …“
„Damit nimmst Du eine Haltung ein, wie sie der PDS weiland in Berlin
vorgeworfen wurde: Die SPD beschloß Hartz IV und die PDS ging nicht etwa
dagegen vor, sondern wollte dafür sorgen, daß die Leute ihr Geld „rechtzeitig“
bekämen. Die SPD beschließt Sozialabbau und die PDS exekutiert ihn! Das ist
hier genau Deine Haltung!“

 

Liebe GenossINNen,
beim Sozalabbau geht es um Maßnahmen des Staates gegen alles, was nicht zu Herrschenden Klasse gehört, und wenn da die LINKE in Berlin für „Sozialdekoration“ sorgt, ist das tatsächlich ein Hammer. (Die Beschneidung der Menschenrechte ist ein staatliches Unternehmen, die Beschneidung der Vorhäute aber nicht und das ist ein ziemlich großer, wichtiger Unterschied.)

 

Ich fördere dagegen auch gerne die Einhaltung medizinischer Standards bei Piercing und Tatooing, bei Waldorfschulen und Maria-Ward-Internaten ebenfalls. Intendiert ist dabei nicht die Erhöhung der Attraktivität dieser Anstalten  sondern die Vermeidung von Folgekosten, die der Allgemeiheit aufgebürdet werden. Natürlich geht es mir auch um die physische und psychische Unversehrtheit der Kinder und Jugendlichen

 

Doch das Kölner Urteil und seine Apologeten regieren in Religionsgemeinschaften hinein und das finde ich falsch. Ich habe  nichts gegen die Kritik an der Beschneidung, aber ich kritisiere den Zeitpunkt und die damit inkaufgenommene Kontextualisierung. Jeder Muslim und jeder Jude muss eine solche Kritik mehr oder wenoger als einen Angriff auf seine Identität begreifen. Ich halte den Zeitpunkt der Kritik auch im DFV nicht für einen Zufall.  Dieses konzertierte Kesseltreiben gegen islamische Religionsgemeinschaften sollten wir als Freidenker nicht noch dadurch verstärken, dass wir staatliches Eingreifen gegen diese Gemeinschaften unterstützen.
Die Begründungen für Hausdurchsuchungen und Computerbeschlagnahmen, internetzensur etc mit der notwendigen Jagd auf islamistische Hassprediger und Dschihad-Rekrutierer  können sehr schnell auch gegen die Jugendweihe, die in diesem Zusammenhang praktizierte „politische Indoktrination“ und gegen „Klassenhass-Prediger“ angewendet werden. Ich will hier zum wiederholten Male darauf hinweisen, dass das KPD-Verbot bis ins Detail mit der Verfolgung der SRP durchgespielt wurde und alle sich erweisenden Schwächen in diesem Verfahren dann rechtzeitiog zum KPD-Verbot ausgebügelt waren. (Innenminuster Friedrich nutzt ja auch die NSU-Pannen-Serie“ ausschließlich zur Effektivierung der Dienste…)

 

Nun verletzt weder die Jugendweihe noch die Konfirmation , auch nicht die Taufe, die Kommunion und die Firmung das Recht auf körperliche Unversehrtheit,  – bei Jugendweihe, Konfirmation und Firmung werden die Weih- oder Firmlinge sogar noch gefragt ..
aber als Psychologe werde ich selbstverständlich auch nach den psychischen Schäden fragen, die solche Zeremonien mit sich bringen.

 

Nach dem Kölner Urteil wären auch solche Verfahren anstrengbar, in denen solche Folgen der betreffenden Rituale justizialbel gemacht  und die Rituakle selbt unter Strafe gesellt werden können. Nun bei Gott nicht gegen Erzbischoff Meissner, aber doch schon mal gegen den DFV, der ja Jugendweihen organisiert. Gab es da nicht in den späten 50ern noch/schon solche Verfahren? Schon vergessen?

