Mittel-Gründau-Kalender zum 800sten: die Geschichte(n) unter & hinter den Kalenderbildern

Eine Kurzfassung dieses Artikels wird dem 800-Jahre-Kalender beigelegt. Erhältlich ist er für 5,-€ zuerst auf dem Weihnachtsmarkt am 2.12. im Hofgut.

Mit dem Erlös soll das 800 Jahre Fest mitfinanziert werden.

Am Kalenderstand gibt es auch Briefkarten & die limitierten & signierten Kunstdrucke der Originalzeichnungen.

Da ich von den neueren Bildern noch keine Kunstdrucke machen konnte, kann man die auch bestellen

Briefpostkarten kosten 3,-€,  die größeren Formate alle zwischen 15,- und 50,-€

Hofgut-Torbogen- Haupttor der Fürstlich-Ysenburg-Büdingen’schen Domäne

(Titelblatt und Oktober)

HaBE-Feder/Grafit-Zeichnungen von ca. 1990.  Der Eingangs-Torturm wurde 1852 in Straf-Fronarbeit von den Mittel-Gründauern erbaut -sozusagen als Strafe für ihre führende Teilnahme an den Bauernaufständen 1830 und der 1848er demokratischen Revolution. Viele wurden über Jahre in Zuchthäusern eingekerkert und zur Auswanderung in die USA gezwungen, u.a. die Lehrer Paul Nagel und seine Frau und die Familie des Lehrers Bernhard Kaffenberger

Die Alte Schule Mittel-Gründau

(Februar)

wurde mit selbstgebrannten „Russestoa“ erbaut. Nur an der Vorderfront wurden die teuren Gießener Edelklinker von GAIL verwendet. Die konnten nach dem Bau der Heldmann-Bahn auch günstig bis zum Bahnhof Mittel-Gründau geliefert werden. Erbaut 1878, eingeweiht 1879, Bürgermeisteramt, Trausaal, Gemeindeparlamentssaal, Feuerwehrhaus, Lazarett, Kriegsgefangenenlager, umkämpftes politisches Zentrum, Jugendzentrum, Dorftreff, Volkshochschule, Fahrradwerkstatt … bis 2003 .  Und 2019, welch ein Jubel: 140 Jahre Alte Schule!

Schwinn‘-/Günther’scher Hof

(September)

Das Wohnhaus stand noch bis 2010 , war das zweitletzte Haus am Orstausgang Richtung Niedergründau am Haselbach.  Das benachbarte kleine Haus war das der Freiensteins. Beide lagen noch bis in die 60er am offenen Haselbach , der früher die Grenze zu Preußen/Hessen-Kassel war. Die wurde erst im frühen 19. Jahrhundert zum Grenzgraben hin verlegt – zum Grenzübergang am noch existierenden Schokolad-Baum, wo  grenzübergreifend  Verliebte im Astloch stille Post mit Süßigkeiten für die angebeteten AusländerINNEN hinterlassen konnten.

 

Der Hufeisenhof des Heinrich Usinger ,

(August)

 

der spätere Rückriegel-Hof steht und stand an der eigentlichen Keimzelle des alten Mittel-Gründau links des Haselbaches: Hier gab es Quellen und Tonerde, hier arbeiteten die frühen Töpfer, die Auler oder Euler, woher der Name „Im Ahl“ auch kommt. Lange vor dem 30jährigen Krieg lag das Dorf noch am Hang in Richtung Niedergründau südlich der Domäne am heute überpflügten Weg zwischen Kolbenstein und Ronneburg. Das Bild zeigt eine Foto-Kopie der Notaufnahme, die ich beim „open-air“-Zeichnen immer gemacht habe, wenn es anfing zu regnen. Die Zeichnung ist bei einer Ausstellung des „Gründauer Kreises“ kurz nach dem Aufbau im Liebloser Gemeindezentrum ebenso verschwunden wie mein Geschenk an die Gemeinde mit der Zeichnung von der Alten Schule.  Eigentlich sollte diese Zeichnung im Gemeindezentrum aufgehängt werden.

