Die SPD-Auftragsmorde meines Vaters & die NS-Auftragsmorde meines Onkels / Teil 2

Die Ehe von Thron und Altar, erweitert zur heiligen Dreieinigkeit von Thron. Altar und Kapital, das war das Firmament meines Vaters, der geistige Horizont, mit dem er vom 19. ins 20. Jahrhundert springen musste. Die Reichswehr war mit den „himmlischen Heerscharen“ gleichgesetzt. Die evangelischen Kirchengesangbücher meinten mit „Großer Gott, wir loben Dich“ genauso den Kaiser von Gottes Gnaden, den Groß-Agrarier, die Krautjunker und die Stahl- und Kohle-Schlotbarone und die Banken soweit sie nicht in jüdischem Besitz waren. Und in den Kleinstädten und Dörfern waren es die dortigen Stellvertreter Gottes: der Pfarrer, der Bürgermeister, der Schulrektor, der Lehrer, der Apotheker, der Herr Doktor. der Gutsverwalter

Aufgezogen im Nachnebel des 1871er Pulverdampfes mit Kinderliedern „Wer will unter die Soldaten“, „Heiß brennt die Äquatorsonne …“ „Warte nur Napoleon, wie wird’s Dir ergehen, siehst Du nicht in Mars-Latour die Kolonnen stehen?“ … immer den Erbfeind im Blick, wie die Germania

Aufgewachsen zwischen Hunderten von Bismarktürmen und dem Völkerschlacht-Denkmal. Das war die „Feste Burg“ und die Aufforderung, die minderwertigeren Völker zu schlachten und sich nicht, wie die „vaterlandslosen Gesellen“ mit ihnen zu verbrüdern.

(Hier ist der Teil 1 nachlesbar: http://www.barth-engelbart.de/?p=206097 )

In den Spruchkammer-Akten des Landwirtschaftsrates Dr. Heinrich Barth, meines Vaters, gibt es erdrückend viele Entlastungszeugenaussagen, Persilscheine für ganze Großwäschereien. Alle sind fast identisch, stammen von Ortsbauernführern, Groß-Agrariern, Pächtern von Adels-Domänen , die mit den NAZIS gute Geschäfte gemacht hatten, bevorzugt Zwangsarbeiter zugeteilt bekamen usw.

Offenbar brauchten sich die Entlastungszeugen erst gar nicht um verschiedene Schreibweisen bemühen. Dass sie untereinander abgesprochen und gut organisiert waren, mussten die „alten Kameraden“ nicht lange verstecken.

Die Belastungszeugen sind alles Kleinbauern, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Kommunisten, und andrer Gott- und Vaterlandslose, die auch der US-Army das Waffenlager im Holzstall der Familie in Reichelsheim-in der Eberbacher Mühle verraten haben. Mein ältester Bruder, das Patenkind des Oberst Paul Gaethgens hatte es als HJ-Fähnleinführer dort angelegt für Wehrwolf-Aktionen.

Eine Entlastungszeugenaussage stammt vom evangelischen Pfarrer Munk in Reichelsheim.  Sie erweckt den Eindruck der Nähe meines Vaters zur „Bekennenden Kirche“. Dieser Eindruck ist jedoch falsch. Erst als es darum ging, mich 1967/68 in der Kirche zu halten, nach vergeblichen Versuchen, mich bei der Bundeswehr als Offiziersanwärter zu halten und von der Kriegsdienstverweigerung in der Bundeswehr abzuhalten, hat mein Vater den Kontakt zu Martin Niemöller  und  Horst Symanowski, dem Mainzer Studenten- & „Arbeiter-Pfarrer“gesucht. Ihre „links-protestantische“ Einstellung schien ihm als am ehesten geeignet, den „verlorenen Sohn“ bei der Stange zu halten.

Zwar gab bei der Ernennung meines Vaters zum Landwirtschaftsschulleiter  Vorbehalte seitens der GESTAPO wegen seiner kirchlichen Bindung, aber von “Bekennender Kirche“ war da nicht die Rede.  