 

Die Freidenker werden jetzt sicherlich einwenden, die Jugendweihe sei üüüüberhaupt nicht mit Konfirmation und Firmung zu vergleichen, sei humanistisch, aufklärerisch, fortschrittlich… ja so sehen wir das und das ist ja auch richtig, nur treten wir in der Frage der Beurteilung der Rituale (und ein solches ist die Jugendweihe auch) die Bewertungshoheit an den bürgerlich-kapitalistischen Staat ab. Er entscheidet was opportun ist, was seinen Zwecken entspricht und was nicht… und wir blasen, wenns nicht uns direkt betrifft, ins gleiche Horn… als sie die Muslime, als sie die Zeuigen Jehovas, als sie die Anthropologen …. vor gericht stellten …. wie war das mit dem Niemöller-Text?
HaBE
€€€€€€€€€€€€€€€€€ a c h t u n g   w e r b e b l o ck !  ! ! €€€€€€€€€€€€€€€€€€€€€
DAS KROKODIL
Ein Ei im Sumpf des Medieneinerleis

Gute Nachrichten zuerst: DAS KROKODIL ist aus dem Ei geschlüpft. Jetzt treibt es sein Wesen und knabbert mal hier und mal da am aufgeblasenen MedienMoloch. Vielleicht macht es plötzlich „zisch“ und der Moloch ist zu einem Molöchlein geschrumpft: „Pffffttt….“ Jetzt aber im Ernst: DAS KROKODIL ist eine vierteljährlich erscheinende „Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens, bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.“ Die Ausgaben Null und Eins liegen vor – aber nur für eine mutige Leserschaft. ……  weiter hier: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18039
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JETZT  FOLGEN  DIE  VERLEGER-BESCHNEIDUNGS-BRIEFE :

Sent: Sunday, July 22, 2012 4:04 PM
Subject: Offener Brief zur Beschneidung

Liebe Freunde,

den Erstunterzeichnern des Offenen Briefs zur Beschneidung an Bundesregierung und Bundestagsabgeordnete (veröffentlicht auf faz.net und anderswo am 21.7.) habe ich heute Folgendes geschrieben.
Das macht vielleicht etwas klarer, wo hier meiner Ansicht nach ein Teil der Meinungsfronten verläuft.
Meinen Leserbrief an die FAZ hänge ich hier nicht nochmals an, hatte ich ja schon neulich an diesen Adressatenkreis geschickt.

Mit besten Grüßen
Rolf Verleger
**********************
Sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen,Sie haben den Offenen Brief zur Beschneidung unterzeichnet. Richtig stellen Sie dort dar, dass in dieser Frage die Werte der Religionsfreiheit und der körperlichen Unversehrtheit kollidieren. Sie halten in dieser Frage die Religionsfreiheit für weniger wichtig.Ich möchte Ihnen hier klar sagen, als persönlich Betroffener, auf dessen Seite (als ich ein Kind war) Sie sich positionieren möchten: Ihre Werteabwägung ist in dieser Frage falsch.
Ihre Position vermittelt mir und meinesgleichen: „Geht woandershin, wenn Ihr an Eurer Religion festhalten wollt“ (selbstverständlich nach sorgfältiger Abwägung aller wissenschaftlichen Fakten …). Dies verstößt gegen ein Erbe der Aufklärung, nämlich die Toleranz. Für ein Zusammenleben verschiedener Gruppen in einem Land hat eine solche Haltung fatale Folgen. Sie vertieft die Gräben und radikalisiert die Betroffenen.Ich habe mich innerhalb und außerhalb der jüdischen Gemeinschaft Deutschlands für ein Umdenken in der Palästinafrage engagiert, für eine friedliche Lösung dieses Konflikts. Paradoxerweise konnte man dabei der israelischen Gesellschaft das Modell eines Deutschland gegenüberstellen, in dem die Rechte von Minderheiten geachtet werden. Damit wäre es vorbei, wenn sich Ihre Werteabwägung durchsetzt.Für die in Israel leider immer dominantere nationalistische Ideologie ist „Toleranz“ kein Wert, sondern ein Schimpfwort. Man sieht sich an vorderster Stelle der Kampffront gegen einen fundamentalistischen Islam. Diejenigen von Ihnen, die das nicht so sehen, für die stattdessen Toleranz ein grundlegender Wert menschlichen Zusammenlebens ist, bitte ich herzlich, Ihre Unterschrift zurückzuziehen.Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Rolf Verleger, Dipl. Psych. (Univ. Lübeck)Anlage: Mein in der FAZ vom 17.7. abgedruckter Leserbrief in dieser Frage
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Offener Brief zur Beschneidung „Religionsfreiheit kann kein Freibrief für Gewalt sein“

