Aufstand der Dörfer? Das Folgende steht beispielhaft nicht nur für alle hessischen Landkreise. Es steht beispielhaft für ganz Deutschland inklusive der neuen Bundesländer. Dort verlief es vielleicht noch drastischer als man es vom „demokratischen Zentralismus“ der DDR hie und da eh schon gewöhnt war..
Ja, es waren allein 21 Dörfer und Städte aus dem Kreis Büdingen, dem Vogelsberg, der Wetterau und noch Mal so viele aus den Altkreisen Hanau, Gelnhausen und Schlüchtern. Und über 20 SPD-Ortsvereine, -Kreisverbände, -Kreistagsfraktionen. Wogegen sich der Aufstand richtete, scheint klar: gegen die Regierung und deren Pläne zur Gebiets- und Gemeinde-„Reform“, die die Entscheidungsebenen aus den Dörfern entfernten, die Gemeindevertretungen durch diese Zentralisierung der öffentlichen Kontrolle und Kritik weitgehend entzogen und damit Lobby-anfälliger machten. Aktuell coronal verstärkt wird diese Verhinderung von Kontrolle und Kritik durch die Digitalisierung und das Abstellen auf telefonische Endlosschleifen und Abstellgleise: das kennen wir alle bis zum Besetztzeichen: “ … haben Sie Fragen an das Bürgerbüro? Dann drücken Sie die 2! … Wegen der gestiegenen Service-Nachfrage kommt es zu längeren Wartezeiten … alle unsere Mitarbeiter sind im Gespräch, sie werden nach einigen Augenblicken sofort mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden.“ Eigenartig, alle Mitarbeiter, selbst die digitalisierten haben Frauenstimmen. Da muss es auch Mitarbeiterinnen geben! Endlich, keine Tonbandstimme, der Mitarbeiter hat eine echte weibliche: „Guten Tag, mein Namen ist XYZ, was darf ich für Sie tun?… Nein, der ist leider nicht an seinem Platz … ich versuche ihn im Home-Office zu erreichen …. Ich stelle Sie durch … “ Zwischendurch bricht das Telefonat ab .. Das Ganze nochmal von vorne, Jetzt verlange ich den Bürgermeister … der ist außer Haus. Seine Sekretärin bietet einen Termin an „nächste Woche vielleicht“, fragt nach dem Grund des Anrufs ..“Da sind wir als Gemeinde üüberhaupt nicht zuständig. Rufen Sie besser beim Kreis an!“. Sie gibt mir sogar eine Durchwahl. Es meldet sich wieder eine digitale wei8bliche Zentrale. „Wählen sie die 3“. Aber die 3 antwortet nur „Der Mitarbeiter ist bei einem Außentermin, rufen sie später noch einmal an!“. Es ist aber schon kurz vor 17 Uhr, Feierabend. Am nächsten Morgen: The Same Procedure as Yesterday. Much ado for Nothing! Immer wieder die gleiche Sch… Früher sind wir nach Gesprächen mit den Nachbarn, im Verein, beim Training schnell zur Gemeinde, zum Bürgermeister oder wir haben ihn in der Kneipe getroffen …
Ich bin zwar glücklicher Weise nicht arbeitslos, habe aber trotz Kurzarbeit nicht sooo viel Zeit übrig. Alle Macht geht vom Volke aus? Mir geht die Zeit und die Geduld aus! Vereine am Eingehen, weil ihnen die zahlenden Mitglieder ausgehen, Kneipen zu, größere Feste verboten, Geisterspiele und gespenstige Monitor-Chorproben und -Konzerte, für alle , die IT-erfahren sind. Ohne App bist Du der Depp. Und an jeder Ecke lauert eine PIN-PIN-PIN-Situation. Vielleicht kriegen wir demnächst schon bei der Geburt einen entsprechenden Chip implantiert oder wir lassen uns die PINs auf den Unterarm tätowieren.
Gates sei Dank sind die Störche im Gründautal zurück, sonst könnten wir mit Social-Distancing (wegen der drohenden Infektionen bei Flüssigkeitsaustausch) die Impftoten nicht mehr ausgleichen.
