2&4-Vertrag gebietet: NATO raus, raus aus der NATO …

…, denn es heißt in Artikel 2 des 2&4-Vergtrages von 1990: „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der Verfassung des vereinten Deutschland sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, dass das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.“

Ursula Behrs Stoltenberg-Portrait

Grünes Licht für die Friedensbewegung
Zwei-plus-Vier-Vertrag kein Hindernis für „NATO raus – raus aus der NATO“

Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Im Rahmen einer Debatte ist am 23. April 2019 ein Kommentar von „H-J Schmidt“ zu lesen (siehe Anhang). Darin wird dargelegt, dass der zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Mächten USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion abgeschlossene Zwei-plus-Vier-Vertrag mit den dazugehörigen (unveröffentlichten) Protokollnotizen den Forderungen „NATO raus!“ (Kündigung des Vertrags über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, kurz: Aufenthalts- oder auch Truppenstationierungsvertrags) und „Raus aus der NATO!“ (Kündigung des NATO-Vertrags) entgegen stünde und sie unrealisierbar machen würde. Dazu werden Hans-Dietrich Genschers „Erinnerungen“ (Goldmann, 1997) herangezogen. Darin seien die Protokollnotizen wiedergegeben. Folgendes wird diesbezüglich als Zitat aus Genschers Buch aufgeführt:

  1. „Ohne NATO keine deutsche Einheit.“
  2. „Ohne den Verbleib der US-Atombomben in Deutschland keine deutsche Einheit.“
  3. „Künftige friedensähnliche Verhandlungen haben keine bindende Wirkung.“
  4. „Wir bauen ein neues Europa. Ein Friedensvertrag wäre in dieser Situation ein Schritt zurück.“

Passus 4 ist auf der angegebenen Seite 749 als Auffassung Genschers tatsächlich zu finden, die anderen (1, 2 und 3) auf den Seiten 754/755 und 846 nicht. Und es ist auch nicht erkennbar, dass es sich bei dem, was auf diesen Seiten zu lesen ist, um die erwähnten Protokollnotizen handelt.

Passus 3 und 4 sind in Bezug auf die Forderungen „NATO raus!“ und „Raus aus der NATO!“ kaum von Belang. Entscheidend wären Passus 1 und 2. Diesbezüglich finden sich auf den Seiten 754/755 – wie erwähnt – weder Passus 1 noch 2, sondern folgendes: „Die [britische] Premierministerin [Thatcher] nannte drei britische Bedingungen für ein geeintes Deutschland: die NATO-Mitgliedschaft, die Beibehaltung von NATO-Kernwaffen auf deutschem Boden und die weitere Stationierung amerikanischer wie britischer Truppen.“ Damit ist also die britische Verhandlungsposition wiedergegeben. Solche Formulierungen sind aber im Zwei-plus-Vier-Vertrag nicht enthalten. Ob sie in irgendwelchen Protokollnotizen zu finden sind, ist nicht bekannt.

Bekannt ist aber, dass es 13 Tage nach Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrags einen rechtsverbindlichen Notenwechsel zwischen Deutschland und den vier Mächten sowie Belgien, den Niederlanden und Kanada gegeben hat. Die Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrags erfolgte am 12. September 1990, der Notenwechsel am 25. September 1990. Darin steht hinsichtlich des 1954 abgeschlossenen Vertrags über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland: „Jede stationierende Vertragspartei kann durch Anzeige an die anderen Vertragsparteien unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren von dem Aufenthaltsvertrag zurücktreten. Die Bundesrepublik Deutschland kann den Aufenthaltsvertrag in bezug auf eine oder mehrere Vertragsparteien durch Anzeige an die Vertragsparteien unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren beenden.“ Der Vertrag kann also beidseitig gekündigt werden – von den Parteien, die in Deutschland Truppen stationiert haben, wie auch von Deutschland. Mit Notenwechsel vom 16. November 1990 gilt dies auch für Luxemburg und Dänemark.

Wenn die Truppen von USA und Großbritannien aus Deutschland abgezogen sind und Deutschland aus der NATO ausgetreten ist, bedeutet das auch, dass die US-Atomwaffen aus Deutschland verschwinden müssen, da sie dann nicht mehr unter der Verfügungsgewalt der USA oder der NATO stehen können und es in Artikel 3 des Zwei-plus-Vier-Vertrags explizit heißt: „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihren Verzicht auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen. Sie erklären, daß auch das vereinte Deutschland sich an diese Verpflichtungen halten wird.“

Die Möglichkeit, den NATO- und den Truppenstationierungsvertrag zu kündigen, wird bekräftigt durch Artikel 7 des Zwei-plus-Vier-Vertrags: „Das vereinte Deutschland hat […] volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.“ Es handelt sich dabei um ein Deutschland, von dem nur Frieden ausgehen darf, denn es heißt in Artikel 2: „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der Verfassung des vereinten Deutschland sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.“