21.07.2012 ·  In der Beschneidungsdebatte appellieren zahlreiche Mediziner und Juristen an Bundesregierung und Bundestag, die Kinder stärker zu schützen. Hier ist der volle Brief.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Bundesminister, sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

Sie werden in den kommenden Wochen intensiv über eine gesetzliche Regelung zur Beschneidung von Jungen diskutieren. Diese Debatte hat in der Öffentlichkeit schon begonnen. Sie wird jedoch zunehmend von unwissenschaftlichen Momenten bestimmt. Es wird gefordert, jetzt schnell Rechtssicherheit herzustellen. Doch dieses wichtige Thema darf nicht eilfertig entsorgt werden. Wir setzen uns ein für eine Versachlichung der Diskussion. Kernpunkt ist die Abwägung der Grundrechte auf Religionsfreiheit von Erwachsenen mit dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung sowie die Achtung seiner Würde.

In diesem Zusammenhang kann die Religionsfreiheit kein Freibrief zur Anwendung von (sexueller) Gewalt gegenüber nicht einwilligungsfähigen Jungen sein. Dies ist für die Zufügung jeglicher Gewalt im Genitalbereich von Mädchen national und international schon lange Konsens. Hinsichtlich der Durchführung medizinisch nicht notwendiger irreversibler Genitalbeschneidungen von Jungen, verbunden mit hohem Risiko für bleibende genitale Beschädigungen und seelische und sexuelle Beeinträchtigungen, muss die öffentliche Debatte und Wahrnehmung offensichtlich noch weiterentwickelt werden.

Zusammenfassend kann man aus ärztlicher Sicht eindeutig sagen, dass es keine medizinischen Gründe für die Entfernung einer gesunden Vorhaut bei einem gesunden, nicht einwilligungsfähigen kleinen Jungen gibt. Sämtliche angeführten medizinisch-prophylaktischen Gründe (zum Beispiel Prävention sexuell übertragbarer Infektionen) lassen sich – wenn vom Betroffenen gewünscht – durch eine Beschneidung in einwilligungsfähigem Alter realisieren. Die Beschneidung ist auch nicht etwa mit dem Eingriff einer Impfung gleichzusetzen, da es bei einer Impfung um die dem Kind direkt zu Gute kommende Minderung von Gesundheitsrisiken geht.

Es herrscht eine bemerkenswerte Verleugnungshaltung und Empathieverweigerung gegenüber den kleinen Jungen, denen durch die genitale Beschneidung erhebliches Leid zugefügt wird. Dieses Leid ist mittlerweile in empirischen Studien ausreichend belegt. Mit religiösen Traditionen oder dem Recht auf Religionsausübung lässt sich dies nicht widerspruchsfrei begründen, zumal die Entwicklung der Kinderrechte in den letzten 300 Jahren in diesem Bereich nicht nur exklusiv den Mädchen zu Gute kommen kann. Denn das wäre mit dem Gleichheitsgrundsatz kaum zu vereinbaren.

Natürlich müssen in der laufenden Diskussion auch die Bedürfnisse, Befürchtungen und Traditionen der beteiligten religiösen Gruppen Berücksichtigung finden. Hier muss auch wechselseitiges Verständnis gefördert werden. Der schwerwiegende Vorwurf jedoch – unter assoziativem Verweis auf den Holocaust – durch ein Verbot der rituellen Jungenbeschneidung würde „jüdisches Leben in Deutschland“ unmöglich werden, ist für Vertreter des Kinderschutzgedankens nicht hinnehmbar. Es geht vielmehr darum, auch jüdisches und islamisches Leben im Rahmen der deutschen Rechtsordnung zu schützen. Als Kinder der Aufklärung müssen wir endlich die Augen aufmachen: Man tut Kindern nicht weh!

Das haben mittlerweile auch engagierte Gegner der Ritualbeschneidung wie Jonathan Enosch in Israel erkannt. Bei ihnen stieß das Kölner Urteil auf deutliche Zustimmung. Herr Nadeem Elyas, ehemaliger Vorsitzender des Zentralrates der Muslime, hält beispielsweise den Zeitpunkt aus Sicht des Islam für variabel, eine besonders wichtige Aussage, da die Beschneidung im Alter von 4-6 Jahren aus entwicklungspsychologischer Sicht besonders gravierende psychotraumatische Wirkungen entfalten kann. In diesem Alter erfolgt die Konsolidierung der sexuellen Identität unter dem empathischen Schutz der Eltern. Warum sollte man nicht warten, bis der Betroffene einsichtig zustimmen kann?