Wie nahe er der faschistischen Bewegung und der faschistischen Regierung stand, zeigt ein Foto im Familienalbum vom Reichsturnfest in Stuttgart  im Juli 1933, wo angekreuzt wurde, wo er stand und in welcher Nähe zu Adolf Hitler. „30 Meter!!“

Als die USA-Army 1945 die Reichelsheim-Eberbacher Mühle umstellte, das Waffenlager aushob und meinen Vater und meinen ältesten Bruder festnahmen und inhaftierten, schrieb meine Mutter eine Petition an General Eisenhauer mit der Bitte beide freizulassen. Da sie kein Englisch konnte, übersetzte Mollah Matthes, eine -vermutlich durch Oberst Paul Gaethgens nach Reichelsheim vermittelte Landwirtschafts- und Hauwirtschaftslehrerin und norwegische Faschistin den Brief an Eisenhauer.  Der Brief und die Fürsprache des Reichelsheimer Pfarrers Munk zeigten Wirkung: Dr. Heinrich Barth wird sofort aus dem Gefängnis entlassen, sein ältester Sohn einige Tage später. Die Spruchkammer stuft  Dr. Heinrich Barth auf Grund der vielen Entlastungszeugen als Mitläufer ein. Er wird zu einer geringen Geldbuße verurteilt, die im Laufe der Zeit auf verschiedene Eingaben hin nochmals gesenkt wird. Und er darf sofort wieder als Leiter der Landwirtschaftsschule arbeiten.

Noch in den frühen 1960ern jagen in Vielbrunn im Odenwald die Kleinbauern meinen Vater und seine Mitarbeiter mit vorgehaltenen Mistgabeln und Sensen aus dem Dorf, wo er die Flurbereinigung des hessischen „Grünen Planes“ durchführen will. Die Vielbrunner Bauern haben ihre 1000jährige Erfahrung mit der „Bekämpfung der Armut durch die Frankfurter Reichsnährstandskammer“ noch in frischer Erinnerung.  Mein Vater und wir zwei, drei Dreikäsehochs , die er immer auf die Dienstreisen zu den Bauern zum Durchfüttern mitnahm, können uns zusammen mit seinem Chauffeur gerade noch in den Dienstwagen retten und fluchtartig das Dorf verlassen.

Unter der Obhut der Schlapphüte wurde es mir immer unheimlicher. Sowohl in der Michelstädter Landwirtschaftsschule, der Frankfurter Landwirtschaftskammer in der Bockenheimer Landstraße (in einem „arisierten“ Banken-Tempel mit gigantischem Säulen-Portal, das heute noch steht) als auch in der Michelstädter BHG, der „Bäuerlichen Handels-Genossenschaft“ wimmelte es von „alten Kameraden“. Und ich als Kindergartenkind und Grundschüler empfand nur ein  unbestimmtes Unbehagen, nahm manchmal Bemerkungen auf  z.B. von der Putzfrau, wenn sie im Büro der Landwirtschafts-Schulleitung nicht nur putzte sondern auch „die Kinder des Herrn Doktor“ betreute, wenn der unterrichtete, Dienstgespräche führte …. Erst 60 Jahre später erfahre ich, dass die Putzfrau Kommunistin war. Doch das wussten weder der Herr Doktor Barth, noch die Herren Dr. Best, Dr. Franke, Rippert, Gräber, Möhl, Wolf usw. ….. auch nicht die kleinstädtischen Honoratioren im Amtsgericht, im Kirchenvorstand, im tiefbraunen Gymnasial-Kollegium, auch nicht die Turn- und Sportvereinstrainer und Lehrer mit 1000jähriger Erfahrung. Es dauert über 20 Jahre, bis 1966/68 die Ausgrabungen beginnen. Doch die ersten Leichen in den Herrenkellern werden bereits 1961 gefunden bei der Renovierung der Stadtkirche, bei der Vorbereitung des Einbaus einer Fußbodenheizung: ehrenamtliche Helfer finden in den Abendstunden in den Seitengängen der Gruften der Erbach-Erbacher Grafen Skelette aus jüngerer Zeit. Eines davon mit Knochen eines Fötus. Beobachtet wird der Fund aus dem Kirchturm von Dr. Alsberg, dem Ex-SS-Mann, Biologie-Studienrat am Gymnasium, Verwalter der Nikolaus Matz-Bibliothek im Kirchturm. Er ist Organist und weiht 1961 das wiedererrichtete Glockenspiel ein, das er Anfang der 1940er abhängen und für die Front hat einschmelzen lassen. Dr. Alsberg spielt bei der (Wieder-) Einweihung auf dem Glockenspiel das Lied „Üb immer treu und Redlichkeit“. Alle kennen die Geschichte und niemand sagt etwas.

