http//80 LitTel_2007-06_Barth-Engelbart_unter_schlag_zeilen_.mp3
6 Gedichte in 10 Minuten. Eines davon habe ich auf den Römer-Treppen öffentlich in einer Traube von Mitlesenden und Kommentierenden geschrieben, weil parallel zu den Aufnahmen der Börne-Preis an Henrik M. Broder verliehen wurde.
Leider ist dieser Literatur-Telefon-Beitrag aus dem Jahr 2006 hier noch nicht wieder aufrufbar. Ich muss noch etwas daran basteln -nehme auch gerne Beihilfe dafür an. Bis das klappt, kann man sich einige unten angehängte Kostproben aus anderen Aufnahmen anhören und -sehen. In der Hoffnung, dass niemandem das selbige dabei vergeht. Zum Nachlesen hänge ich die 6 Gedichte der Telefon-Lesung hinter den Audios und Videos noch an.
Mir ist die Literatur-Telefon- Aufnahme auch deshalb so wichtig, weil Jochen Schäfer, mein Freund, der viel zu früh verstorbene Tonmeister des Frankfurter Literatur-Telefons sie gemacht hat. Ihm unterstand die gesamte Tontechnik im Römer. Die technische Betreuung des Literatur-Telefons des VS, des Verbandes deutscher Schriftsteller war sein Hobby. Nebenberuflich arbeitete er auch gelegentlich als Tontechniker beim Hessischen Rundfunk, wenn der HR wegen Krankheits-Engpässen ihn um Aushilfe bat. Ihm erschien das Literatur-Telefon zunehmend als Kafkaeske: “ Das hat manchmal was von esoterischem Onanieren: mer hört sisch gern“ oder er nannte es auch „Telefonsex für Bildungsbürger“. Angesichts der sich rasend entwickelnden Technik in seinem Berufsfeld sprach er vom „Tontafelversand mit Keilschrift“ oder vom „Kerbholzweitwerfen“. „Mer sollt’s in ner Kuriositäten-Ecke installiern im Museum für Kommunikation“. Ich hatte mich mit Jochen bereits darauf geeinigt, diese analoge Form der Flugschriftverteilung prophylaktisch als Weltkulturerbe vorzuschlagen, als Keimform des Hörbuches.
Jochen Schäfer ist tot. HaBE versucht, ihn wieder unter das Römerdach ins Leben der Stimmen der Literaten zu holen. Ein erster leider vergeblicher Wiederbelebungsversuch. Ein Weckruf für den Tonmeister des Frankfurter Literatur-Telefons.
mich trifft Jochens Tod wie ein Luftschlag. so muss das Gefühl sein, wenn eine Transall einen überfliegt und ein Tornado im Zielanflug auf einen zukommt. Jochen ist tot und ich will es nicht wahr haben, es ist wie der Tod Wolfgang Stryis, obwohl, obwohl, obwohl, wir kannten uns nur ein paar Tage und Wolfgang hat 14 Jahre die Töne meiner Texte gemacht, meinen Texten Töne, meine Worte zu Musik gemacht. Jochen hat sie “nur” aufgenommen.. sofort verstanden und wir uns auch. (((Die Trauerfeier findet am Mittwoch, den 10. November um 9.45 Uhr auf dem Frankfurter Hauptfriedhof statt.)))
