Waldbrand in Mittel-Gründau ?
Sekunden bevor ich hier reinschreiben wollte, dass man doch sehr gut merkt, dass ich den Meddel-Grenner Dialekt sehr stark mit meinem Ourewäller und dem sogenannten FVV-Dialekt (Großraum Frankfurter Mischung entlang der FVV-jetzt RMV-Linien) vermische und ich deswegen Sigrid Göckel um eine korrekte Übersetzung bitten wollte, kam folgendes Hilfe-Angebot:
Hallo Hartmut, Deine Versuche im Medelgrenner Dialekt amüsieren mich köstlich. Es ist sicherlich für Dich nicht einfach, den ourewäller Sprachgebrauch in Mittel-Gründau implementieren zu wollen.
Der Meddelgrenner Dialekt , den Du publizierst, ist keineswegs richtig. Hier sehe ich für Dich noch enorme Verbesserungsmöglichkeiten. Solltest Du meine Hilfe und Unterstützung benötigen, so stehe ich Dir gerne uur Verfügung.
Beste Grüße Rainer Betz
Was Rainer Betz nicht weiß: mir wurde als Kind bei Strafe verboten, so zu sprechen wie die „Gassenjungen“. Mein Vater war im Kirchenvorstand und hatte überall seine Zuträger. Ourewäller Dialekt habe ich heimlich gesprochen, also eigentlich unheimlich heimlich, wenn gerade keine evangelischen Blockwarte da waren. Auf dem Gumminasium war das Dialektsprechen auch so gut wie verboten. Und die wenigen „Dialektiker“ wurden dann meist bis zur 8. Klasse schnell ausgesiebt. Des halb hielten auch die Volksschulfreundschaften länger als die gymnasialen.
Da ich 1961 aus dem Michelstädter Gymnasium geflogen bin und ab 1962 in Monnem als Chorknabe, Stipendiat und Internatsschüler beschult wurde, habe ich dann sehr schnell auch den Monnemer Dialekt gesprochen, aber auch da nur, wenn keine evangelischen Blockwarte und Kanzelschwalben herumschwirrten. Es war ein evangelisches Gymnasium in Mannheim-Neckarau.
Auch dort bin ich 1964 rausgeflogen, weil ich den Streik der IG-Metaller für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall unterstützt habe. Aber weil die Metaller Druck gemacht haben, musste mich die Kirche nach 2 Wochen wieder in die Schule aufnehmen.
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Zum Backhausfest am 25. August für alle Bäcker, die unter der Oberaufsicht von Heinrich Merz wieder alles so gut machen, dass er strahlt wie die Sonne in den letzten Tagen (mein Nachruf für ihn steht noch mal ganz am Schluss)
“Ei, moin Bou !
Ei-isch hu der zwa zurigg geleeschd.”,
ruft mir der Heinrich Merz breit grinsend entgegen.
Heinrich hat mich grad geweckt. Er stand -das Handtuch wie immer um den Stiernacken, schweißnass in der bibbernden Backhaustür. Können Backhaustüren bibbern? Früher, wenn die Ami-Panzer durchs Dorf donnerten, ja dann, aber sonst doch net! Die vom Meddel-Grinner Backhaus schon, weil die nämlich weiß, dass de Hoinrisch, woann’s eng werd, schunn eMoal de Roahme schprengt ….
Natürlich hat nicht der Heinrich mich geweckt sondern der dicke Buchenrauch, der frühmorgens durch’s Schlafzimmerfenster zog. Das ganze Haus roch schon wie eine Räucherkammer. Alle Löcher sperrangelweit auf: 23 Grad waren’s heut nacht. Gestern tagsüber 37 bis 39 Grad. Wozu dann noch ein Backhaus ?
Die haben früher schon genau gewusst, warum sie das Backhaus an den Mühlbach gestellt und den Löschsand über den Backöfen gelagert haben.
Ach was erzähl ich denn: geweckt hat mich unser Australier, der stand um 4 Uhr nachts wie ne eins im Bett, war durch den Waldbrandgeruch aufgewacht: DAS OUTBACK BRENNT! Notfallkoffer, ab ins Auto! Nein zuerst die Nachbarn alarmieren! Stolpert im Dunkeln über die Telefonschnur, das Ding kracht zu Boden. Das wars, nicht der Türrahmen vom Backhaus ist geplatzt und hat mich so aus meinem Merzenstraum geweckt. Es war auch nicht der dicke Buchenrauch. Es war das Telefon!
Was soll denn das mit dem Löschsand ? Die backen doch keinen Sandkuchen. Und über den Backöfen liegt nix. “Heißer Sand und die Erinnrung daran, dass es einmal schöner war” ? Was hat der Hoinrisch erzählt, wer da im woarme Sand wen gepimpert hott ? Kein Sand in Sicht.