Wenn erreicht werden soll, dass „von deutschem Boden“ – wie es der Zwei-plus-Vier-Vertrag festlegt – nur Frieden ausgeht, müssen insbesondere die US-Militäreinrichtungen in Deutschland – wie die Kriegsdrehscheibe Ramstein bei Kaiserslautern und die US-Kommando-Zentralen EUCOM und AFRICOM in Stuttgart – aufgelöst werden, denn diese dienen der Kriegführung in aller Welt. Deshalb muss der Ausstieg aus der NATO unbedingt mit der Kündigung des Truppenstationierungsvertrags verbunden werden. Denn nur so können die USA dazu gebracht werden, ihre zur Führung von Kriegen eingesetzten Militäreinrichtungen abzuziehen.

Damit sind also – bis zum Nachweis des Gegenteils – die Forderungen „NATO raus!“ und „Raus aus der NATO!“ sehr wohl umsetzbar, und zwar mit einer Frist von zwei Jahren bzw. einem Jahr. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag gebietet diese Schritte regelrecht.


Quellen:

Hans-Dietrich Genscher: „Erinnerungen“
Goldmann, Vollständige Taschenbuchausgabe, Dezember 1997

Zwei-plus-Vier-Vertrag
http://www.arbeiterfotografie.com/galerie/kein-krieg/hintergrund/2-plus-4-vertrag.pdf

Notenwechsel vom 25. September 1990 zum Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland
Bundesgesetzblatt Jahrgang 1990, Teil II, Seiten 1390 bis 1393
http://www.arbeiterfotografie.com/galerie/kein-krieg/hintergrund/bgbl290042_99955.pdf

Notenwechsel  auch hier – aber unvollständig (nur Seiten 1391 und 1392):
https://www.auswaertiges-amt.de/blob/243520/3af71503aa1387a6c8648aaad5de697d/notenwechsel-september90-data.pdf


Anhang:

Kommentar im OpaBlog:


H-J Schmidt schreibt:   
23. April 2019 um 08:56   

1990 haben sich mit dem „2+4-Vertrag“ die Vertragsbedingungen zu NATO geändert. Daher dürfen die Protokollnotizen zum „2+4-Vertrags“ nicht ignorieren werden. Sie sind nachzulesen in den „Erinnerungen“ von Hans-Dietrich Genscher (ehem. Außenminister und Verhandlungsführer des „2+4-Vertrages“). Hier drei der diktierten Bedingungen: „Ohne NATO keine deutsche Einheit.“ 1) (Damit ist ein Austritt aus der NATO nicht mehr möglich.) – „Ohne den Verbleib der US-Atombomben in Deutschland keine deutsche Einheit.“ ²) (Damit war der Beitritt zum „UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen“ 2017 nicht möglich.) – „Künftige friedensähnliche Verhandlungen haben keine bindende Wirkung.“ 3) (Diese Bedingung ist ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht. – Gleichzeitig verhindert sie die Klärung von Reparationsansprüchen.) – Der „2+4-Vertrag“ ist kein Friedensvertrag: „Wir bauen ein neues Europa. Ein Friedensvertrag wäre in dieser Situation ein Schritt zurück“. 4) Die Bundesregierung hat es bisher nicht für notwendig erachtet die Protokollnotizen, die in Paris rechtsverbindlich hinterlegt wurden, zu veröffentlichen.

1993 hat der Bundestag ein Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut verabschiedet, welches den NATO-Angehörigen den ungehinderten Zugang zu den NATO-Basen garantiert.

Die „Erinnerungen“ von Hans-Dietrich Genscher, sind im Goldmann Verlag München 1997 ersch. Die hier zitierten Protokollnotizen sind auf den Seiten (Nr. 1 u. 2, S. 754-755; Nr. 3, S. 846: und Nr. 4, S. 749) nachzulesen.

Aber Achtung: Es gibt Ausgaben, in denen die Kapitel zum „2+4-Vertrag“ (Kap. 16 ab S. 658 und Kap. 17, nicht oder nur verkürzt enthalten sind.
H-J Schmidt, Berlin

(Quelle: https://opablog.net/2019/04/22/was-beim-ostermarsch-in-berlin-kein-redner-keine-rednerin-gesagt-hat/)


Siehe auch:

Zum 70. Geburtstag der NATO
Lieber Donald!
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 700 vom 10.04.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25799

NATO raus – raus aus der NATO
Initialzündung für eine Kampagne der Friedensbewegung
NRhZ 551 vom 02.03.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22582

Banner der von Freidenkern und Arbeiterfotografie propagierten Initiative „NATO raus – raus aus der NATO“

Online-Flyer Nr. 704  vom 04.05.2019

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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