Dies ist ein Nachruf auf den am 15.12. verstorbenen Ex-linken Sozialdemokraten, Bildungspolitiker und -praktiker Peter Rhein, dessen Wechsel gegen Ende der 1980er zur CDU ich mir zu seinen Gunsten als pragmatischen Versuch zur Sicherung erreichter Fortschritte im Bildungswesen zurecht interpretiere.
Ich bin ihm sehr dankbar für seine mutige Haltung bezüglich unserer Aktivitäten zur Unterbringung, „Resozialisierung“ und Beschulung der Ende der 1960er aus dem Jugendknast Staffelberg befreiten Jugendlichen. Er hat sich zusammen mit Herbert Faller, dem ebenfalls linken damaligen Chef des Frankfurter Jugendamtes, dafür eingesetzt und damit vielen dieser Jugendlichen Abschlüsse auf den Frankfurter Gesamtschulen, vor allem in der Ernst-Reuter-Gesamtschule ermöglicht. Dass bei der Betreuung der Staffelberger unter der wissenschaftlichen Begleitung durch Professor Mollenhauer, Friedhelm Nyssen & Kollegen Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Holger Meins und zeitweise auch Andreas Bader beteiligt waren, und es entsprechende Presse-Kampagnen dagegen gab, hat Peter Rhein nicht vom richtigen und damals noch nicht rechten Weg abbringen können.
Dank gebührt ihm auch für seine administrative Unterstützung der „antiautoritären Kinderläden“, die keine städtischen Einrichtungen waren, wie von der Frankfurter Rundschau fälschlicher Weise behauptet wird. Angstfreies Lernen, dieser Gedanke griff um sich. Er hat seine Verbreitung gefördert.
Dank auch dafür, dass er es gegen den „Mainstream“ ermöglichte, die Kinder aus diesen Kinderläden entgegen dem Schuleinzugsprinzip gemeinsam eine Schule/eine Klasse zu besuchen. Zusammen mit Kindern aus den Einzugsgebieten, aus sozialen Brennpunkten, zusammen mit behinderten Kindern. Kindern, die ansonsten selektiert sonderbeschult und stigmatisiert worden wären.
Peter Rhein hat mit dieser Entscheidung einen wesentlichen Grundstein für die wirkliche Inklusion gelegt, weil dann im Rahmen der „Aktion kleine Klasse“ sogar Doppelbesetzungen bei Klassengrößen von 20 Kindern ermöglicht wurden. Dass es dabei eines Streikes der Doppelbesetzungs-Lehrbeauftragten bedurfte, um die Honorare von 10,-DM auf das VHS-Honorarniveau von 27,-DM zu erstreiten, sei hier nicht verschwiegen.
Besonders zu Dank bin ich ihm verpflichtet, weil er gegen eine großangelegte und von der CDU initiierte Presse-Kampagne den „repressionsarmen“ inklusiven Unterricht in zwei Klassen der Frankfurt-Rödelheimer Grundschule am Biedenkopfer Weg verteidigte.
Damals lief die hessische CDU Sturm gegen diesen Unterricht in den Klassen der Tochter des ehemaligen hessischen Kultusministers Schütte, Renate Stubenrauch, gegen den Unterricht des (Religions-)Pädagogen Hans Härterich und die von mir als Doppelbesetzung in beiden Klassen initiierten Unterrichtsprojekte.
Die CDU versuchte mit Hilfe Teleobjektiv-bewaffneter Spitzel „pädophile“ Bilder zu schießen, die mich bei Hilfestellung beim Umschwung am Reck auf dem Schulhof zeigten, mit den Händen an den Kinderpopos, an Unterhöschen …, sie schickte CDU-nahe Eltern in unseren prinzipiell offenen Unterricht, wo sie Unterrichtsmaterial sammelten, Gespräche mitprotokollierten, die dann aus dem Zusammenhang gerissen in BILD bis WELT, QUICK, FAZ, Abendpost/Nachtausgabe, Stern und die Löwenthal-ARD-Sendungen lanciert wurden mit Schlagzeilen wie „Statt Rechnen gab es Bader-Meinhof“. Dass dieser „Regime-Change“-Versuch der CDU am Widerstand der Rödelheimer Eltern mit über 90% Zustimmung für unseren Unterricht kläglich scheiterte, hat Peter Rhein nicht nur „klammheimlich“ gefreut.
Unvergessen bleiben die Dienstgespräche im Frankfurter Schulamt mit Peter Rhein, bei denen er im Gegensatz zur CDU das Singen des „Baggerführers Willibald“ des DKP-Liedermachers Dieter Süverkrüpp nicht ahndete, sondern begrüßte und augenzwinkernd lediglich den Einsatz meiner Übersetzung des Donovan-Songs „Car-Car“ bemängelte, in der die Zeilen: „Ich will auf den Vordersitz“ und „Gib so viel Gas, wie du kannst, denn wir haben keine Angst“ pädagogisch äußerst bedenklich und deshalb umzuschreiben seien. Das habe ich dann auch unverzüglich gemacht: „Nur nicht auf den Vordersitz, Kinder auf den Hintersitz, erst der Gurt und dann erst Spurt, wenn wir mit dem Auto fahrn!“ und „Nimm die Füße weg vom Gas, denn sonst triffts den Osterhas oder denn langsam sehen wir auch was….“ Die Kinder haben die Lieder immer verändert oder selbst geschrieben.
Peter Rhein trägt keine Verantwortung für die schwarz-rosa-grün-gelbe Kaputtspar(Bildungs-)politik der letzten Jahrzehnte und den entsprechenden, mehr oder weniger heimlich gewollten Niedergang der Gesamtschulen. Er trägt auch im Gegensatz zu Erich Frister und dem Hessen-GEW-Vorstands-„Kollegen“ Ludwig keine Verantwortung für mein Berufsverbot 1978. Ich bin mir sicher, er hätte sich in Frankfurt für meine Übernahme in den Schuldienst eingesetzt.
Peter Rhein hat schon vor über 40 Jahren die aktuelle Misere der Bildungspolitik vorausgesehen und damals dagegen gesteuert. Die besten Schulen, wie die Schichten-übergreifenden, inkludierenden Gesamtschulen können nur dann gut sein, wenn sie ausreichend finanziert werden: mehr und besser(bezahlt)e Lehrerinnen, Sozial- & Sonderpädagoginnen, mehr Zeit für die Kinder haben und eine bessere materielle Ausstattung.
Und auch nur so ist tatsächliche Integration und Inklusion möglich.
Dafür hat Peter Rhein Pionierarbeit geleistet
Dafür möchte ich ihm posthum danken
Hartmut Barth-Engelbart
Lieber HaJo, auch da hat es mich wieder mal erwischt. Den habe ich schon damals falsch geschrieben – auch, weil ich ihn nicht sooo gut leiden konnte- mehr aber, weil mein Spitzname im Odenwald „Bader“ war. Korrigierst Du jetzt alle meine Artikel? :-0))))
Andreas BAADER, so der richtige Name des 1977 in Stuttgart-Stammheim vermutlich ermordeten Mitbegründers der Roten Armee Fraktion