Wie die „Bayern-Mädel“ im Hofgut streikten & aus dem Roten- ein Hakenkreuz werden sollte

 Die Ausschlussdrohungen  gegen Rot-Kreuz-Helfer (aus Mittel-Gründau?), die sich 1936 nicht regelmäßig von der NSDAP das Hirn waschen lassen wollten, oder keine Lust oder Wichtigeres zu tun hatten, hat Dr. Otto als Zugführer des Büdinger Roten Kreuzes mit „Heil Hitler“ unterzeichnet … sein Straf-Brief im Original folgt weiter unten

Hier jetzt das von Dr. Sigrid Göckel und Kurt Uffelmann überlieferte Streiklied der Fulda- oder Bayern-Mädel aus den späten 1920ern:

Rullmann, gib uns die Papiere

Rullmann, gib uns unser Geld

Schöne junge Burschen sind uns lieber

Als Fronarbeit auf Rullmanns Feld

Das ist der Refrain .

Rullmann war bis in die 30er Jahre der fürstliche Pächter der Mittel-Gründauer Domäne.

Mitte der 20er gab es im Mittel-Gründau Streik-Aktionen der Fulda-Mädchen, der „Bayern-Mädels“, die in einer Art HARTZ4 Aktion des „freiwilligen Arbeitsdienstes“ zur „Bekämpfung der Rhöner Armut“ an Groß-Agrarier vergeben wurden. Die waren extrem billig und senkten natürlich die Löhne für die örtlichen Mägde und Knechte, die Saison-Erntearbeiterinnen und Tagelöhnerinnen auf der fürstlichen Domäne. Die Streikaktionen wurden von der SA bekämpft und von KPD und SPD unterstützt.

Das Streiklied wurde auch schon lange vor dem Streik von den „Mädels“ gesungen.. die Mal “Fulda-Mädels” und ein anderes  Mal “Bayern-Mädels” genannt wurden. Denn sie kamen meist aus der bayrischen Rhön.

Die unter der Notverordnungs-Regierung des SPD-Reichskanzlers Müller eingeführten “freiwilligen Arbeitsdienste” waren in der Rhön aber auch im Odenwald, im Vogelsberg und im Spessart Vorläufer des von den Faschisten verfolgten Hartmann-Planes, der die systematische Enteignung der Kleinbauern betrieb. Die wurden dann „umgesiedelt“ in die „KdF“-Wohnanlagen bei den Groß-Industriebetrieben und später in den “neuen Lebensraum im Osten” , nach Polen, in die rumänische Walachei, ins Banat, in die Ukraine. Die Töchter und Söhne wurden als Billigarbeitskräfte in die Industrie- und Großagrarbetriebe geschickt. Das war dann das Ergebnis der sogenannten “Flurbereinigung” zu Gunsten der Orts-(Groß-)Bauernführer, der Groß-Agrarier.

Diese beiden Bilder könnten zusammenpassen – tun sie aber nicht. Oben sieht man der Zerfallszustand kurz bevor das Dach der Remise mit seinen Lüftungsdachgauben zusammenbrach und die Familie Hilmer die Remise wieder aufbauen ließ..

Unten das Ergebnis heimlichen Zigaretten- oder sonstwas -Rauchens böser Buben im Versteck auf dem Heuboden über dem fürstlichen Schweinestall 1935 …. es sollen Max und Moritz aus dem Ahl gewesen sein :-0)))

Bei diesem Bild sieht man auch wie groß die Zustimmung der Mittel-Gründauer zur Faschistenherrschaft war. Drei führende Nazis u.a. der Pächter und sein Sohn heben die Hand zum Führergruß. Listigerweise haben die Arbeiter die Hakenkreuzfahne an den Eingang des Schweinestalles gehängt.  Der Pächter war von Berlin “eingeflogen” und NSDAP-Chef geworden, nachdem der örtliche SA-Röhm-Strasser-Mann,  Metzger und Gastwirt Jean Kuhl nach der Hinrichtung von Röhm und der Entmachtung der SA de fakto abgesetzt wurde. Der Sohn des Pächters wurde dann auch  Fähnleinführer der örtlichen HJ.  Der Wiederaufbau des Südflügels wurde als “freiwilliger Arbeitsdienst” zur Stärkung der “Reichsnährstandes” geleistet. Wie man sieht, mit heller Begeisterung :-0))))))

Die “Bayern-Mädels” mussten schon beim “freiwilligen Arbeitsdienst” in den Zwanzigern die Papiere abgeben, um so zu verhindern, dass sie sich irgendwo andere besser bezahlte Arbeit suchten und sie bekamen ihren Lohn erst nach Abschluss der „Maßnahme“. Es herrschte wie heute für Flüchtlinge und auch HARTZ4er „Residenzpflicht“  „Fördern durch Fordern!“