Eine Lösung dieses Konfliktes kann nicht auf der Grundlage von Angst und Zwang erfolgen. Wir Unterzeichnenden bitten Sie als Gesetzgeber deshalb darum, auch den Kinderschutzgedanken und die Bedürfnisse der betroffenen Kinder zur Grundlage Ihrer Entscheidungsfindung zu machen. Wir werben dafür, dass Sie sich in dieser Angelegenheit eindeutig auf der Seite des Kindes positionieren, die Debatte auf wissenschaftlicher und rechtlicher Grundlage führen und Erkenntnisse der Hirn- und Präventionsforschung berücksichtigen. Um eine ausgewogene Lösung zu finden, sollten Sie sich Zeit nehmen für eine Diskussion, die alle Aspekte berücksichtigt. Das Thema Beschneidung ist zu sensibel für politische Schnellschüsse.

Düsseldorf, den 21.7.2012
Professor Dr. med. Matthias Franz, Universität Düsseldorf


Die Mitunterzeichner

  Prof. Dr. Dr. Dieter Adam, München

• Christian Bahls, Diplom Mathematiker, 1. Vorsitzender MOGiS e.V. – Eine Stimme der Vernunft (Verband von Opfern sexualisierter Gewalt im Kindesalter)

• Dr. rer. nat. Andreas Beck, Berlin

• Jens Böhmer, Queen Silvia Children’s Hospital, Sahlgrenska University, Gothenburg/Sweden

• Priv. Doz. Dr. med. Karl Heinz Brisch, München

• Dr. med. onk. Maraijke-Helga Claar, Keszthely-Kertváros, Ungarn

• Dr. Cornelius Courts, Institut für Rechtsmedizin, Funktionsbereich Forensische Genetik, Universitätsklinikum Bonn

• Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Georg Dietz, Kinderchirurgische Klinik, Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwig Maximilians Universität München

• Rechtsanwalt Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe

• Dr. Gerhard Engelmayer, Vorsitzender Freidenkerbund Österreich

• Prof. Dr. med. Thomas J. Feuerstein, Arzt für Pharmakologie und Toxikologie, Arzt für Neurologie und Psychiatrie

• Helmut Fink, Nürnberg, Vorsitzender des Humanistischen Verbandes HVD Bayern

• Prof. Dr. Matthias Franz, Klinisches Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Düsseldorf

• Dr. Dieter Freundlieb

• Gabriele Gawlich, Zweite Vorsitzende MOGiS e. V.

• Dipl. Psych. Gesa Groh, Klinikum der Universität München, Dr. von Haunersches Kinderspital

• Prof. Dr. iur. Bernhard Hardtung, Universität Rostoc

• Dr. Norbert Hartkamp, Facharzt für Psychosomatik, Psychoanalytiker, Praxis für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Solingen

• Prof. (em.) Dr. Rolf Dietrich Herzberg, Ruhr-Univerität Bochum

• Dr. med. Mathias Hirsch, Facharzt Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, Düsseldorf

• Prof. Dr. Walter Hollstein, Berlin/Basel

• Dr. med. Werner-Paul Hürzeler, Stein

• Stefanie Immler, Dr. von Haunersches Kinderspital München

• Dr. Ludwig Janus, Heidelberg

• Prof. Dr. Klaus Junker, Institut für Klassische Archäologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

• Dr. jur. Heinz Kammeier, Münster

• Dr. med. Mathias Klemme, LMU München, Klinikum Großhadern, Neonatologie, Facharzt für Kinderheilkunde

• Dr. rer. nat. Wolfgang Klosterhalfen, Prof. für Medizinische Psychologie (nicht mehr aktiv)

• Dr. Bruno Köhler, Vorstandsvorsitzender MaNNdat e.V. – Geschlechterpolitische Initiative

• Dr. med. Sebastian Kramberg, Denkendorf

• Dr. rer. pol. Andreas Kraußer, MANNdat e.V.

• Dr. rer. nat biol. Uwe Kullnick, Neurophysiologe

• Dipl.-Ing. Wolfgang Lau-Bomert, Kassel

• Prof. Dr. med. Klaus Lieberz, Mannheim

• Dipl.info. Dipl. pol. Jürgen Liminski, Publizist, Moderator beim Deutschlandfunk, GF des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl, Familie e.v.

