Vom tragischen Tod des Putztruppen-Chefs (keine Panik, Joschka lebt noch)

Klar, es gibt Wichtigeres: der nächste Welt-Krieg wird ausgebrochen, die Erde geröstet …wer aber die Vor-Kriegs-Geschichte nicht  kennt, der marschiert wie die Leminge in den Abgrund, den Rattenfängern und Menschen-Fischern hinterher  wie bei den Überfällen auf Jugoslawien, Gaza, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Jemen, Somalia usw. …. wie bei den Regime-Change-Versuchen durch „bunte Revolutionen“ aus dem Hause OTPOR und ihren UnterstützerINNEn von Albright bis Zuckerberg von ARD bis ZDF. Und so Gates immer weiter. „Almost SOROS soon forgotten!“

1973: Hauptkommissar Finkh in Frankfurt ermordet. Die „Putztruppen“-Vor-& Nachgeschichte 1968-2008/18

Eigentlich fing die Geschichte ja schon 1966 im 3. Panzergrenadier-Bataillon 352 in Mellrichstadt an. – Oder doch schon 1926 nach der Fertigstellung der Frankfurter Riederwald-Siedlung? Hier endet zwar nicht die Geschichte aber das Leben der Frau des PHK Finkh -beim Sturz der Putzfrau aus einem Fenster der Pestalozzi-Schule irgendwann in der späten 50ern.. Wäre ein schöner Abschluss gewesen. Zumindest literarisch. Aber dann kommen doch Fragen auf: war es Selbstmord oder ein Arbeitsunfall der aus Polen stammenden Ex-DP, Ex-Zwangsarbeiterin? Ihr Mann konnte sie nicht mehr festhalten, es ging um Sekundenbruchteile. Schon einmal hatte er sie gerettet und sie dann nach dem Krieg geheiratet, doch jetzt kam er zu spät. K2Fs Kollegen kamen jedenfalls bei ihren Ermittlungen erfreulich schnell zu dem Ergebnis : Arbeitsunfall. Warum hätte sie sich auch umbringen sollen?.

Vielleicht hat die ganze Geschichte aber auch bereits 1916, mitten im 1. Weltkrieg angefangen in der Rotfabriker-Siedlung in Frankfurt-Zeilsheim. Von dort kam sein Vater in den Riederwald …. Licht, Luft, Sonne und eine größere Wohnung als bei den Eltern in Zeilsheim. Die Mama hatte Finkh-Senior aus den stinkenden Kloaken des Dickichts rund um den Dom befreit-gefreit, worüber der Zeilsheimer Arbeiter-Adel nicht sonderlich erfreut war ….

Wer hier vorher noch reinschaut, kriegt den vollen Durchblick durch den Bankfurter vor-& nach68er Polit-Dschungel:

Man ahnt es schon: es gibt mindestens zwei PUTZTRUPPEN“, die Lachnummer des FDP-UrgeSTEINS Volker Stein nicht mitgezählt. Neben dieser Gelb-GRÜNEN SauberMannschaft gibt es aber eine ernstzunehmende Stabsstelle „Sauberes Frankfurt“, deren Name Gustav Noske besonders gut gefallen hätte https://www.bild.de/regional/frankfurt/frankfurt-am-main/frankfurt-sauber-und-sicher-steins-neue-putztruppe-52881004.bild.html

und voila:

https://www.fr.de/frankfurt/putztruppe-frankfurter-hauptbahnhof-11068782.html

Doch jetzt wird es tot-ernst: K2F, der Kommissar kommt um

Im Hinterhof einer besetzten Westend-Villa liegt er mit eingeschlagenem Schädel, ein Jahr vor seiner Pensionierung, kurz bevor er sein Lieblingskind  aus der Taufe heben konnte: die Stabsstelle “Sauberes Frankfurt”, die zivile Ergänzung seiner Spezialeinheit in der politischen Polizei im 18. Kommissariat – mit dem Spitznamen “Putztruppe”. Keiner wusste so genau, wer dazu gehörte. Nur der harte Kern war bekannt: die Kommissare Vogel und Loos und Finkh als Chef. Und der hieß polizei-intern nur “der Schmutzfinkh”.  Und es ging ein Gerücht um im alten neobarocken Polizeipräsidium in der Friedrich-Ebert-Anlage:  der Schmutzfinkh hätte ein Nummernkonto in der Schweiz. 1000 Jahre Frankfurt putzen hätten ihm dieses Konto prall gefüllt. Aber wie das mit den Gerüchten halt so ist, belegen kann man’s nicht.

Von dem Michelstädter Friseurmeister Rodemich, der in der End40ern und den 50ern zu den besten Friseuren Deutschlands gehörte und nicht nur alle Filmsternchen aufdonnerte sondern auch die ersten Adressen des Frankfurter Rotlichtmilieus versorgte: u.a. die Matura und die Nitribit,

….. von diesem Meister kam der leise Tipp, es könne sich beim Tod des Schmutzfinken um einen Racheakt  von Leuten aus der “Sonne von Mexiko” handeln. Diese Kneipe am Frankfurter Allerheiligen-Tor war die Kommandozentrale des Frankfurter Unterwelt-Königs mit dem Spitznamen “Stalin” und seiner Frau Margarete, die von dort aus die Breite Gasse, den “Broadway”  kommandierte. Meister Rodemich war für das Styling der Mädels zuständig. Der Friseur war auch mit “Stalins” Chef-Autoschieber Willi Münch gut befreundet, der sich Ende der 60er zur Ruhe setzte und  -ganz zufällig-  Michelstadt zu seinem Ruhesitz erkor und dort am Lindenplatz  eine Kneipe aufmachte, den “Bürgerkeller”. 