Jetzt wird mir klarer, warum und wofür die 21 Dörfer mit ihren Gemeindevertretungen und Bürgermeistern in den 1970ern diesen Aufstand machten.
Wofür die Mittel-Gründauer mit über 70% , ihre Gemeindevertretung und ihr Gemeindevorstand mit 8 : 1 stimmten, galt ähnlich bei allen anderen widerständigen Dörfern:
Für Selbständigkeit, Selbstbestimmung und Demokratie im Dorf, gute Lebensbedingungen, das heißt: gute Arbeitsplätze mit Tariflöhnen, Brechen der adeligen Arbeitsplatz-Monopole, Wohnungen, gut ausgestattete Schule, Kindergarten, Schwimmbad, Volkshaus für Sport und Kultur, Sportplatz und Sportlerheim, Feuerwehrhaus, Gemeinschafts-Kühlanlagen, Verkehrsanbindung, Bahnanschluss, Feld- und Radwegenetz, Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, Hochwasserschutz, Bodenreform und Flurbereinigung im Interesse der bäuerlichen Betriebe, Bauplätze, Schuldenfreiheit, Dorfvollversammlungen in der Volkshalle zur Diskussion über öffentliche Angelegenheiten und das immer VOR den Entscheidungen …
Der Aufstand der Dörfer ist soweit klar.
Aber was heißt hier „Aufstand der Zinn-Soldaten“?
Nun, das sind die getreuen Parteisoldaten des sozialdemokratischen „Landesvaters“ Georg-August Zinn, die sich um seinen „großen Hessenplan“ und die dort so genannte Perspektive eines „freiheitlich-demokratischen Sozialismus“ versammelt hatten. Zusammen mit einer Reihe von Parteilosen, und nicht nur solchen, die mit dem KPD-Verbot von 1956 parteilos geworden waren. Vom rechten Flügel der SPD wurden sie als „Zinnsoldaten“ verspottet und belächelt.
Zinns Nachfolger, der rechte Betonkopf und Kanalarbeiter Albert Oswald war dabei, zusammen mit einer ganzen Reihe von politisch rechten SPD-(Mittel-)Schwergewichten die Hessische Verfassung auszuhöhlen.
Die wirklichen Schützer der Verfassung, der Demokratie und der ländlichen Entwicklung hatten gegen viele Gegner und nicht wenige vermeintliche Freunde zu kämpfen: Wirtschafts-, Verkehrs- und Arbeitsminister Franke (Ex-NSDAP-Goldfasan und GDP/BHE-Funktionär), Landwirtschaftsminister Hacker (Ex-NSDAP-Goldfasan und GDP/BHE-Funktionär), Martin Woythal (Ziehvater des späteren zweiten „rot-grünen“ Landrats Erich Pipa), Ex-SPD-Linker Bürgermeister von Groß-Krotzenburg, Groß-Kreis Main-Kinzig(MKK)-Landrat in Spe, später Immobilien-Hai und für HL-REWE Dorfmitte-Plätter, Karl (Charly)Eyerkaufer, Puma-Sprinter und „Jürgen-May-Freikaufer“ (späterer erster „rot-grüner“ MKK-Landrat), den einen oder anderen Ortsbauernführer und weitere Ex-Reichsnährstands-Funktionäre im Bauernverband, den BHE/GDP-Parteiapparat … und einige aus dem gewerkschaftlichen Bereich von links unten nach rechts oben aufgestiegenen Gewerkschafts-Funktionäre, wie den legendären 1967er Kautschuk-Streikleiter , „der rote Franz“ Fabian, der in Altwiedermus dann doch tragisch als Reitstallbesitzer endete.
Und gegen „Freinde“ aus der Büdinger „Bimbes-Zentrale“ der CDU im Schatten des Fürstenschlosses, wo Leisler-Kiep, der „Koffer-Keaper“, Weyrauch, der Bundes-CDU-Schatzmeister ein und ausgingen, unter dem Schutz der hochadeligen Fürsten & Ex-SS-Goldfasane und dem Segen des Sonnenscheins aus dem Hause Schwarz-Schilling. (Ein wahrhaft programmatischer Name im Zusammenhang mit den Schwarz-Geld-Spenden an die CDU!).