Ei, den hat der Bauhof doch erst vor 5 Jahren vom Dachboden in den Container geschippt und die Löscheimer gleich mit dazu! Oder schunn vor 10 ?
Beinah wären die auch auf der Bauschutt-Deponie gelandet, wenn sie nicht ein Meddel-Grinner “Neubürger” gerettet hätte. Einer der Geretteten von 1831 steht in einer Glasvitrine im “neuen” Feuerwehrhaus, ein Anderer von 1827 steht im Feuerwehrhaus der Rothenberger Feuerwehr … Es gibt noch mehr davon … und das sind die Zeugen dafür, dass die Freiwilligen Feuerwehren allesamt weit älter als nur 100 Jahr alt sind.
Aber jetzt Mal langsam! Wo gibt’s denn am Backhaus einen Mühlbach ?
Na klar, da ist keiner zu sehen. Alles Asphalt und Kopfsteinplaster.
Doch hinter der Backstube stand auf der alten Viehwaage hinterm großen Tor an der Haingründauer Straße im Backhaus die Handpumpe der Freiwilligen Feuerwehr und an der Seite, wo Reißigbündel und Feuerholz in offenen Gefächern trocken unterm Dach lagern, lagen früher längs obendrüber die Feuerwehrleitern Und im Dachboden hingen und lagen die Feuerlöscheimer.Waren die Meddel-Grinner Feuerwehrleute blöd ?
Stellten sie die Wasserpumpe, die Löscheimer an eine Stelle, wo es kein Wasser gab ?
Wenn man vom Ortsausgang Richtung Reitzeberg hinter dem letzten Haus (beim Emil) zurück ins Dorf schaut, führt links am Abhang entlang ein Fußweg: das “Mühlstück”. Dieser Weg mündet an der “Wagnershohle” in die “Alte Schulstraße“, bleibt bis auf einige Aufschüttungen auch nach der “Wagnershohle” als “Alte Schulstraße” auf fast gleicher leicht abfallender Höhe bis zu den beiden Otto’schen Hofreiten. Hier verlief der alte Allmenden-Mühlbach. Danach macht die “Alte Schulstraße“ einen leichten Schwenk nach Links und steigt an bis kurz vor das alte Gasthaus “Zum Löwen” dem späteren “Nahkauf”. (Heute steht es zum „Verkauf“). Ist der Mühlbach dann zwischen den beiden Höfen der Brüder Karl und Heinrich Otto zurück in den Hasselbach geflossen ? Denn bergauf fließt kein Mühlbach.
Wer vom Abzweig der Alten Schulstraße zwischen den Ottos (der eine, der schönste Hof steht nicht mehr, die Scheune und der Stall sind abgebrannt, das Bauernhaus mit Stuckdecken von 1782 hat die Volksbank abreißen lassen) runter zum FÜLLER eine Luftlinie zieht bis zur Viehwaage im Backhaus, zur Scheune der ehemaligen Gaststätte „Zur Post“, die jetzt Mike Lorenz gehört, der wird auf dieser Linie zunächst bemerken, wie das obere Otto’sche Bauernhaus mit seiner Grundmauer und dem ersten Bodenbalken im Erdreich verschwindet. Warum ? War der Bauherr, der Bauer Otto oder war einer seiner Meininger’schen Vorbesitzer blöd ? Das Fachwerk im Boden ? Das fault doch!
Der Boden ist später angeschüttet! Im nächsten Grundstück, im Geiß’schen Garten liegen auf der Luftlinie zwei Brunnen und man bemerkt eine längs verlaufende Welle im Boden. Von dort landet man auf der Grenze zwischen dem Schmidt’schen Grundstück und dem ehemaligen Meininger-Hof “Bei’s Tobiase”… weiter in Luftlinie verläuft die Trennung zwischen Kopfsteinpflaster und Asphalt auf dem Schulhof der Alten Schule. Das war früher die Grenze zwischen Schulhof und Schulgarten. Genau auf dieser Grenze verläuft der Entwässerungskanal für eine Reihe von Häusern unterhalb der Alten Schulstraße. Hier lief früher der offene alte Mühlbach, unterquerte die Haingründauerstraße, die früher “Kirchgasse” hieß und lief dann auf der anderen Seite Richtung Hasselbach. Hier konnte die Feuerwehr ihren Handpumpenwagen füllen, von hier aus wurden die Löscheimer gefüllt und in Reihen oder Staffeln zu den Brandherden getragen. Hier holten sich auch noch um die Jahrhundertwende 1899/1900 bis zum Bau des Feuerwehrturmes an der Alten Schule 1904 die Feuerwehrleute das Löschwasser in ihre Schläuche, wenn es im höhergelegenen Unterdorf brannte. Für Brände im Oberdorf wurde der Mühlbach oder der Hasselbach oberhalb des “Klösners” angezapft. Wenn es ein trockener Sommer war, dann hatte der Fürst dem Hasselbach das Wasser bereits oberhalb des “Orles-Siemen” abgezweigt oder schon im Wald oberhalb der Erich Hahn-Fisch-Weiher aus den fürstlichen Stau- und Fischweihern und es in seinem Holzröhrensystem direkt in das Hofgut geleitet, um sein Vieh gut durch die Dürre zu bringen. Die Meddel-Grinner Feuerwehr musste dann beim Fürsten bzw. seinen Gutsverwaltern und Pächtern um Löschwasser aus dem Teich im Hofgut betteln ….Wie viele Äcker hat er sich als Gegenleistung dafür erpressen können? Wie viele Meddel-Grinner hat er als Wasserträger auf seine Seite ziehen können ? Wasser, Arbeit, täglich Brot … in der aller größten Not geh ich zum Ferscht und glaub an Gott.