• Dr.med. Gottfried Lobeck, Dresden

• Dr. Grischa Merkel, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und strafrechtliche Nebengebiete, Juristische Fakultät, Universität Rostock

• Dr. Christopher Michaelsen, Senior Lecturer, Faculty of Law, University of New South Wales, Sydney NSW 2052, Australia

• Dr. Sabine Müller, Charité – Universitätsmedizin Berlin

• Dr. Eva Neumann, Diplom-Psychologin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

• Eerke Pannenborg, LL.M., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Strafprozessrecht der Universität Osnabrück

• Prof. Dr. med. Mechthild Papousek, im Ruhestand, ehemals Leiterin der Forschungs- und Beratungsstelle „Frühentwicklung und Kommunikation“ am Institut für Soziale Pädiatrie, LMU München.

• Prof. Dr. med. Martin Pfohl, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Diabetologie und Endokrinologie, Mitglied der Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein, Evangelisches Krankenhaus BETHESDA zu Duisburg GmbH, Akad. Lehrkrankenhaus der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

• Diplom-Psychologe Winfried Pohl, Tübingen

• Prof. Dr. Holm Putzke, Universität Passau

• Dr. Rainer Rosenzweig, Nürnberg

• Dr. Michel Royeck, Neurowissenschaftler, Uniklinik Bonn

• Rechtsanwalt Georg Schepper, Bielefeld

• Dr. Robert Söll, Chefarzt Anästhesie, Krankenhaus Tirschenreuth

• Dr. med. Robert Sarhatlic-Voegtle, Freiburg

• Viktor Sarrazin

• Prof. Dr. med. Wolfram Scheurlen, Leitender Chefarzt der Cnopf´schen Kinderklinik, Nürnberg

• Dipl.-Soz. Robert Schlack, Robert Koch-Institut, Berlin; Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung

• Dr. phil. Michael Schmidt-Salomon, Philosoph, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung

• Dr. Norbert M. Schmitz, Verlagslektor, Duisburg

• Prof. Dr. med. Ulrich Schultz-Venrath, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik EVK Bergisch Gladbach, Kooperationsklinik der Universität Witten/Herdecke

• Guy Sinden, www.beschneidung-von-jungen.de

• Prof. Dr. Maximilian Stehr, Ludwig-Maximilians-Universität München

• Prof. Dr. Peter Their, Department of Cognitive Neurology, Hertie Institute of Clinical Brain Research, Tübingen