An die Büdinger „Bimbes-Koffer“ will sich Wolfgang Schäuble nicht mehr erinnern können. Und Helmut Kohl litt diesbezüglich auch an Amnesie.
Aber das führt auf Abwege. Die CDU-Spendenaffaire hat nichts mit dem 1970er „Bauernaufstand“ zu tun, wie ihn die Parteirechte der SPD verächtlich zu machen versuchte. Darüber, warum sich der CDU-Landtagsabgeordnete Schwarz-Schilling auf die Seite er rebellierenden „Zinn-Soldaten“ schlägt, kann man spekulieren. Es spricht jedenfalls dafür, dass es eine parteiübergreifende Bewegung gegen das Gebietsreform-Diktat der hessischen Landesregierung gab
(Dass einer der führenden „Zinn-Soldaten“, der damalige Büdinger (SPD) Bürgermeister auch noch Zinnkann hieß, ist reiner Zufall)
Der Bürger(meister)- und Zinn-Soldaten-Aufstand zur Verteidigung von Selbständigkeit & Demokratie gegen die Erpressung durch die Hessische Landesregierung fand nicht etwa in ferner Vergangenheit statt, wie etwa der „Oberhessische Bauernaufstand“ von 1830 oder die Verfassungsschutz-Aktion der Mittel-Gründauer zur Rettung der Paulskirchen-Verfassung von 1849. Da wäre der „Zinnsoldaten-Aufstand“ vielleicht noch in den lokalen Festschriften erwähnt worden. Aber auch dann eher unwahrscheinlich. In den Festschriften hat man nicht so gerne Aufstände, Revolutionen, Massenmorde, Kriegsverbrechen … so was verdirbt die Feierlaune. Der Aufstand fand bei der Gründung der Gemeinde Gründau statt zwischen 1970 und 1973. In der Festschrift zum 40. Gemeinde-Geburtstag wurde davon so gut wie nichts berichtet. Die Suche nach den Aufstands-Dokumenten war schwierig und langwierig. Gefunden habe ich sie u.a. im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt und in Wiesbaden.
Im Ortsarchiv der Gemeinde Gründau waren die Stellungnahmen des Mittel-Gründauer Bürgermeisters und der Gemeindevertretung für die weitere Selbständigkeit des Dorfes und gegen die Zwangseingemeindung nach Gründau nicht zu finden. Im Gelnhäuser Stadtarchiv kann man den folgenden Artikel mit den sehr deutlichen Worten des Bürgermeisters im GT vom 10.03. 1972 nachlesen:
In den Stellungnahmen und Briefen des Büdinger Bürgermeisters Zinnkann soll ein „Lieber Albert“ (Oswald) zur Kenntnis nehmen: „Ich habe bisher stillgehalten, aber ich werde, wenn die Eingliederung der Gemeinde Altwiedermus durch die Landesregierung nicht bestätigt werden sollte, einen riesen Krach inszenieren und Du kannst sicher sein, dass mir das gelingen wird.
Gleiches gilt für den Fall Mittel-Gründau. Die Gemeindevertretung von Mittel-Gründau hat mit 8 gegen 1 Stimme die Eingliederung in die Stadt Büdingen beschlossen, nachdem vorher in einer Bürgerversammlung sich 174 von 175 Anwesenden Wahlberechtigten ebenfalls für die Eingliederung ihrer Gemeinde in die Stadt Büdingen entschieden hatten. …“
Der letztlich von der Landesregierung undemokratisch exekutierten Zwangsauflösung der Eingliederung Mittel-Gründaus nach Büdingen und der folgenden Zwangsangliederung nach Gründau waren verschiedene Erpressungen durch Wiesbaden vorausgegangen:
Nach dem Beschluss der Mittel-Gründauer Gemeindevertretung, selbständig zu bleiben, drohte die Landesregierung mit der Sperre des Finanzausgleichs, der Schlüsselzuweisungen und weiterer Landesmittel. Das hätte die Zahlungsunfähigkeit der bis dahin schuldenfreien Gemeinde bedeutet und das Scheitern aller kommunalen Entwicklungsprojekte. Auf diesem Hintergrund und wegen der historisch gewachsenen wirtschaftlichen, poltisch-sozialen und kulturellen Anbindung an Büdingen beschloss dann die Gemeindevertretung mit 8 zu 1 Stimmen die Eingliederung nach Büdingen. Entscheidend dabei waren die vertraglichen Zusicherungen weitgehender Investitionen, von relativer Selbständigkeit durch örtliche Verwaltungsnebenstellen usw. …, vieles, was nach der Zwangseingliederung nach Gründau spürbar schmerzhaft fehlte.