Wir haben uns bei den Aufnahmen erst kennen gelernt. Ich habe ihm meinen Roman “Putztruppen” als erstem fast ganz erzählt, nachdem der bei einem Festplattencrash über die Wupper gegangen war. Jochen hat bei der Erzählung viele Details mit eingeflochten, denn er kannte, nein, hatte “ein duzend Oberbürgermeister aufm Buckel”… Jochen hat mir auch gesagt, dass er die Hauptfigur des Romans persönlich kennt: “Jochen, ich hab den erfunden!” “Nein, isch kenn denn!! Ich weiß wo der wohnt. Dem hawwe die Amis nachem Kriesch, e Kneipe hinner die Katharinekersch gestellt, Geschenkt, mit em Bergepanzer hawwe die e Wellblesch-Halle vom Rebstock gebracht un hiegestellt. Da hat der die ganze Unnerwelt unner kontrolle, de Schwarzmarkt, die ganze Jazzer, de Emil un de Albert warn dort noch vor de kleine Bockenheimer. Die war doch noch verschütt…” Wenn Jochen in Fahrt kam, hat er geslangt, wie’n eschde Friedrisch Schdolze. Er hat mir den ersten Literaturpreis verliehn : mit meiner Geschichte war ich in seine Realität eingedrungen und wir haben gemeinsam das Lied vom KWFF gesungen und auch von seiner polnischen Frau, der Displaced Person, der ex-Zwangsarbeiterin, die jetzt für ihn putzte.. “Isch kenn die genau, na, isch habb se gekannt. Bevor se aus em Fenster gefalle is. Die hat im Riederwald in de Schul geputzt ” So hört sich das an, wenn Frankfurter Hochdeutsch reden, es versuchen, Jochen konnte das wunderbar…… Jochen wollte mir die Karriere dieses PolizeiHauptkommissars noch genau aufzeichnen…. Im Runterfahrn im Aufzug haben wir festgestellt, dass wir am gleichen Tag Geburtstag haben, er nur 10 Jahre früher oder warens 5 ? Ich bin in den 5 oder 6 !!! Jahren nach der Aufnahme und nach unseren langen Gesprächen danach nicht mehr zu ihm nach Frankfurt gekommen, habe es immer wieder aufgeschoben, weil immer wieder irgendwelche Kriege dazwischen kamen, gegen die ich unbedingt anschreiben musste, da mussten die “Putztruppen” und auch Jochen erst Mal warten . Und jetzt hat er unsere gemeinsame Geschichte einfach unerzählt, erzählt ja schon aber noch lange nicht aufgeschrieben mit ins Grab genommen. Ich werde den Roman für ihn fertig schreiben. Ich werde einen ersten kurzen Nachruf und dann unsere Geschichte als sehr sehr sehr langen ihm nachschreiben. Jochen , ich mach sie mindesten 300 Seiten, nein 400 Seiten lang und sie wird so kompliziert wie die Katakomben unter der Altstadt, dem Ghetto und was davon die Bomben und später die Bagger noch übrig gelassen haben… Ich schwörs Dir… Ehrlich….Jochen, jetzt bist Du mit dem Aufzug nicht nur ins Tonstudio nach oben unters Römerdach gefahren. Du hast den allerobersten Knopf gedrückt und mich nicht mitgenommen. Du wolltest mir doch KWFFs Wohnung zeigen! Das hättest Du auch noch machen können, bevor Dein letzter Aufzug kam. Aber, wie so oft bin ich zu spät gekommen. Lach net, Achmet! Halt mir oben einen guten Platz frei, ich will mit Dir die Paulskirche sehn und nicht den bescheuerten Gerippten am Westhafen.. Dann werden wir den BankenHerrn und Damen dieser Stadt von oben die Leviten lesen…Das wird schön.
Und grüß mir STALIN, na Du weißt schon, seinen Doppelgänger ! Oder ist der in den Tiefkeller gefahren ? Aber man sieht sich ja trotzdem, da ist so ein Paternoster wie früher im Rundschauhaus .. Und vergiss nicht dem Hannes Schwarzmüller die Grüße auszurichten. Ich werde die Kerle noch finden, die seine Familie nach Auschwitz durch den Schornstein gefeuert und gleichzeitig für ihre Rettung Geld kassiert haben. Die schweizer Konten sind noch voll. Der KWFF hatte die Nummern in seinem eingeschlagenen Schädel. Aber da ist nix mehr zu finden… Wie nach meinem Festplattencrash.
Zusammen hätten wir jetzt sogar doch noch die Nummern gefunden…Überleg schon Mal, wie wir das von oben aus packen. Und wie die uns hören. Naja, Du bist der Tonmeister. Du schaffst das. Du hast eigentlich immer alles gepackt.. Sechs meiner Gedichte in 10 Minuten und lupenrein und brilliant im Ton. Wer kann das schon, wer macht das jetzt ? Gibt es jemanden, der Dich ersetzt ? Ich kanns nicht glauben. Aber wie ich Dich kenne, hast Du schon einen angebaggert und angelernt , einen Jüngeren vom hr, vom hessischen Schwarzfunk mit den vielen Tier- und Koch-Sendungen, einen der Lust hat, auch Mal was Anderes zu machen, außer dolles Dorf, und Pinguin und Co uund hessen schwitz und Kochduelle..Wir werden ihn kennen lernen..
Schaumerma. Lebbe gehd weider!
Pass gut auf uns auf.
Dein HaBE
Und ehrlich gesagt, die Scheibenwischer schaffen das mit dem Starkregen vor meinen Augen auch nicht mehr so richtig. Naja, mer soll die Scheibenwischer eben doch net beim ALDI kaufen. Du glaubst mir widder net. Doch, ich hab nah ans Nizza gebaut. Nee, des war mir zu teuer. Dribbdebach am Deutschherrnufer. Üwwerm “Underground”, da wars billischer. Richtung Schlachthof.. Ich bin traurig. Machs gut. Bis später. Irgendwie freu ich mich auf dich.