Am darauf folgenden Tag sind die Skelette verschwunden. Hinter einer Wand des Schweigens verbreitet sich fast lautlos die Vermutung, es handele sich um beseitigte Rassenschande, um Vergewaltigungs-Opfer und -Zeugen unter den Zwangsarbeiterinnen. Der ehrenamtliche Jugend-Diakon, der die „Ausgrabungen“ leitet, der junge Schneidermeister (Meck) Müller dreht durch, weiß nicht, wen er dafür verantwortlich machen soll, hat die Grafen im Verdacht und zerschlägt in einer Nacht alle historischen Grabdenkmäler der Erbach-Erbacher Grafen in der Stadtkirche mit dem Vorschlaghammer zu Schotter. Er wird festgenommen und in die Psychiatrie eingeliefert. Die Frankfurter Abendpost-Nachtausgabe titelt auf Seite 1: „Der Bilderstürmer von Michelstadt“. Ab diesem Zeitpunkt habe ich angefangen nachzugraben.

Sehr behilflich war dabei auch die Kinder-Freundschaft zum Küster-Hutzelmännchen namens Schmall, der im ältesten Haus der Stadt hinter der Kirche wohnte und uns immer -unter Schweigegelübde- den Schlüssel zur Kirche gab. Schmall kannte seine Pappenheimer. Niemand wusste genau wie alt er war. Aber sein haus war über 500 Jahre älter als das Michelstädter Rathaus. Es kann schon sein, dass es schon stand, als um 700 herum Kilian über der „heidnischen“ Wunderquelle auf dem Hügel in der Michelstädter Senke die erste christliche Kapelle errichten ließ. Wenn es denn die erste war, denn das Bistum Worms hatte hier bereits im 3. Jahrhundert missioniert und im Streit zwischen Burgundern und heranrückenden Hunnen vermittelt. Nicht umsonst liegt Michelstadt an der Nibelungenstraße und später hatte das Kloster Lorsch hier umfangreiche Besitzungen. Die Christianisierung kam hier nicht von Norden durch Kilian und Bonifazius, sondern aus Worms, Speyer, Trier mit den römischen Soldaten bis über den Limes in Konkurrenz mit Mitras-und Dionisos-Kult.

(unter dem Suchbegriff „Damenschneider“ kann man auf dieser Seite dazu noch einiges finden. Als Kinder tunten wir mit Vorliebe während des „Erwachsenen-Gottesdienstes“ auf Baubohlen über die Gewölbe der Stadtkirche und machten „Herrgotts-Donnerwetter“, das die Gemeinde erschauern ließ. Wir kannten die geheimen Gänge vom Kirchturm, aus der Matz-Bibliothek bis über die Empore, wo man am Blasebalg der Orgel herauskam, den wir schon als Kinder kräftig gemeinsam treten mussten)

Ausflug der Michelstädter Landwirtschaftsschule in Rothenburg ob der Tauber ca. 1952: mein Vater mit Stadtplan in der Hand

Dass mein Vater mir seine Auftragsmorde 1975 gestand und mich um Entschuldigung bat, hat mir den Abschied von ihm unendlich erleichtert.

Für jemanden, der mit einer Frau verheiratet war, die zu ihrer Geburt im Livländischen Wenden bei Riga von ihrem Großvater noch einen Sklaven geschenkt bekam, ist ein solcher Sprung vom Sklavenhaltertum in die Neuzeit und in eine humanere Weltsicht eine kaum nachvollziehbare Leistung.

Im Teil 3 dieses Artikels werde ich die „Heldentaten“ meines Onkels, des Generalstabs-Obersten Paul Gaethgens abarbeiten, die ich bereits literarisch im „Onkelmord“ behandelt habe. Wahrscheinlich aber auch noch einige Punkte, die ich hier noch vergessen habe. Ob ich bis dahin klären kann, ob ich hier auch die Bilder der abgestürzten JU-52 des Oberst Gaethgens veröffentlichen darf, kann ich jetzt noch nicht sagen.

Hier der 3. Teil

Hier der 2. Teil

(Hier ist der Teil 1 nachlesbar:

http://www.barth-engelbart.de/?p=206097 )

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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