(oder wie am Beispiel Breitenborn gut nachprüfbar nach der Eingemeindung nach Gründau zerstört wurde: Schwimmbad zugeschüttet, Schule geschlossen, Jugendzentrum ebenfalls …. abgehängt. Nach der erpressten Aufgabe der Selbständigkeit bot Büdingen den Gebietsreform-Opfern die besseren Konditionen, die man sich in den Büdinger Stadtteilen Vonhausen, Düdelsheim usw. heute noch anschauen kann: Verwaltungsaußenstellen, kommunal betriebene Arztpraxen-Außenstellen, Erhaltung der alten Schulen und Bahnhöfe als Jugend- & Kulturzentren, Dorftreffs & Museen usw. … (Ähnlich verfuhren auch andere Städte in den Nachbarkreisen Wetterau und Vogelsberg: Ortenberg zum Beispiel,
Die folgenden Dokumente und Bilder will ich in den nächsten Tagen und Wochen näher erläutern. Also immer wieder mal reinschauen.
Zu dem folgenden Eingliederungsvertrag zwischen Büdingen und Mittel-Gründau muss weiter nichts gesagt werden. Vielleicht nur so viel: die einzige Stimme im Gemeindeausschuss gegen die Selbständigkeit und später gegen die Eingemeindung nach Büdingen kam aus dem Hof des Ex-Ortsbauernführers Müller. August Müller, den Sohn des NS-Ortsbauernführers zog es wohl mehr zu seinen alten BHE-GDP-Kameraden unter dem Staatsbeauftragten Imhoff in Lieblos, der durch Landwirtschaftsminister Hacker und Wirtschafts-, Verkehrs- und Arbeitsminister Franke protegiert und wahrscheinlich auch deshalb Staatsbeauftragter für die Schaffung der Groß-Gemeinde Gründau wurde.
Gegen dieses Kunstgebilde wehrten sich die Bürgermeister von Gelnhausen, von Uckro (parteilos) und Rothenbergen, Dressbach(SPD) und schlugen die Eingemeindung (nach erpresster Aufgabe der Selbständigkeit Rothenbergens) der Dörfer Rothenbergen & Lieblos nach Gelnhausen vor. Was viel mehr Sinn gemacht hätte als die Eingemeindung von Hailer-Meerholz, das rechts der Kinzig mehr zu Linsengericht oder Hasselroth ins historische Freigericht gehört(e). Auch bei Höchst stellt sich die Frage, ob nicht eine Eingemeindung nach Linsengericht ober Biebergemünd statt nach Gelnhausen sinnvoller gewesen wäre.
Natürlich ging es nebenbei auch um Landratsposten, Bürgermeister-Gehälter, Machtbasen der Parteien. Nur wurde das meist nicht öffentlich verhandelt.
Im Streit um Mittel-Gründau lassen sich aber die Motive der Akteure recht gut erkennen. Hier kann man offen zwischen Interesse am Gemeinwohl und anderen Interessen unterscheiden.
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Das Arbeitsplatz-Monopol des Isenburg-Büdinger Fürstenhauses konnte durch Industrie-Ansiedlung gebrochen werden: eine (Leder-)Kleider-Fabrik am Bahnhof, ein Transport-Unternehmen in Altwiedermuser Weg, dort auch ein Betrieb für Verpackungstechnik und die Uhrenfabrik Presser,
Dieses Gebäude entstand Anfang der 1960er als Gemeinschafts-Tiefkühlanlage der Mittel-Gründauer Milchbauern-Genossenschaft
Bis 1936 bot die Groß-Dampfbäckerei Karl Hecht Brot und Arbeit