• Prof. Dr. med. Claus Werning, Frechen

• Dr. Bernd Woitsch, Dr. von Haunersches Kinderspital, München

• Dipl. Psych. PP Thore Zuber, Furth im Wald

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:Liebe Freunde,
ich habe heute den Erstunterzeichnern des „Offenen Briefs gegen Beschneidung“ nochmals geschrieben, wie folgt.
Mit endlich-Sommergrüßen
Rolf Verleger
***************
Sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen,ich bedanke mich bei denjenigen, die mir Ihre Meinung geschrieben haben, für Ihre freundlichen Worte.
Gerade in Ihren wohlmeinenden Zuschriften sehe ich viel Wunschdenken über den Zustand der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland. Diesen möchte ich Ihnen hier schildern; schließlich möchten Sie ja mit Ihrer Initiative auf diese Gemeinschaft positiven Einfluss nehmen.Das deutsche Judentum ist tot: ermordet, ausgewandert, in alle Winde zerstoben. Zu Beginn der 90er-Jahre hatte die jüdische Gemeinschaft noch 30.000 Mitglieder, überaltert. Hier schreibt Ihnen sozusagen ein Fossil (deutscher Jude zur Hälfte: durch meine Mutter; polnischer Jude durch meinen Vater).
In dieser Lage unternahmen Kohl und Galinski das Wagnis, eine fremde Gemeinschaft nach Deutschland zu verpflanzen. Das Ergebnis ist, dass wir nun wieder 100.000 Mitglieder haben (ca. weitere 100.000 außerhalb organisierter jüdischer Gemeinden). Zum Beispiel in Lübeck gab es 1990 ungefähr acht Juden (m & w), jetzt sind es über siebenhundert. Mitgliederversammlungen unserer Lübecker Gemeinde finden auf russisch statt, und wenn ich – wie gerade- vorhabe, mich mit dem Gemeindevorsitzenden zu treffen, dann sollte ich einen Dolmetscher mitnehmen. Sie könnten vermuten, wir könnten uns auf Hebräisch unterhalten. Nein, leider nicht, die wenigsten Neueinwanderer haben in der Sowjetunion irgendeine religiöse Bildung genossen.Sie machen sich wahrscheinlich keine rechte Vorstellung über orthodoxes Judentum. Dies ist keine Religion, bei der man irgendetwas glauben müsste, sondern eine Religion, bei der man andauernd etwas tun oder nicht tun muss. Man kann das positiv sehen: Die Heiligkeit zeigt sich in den alltäglichsten Dingen.  Sie werden einen orthodoxen Juden normalerweise nicht dazu bringen, am Schabbat Klopapier abzureißen. (Reißen ist Arbeit, da es im Prinzip dasselbe ist wie Ähren ausreißen.)
Selbstverständlich sind die meisten Juden nicht orthodox. Es ist einfach genau wie bei allen anderen Religionen: Die Rolle der Religion geht zurück.Und so: Während selbstverständlich alle meine jüdischen Jugendfreunde beschnitten sind, sind dies die wenigsten der sowjetischen Einwanderer. Solche Bekenntnisse zur jüdischen Religion waren dort nicht gerne gesehen. Dies hat zur Folge, dass auch jetzt höchstens 50% der männlichen jüdischen Neugeborenen in Deutschland beschnitten werden. Sie mögen das gut finden. Für die jüdischen Gemeinden ist das aber eine Kennziffer, dass das ganze Wagnis scheitern könnte, hier nach der Zerstörung des deutschen Judentums etwas Neues zu gründen. Dies ist ja nicht Zeichen einer kreativen Weiterentwicklung des Judentums, sondern einfach in der Mehrheit der Fälle Desinteresse. Schließlich kostet eine Beschneidung auch Geld; bei einem Mohel kommen noch die Fahrtkosten dazu.In dieser Lage kommt jetzt Ihre Intervention. Sie werden sagen, das sei Ihnen alles im Zweifelsfall ganz egal, es gehe um das Kindeswohl. Vielleicht könnten Sie trotzdem freundlicherweise einmal darüber nachdenken, wie Ihre Intervention bei den beiden Minderheiten, um die es hier geht, wirkt.Ich hatte in den letzten Wochen viele Diskussionen. Einige meiner jüdischen Bekannten sagen, sie würden ihre Kinder sowieso nicht beschneiden lassen. Für die wenigen Orthodoxen, die aber trotz ihrer geringen Zahl das Rückgrat der meisten Gemeinden bilden, sind Tun und Lassen, wie gesagt, eindeutig festgelegt und nicht verhandelbar. Da gibt es keine Modernisierung. Das gilt selbstverständlich für die Beschneidung. Meine Mutter berichtet aus der orthodoxen (und wegen ihrer Größe auch halbwegs funktionierenden) Münchner Gemeinde, dass man nun eben mit den Neugeborenen nach Österreich, Tschechien, Polen werde fahren müssen. Judentum-in-Deutschland-gerngesehen fühlt sich anders an.Sie wollen also eine De-Orthodoxierung der instabilen jüdischen Gemeinschaft anstoßen. Von außen.

Über die Gefühle in den islamischen Gemeinschaften in Deutschland mögen Ihnen Berufenere als ich berichten. Mein Laienverstand sagt mir, dass es bei diesen Gemeinschaften – einfach weil sie größer sind als die jüdische – nicht nur zu flight, sondern auch zu fight-Reaktionen kommen könnte. (Für orthodoxe Juden – normalerweise die denkbar friedlichsten Wesen in ihrem sozialen Leben – sind Sie sowieso so etwas wie Wiedergänger der Seleukiden, deren Missbilligung der Beschneidung damals zum Makkabäeraufstand führte.)

Ich habe gerade einem Freund am Telefon erklärt, dass ich bei Ihnen keinen „Antisemitismus“ sehe. (Sowieso ein Wischiwaschi-Begriff.) Es sei nur so, dass Sie es als außerhalb Ihres Faches liegend ansehen darüber nachzudenken, dass Sie mit Ihrem Reformeifer auf Ihren Minderheiten herumtrampeln.