Verhörprotokolle, Notizen, Zeugenaussagen, Berichte, Reportagen, Autobeichten, Erinnerungen Geständnisse …

Recherchen zum “Alt68er”-Mord an dem Frankfurter Kriminalhauptkommissar  Karl-Wilhelm-Friedrich Finkh am 10. August 1973 durch Unbekannt

Der Ordner mit über 400 Seiten dieses Berichtes verschwand 2001 bei einem selbst durch sonst für BKA, BND & CIA tätige IT-Spezialisten nicht zu reparierenden Festplatten-Crash in internet-Nirwana. Leider hatte auch Schäuble von dieser Scheibe keine Copy. Peter Zingler hat die Datei, die ich ihm mit der Bitte um Co-Lektorat geschickt hatte,  nach seinem vernichtenden Urteil (“einen so quer-strukturierten Roman habe ich noch nie gelesen!”) gelöscht.

((( jetzt kommen Fragen, warum Peter Zingler? Ich hatte bei ihm “noch etwas gut” :-0)))):  Als Peter Zingler lange vor seinem Aufstieg zum “Roman-Fabrikanten” & TATORT-Drehbuchautor noch in Weiterstadt im Knast saß, hat mir der Hanauer Dieter Schüssler von seinen Knacki-Schreibwerkstätten erzählt. Dann habe ich zu Beginn der 1980er die ersten Rezensionen über Zinglers Bücher für die Neue Hanauer Zeitung  (nhz)geschrieben: “Notizen aus der Mülltonne” & “Spur 139”, erschienen in einem Mainzer Kleinverlag. )))

Der  hier vorgelegte Bericht-Teil ist ein Remake , entstanden aus Manuskript-Fragmenten, aus Werk-Lesungen, bei denen der Bericht freihändig erzählend und von Mal zu Mal ergänzt vorgetragen und danach wieder niedergeschrieben wurde.

Vorab sei hier schon Mal angemerkt, dass es schenkelklopfende Lachsalven gab bis zum sprichwörtlichen Totlachen im Polizeipräsidium in Bankfurt, als dort bekannt wurde, dass die Fischer-Friends BodyGuard vom Spontifex MachoMax “Putztruppe” genannt wurde. Bis zu dem bekannten Fischer-Springerstiefeltritt auf einen am Boden liegenden Polizisten (dieses Bild ist im Internet nicht mehr auffindbar!!) hielten die Normal-Bullen  Fischers HiWis für eine Playmobil-Ausgabe der wirklichen PUTZTRUPPE, die bereits seit 1921 die Main-Metropole politisch säuberte. Vater und Großvater Finkh und dessen Ziehsöhne & -Enkel waren von Landmann bis Feldmann – also weit über 1000 Jahre stets schlecht aber doch besser als die Normal-Proleten bezahlte Säuberer Frankfurts … 

Vorab zwei: Armin Golzem, der mich schon 1966 bei meiner Verweigerung als Offiziersanwärter und UFFZ-Ausbilder in der Bundeswehr unterstützt hatte, hat mir kürzlich  im Gespräch über meinen Roman gesagt, er hätte ohne den Schutz durch die Putztruppe seine anwaltliche Arbeit in Frankfurt nicht mehr leisten können. Das glaube ich auch, nur mir geht es  ja nicht um die instrumentalisierten Jungproleten sondern um die Macht-Politik der Oberkommandierenden Atlantikbrücken-Fischer und Cohn-Bombits. Und der Golem, wie wir ihn auch gerne nannten, hat mich 1968 schließlich aus den Dauerverhören durch Finkh, Vogel & Loos im Krankenzimmer befreit per Einstweiliger Verfügung. Danke, lieber Golem!!!

€€€€€€€€€€€€€€$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$€€€€€€€€€€€€€€

Die Fakten lagen so klar auf der Hand, beziehungsweise auf den Schreibtischen der zuständigen Ermittlungsgruppen wie das etwa ellenlange Stück verzinktes Wasserrohr in der Hand des verfuselten Obdachlosen, zwischen dem überquellenden Müllcontainer und dem toten KWFF –oder KW2Eff wie er sich abkürzte- im Hinterhof einer damals noch immer besetzten Villa im Frankfurter Westend, einer der wenigen, die die Räumungsprügelorgien der  Polizei erfolgreich vom Häuserrat verteidigt überstanden hatten.  Die Kollegen vom 18.K, dem politischen Kommissariat, die zeitgleich mit der Spurensicherung eintrafen, waren abgebrüht genug, nicht gleich in Depressionen und Gejammer zu verfallen, weil es einen von ihnen erwischt hatte.  In ihrem Bereich war der Tod zwar nicht  genauso präsent wie bei der Mordkommission, die ebenfalls am Tatort herum hektisierte, aber auch im 18. gehörte der Tod zum fast alltäglichen Geschäft.  Sogar Polizeipräsident Knut Müller gab sich die Ehre, OB Arndt sonnte sich im Blitzlichtgewitter und es wurde gemunkelt, dass außer LKA und BKA auch noch die oberste Etage aus Wiesbaden eingeflogen würde.  Vogel, Finkhs Ziehsohn und sein designierter Nachfolger  probte etwas verfrüht bereits den Aufschwung in den Chefsessel und spielte in einer kurzen Nebenbemerkung in Richtung PHM Loos, seinem kommenden Assistenten auf Finkhs internen Spitznamen an: „Nomen est Omen“ … Loos nickte artig wie beiläufig:  am Tatort, wenn er es denn tatsächlich auch war – sah es aus, als hätte sich der Schmutzfinkh mit dem Obdachlosen um Essensreste aus dem Container geprügelt. Doch, wenn man  wusste, was die Hausbesetzer so an Müll übrigließen, worum sollte sich da ein offenerkennbar erfahrener Trebegänger geprügelt haben und dann auch nicht Mal mit einem Kumpanen sondern mit einem leibhaftigen Kriminalhauptkommissar.