Rullmann, gib uns die Papiere

Rullmann, gib uns unser Geld

Schöne junge Burschen sind uns lieber

Als Fronarbeit auf Rullmanns Feld

  1. Strophe

Wir wollen uns nicht länger bücken

Um Rullmanns Rüben zu vereinzeln

Und dann seine Rübe  pflücken

und ihn wie die Kölner Heinzel-

weibchen mit dem Arsch, dem Rücken

Nach der Arbeit noch entzücken (beglücken)

Refrain:

Rullmann, gib uns die Papiere

Rullmann, gib uns unser Geld

Schöne junge Burschen sind uns lieber

Als Fronarbeit auf Rullmanns Feld

2. Strophe

Altes Brot und Rübenschnitzel

Muggefugg und kein Kaffee

Worschd und Fleisch gibt’s für die Spitzel

Und zum Kaffee Jägertee

Und für die Verräter- Worte

Extra-Lohn  und Extra-Torte

Refrain:

Rullmann, gib uns die Papiere

Rullmann, gib uns unser Geld

schöne junge Burschen sind uns lieber

als Fronarbeit auf Rullmanns Feld….

3. Strophe

Wir lassen uns doch nicht vom Fürsten

und seinem fetten Kostverpächter

unterdrücken, pressen, bürsten

vom Jäger, Vorarbeiter, Wächter

wenn sie uns hinterrücks bestechen

dann kommt der Tag, wo wir uns rächen

Refrain:

Rullmann, gib uns die Papiere

Rullmann, gib uns unser Geld

schöne junge Burschen sind uns lieber

als Fronarbeit auf Rullmanns Feld

Übersetzung ins Grenner-Hessisch

Im Dialekt hieß es dann auch so ähnlich:

Mir losse uns fum Ferschte

un soim fette Koschdverpäschder

nedd unnerdrigge un nedd berschde

fum Jäscher nedd un nedd fum Wäschder

woann die uns hinnerriggs beschdesche

donn kimmt de Taach, wou mir uns räsche

Berschde ist der Ost-Hessische Dialekt-Ausdruck für gewalttätig Ficken, Vögeln, Vergewaltigen

Quellen:

Der Refrain wurde von Frau Dr. Göckel  in Mittel-Gründau überliefert.

Die Strophen hat der Mittel-Gründauer SPDler , Landmaschinen-Schlosser/Händler und Fußballer Kurt Uffelmann in den End90ern erzählt.

Die letzte Zeile des Refrains wurde in der gleichen Tonfolge mit verschiedenen vom “Chorus” gerufenen Variationen wiederholt: erst die Vorsängerin oder der Fulda-Mädels-Chor :

“als Fronarbeit!” und dann Alle oder einzeln reingerufen, reingebrüllt:: “Billigst-Lohnarbeit”, “Hungerlohn-Arbeit”, “ohne Lohn-Arbeit”, . ….

Die Wiederaufführung dieses Liedes mit neuer Vertonung (denn die melodie ist nicht überliefert) wäre eine schöne Aufgabe für die Mittel-Gründauer „Eintracht“.

Das Foto oben zeigt die ARBEITER, die 1935 höchst wahrscheinlich  im ARBEITSDIENST aus dem ARBEITSLAGER Herrnhaag zusammen mit den üblichen verdächtigen im Dorf abkommandiert wurden zum Wiederaufbau des Südflügels der fürstlichen Domäne – für ein VergeldsGott & Führer-Hungerlohn. Die Fulda-Mädels waren in der ZWANZIGERN als Billigersatz für die zu teuren polnischen Saison-WanderarbeiterINNEN den fürstlichen Pächtern zugeteilt worden durch den “freiwilligen Arbeitsdienst” der Reichsregierung unter dem SPDler Müller. In dieser zeit haben viele auch SPD-regierte Kreise und Städte auf Pump und mit billigstlohn Stadien, Hafenanlagen usw. bauen lassen, so z.B. den Hanauer Main-Hafen, das Michelstädter Heinrich-Ritzel-Stadion, das die NAZIS dann in Waldstadion umbenannten.

Die Begeisterung für die NSDAP-Schulungen der vermutlichen Mittel-Gründauer Rot-Kreuzt-Hilfszugsaktiven hielt sich in Grenzen: Lott, Geiß I. & II. , Meininger, Nos, Helfrich …. Weiß jemand Genaueres über den unterzeichenden Dr. Otto (?)

In Mittel-Gründau waren die Fulda-Mädels als Dumpinglohn Konkurrenz  auf den Feldern eingesetzt und nicht als Bauarbeiter und Zimmerer und Dachdecker. Sie wohnten in dem “Polacken-Haus” der Domäne, in dem seit über 150 Jahren die polnischen Ernte-SaisonarbeiterINNEN untergebracht waren.