 

„Bei’s TObiase“ Ex-Meininger-Hofreite/ jetzt Engelbart

(Juni)

Der heutige Zugang  von der Bachgasse zum Hof des Tobias Meininger war ursprünglich ein Abzweig des Mühlbaches, der direkt hinter dem Grundstück und der Alten Schule die damalige Kirchgasse und heutige Niedergründauer Straße unterquerte zum alten Back- und Feuerwehrhaus. Der frühere Haupteingang zum Hof ist heute noch zu sehen: zwei Sandstein-Torpfeiler südlich der Alten Schule. Hier in diesem Hof begann der Oberhessische Bauernaufstand. Tobias Meininger war einer der Anführer. Der Mittel-Gründauer Lehrer Paul Nagel war der Schriftführer und Parlamentär, trotzdem wurde er sofort festgenommen und ins Zuchthaus Marienschloss/Rockenberg verschleppt. nach über 15 Jahren Kerker verdingte er sich als Hofknecht und seine Frau sich als Magd. Beide wurden 1854 zur Auswanderung in die USA gezwungen

Wie hoch das Hochwasser 1911 in Mittel-Gründau stand, kann man an den Menschen erkennen, die in der Einfahrt  „Bei’s Tobiase“ in der damaligen Hauptstraße/heute Bachgasse 1 den 1958  Faschingsumzug anschauen. Die Hochwassermarkierung -heute maximal in Brusthöhe – befand sich damals noch über den Köpfen der Zuschauerinnen und auch über der „Kappenhöhe“ der Männer. Wer die schmiedeeisernen Tore in der Bachgasse z.B. das Tor des Lott/Alterschen Hofes mit dem des Usinger’schen Hofes im Ahl vergleicht,  bemerkt, dass selbst die höhergelegenen Toreinfahrten um mindestens einen halben Meter erhöht wurden:  am unteren Torkreuz sieht man, dass hier ca. 50 Zentimeter abgeschnitten wurden, spätestens nach dem Hochwasser 1961, bei dem die im Keller der heutigen Volksbank gelegene Tiefkühlanlage der Mittel-Gründauer Milchbauern-Genossenschaft zerstört wurde.


und hier die Folgen des Hochwassers von 1911

Schlacht- und Backhaus

(Mai)

Schlacht-und Backhaus unterhalb der Kreuzung Alte Schulstraße(Obergasse)/Wagnershohl/Mühlstück (das ist der Feldweg, der auf dem zugeschütteten Mühlgraben hinter der Bebauung bis zum Schafweiher verläuft).

Wohlhabendere Bauern hatten ihre eigenen meistens von Wohn-und Stallgebäuden und Scheunen getrennten Schlacht- und Backhäuser. Sie waren “Eigenbrötler“, die nicht in den gemeindlichen Backhäusern ihr Brot backen mussten. Das Oberdörfer Backhaus  war keine 40 Meter entfernt, neben der Volz-Hofreite, dem Geburtshaus und der Schuhmacherwerkstatt des Schusters  Birkenstock, dem Gründer der gleichnamigen Schuhfabrik.

 

Das Herrenhaus der fürstlichen Domäne

(Januar)

hier eine andere Ansicht von der abgerissenen Feldscheune aus mit dem herrschaftlichen Garten

Das Kalenderbild habe ich 1988 fotografiert von der letzten Mauer des ehemaligen „Polenhauses“ aus, dem alten Kornspeicher und der darunter gelegenen Hofmühle mit eigenem Mühlbach. Hier wurden nach Aufgabe der Mühle im früheren Kornspeicher die polnischen Saisonarbeiter-  und die „Bayern-„ oder „Fulda-Mädels“ des „freiwilligen“ Arbeitsdienstes untergebracht. Ab 1939 die noch billigeren polnischen Zwangsarbeiter und nach 1945  die Vertriebenen auf engstem Raum eingepfercht,  so wie über dem Schweine- und den anderen Ställen. Billigste Hände fürs Rübenvereinzeln, Unkraut hacken, für jede Drecksarbeit aber auch für agrartechnische Bereiche. Die Vertriebenen waren noch billiger als die „Eingeborenen“ und deswegen gab es noch über Jahre Streit im Dorf.