Vom Kräftevergleich her gesehen durchaus möglich: Finkh war an die 65, kurz vor seiner Pensionierung… Aber die Spurensicherung hatte den vermeintlichen Rost am Wasserrohr als Finkhs getrocknetes Blut erkannt, sogar einige Haare aus Finkhs schütteren Bestand klebten am Wasserrohr und .. das Rohr passte 100%ig in die Delle in Finkhs Schädel.  Beide stanken nach dem gleichen Fusel, aus der Flasche, die der Obdachlose mit der Linken fest umklammert  durch sein Delirium gerettet hatte. Ein erster Alkoholschnelltest ergab  satte 1,2 Promille trotzdem eindeutig unterhalb der Schuldunfähigkeitsschwelle. Es schien auch wesentlich mehr von dem Fusel auf die Klamotten und das Pflaster als in den obdachlosen Hals geflossen zu sein.  Finkhs Blutalkohol lag unter der Nachweisgrenze. Bei ihm steckte alles nur in den Kleidern. Kampfspuren waren bei ihm nicht zu erkennen. Bei seinem vermutlichen Mörder ebenfalls nicht. Also doch kein Streit ums Fressen. Finkh war von hinten erschlagen worden, ohne dass er sich gewehrt hätte, ohne sich wehren zu können.

Eigentlich ein klarer Fall. Doch Vogel schmeckte die Sache nicht, es waren zu viele Merkwürdigkeiten im Spiel. Warum ausgerechnet Finkh und nicht einer der HIWIS aus der Truppe, warum im Hinterhof dieses Hauses, in unmittelbarer Nachbarschaft  zu Metzgers Hauptquartier, das vor gut trainierten Bodygards fast aus den Nähten platzte. Das war alles zu glatt. Und warum tanzte hier die ganze Vip-Loge den Kriminal-Tango? „Sind wir hier bei Dreharbeiten?  Gibt’s en neuen TATORT ?“ – Loos assistierte „Die nächsten Wahlen stehen vor der Tür“ .  Mag sein, aber auch das war zu einfach …  War Finkh vielleicht alleine auf dem Weg zu Metzger gewesen? Keiner auf der Dienststelle wußte von Finkhs Westendbesuch. War er privat hier gewesen ?  Schlecht vorstellbar oder doch, gerade deshalb. Man konnte diesem alten Trüffelschwein alles zutrauen. Der glaubte unbeirrt an die eigene Unfehlbarkeit.  Finkh hatte neben den offiziellen auch eine ganze Reihe inoffizieller V-Leute an der Hand. Vogel kannte sie alle. Alle ?  Es gab immer eine gewissen Nähe zwischen Jäger und Gejagten.   Wer Frankfurt säubern will, muss sich im Dreck auskennen.

Christine saß – den Minirock kaum weiter hochschiebbar – breitbeinig neben mir  in den endlosen Tiefen der  Kinosessel  im ESPLANADE versunken. Das war traumhaft, die dicken Plüsch- Polster dünsteten eine Duftmischung aus Schokolade,  Poppkorn, airfresh und sonstigen Lebenselexieren aus.  Aber auch hinderlich, denn die Armlehnen konnte man in Gegensatz zu denen in Zugabteilen der ersten Klasse nicht  hochklappen. Was dort bei zugezogenen Vorhängen und Tunnelbeleuchtung oder der nicht seltenen Bundesbahntotalverfinsterung meist wunderbar klappte, wenn man das Geld für die ersten Klasse hatte, das klappte hier  auf den günstigen Plätzen der Rasierlogen jedenfalls nicht, zumindest  nicht so leicht.  Auf den billigen Plätzen wurde auch das softeste Petting zum Kraftsport für Fakire und Hürdenläufer. Limbotraining. Drunter oder drüber? Und das immer am Rande der chronischen Genickstarre.

Ich wußte nicht wie mir geschah, Christine saß tatsächlich neben mir im Kinocenter an der Hauptwache und ich traute mich schon kurz nach der Werbung – als die Langnesetante ihr Eis am Stil tiefdekoltiert  sublimationsanimierend über die Reihen gebeugt an die Leute gebracht hatte –   mir war das alles zu teuer – mein Job-ergänztes Honeffer, jaja, nerv nicht, so hieß damals das BAFÖG und musste nach dem Studium zurückgezahlt werden, das reichte zwei Mal monatlich fürs Kino auf den Spar-Plätzen.  Die Knutsch-Couchen  in Rang 4 , den hintersten Logenreihen, waren unerschwinglich. Warum war das eigentlich in Theatern und Opernhäusern anders, da waren doch die hintersten Reihen am billigsten und die erste Reihe  unbezahlbar! Was für ne Frage? Hier kam der Geldadel in Tuchfühlung mit den Schauspielerinnen und Sängerinnen, wo erste Blickkontakte geknüpft werden konnten und die großen Scheine die jeweils  gewünschten Ausschnitte erreichten..