Mit freundlichen Grüßen
Rolf Verleger=

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Rolf Verlegers Leserbrief an die FAZ, abgedruckt am 17.07 2012
Zu Ihrer Berichterstattung über die Beschneidung:
Vor 60 Jahren wurde ich beschnitten.
Ich war acht Tage alt, der Mohel
reiste im Winter von ich weiß nicht wo
nach Ravensburg an. Die Prozedur war
vielleicht nicht besonders gesund; meine
Mutter berichtet, dass der Kinderarzt Penicillin
verschreiben musste. Ob das wiederum
übertrieben war – wie mein Onkel mir
später zu verstehen gab –, lässt sich
schwer beurteilen. Jedenfalls habe ich danach
gut gelebt als Jude in Deutschland.
Plötzlich geschieht aber etwas, was ich
zu meinen Lebzeiten nicht mehr für möglich
gehalten hätte. Die Beschneidung
steht im Mittelpunkt einer öffentlichen
Diskussion. Es geht dabei um die uneingeschränkte
Wohlfahrt aller Menschen: Juristen wollen
eine unwiderrufliche Körperverletzung
vermeiden, Professoren der
Psychosomatik und die Gilde der Psychotherapeuten
wollen schwere seelische
Traumata verhindern, und in den Leserbriefforen
der Zeitungen spenden gebildete,
differenzierte Menschen diesem Kölner
Urteil im Namen der Vernunft Beifall:
Beschneidung passt nun einmal wirklich
nicht mehr in unsere aufgeklärte Gesellschaft
und moderne Welt.
Haben sich all diese gebildeten Menschen
eigentlich nicht klargemacht, was
sie mit der Ablehnung der sicherlich körperverletzenden,
vermutlich nicht traumatischen
(im Säuglingsalter), jedenfalls völlig
altertümlichen Beschneidung zum Ausdruck
bringen? Hiermit gibt das deutsche
moderne, aufgeklärte Bürgertum seinen
deutschen Muslimen und seinen deutschen
Juden zu verstehen, sie sollten aufhören,
die islamische oder jüdische Religion
zu befolgen. Schlicht und ergreifend.
Dies geschieht selbstverständlich nicht im
Namen irgendeines rassistischen Vorurteils,
darüber sind wir doch schon lange
hinweg. Nein, im Gegenteil, es geht nur
um die allgemeine Wohlfahrt, es ist eine
Frage der Vernunft.
Das Streben nach allgemeiner Wohlfahrt
und nach Herrschaft der aufgeklärten
Vernunft ist zu begrüßen. Aber es hat
auch eine problematische Seite. Bekanntlich
war Robespierre von diesem Streben
beseelt. Er führte eine neue Religion ein:
den Kult der Vernunft. Danach führte er
den Terror ein.
Ebenso träumten – wie Klaus Dörner
und andere herausgearbeitet haben – deutsche
junge, aufgeklärte Psychiater vor hundert
Jahren davon, seelischen Leiden ein
für alle Mal durch vernünftige Therapien
ein Ende zu machen. Als dies nicht gelingen
wollte, fanden sich viele diesermodernen
Akademiker – in ihrem Streben, Leiden
und Behinderungen abzuschaffen –
auf der Seite der radikalsten Modernisierer
wieder. Dies waren Leute, die nach eigenemSelbstverständnis
„mit einemeisernen
Besen“ durch Europa wischten: Alles,
was die moderne Zeit aufhielt, musste
weg.
Was daher offensichtlich die Kehrseite
des Strebens nach Vernunft sein muss –
sonst geht es leicht schief –, ist Toleranz:
Toleranz gegenüber anderen Menschen,
anderen Kulturen, anderen Lebensarten.
Das Bestürzende am Kölner Urteil und an
seiner Unterstützung durch Juristen, Psychosomatiker
und andere Wohlmeinende
ist genau dies: dass das Ziel der Vermeidung
von Körperverletzung und Traumata
bei diesem einfachen Eingriff als schwerwiegender
angesehen wird als der Wert
der Toleranz. Am Ende dieser verfehlten
Wertung ist dann nicht nur das Leid aus
Deutschland vertrieben, sondern auch die
Menschen, die vor diesem Leid geschützt
werden sollten.