Hofgut Rückseite mit seinen Park- und Gartenanlagen: hier unterm Dach und im „Polackenhaus“ waren die Bayern-/Fuldamädels untergebracht

Hier die alte Mühle und der Hintereingang zum Hofgut der Fürsten von Isenburg-Büdingen. Den Fürsten-Titelkhaben sich die Büdimnger im Gegensatz zu den Meerholzer Isenburger Grafen erst im 18. Jewhrhundert zugelegt.. Bild oben zeigt den fürstlichen Schafhof links, mit dem Schäferhaus Mitte und rechts das Polenhaus, das im Dorf nur Polacken-Haus hieß. Es war die Fürstliche Mühle mit dem Kornspeicher im Dachgeschoss. , wo die Frau mit dem Hund steht verlief bis Ende des 19. Jahrhunderts der Mühlbach der Büdinger Grafen, mit dem sie den Dörflern das Wasser für deren Allmende-Mühlen und das Tränkwasser für Gärten und Vieh und die Feuerwehr abgruben. Wasserkrieg …

das untere Bild zeigt eines der beiden “Schweizerhäuser” des Hofgutes. Auf der “preußischen Seite Mittel-Gründaus, das durch die Hessisch-Darmstädtische und Preußisch-Hessisch-Kasseler Grenze mittendurch geteilt war, standen noch weitere Schweizer-Häuser im KdF-Stil, die wurden nach dem Krieg sofort mit Flüchtlingen belegt.

Auf dem Bild steht die Frau mit dem Hund genau auf dem schon zugeschütteten fürstlichen Mühlbach, der den Altwiedermuser Weg unterquerte und das Unterflur-Mühlrad der Hofgutsmühle dort antrieb, wo heute die Sandstein-Naturmauer aufhört. Diese Mauer war der Sockel des in den 70ern abgerissenen „Polenhauses“, das man im Hintergrund mit seinem Fachwerk und dem Krüppelwalmdach noch sieht. Unterm Dach befand sich der Kornspeicher bius die Mühle aufgegeben un d der Mühlbach zugeschüttet wurde..

Dann wohnten unterm Dach des „Polen-“ und des Herrenhauses die Bayern-oder Fulda-Mädel, meist nicht mehr als 40.  Wie auch Tiroler und Schweizer Kinder im 19. Jahrhundert. Die Wander-Schweizer-Facharbeiter, die Melker wurden in den Schweizerhäusern untergebracht und im Dorf ansässig und hochgeachtet. Sie gehörten schon fast zur Oberschicht.

Nach dem Überfall auf Polen 1939 wurden die Fulda-Mädels durch die noch billigeren polnischen Zwangsarbeiter ersetzt, die die SS gegen geringe Gebühr an die Groß-Agrarier “vermietete”. Über 80 von ihnen wurden dann im Polackenhaus eingepfercht. Ab 1941 wurden russische Zwangsarbeiter und “ausgeliehene” russische Kriegsgefangene vom STALAG Wegscheide im Gründautal eingesetzt und in den Außen-Lagern des KZ-Hintzert in Gettenbach, Breitenborn und an der “Vier Fichten” im fürstlichen Wald im SS-Programm “Vernichtung durch Arbeit” zum großen Teil umgebracht.

Einen Teil dieser Kriegsgefangenen konnte der kommunistisch-sozialdemokratische Widerstand im Gründau-Tal retten und verstecken, bis die US-Einheiten – navigiert durch den Widerstand – vorrückten. Nur, wenn sich die US-Einheiten nicht vom Widerstand leiten ließen, gerieten sie in SS-Hinterhalte und wurden wie hier hinter Breitenborn von SS-Einheiten zusammengeschossen. Diese Einheiten hatten Kinder aus kommunistisch-sozialdemokratischen Familien im Gründau-Tal als Kindersoldaten und KZ-Wächter zwangsrekrutiert und sich beim Rückzug hinter diesen Kindern in Waldensberg verbarrikadiert. Die US-Army machte dann das Dorf inklusive des Pfarrhauses dem Erdboden gleich – die Kinder auch. Nur die Kirche blieb stehn.

Den polnischen Zwangsarbeitern -sofern es keine Juden waren- ging es erheblich besser schlecht.

Nach dem Krieg wurden diese Zwangsarbeiter durch Flüchtlinge und Vertriebene ersetzt, denen man zunächst auch nur Hungerlohn zahlte. Doch war man sich heimlich sicher, dass die nicht streiken, nicht in die Gewerkschaft gehen und nicht KPD oder SPD wählen . Diese Berechnung ging aber nur zum Teil auf. Ein besonders gutes Beispiel für diese Fehlkalkulation ist der längjährige Vorsitzende des DGB -Main-Kinzig, der linke SPDler Sepp Sigulla. Er war ein vertriebener Sudetendeutscher.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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