Ich schweife ab. Hannes hat mir das so oft gesagt, Mensch schweif doch nicht immer ab, so wird das nie was, konzentrier dich auf das Wesentliche , Hannes war manchmal unheimlich hilfreich: was bitte war wann das Wesentliche ?  Woher sollt ich das als provinzieller Novize wissen.  Wenn ich Glück hatte, kam mir der Meister dann mit Bauernregeln, Volksweisheiten und Kinderversen unter dem Motto: Kindermund tut Wahrheit kund. „Findst Du den Spruch auch ganz bescheuert, Du bist genau wie jedermann letztendlich schwanzgesteuert. Es liegt – selbst angeschwärzt durch Emma-  die Lösung in und neben dem Dilemma. Das half im Kampf der antagonistischen Linien der sexuellen Revolution bei der Überwindung von Problemen in der Praxis ungefähr so viel wie die Rote Fibel mit ihren Mao-Sprüchen beim Krachen der Türfüllung im zweiten Stock der Uhlandstraße 47, wenn unter Vorwegnahme eines später geflügelten Volksbankspruches der öffentlich-rechtliche Zugriff stattfand: dem „Wir machen den Weg frei!“ sollten wir nach Mao-Tse-Tung  das „Wenn der Feind uns angreift, ist das gut und nicht schlecht!“ entgegensetzen. Das mag ja alles objektiv seine Richtigkeit haben, aber ganz subjektiv, kostete die Reparatur der Türe ein Stange nicht vorhandenen Geldes, abgesehen von den Tagen und Wochen Arbeit, die wieder kein Schwein in der WG machen wollte. Streitereien, ob die Anschaffung einer neuen Türe  oder die Reparatur der alten mit ihren klassizistischen  Tür- Kassetten und Zierleisten bourgeoise oder proletarisch war. Die korrekte politische Linie war entscheidend – nur welche war welche ?   Allein der Gedanke an  die endlosen Referate des  sattelfestesten Linienreiters in der Uhlandkommune lösten nicht nur Pantomschmerzen kommender Magengeschwüre aus. Was halfen mir da Hannes Sprüche und die Mao-Fibel?  Konnte man nicht ganz einfach die Türe so reparieren ?  Musste jede Pisstoppentleerung politisch begründet sein?  Wie wurde proletarisch Geschirr gespült und Müll runter getragen ? Oder waren etwa Schädel- und andere Knochenbrüche mit dem Festhalten an der politisch korrekten Linie zu schienen und zu flicken ?  Musste man oder Frau beim Ficken, Vögeln, Bumsen , wie,  wo und was auch immer vorher den Weiberrat einholen oder den Grundsatzbeschluss der Selbsthilfegruppe werdender Männer abwarten?  Bis der Kampf zweier Linien oder auch dreier oder achter mit und ohne den großen Steuermann in den Schützengräben der WG-Küche im  Morgengrauen ihrer Klärung entgegen gärten, war mir meist schon die Lust vergangen oder und auch die Erinnerung an die Ausgangsfrage:  Worum ging es eigentlich gestern Nachmittag?  Nun ja, spätestens beim Versuch, noch einigermaßen pünktlich an der Stechuhr bei Schneider und Söhne, bei der Rundschau, bei FMA-Pokorny oder sonstigen Broterwerbsquellen zu erscheinen, oder auch als von Papa voll allimentierte Jugendsünde die letzten Vormittagsveranstaltungen an der Uni   zu erreichen (den seinen gibt’s der Herr im Schlaf!) tauchte die Ausgangsfrage unerbittlich wieder auf:  wie kriegt man bloß diese verdammte Türe zu? Wenn die morgens die Tür eintraten, hätten sie ja freundlicherweise dann tagsüber und nächtens nicht nur jedes Kommen und Gehen registrieren sondern gefälligst auch den Objektschutz übernehmen können.  Zu holen war zwar nicht viel in der WG, die Türe stand in der Regel auch immer auf, war angelehnt, und wenn sie Mal zu war,  höchsten nachts abgeschlossen. Und das war dann auch leider der Grund, warum sie jetzt kaputt war.

Hannes Sprüche!  Hilfreich wie die Tageslosung der Evangelikalen, den sie noch vorm Frühstück vor Tagesanbruch vom Herrnhuter Abreißkalender ablasen, wie wir die Sinnsprüche von Bärmeier und Nikel auf dem Klo.

Ganz so einfach war das nun doch nicht.  Hannes Sprüche waren meist äußerst subversiv und wiesen schon im Frühstadium der politischen Debatte auf die später sinnbildlich oder real offenstehende unverschließbare Türe hin. Da stand sie vor einem  und gebot eigentlich unfehlbar als Problem selbst den nächsten Schritt zur Lösung.

Hannes konnte das mit schlafwandlerischer Sicherheit:  er übersprang alles Unwesentliche, hatte sich schnell zum Kern des Sache vorgearbeitet  und löste munter drauflos , nicht locker aber doch unverkrampft –gelöst eben –  — vielleicht hat ja Lösen etwas mit Lust zu tun und die Katechismen aller Religionen mit ihren Losungen waren nur der Hohn darauf ? Dass Hasenscheiße auch Losung hieß, war nur zu passend. Dass Hannes sich beim Lösen anstehender Aufgaben auch selbst auflösen konnte, ohne dabei aus der Facon zu geraten, das kam noch dazu und darum beneidete ich ihn.  Außer sich und bei sich und das gleichzeitig.

Und ich schob diesen ganzen Berg von Bedenken und  Erwägungen, Projektionen und Zweifeln vor mir her, sah vor lauter Bäumen keinen Wald mehr und auch nirgends eine Tür offen stehn.

Christine saß neben mir, sie saß einfach neben mir , bereitbeinig und wahrscheinlich ohne jeden Hintergedanken. Oder mit offenen Vordergedanken ?

Wie war das noch Mal? Die Lösung liegt meist direkt neben dem Problem

War ich das Problem ? Mein rationalisierender Kopf ?  Und sie die Lösung? Christine saß direkt neben mir.

Also kurz nach der Werbung, d.h. aber  noch vor der Langnese-Attacke auf Eros und Portemonnaie , bei der tiefe Einsichten in Twiggyhemdchen und unter Twiggy-Minis zwar nicht direkt die Hosen aber doch die benachbarten Geldbeutel des zahlungskräftigeren Publikums zielsicher öffneten.  Wie es später Mal einen heranreifenden Studienreferendar bei der Milka-Almjausenpausenhütte bei der Be-Be-Be-Be-Bestellung von mandelsplitternackter Schokoladenbräune zum errötenden Stottern bringen sollte. Die Spannung stieg von langer Hand gesteuert und durfte sich entladen, wenn sich dein Portemonnaie entlud, du deinen letzten Penny für die schokoladenkremigkühle Saugleckundschlecklust verheißende Hand der Langnese-Hostess im Hugh-Hefner-Bunny-Dress gedrückt hattest. Wechselgeld ? Da war mann  spendabel,  da wollte mann die Lust nicht mit etwas Kleingeld verklimpern. Und die Ungeduld der drängelnden Nachbarn nicht überstrapazieren.