Für die Wartezeit
Kleine Kostproben aus Frankfurt und Wien (und anderen Programmen) gibts hier, drei youtube-videos von Lesungen bei der Buchmesse des ÖGB, den Wiener KriLit-Tagen 2011 u.a.das KinderBilderBuch für 6 bis 96jährige “ZORA”
http://www.youtube.com/watch?v=_ZQhzY-Cj0w – 86k
GeBlödelDichte http://www.youtube.com/watch?v=OsyB8rVKF1k&feature=related
Auflösungsvertrag:
http://www.youtube.com/watch?v=3_rUDIPFgHA&feature=plcp&context=C3c4401dUDOEgsToPDskLaEUYTVp1GwX9eL6LoETua
10 Gedichte in 6 Minuten . HaBE am Frankfurter Literatur-Telefon
http://www.kunstraum-liebusch.de/data/media/LitTel_2007-06_Barth-Engelbart_unter_schlag_zeilen_.mp3
SEHEN und HÖREN geht auch hier: http://vimeo.com/43965928
Lamboy-Kids in Concert beim Kongress “schule kreativ 2000?
der Frankfurter Ernst-Reuter-Gesamtschule // Von den Kids und HaBE dem langjährigen response-Teamer, dem Komponisten, Saxophonisten & Klarinettisten des “ensemble modern”, Wolfgang Stryi gewidmet, der 2004 viel zu früh seine letzte große Welt-All-Konzert-Tournee angetreten hat. Wolfgang, wir hoffen wir sind laut genug, dass Du uns trotz FRAPORT und alledem da oben gut hören kannst.
Hier folgen einige Hör- und Seh-Kostproben aus anderen Aufnahmen, die den Unterschied zu Jochens Arbeit sehr deutlich machen. (mit Ausnahme der Aufnahme beim Kongress „Schule Kreativ“ vom Stadt-Fernsehn Dreieich , einem Schüler-Projekt der dortigen Gesamtschule)
Ach großer Baal (ÜBERFLIEGEN-ÜBERLEBEN-ÜBERLINGEN)
Ach großer Baal
so gib uns deinen Segen
schick Donner uns
Blitz, Hagel, Schnee und Regen
Tornados, Meteore und Orkane
Vulkanausbrüche, bring die See zum Beben
die Erde auch, lass Berge bersten
schick von den sieben Plagen
uns die längsten und die schwersten
fahr auf uns nieder
mit dem kleinen und dem Großen Wagen
Schick alles Baal
was du uns schickst
wir werden es als Schicksal nehmen
das trifft und eintrifft
nicht nach unsrem falschen,
Nein! Nach Deinem,
nach dem Baalschen Plane
und alles werden wir
wie seit Urzeiten
geduldig hadernd überdauern
und klagen
und trauern
vielleicht
für einen Augenblick
um Tote und um Götzenbilder
um unsrer grauen Städte Mauern
und noch in Trümmern werden wir
geschlagen zwar
jedoch mit deinem Segen
Geschäfte machen
und zumindest
Baal sei Dank
als Gattung
nicht überlegen
aber all das
überleben.
Nur eines, Baal,
schick uns um deinet-
und um unsretwillen
nicht entgegen:
UNS SELBST
im Himmel und auf Erden
das könnte für die Gattung
tödlich werden
Gesicherter Lebensabend
Er hatte sich
um sicher zu gehen
vor seinem Absturz
den Gurt angelegt
das bewahrte ihn
vor dem Aufprall
Er hing
an seinem Arbeitsplatz
Auflösungsvertrag
Hiermit
kündige ich
den Arbeitsverhältnissen
Sie haben sich
in ihrer Probezeit
nicht bewährt
Daß sie sich bessern werden
ist nicht zu erwarten
Da diese Kündigung
voraussichtlich
nicht wirksam wird
versichere ich
schon auf dem Sprung
durch das Fenster
der Personalabteilung
mich selbst aufzulösen
um unnötige Härten
beim Aufprall
zu vermeiden
Aus aktuellem Anlass:
Lev Baruchs Klagelied
oder
Warum Ludwig Börne im Grab rotiert
Broder kriegt
den Börne-Preis
die Jury hats entschieden
weil er so toll für Kriege schreibt
kann er ihn auch nicht frieden
Der Ludwig ruft
“Oh welch ein Scheiß!”
aus seiner Gruft
“Was ? Dieser Schuft
kriegt meinen Preis !?”