Den Streit gab es aber auch wegen der „Wohnungszwangsbewirtschaftung“ durch die US-Militärregierung und die von ihr eingesetzten Bürgermeister und die folgenden nach Wahlen US-genehmigten Zivilregierungen in den  Ländern, Kreisen und Kommunen.  auch in Mittel-Gründau …

In den eh schon ärmlichen Verhältnissen mussten Konflikte ausbrechen, die in der Regel zu Lasten der zwangseingewiesenen Ausgebombten und der Vertriebenen ausgingen. Am meisten zu leiden hatten die Flüchtlinge aus der CSSR nach dem Benesch-Dekret.

Besonders deren Kinder wurden gemobbt, verprügelt, sie und ihre Eltern von Feiern im Dorf ausgeschlossen. Noch 1948 scheiterte im Gemeindeparlament ein Antrag des kommunistischen Gemeindevertreters Wilhelm Pfannmüller, die Schul-Weihnachtsfeier mit und auch für die Kinder der Vertriebenen zu gestalten und zu bezuschussen bei der Abstimmung mit 1 :8 (Quelle: Gemeinde-Archiv, Sitzungsprotokolle)

Nicht wenige flüchteten da unter die schützende Hand der fürstlichen Obrigkeit im Hof,  dem größten „Arbeitgeber“ im Dorf.  Dem mussten sie ja eh dankbar sein  für das Dach überm Kopf, egal, wieviel dafür vom kargen Lohn noch abgezogen wurde.  Der eigentliche Gewinner der Spaltung im Dorf waren die fürstlichen Pächter: der Konkurrenzkampf zwischen „Eingeborenen“ und Flüchtlingen um die Arbeitsplätze im Hofgut hielt über Jahre die Löhne auf profitablem Niedrig-Niveau


Die Remise der Domäne

(Juli)

Auch hier fehlt die Zeichnung, das Sicherung-Foto habe ich wieder gefunden.

Im Parterre standen früher die Kutschen und Fuhrwerke. Darüber war ein Heu- und Strohboden, der zur Vermeidung von Selbstentzündung belüftet war. Der Boden diente aber auch zur Trocknung von Zwiebeln, Tabak und Maiskolben. Das Krüppel-Walm-Dach der Remise mit seinen Belüftungstürmen brach Anfang der 2000er zusammen.

 

Der Geis’sche Hof

(April)

heute der Roth’sche Hof war früher fast so groß, wie der Schwinn-Günther‘sche, dessen Einfahrt mit den Fruchtbarkeitssybolen, den Eicheln auf den 3 Torpfeilern rechts zu sehen ist.

Das Vaupel’sche Wohnhaus ist erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erbaut. Die Vaupel’sche Schmiede gehörte noch zum großen Hof mit Stallungen und Scheunen. Mit der Erbteilung wurde der Hof aufgeteilt. Übrig blieben die „kleine Schmiede“ und ein Haushaltswaren-Geschäft. Dort betreibt jetzt Sören Geiger, der Enkel des Schmiedes seine IT-Schmiede

 

Arzthaus Dr. Göckel / Metzgerei Kuhl

(November)

Der reiche Metzger und Gastwirt Jean Kuhl konnte  gegen Ende des 19. Jahrhunderts das neben der Schule stattlichste (bürgerliche) Haus im Dorf mit GAIL’schen Klinkersteinen aus Gießen bauen. Seinem Schwiegersohn, dem Arzt Dr. Göckel vermachte er das Haus. Noch heute kann man die Metzgerei-Fließen unter der Rupfen-Tapete im Behandlungsraum erkennen und den Eisschacht, der erst zur Kühlung von Fleisch und Wurst und später zur Kühlung der Medikamente diente. Die Metzgerei und die Gaststätte wurde nach hinten verlagert, vor und unter die heutige Gaststätte. Dort  war früher der Konsum-Laden und darunter/dahinter die Kegelbahn, wo sich die Kinder erstes Taschengeld beim Aufstellen der Kegel verdienen konnten. Die betonierte „Rollbahn“ kann man bei einem Blick über die Mauer heute noch sehen. Im Hintergrund das Backhaus, das große Scheunentor der historischen Gaststätte“Alte Post“ wo bis in die 60er Ferry Arlé seinen Urlaub verbrachte und malte. Heute „Energie-Lorenz“Keimzelle