In der Breite Gasse bekamst du , wenn du dich trautest und löhnen konntest, für dein Geld mit großer Sicherheit einen schnellen sauberen realen Orgasmus, die Mädels hatten alle ihren Abstrich-TÜV .  Da wußte man genau woran man war.  Ficken , Abputzen, Zahlen, fertig. Eine runde glatte Sache, wenn der Zuhälter keine Zicken machte: Aufpreis, Perversionszulagen und was so noch drin war. Bidet-Benutzung, Endreinigung. So was kannte man ja von den Hotels, wo es hinterher wegen der Putzkolonne um 15 % teuerer wurde als im Katalog. Nomen est Omen.

Aber hier, hier sollte dir bei Eis am Stil, bei Zartbitter  für Attika-RaucherINNEN (es war schon immer etwas teurer einen besonderen Geschmack zu haben) oder bei Volks-Vollmilchnuss einer abgehen oder auch nicht. Es war eher wie eine Ladestation.  Der Akku wurde wochenends  gefüllt und man  konnte ihn dann über 5 bis 6 Tage wartungsfrei arbeiten lassen .  Aggressionsstau, Energieabfuhr,  und wer in deiner Reichweite saß, schlief, arbeitete oder im Stadion für die Kickers oder die Eintracht grölte, konnte froh sein, wenn das alles in die gleiche Richtung brüllte, in Arbeit mündete, an Fließbändern, Druckmaschinen oder Maschinengewehren und dabei anderes und andere traf als Dich und Deine Leute, deine Wohnung, das bisschen Zeug, was du dir zusammen geschafft hattest. Bei Massenschlägereien beim Rock am Rebstock, im Waldstadion oder am Bieberer Berg, auch da tobte sich der Langnese-Lust-Stau aus. Jaja, es gab auch Schöller-Eiscreme,  und der absolute Gipfel des Erotik-Surrogats war dieses Eisbonbon, das man nach langem Lutschen nach EXTRA-GROSS-gedruckter Gebrauchsanweisung auf der goldbraungefärbten Verpackung vorsichtig aufbeissen sollte, wobei ein Strahl süßkühlen Saftes sich im Mund über Zunge und Gaumen verströmte.

Das hier war ein eiskalt kalkuliertes Vor- Spiel, wahrscheinlich wurde sogar die Klimaanlage darauf abgestimmt.  Wer wollte da nicht mindestens insgeheim zugreifen ? Der Griff zur Geldbörse versprach Kühlung. Während die Lüftung flautete und die Kinosesselpolster über 39 Grad zu fiebern schienen.

Und die Armlehne war immer noch im Weg. Sie hatte sich an diesem Kinoabend anscheinend extra breit gemacht.

Es war echt schwül,  Haut klebte auf der Haut, das Sesselpolster begann zu jucken, wo es sich mit Schweiß vermischte, in den Kniekehlen, im Nacken.  Auch ich machte die kühlende Grätsche, so weit es ging. Hier vorne waren auch de Einzelsitze schmaler als die Thronsessel in den Logen ! Nieder mit dem Klassen-Kino! Wie sollte sich hier der kleine Mann ausbreiten,  entfalten, wenn er noch nicht Mal alle Fünfe grad sein lassen konnte.

Breit aus die Flügel beide, oh Jesu meine Freude, das war subkutaner Sexismus pur ! Das meinte nicht die Flügel der meist weiblichen Engel, das meinte die Beine. Und eigentlich sangen sie doch alle: Breit aus die Beine beide, Maria meine Freude. Auch Jesus hatte Beine und bei elf Jüngern dürfte der eine oder andere auch an Jesu seine Freude gefunden haben. War doch eine gelungene Arbeitsthese für Aufstiegsspürnasen unter den Theologen ! Warum sollte es nach der Theologie der Befreiung und der feministischen Theologie nicht auch eine Schwulen-Theologie geben?

In die Breite.

Christine war weder Maria, noch war sie ein Problem

Sie saß immer noch neben mir. Waren es Stunden oder nur die wenigen Minuten vor dem Film. Mir schien es endlos. Und im Hinterkopf lauerte bereits die Angst vor Versagen und zu schnellem Vergehen. Dann doch lieber noch etwas Vorfilm, etwas Werbung, etwas Eiskonfekt und Poppcorn

Mein linkes Knie hatte sich auf der Flucht vor der schweißtreibenden Wärme meines rechten so weit entfernt, dass es –welch göttliche Fügung – Christines rechtes Knie spürte, fühlte, ertastete und jubelte. Ja, auch Knie können bisweilen jubeln.

Jetzt versuchten die Finger der linken Hand den Übersprung, nahmen Anlauf in Zeitlupe – Übergriff wäre hier jetzt die falsche Wortwahl-  sie versuchten den Uberschleich, denn erstens ging es sehr langsam und lautlos und zweitens war der eigentlich näherliegende Weg unter der Armlehne so eng  und verwinkelt, dass ich ein Zusatzgelenk im Unterarm gebraucht hätte, um mein Ziel zu erreichen.   Ich weiß, es gab Typen , die machten das mit Links. Bei mir funktionierte das so nicht. Ich war mit der Rechten besser. Die Linke war eher für Grobmotorik geeignet. Aber ich saß nun Mal rechts neben Christine. Und einen Übergriff von rechts hätte mir niemand – auch Hannes nicht als rein zufällige Landung der Rechten auf dem zentralen Hügelgelände der möglicherweise noch jungfräulich unerforschten Venus geglaubt.  Neil Armstrongs  Landung auf dem Mond war noch nicht soo lange her. Und jetzt im Esplanade war es wie der Wettlauf zur Mondlandung, nur dass wir weder West- noch Ostblock spielten, sondern wie üblich als Speerspitze der Revolution allen weit voraus bereits einen Hügel der Venus besteigen wollten.  Nein, besitzergreifen? Fähnchen hissen ? Das lag uns fern.  Nieder mit dem US-Imperialismus, Nieder mit dem Patriarchat! Kampf dem bürgerlichen Besitzfetischismus!