PROFESSOR DR. ROLF VERLEGER, LÜBECK


Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

3 Gedanken zu „Prof. Dr. Rolf Verlegers „Beschneidungsbriefe“
– HaBE dazu ein Vorwort“

  1. Was hat das Judentum mit dem im GG verankerten Recht auf körperliche Unversehrtheit zu tun? Was der Islam, der Hinduismus oder irgendeine Religion?

    Es geht hier nicht um irgendeine spezifische Religion (oder Brauchtum derselben) sondern schlicht um die Frage, steht Religion über dem Grundgesetz? Denn dass die Beschneidung ein Eingriff in die körperliche Unversertheit darstellt ist unbestritten.

    Sie mögen mit Brauchtum und Identifikation mit der Religion argumentieren, diese Argumentaion kratzt jedoch nur die Oberfläche des Grundproblemes an.

    Also meine Frage an Sie, steht die Religion – egal welche – über dem Grundgesetz?

  2. Lieber Prof. Rolf Verleger,
    lieber Hartmut Barth-Engelbart,

    als konfessionsloser Bürger bin ich somit nicht direkt betroffen was die Beschneidung konkret anbelangt. Betroffen bin ich als Bürger jedoch was in diesem Lande vorgeht.
    Ich werte das Urteil als Angrif auf die Religionsfreiheit. Es mag Gutmütige geben, die tatsächlich das Wohl von Kindern als Motiv haben, im Kern jedoch zielt dieses Urteil nicht auf das Wohl von Kindern, sondern es grenzt Menschen, die eine Religion praktizieren, die nicht gewollt ist, aus.
    Würde sich Politik und Justitz tatsächlich das Wohl von Kindern zum Maß ihres Handelns gemacht haben, gäbe es in Deutschland nicht einen solch wahllosen Rüstungsexport (es sollte überhaupt keinen Rüstungsexport geben, so man sich dem Humanismus verschrieben hat). Und Deutschland würde mit seiner Gier nicht Kinderarbeit ausbeuten, von der die deutsche Wirtschaft wissend
    profitiert. Kinder die in Deutschland verarmen, und daran gewiß unter Traumata leiden, wäre von Seiten der Politik zuerst zu helfen, statt sich in Religisonsfragen einzumischen etc.
    Dieser Kontex fehlt mir bei Ihrer Gegenrede, sehr geehrter Prof. Verleger.
    Der staatliche Eingriff in die Religionsfreiheit (und ein juristische Regelmentierung von Riten ist ein Eingrif in die Religionsfreiheit), ist (lediglich)
    ein Mosaikstück, von Mißständen die beim Thema Schutz des Kindeswohles auf den Tisch und ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gehören.
    Ich fürchte, die Kälte in der Gesellschaft ist bereits soweit fortgeschritten, dass das Thema Beschneidung die meisten Bürger nur beiläufig erreicht, gewißt jedoch nicht zur Verteidigung von Religionsfreiheit mobilisiert. Zerfetzte Kinder die per Effektivität deutscher Landmienen oder anderer Kriegswaffen getötet werden oder ein Leben in körperlicher Behinderung verbringen müssen und wirtschaffliche Ausbeutung von Kindern und Kinderarmut in nächster Nähe mobilisieren auch nur die immer Mobilisierten, eine Mehrheit läßt zu.
    Die Deutsche Öffentlichkeit läßt Foltergefängnisse und Kriegstreibereit zu, wenn der Nebel in die Köpfe nur mit dem nötigen Druck und den entsprechenden (gefälschten) Bildern gepreßt wird. Glauben Sie, lieber Herr Verleger nicht, dass hier mehr als die „unseren“ aufstehen und für Menschen jüdischen oder muslimischen Glaubens streiten um deren Religionsausübung nicht „beschneiden“ zu lassen. Es sieht leider düster in diesem Land aus. KZs werden offenbar nicht mehr gebraucht. Es gibt andere Mittel der Vertreibung. So bitter muß ich dies konstatieren. Ich fürchte eher, Sie und viele sehen nicht recht, wie schlimm es in Deutschland steht.
    Da Sie mich nicht kennen, will ich ihnen versichern, dass ich nicht resiginiert bin, jeoch eben die Verhältnisse in Zusammenhängen betrachte.
    Ich grüße Sie freundlich – und wünsche Ihre Initiativen werden mich in diesem Punkte wundern lassen!
    Hartmut Heck

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