Er findet sich damit nicht ab
und dreht sich,
säufzt in seinem Grab
und wendet sich an Heine,
der ganz besorgt den Börne fragt:
“Was ist es , Ludwig,
was dich plagt ?”
“Ach Heinrich,
dass ich weine,
liegt nur daran:
dem Handke wurd
dein Preis verwehrt –
der wollte einen Krieg beenden
War das verkehrt? -”
– jetzt muss Lev Baruch
sich vor Graus
nochmals im Grabe wenden –
” -Dass man in meinem
guten zweiten Namen
jetzt diesen alten
heiß- und kalten
Schreibtisch-Krieger-Täter ehrt !!
(so weit habe ich den Text im LiteraturTelefon bereits gelesen — hier geht er weiter!)
Der morgens schon
vorm Spiegel steht
und dann von dort
dem nächsten Volk
den Krieg erklärt !!
Ach, lebt ich noch
was hätt ich mich gewehrt
mit Kopf und Herz
mit Zähnen, Maul und Klauen,
mit Hand und Fuß
mit der Feder
nicht nur mit Worten
gegen ihre Kriege
und ihr Völkermorden
um keinen Preis
ging dieser Preis
mit meinem Namen
an Broder und Consorten
Amen!”
Als nun der Broder dies
gehört
hat sich der Pauls-Platz-Hirsch empört
bei Gott und aller Welt beschwert
dass Börne seinen Frieden stört:
“Der Alte lässt mich nicht
in Frieden kriegen
Schreiber-Sold
und Treiber-Preise!”
und hat ihn vor Gericht gezerrt
wo der Lev Baruch
wegen schwerem
Friedensbruch
verurteilt wird
nicht füsi-
aber wieder exiliert
Man führt ihn ab
Die Broders siegen –
Börne scheint zu unterliegen
Und Broder tanzt auf Börnes Grab
und schwenkt den 32/48ern
zum Hohn
das Deutschlandlied mit allen Strophen grölend
die schwarzrotgoldne Fahne in der Hand
und Uhland selbstbesoffen rezitierend:
Als Kaiser Rotbart lobesam
ins heilge Land gezogen kam …
Ein Prost
auf Barbarossas Wiederkehr
wie nannt sich noch
sein jüngstes Unternehmen?
Nach Dessert Storm Enduring Freedom
darf SiemensHochTief jetzt
am Wiederaufbau profitieren
Kanonenfutter muss es kreditieren
und dann entlang der BagdadBahn
rollt der nächste Kreuzzug an
im Namen Barbarossas
Ach ja, wir dürfen nicht
den Faden dieses Klagelieds verlieren ..
Der Broder schleppt den Börne vor Gericht
Es war nicht grad das Jüngste
Die Richter warn – so viel man weiß
Juroren schon beim Börne-Preis
Jetzt wird der Börne eingesperrt
Und auf dem Weg zum
Himmelsknast
Hat Börne nochmal Mut gefasst
und schrie ganz laut:
“Die Predigt wider eure Mauth …”
und das Traktat war wieder
wie schon vor 180 Jahren
als gottesfürchtge Schrift getarnt
(der Heinrich hatte ihn gottlob
vor Schäubeles Zensur gewarnt)
” … muss ich heut mit dem Satz beginnen:
Ihr alle meine Schafe,
meine Frommen,
die ihr zum Gottesdienst gekommen,
kehrt um
ihr müsst als brave Christen
euch eines Besseren besinnen
Ihr sollt nicht länger euren Hungerlohn
für ihre Kriege blechen
und lasst euch nicht für ihre Beutezüge
eure Knochen brechen
die Soldbücher sind Abschusslisten
und alle die euch in die Kriege hetzen
was gelten denen eure toten Leiber
stürzt sie bevor sie eure Söhne noch zerfetzen !
Kanonen futtern auch die Kinder und die Weiber !
– wenn sie sonst nichts zu beißen haben –
Hört hin wenn sie die Säbel und die Messer wetzen
und wisst, sie werden sie an eure Hälse setzen.
Und nun zum Schluss
bevor ich jetzt von hinnen gehe
ich gestehe
zum wiederholten Mal
ich säh es wirklich gerne
haut ihr dem BlitzkriegSchreiber
auf seine Griffel und Gehörne
– fragt Heinrich, der weiß wen ich meine –
Ihr tuts für euch
und nicht für mich alleine
Lev Baruch dankt
-(mein alter Name) –
herzlichst
Euer
Ludwig Börne
-(das ist mein Neuer)-
und er verschwindet in der Ferne
(Bei der Literatur-Telefon-Aufnahme ist die Kurzversion von 2006 zu hören. Die obige längere habe ich erst 2007 geschrieben.)