Es wurde endlich stockfinster.

Die lange Durststrecke durch Werbung und Vorfilme lag hinter uns.

Der Hauptfilm begann. Er verlief mit seinem programmatischen Titel  nahezu synchron zur realen Handlung vor der Leinwand:

Stanley Kubriks „Odyssee 2001“ – und Hannes und ich auf dem Marsch durch die Galaxy. Und ohne dass ich es wusste:  wir beide vom Kap der guten Hoffnung  zeitgleich gestartet unterwegs auf der Milchstraße zum Lande, wo dieselbe vermischt mit Honig verläuft..

Nur dass Christine ihre Beine immer weiter ausbreitete, verhinderte eine zu frühe Begegnung mit Hannes Kosmonautenfingern. Ich war guten Mutes und wähnte mich auf dem rechten Wege alle Selbstzweifel und Denkomanien hinter mir lassend und verpasste dabei entscheidende Passagen aus Kubriks Jahrhundertwerk. Gerade als ich am Saum von Christines Mini angekommen und darüber genau so erschrocken wie begeistert  war,  für einen Moment vor der eigenen Waghalsigkeit zurückschreckte und wegen der gebotenen Coolness die heftig aufwallende Erregung versuchte wegzudrücken, da kam diese Szene mit den weißen Schalensesseln, die mich damals fast aus der Zielkurve warfen und heute noch das Gefühl vermitteln, als solle man es sich in den Tränensäcken des alten Horst Tappert bequem machen.

Nach der tapferen Überwindung dieser ersten Zurückschrecksekunde wagte ich mich nun schon beinahe im Zeitraffer auf Erkundung des benachbarten Planeten, drang vor in die vermeintlich unberührte Wildnis des Venushügels und traf dabei auf Hannes Mittelfinger, der Christines Venus ortskundiger als ich bereits zu ersten Vorbeben brachte. Mein Dazutun schien weder Christine noch Hannes zu stören, den es war kaum zu unterscheiden, welcher Finger nun zu Christine, Hannes oder mir gehörte, Irgendwie war es dann auch egal. Kubrik ließ gerade den Neandertaler den abgenagten Knochen in die Luft werfen, wo er sich just in dem Moment in eine Raumstation verwandelte, als Christines Venushügel sich als Vesuv entpuppte und sie mit einer Lautstärke kam, daß sie Wagners „Also sprach Zaratustra“ zumindest für mich weit übertönte und ich für Sekunden befürchtete, dieser Höhepunkt hätte den vollbesetzten Kinosaal um den Höhepunkt des Films gebracht. Stattdessen brauste Beifall auf und ich wußte wieder nicht, ob er dem Film oder Christine galt, die sich nach dem Übergang von Wagner zur schönen blauen Donau im Strauß-Kubrik‘schen Dreivierteltakt ausklingen ließ.

Ach Christine, dich hatte ich ganz vergessen. Sexistischer Schwachsinn in der Retrospektive ? Sicher nicht aus deiner Perspektive erzählt. Schwanzgesteuerter Männerschweißausbruch. Wechseljahre auf der Couch?

War es so? Es war so.

Hannes war auch dir gegenüber im wahrsten Sinne einfühlsamer, sensibler, konnte abgeben. Ruhte in sich selbst.

Während ich alles in mich rein fraß, grabschte, was zu greifen war,  blind auf MEIN Ziel zustolperte. Um alle Verdrängungen der  letzten Schaltjahre aufzuholen, war  mein Scheitern schon deshalb vorprogrammiert, weil Christine unter der Hand zum Objekt wurde.  – Nur keine Bange Junge, so schnell läßt sich Christine nicht zu Opfer machen, Deine Gedanken sind verräterisch!  Deine hochwohllöbliche Absicht, die Frau neben dir nicht zum Opfer machen zu wollen, ist selbst schon versuchte Entmündigung.

Christine und Kubrik versinken im Nebel um den Glühfaden einer Leselampe. Zumindest wäre es in jedem handelsüblichen Jerry Cotton eine gewesen.

Karl  tastete mit dem, was von seinem klinisch-politischen Bewusstsein noch übrig war, jetzt weniger nach dem, was er für Christines G-Point hielt- tatsächlich aber nur der seiner maskulin-verqueren Fantasie entsprechend von ihm zum Frauenpenis geadelte und überstrapazierte, überreizte Kitzler war.  Wer hatte sich eigentlich diesen Namen ausgedacht?  Eine Frau bestimmt nicht. Sicherheitshalber wollte Karl dann aber doch erst bei nächster Gelegenheit Mal eine Frau dazu befragen.

Was ihn jetzt zum autistischen Wahnsinn kitzelte- zum vorschnell pubertären Orgasmus trieb, das juckte Christine nur wenig, war ihr auf die Dauer lästig und schmerzte letztendlich.

Aber so weit kam ich erst gar nicht. Hannes war mir in so Vielem voraus  und nicht nur im Tasten –„Ick bün schon da!“- nur war nicht klar, wer von uns beiden der schizoide Igel und wer der Hase  und wer denn nun tatsächlich als erster da war.

Wenn ich meinen Fingern traute und Christine nicht mir Unbeholfenem und sich auch selbst geholfen hat – was ich im Nachhinein stärkstens bezweifle – dann waren es Hannes feuchtwarme Finger, vor denen ich zurückschreckte. Obwohl ich für einen vorbewußten Moment durchaus auch Gefallen an Hannes feuchten Fingern fand. Doch das ist ein ganz anderes Kapitel.