Haus und Hofreite Heinrich Otto

(leider nicht verwendet) Heinrich Otto mit anderen Mittel-Gründauer Rekruten bei der Einberufung 1914 auf dem Schulhof vor dem 1904 erbauten neuen Feuerwehrschuppen, die Schläuche hingen ab 1904 im neuerrichteten Schlauchtum- und Treppenhaus der Alten Schule. Der Schlauch-Trockenschacht existierte noch bis 2003.  Die IAS hatte ihn bei der Renovierung der Alten Schule bei der Erweiterung der Leihbücherei wiederentdeckt. 

Waren die ältesten und schönsten der erhaltenen Hofreiten & Häuser bis zum Brand Anfang der 2000er. Das Haus wurde 1782 fertiggestellt. Die Zimmer waren übermannshoch, hatten Stuckdecken. Das Zierfachwerk lag offen und war nur  zur Hälfte verschindelt. Die Familie Parée hatte es vollkommen restauriert. Heinrich Otto war Funktionär des Kleinbauernverbandes und hessischer KPD Landtagsabgeordneter.

 

Haus und Hofreite des Karl Otto

(März)

 

Auch dieser gegenüber liegende Hof des Bruders im „Meininger-Viertel“ ,benannt nach dem Einwanderer Karl Meininger, der 1705 aus dem Hanauer Land im Elsass nach Hessen auswanderte, war Zeuge des mühsam erarbeiteten Wohlstandes der Mitte-Gründauer Bauern.

Karl Otto war im Gegensatz zu seinem Bruder SA-Sturmführer. Auch auf diesem Hof gab es ein eigenes Schlacht- und Backhaus. Beide Höfe hatten wie alle am Hang liegenden eine eigene Unterflurmühle

Die Zeichnungen von dieser Hofreite sind ebenfalls verschwunden. Das Foto entstand wieder kurz vor einem Regenschauer… um zuhause aus gleicher Perspektive weiterzeichnen zu können

 

Die Älteste der Schulen in Mittel-Gründau

(Dezember)

Ecke Bachgasse/Alte Schulstraße steht sie heute noch außerhalb der historischen Bebauungsgrenze, die oberhalb der Hochwassergrenzen des Haselbaches liegt. Die Schule war Stall für die Gemeinde-Schaf-, Gänse-. Ziegen und Schweine-Hirten und gleichzeitig auch Hirtenwohnung. Weil die Kinder hier  im immer nassen Überschwemmungsgebiet regelmäßig krank wurden, wurde Anfang des 18. Jahrhunderts nach dem 30jährigen Krieg oberhalb des Gemeindemühlbaches eine neue Schule gebaut. In der Alten Schulstraße. Die treichte im 19. Jahrhundert nicht mehr aus. Dann wurde die neue Alte Schule gebaut 1878/79

 

Der Mittel-Gründauer Bahnhof

(Leider nicht verwendet, es wird aber eine Ausstellung dazu geben)

wurde 1869 erbaut als Baubahnhof für den Bau der Heldmann-Bahn und ihres Tunnels nach Büdingen, Für ihn  wurde ein Teil des Stickelsberges weggesprengt. Beim Bohren der Sprenglöcher entdeckte man 1867 auf dem Stickelsberg eine Jung-Steinzeitwerkstatt mit steinernen Schneide- und Stechwerkzeugen, von denen der Name des Berges stammen dürfte. Die Stickel waren auch Grabsteine, also Grabwerkzeuge, Beigaben bei vorgeschichtlichen Beerdigungen. Mittel-Gründau war bereits vor über 10.000 Jahren ziemlich dicht besiedelt.

150 Jahre Mittel-Gründauer Bahnhof. Bis Ende der 1980er noch mit Fahrkartenschalter und beheiztem Wartesaal    


Weitere Bilder & Texte sind unter der Kategorie „Gründauer Geschichte(n)“ auf diesem „Portal“ zu finden

(es ist wohl mehr eine „Hütten-Türe“ :-O)))))))) als ein „Portal“)

 

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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