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Dem Heinrich Merz ins Meddel-Grinner, ins Unterdörfer Backhaus nachgerufen
Veröffentlicht am von Hartmut Barth-Engelbart
Meddel-Grinn,
des hodd soi Herz
des leit koan Schdoaworf weit vumm Backhaus
iwwerm Mihlbach oan de Kerschgass
wo des Backfescht jedes Joahr
wie die Schul noch unser woar
Hoinrisch, saach mer doch wie werds
negscht Joahr ohne Dich,
de Merz
en Bäcker wie mern hald sou hodd
Ach, verzähl mer bloß koa Ferz
Un beiß isch noi ins frische Brot
schmeck isch, riesch isch:
Was, de Heinrisch?
Noa, der is ned dod!
Wenn morgens früh
dicke graue Bauch
Rauchschwaden
mit dem Backhaus Dampflock fahrn
aus knackendem Reißig und dürren Sträuchern
die Flammen die Buchenbrocken anfeuern
und mich durch mein Schlafzimmerfenster einräuchern,
vertraute
Laute
von Heizern und Bäckern
den Brotschieber scheuern
und mich ganz umsonst zur Frühschicht weckern
hör ich mich nicht fluchen,
hör ich mich nicht meckern
obwohl ich kein Frühaufsteher bin
ziehts mich sofortdort hin
zum Backhaus
dann denk ich an Dich
Ach Heinrich,
Du hast mir das Grinner Platt
wie mers in Meddel-Grinn sou hat
noch lang nicht richtig beigebracht,
ich hab bei Dir noch rund
so um die 300 Stund
Nachhilfe gut
und ich hab vergessen Dich zu fragen
und jetzt kannst Du mir es nicht mehr sagen
wer da für Dich die Vertretung macht
Du hast mir auch noch lange nicht
alle Geschichten vom Dorf erzählt
die Du mir Jahr für Jahr
und Fest für Fest
so fest versprochen hast
vom Polenhaus, vom Torbogen-Katarrh
und wie die Nacht bei den Schafböcken war
vom sandig warmen Liebesnest
unterm Dach überm Ofen –beim Backhausfest..
Und wer dort so alles gebacken wurd
die Giesel, de Walter, die Lisbet, de Kurt ..
Ich hab nicht Mal ein halbes Duzend
von Deinen Geschichten aufgeschrieben
Ach Heinrich, wärst Du noch etwas geblieben
und hättst für unser Dorf-Geschichten-Buch
die schönsten ausgewählt,
und sie beim Stenger noch einmal erzählt
Ja, ja, ich weiß –
die Erzählabende waren nicht Dein Ding.
Beim Backen nach dem dritten Bier,
mit Worschdbrod zwischen den Rippen
geschwitzt Geschwätz, Gebabbel, das ging
Dir besser von den Lippen
Ach Heinrich,
Hoinrisch
Meddel-Grinn,
des hodd soi Herz
goanz midde drinn…
Du bist und warst
und bleibst ein Teil davon
und deshalb auch in meinem
Ich werde nie vergessen,
wer mich, wer uns so aufgenommen hat
im herzlich rauhen Grinner Ton
in Grenner Platt
in Meddel-Grinn
de Merze Hoinrisch,
de Meruze Heiner
war einer
davon
Du bleibst
in Deinen Geschichten
in meinen Träumen
seh ich Dich immer wieder
in der Backhaustüre stehn:
Du hast mir zwei Brote
zurückgelegt
und da war
Meddel-Grinn
für mich daheim
und das war schön
Dein
Hartmut Barth-Engelbart