Ach Christine. Ich taste nicht nach deiner Höhle, ich taste mich durch schallgedämmte Gummizellenwände, durch Nebel und Watte, geknebelt und ans Bett gefesselt ..Und erkenne neben mir in verdächtig ziviler Uniform den Herren über meine Alpträume: Hauptkommissar Klaus-Rainer Vogel.

Ich hätte liebend gerne noch viel weiter nach Deinen Höhen und Tiefen getastet und geträumt davon, als Du mich das erste Mal gefögelt und mich hast fliegen lassen.  Und dann den Hannes nahmst und dann er Dich und Du mich liegen ließest.

Es war schon so, dass nicht wir Dich und deinen Venushügel wie Neil Armstrong auf den NASA-gefälschten Landungs-Flimmer-Bildern die jungfräuliche Luna als Supermacht-Machos bestiegen.

Du hast uns tumbe Hummeldrohnen wie eine Orchidee gelockt ( – ja, ja ich weiß, das Bild stimmt nicht, und der Chor der Biologen verbeißt sich ein geringschätziges Grinsen, Drohnen sammeln keinen Nektar.). Du hast zwei vagabundierende, frierende, hungernd dürstende erfolglose Jäger und Sammler vor Deine Vagina , in Deine rettende Höhle gelockt und niemand weiß, wer das wärmende Feuer in Deiner Höhle entfacht hat. Du selbst? Wer sonst?

Wir haben vielleicht etwas Holz zum Nachlegen mitgebracht.  Aber Du warst die Hüterin des Feuers, Du hast es entzündet. Es heißt ja auch nicht umsonst: Come on baby, light my fire!  Du hast uns eingeheizt, uns angefeuert, uns gewärmt. Uns sogar vorausschauend zum Holzholen geschickt, wobei wir nicht mal ahnten, wozu das gut sein sollte.  Du hast geplant und gehandelt nicht als Caritas und sich aufopfernder Agape-Engel, diesem Neutrum. Du hast Deine Lust gesucht, geholt, gefunden, gefühlt, gemacht und Du hast uns mitfühlen lassen.  Mitgefühl kann auch SO sein.

Und ich ? Ich hab‘s einfach nicht kapiert. Ich muss nicht nur auf den Augen blind gewesen sein. Ein angeschlagener  Blinder im nebligen Sumpf – mit Angst vor der Hölle, vorm Feuer, vorm Hellen, vorm Hellsehen, vorm Klarsehen, vorm Durchblicken. Immer nur: Augen zu und rein und durch. Wie Richard Kimble auf der Flucht im Geburtskanal. Augen zu und durch!

Vogel hatte  anscheinend  das alptraumatische Zucken meiner Augendeckel  bemerkt.

PHK Vogel stand auf, beugte sich über Karl, der aus dem Spalt zwischen Unter- und Oberlid den Zweitagebart des Hauptkommissars wie durch ein Vergrößerungsglas vermaß und die Stoppeln einzeln zählen konnte. Es dauerte eine Ewigkeit. Vogel stank aus dem Mund nach Rindswurdst und Senf. Er musste kurz vorher in der Krankenhauskantine gewesen sein. Karl zählte 53 Bartstoppeln auf einem Vogel’schen Quadratzentimeter Kinn. Wieviele Quadratzentimetrer hatte Vogel heute morgen nicht rasiert? Wie viele Quadratzentimeter hat ein Kommissarskinn ?  Wieviele Stoppeln waren es insgesamt?  Was verbrauchte dieser Zivilbulle durchschnittlich pro Jahr an Rotbart-Rasierklingen oder Wilkinson ? Gab es die Rotbart eigentlich noch ? Die waren der ständige Begleiter  aller Landser beim Unternehmen Barbarossa.  Unrasiert und fern der Heimat. Ja , die Landser vielleicht, aber das Offizierscorps gab in der Regel glattrasiert Befehle. Mit deutscher Rasierklinge, Marke Rotbart.

Karl! Konzentrier Dich auf das wesentliche! Eigentlich sollte ihn die Fage mehr beschäftigen, ob und wann und zu welchem Lebensabschnitt das Vogel-Verhör weitergehen würde.

Karl versuchte, sich bei fast geschlossenen Augen von Vogels Bartstoppeln und seiner Rindswurstausdünstung zu lösen, nicht ohne bei diesem mentalen Abschied noch zu bemeken, dass es sich keinesfaslls um die Gräf-Völlsingschen Rindswürste von der Hanauer Landstraße sondern um hundsgewöhnliche Industrie-Wurst aus der Dose gehandelt haben muss.  Karls Kurzzeitgedächtnis war angeschlagen, er konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, was in der letzten Runde dran war, die Vogel mit einem psychischen KO beendet hatte. Karl sortierte Erinnerungsfetzen.  Er  war ins Koma gefallen und Vogel konnte ihm dorthin nicht nachfliegen.

  Aber jetzt.  Jetzt saß er wie ein Falke über ihm flatternd auf der Lauer. Saß ?Flatternd ? Falke? Weiß der Geier!

Vogel stand über ihn gebeugt und quälte sich ein väterliches Lächeln aus den Bullenaugen.

„Herr Wunder ? Können Sie mich hören?“

Leichte Schläge auf die Schläfen brauchte Karl nicht mehr zu befürchten. Bei einer der ersten Verhörrunden hatte er im Halbschlaf oder Halbcoma mitbekommen, wie ein Oberarzt den Vogel zur Schnecke machte, nachdem der ihn im Beisein des Arztes mit leichten Ohrfeigen hatte wecken wollen.

Vogel stierte und Karl spürte wie er sich die Hände hinter seinem Rücken zurückhielt.

„Kommen Sie Wunder – wir kennen uns doch schon seit 66 – oder war es 67 ? Helfen Sie mir auf die Sprünge! Da warn Sie doch mit dabei, Sie, die Dr. Schneider von der DFU, der Erich Carlsberg  von der VVN. Da haben Sie doch mitgesprengt und sich die ersten linken Orden und ein paar Nackenschläge eingefangen!

Schweigen – anhaltendes RestComa mit offenen Augen …

„Wenn Ihnen das zu anstrengend ist, — soll ich die Krankenschwester rufen ?“

Karl schüttelete den Kopf – nein, er deutete vorsichtig ein Schütteln an – eine Verneinung.

Vogel grinste.

Es sollte eigentlich wieder ein väterlich mildes Lächeln werden.

Vogel aber musste sich im Erfolg seiner Köderei sonnen und hakte nach mit dem gelungenen Bariton-Vibrato  eines verschmähten Operettenliebhabers.

„Wissen Sie, wer damals zuerst da war? Der Karl Gebhard von der Rundschau oder der VVN-Chef, der Erich Carlsberg ? Oder der Karl Schneider, nee, die Ellen Schneider, die Frau Doktor … die ist doch gar keine Ärztin oder ?

Karl war aufgesprungen, nicht im Bett in eine Sitzstellung, nein auf Vogels Leimrute.

Karl hatte die Szene klar vor Augen: als erster  war Erich Carlsberg da, der die Aktion gegen den NPD-Parteitag initiert hatte. Die Grünanlagen um das Haus Dornbusch, die NPD war schon drin, im Cantatesaal.  Ein paar Nachzügler marschierten unter Polizeischutz noch ein.  Carlsberg hielt Reden, dirigierte Sprechchöre: „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten!“, „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.!“

Was hatten due Nazs mit dem Schoß zu tun? Waren die Frauen, war die Frau Schickelgruber, war ihr Schoß schuld am Faschismus? Oder hat Brecht etwa für eine klare Ursache das falsche Wort benutzt? Der Schoß war nicht passender als ein Arsch. Und woher das kam, war nicht mit einem Schoß zu bezeichnen. Schöße gibt es immer wieder und ohne sie sind Menschen weder denk- noch gebärbar.

Gebhard kam später – wie immer, wenn alles nicht mehr so gefährlich war, wie seine Spätheimkehr aus dem Schweizer Exil, während Carlsberg in Buchenwald den Widerstand und schließlich sogar die Selbstbefreiung organisiert hatte . Gebhard kam später. Als die Polizei den Nazis den Weg schon freigeprügelt hatte.  Blut spritzte, Schädel brachen, fünf Festnahmen, Anklage wegen schwerem Land-  und Hausfriedensbruch. Widerstand gegen die Staatsgewalt …

„Gebhard kam später!“ krächzte Karl aus dem Restcoma, „als Ihre Leute schon zugeschlagen hatten!“

Was heißt hier zugeschlagen, Wunder ? Wir hatten unsere Aufgabe, es war unsere Pflicht, unsere verfassungsgemäße, die Versammlungsfreiheit zu schützen !…“

„Nazis schützen und Kommunisten krankenhausreif prügeln und festnehmen, anklagen, aburteilen und wegsperren ….“  Klar, Carlsberg sollte weg, die Schneider, der Trautwein … aber die kannten sie doch schon , die hatten sie schon 1949/50/51/52 wieder verhaftet, in die gleichen Zellen wie 1933 schon wieder eingekerkert – ja ja nur kurz und  1956 verurteilt, die standen unter andauernder Beobachtung.  Die waren kaltgestellt.  Was wollte Vogel jetzt noch.

Karl hatte  sich fast auf eine Diskussion mit Vogel eingelassen. Der wollte weitere Namen wissen.

Finkh, Vogel und Co. Die ganze Truppe „Frankfurt säubern!“  Vogel wollte alle. Aber welche ? die von 1964 ? von 1966, die von 68 ? die von 72, von 78, von 86 . Nebelschwaden zogen durch Karls Hirn immer dann, wenn  Entscheidungen anstanden zwischen mehr als 2 Möglichkeiten.  Karl wußte nicht mehr in welchem Abschnitt  in welchem der  6 oder 7 Filme er gerade spielte.  War Finkh der Vogel, war der Vogel der Finkh?  Hannes war 72 … ? Oder war er schon 66 dabei? Carlsberg war 67, …. Karl musste sich sortieren, Der Nebel  machte jede Orientierung unmöglich, schluckte seine Worte, Karl hörte sich nicht mehr.  Der Nebel drohte ihn lautlos in Stummheit zu ersticken.  Karl musste schreien, rufen,  fing an , die Namen und die Jahreszahlen zu rufen, hoffte auf Antwort. Dass er sein eigenes Schreien nicht hörte, machte ihn stutzig: dann habe ich vielleicht keine Stimme mehr. Ich habe also gar nicht geschrien. Ich habe mir das nur eingebildet. Finkh wollte, nein, Vogel wollte, dass ich schreie, aber ich kann nicht schreien, weil sie mir die stimme beschlagnahmt haben.  Das hatten sie jetzt davon.

Karl  wußte nicht,  ob er den Vogel geträumt hatte.  „ Wunder, ganz einfach gesagt: sie können ihre Haut retten, wenn Sie uns  Namen liefern. Sie kennen das Umfeld von Schwarzmüller.

Loslassen, einfach nur Loslassen! Die polizeipsychologische Fortbildung brachte sich in Stellung.  Wenn sie blos nicht noch den Loos auf mich loslassen.  Doch der kam nur selten dran. Der galt in diesem Triumvirat als Loser.  So wurde er auch im Dienst gemobbt.  Karl empfand schon beinahe etwas wie Mitleid für diese Knechtsnatur

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert