Ulrike Guérot zur Coronapolitik
„De facto ist eine gesamte Gesellschaft entmündigt worden“
30.12.2021
Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot hält die Impfpflicht für eine gefährliche Scheinlösung Nach fast zwei Jahren Pandemie ist gar nicht mehr klar, was eigentlich genau das Ziel vieler Corona-Maßnahmen sei, sagt die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot. Impfen als einzige Lösung zu propagieren habe sich als „Sackgasse“ erwiesen. Und doch sind strenge Corona-Regeln gerade in linken Milieus en vogue.
WELT: Politisch linke Gruppen wie die Antifa und Teile des linksgrünen Milieus fordern die Härte des Staates gegen Demonstranten, die gegen staatliche Maßnahmen protestieren. Überrascht Sie diese linke Konformität?
Guérot: Die Linke und ihre Wählermilieus sind schnell auf den Pfad der Maßnahmentreue eingestiegen. Dieser für sie eher ungewöhnliche Staatsgehorsam schlug seine Wurzel im Argument der Solidarität zu Pandemiebeginn. Solidarität ist ein linkes Ideal, es grenzt sich zur konservativ und liberalen Eigenverantwortung und Eigenständigkeit ab. Auch der Lockdown war ein Ausdruck dieser Solidarität, die wie ein Köder in einem Milieu funktionierte, das sich strukturell eher als antiautoritär und freiheitsliebend versteht. Es löste berechtigte Freude in progressiven Milieus aus, dass endlich einmal Leben über Geld gestellt wurde.
WELT: Woher kommt diese Bereitschaft in der Bevölkerung, sich selbst regulieren zu lassen?
FORTSETZUNG:
Ein Paradebeispiel für Staatsfrömmigkeit ist dabei die „sozialistische Tageszeitung junge Welt“ mit ihrer Ausgabe vom 30.12. 2021:
sie berichtet nicht etwa über die Morddrohungen gegen Ulrike Guérot, die privatisierte Staatszensur, die bereits angelaufenen Berufsverbotsmaßnahmen, die Unterdrückung der offenen, öffentlichen wissenschaftlichen Diskussion, die Rufmord-Kampagnen gegen Prof. Baghdi, Prof. Michael Yaedon, Prof. Joannidis, usw. … nein, sie berichtet ohne genauere Recherche über „Agent Provocateur“, wie sie schon gegen den „bandbreite“ eingesetzt oder mit polizeilicher Unterstützung zum Reichsbürger-„Sturm auf den Reichstag“ lanciert wurden, um die Querdenker in die rechte Ecke filmen zu können. Immer waren da dann auch TV-Teams pünktlich zur Stelle…. über Angriffe auf mainstream-JournalistINNen, die die verzerrten Bilder liefern für die Volksempfänger-Ausgaben von heute, wenn Berichte über Demonstrationen nicht mehr zu vermeiden sind…..
Ob die „junge Welt“ den Leserbrief einer ihrer Abonnenten dazu abdrucken wird? Schaumerma!
Leserbrief zu „Kugeln in den Kopf“ vom 30.12.2021
Klassenkampf war gestern. Seit Corona haben wir einen gemeinsamen Feind, den es zu bekämpfen gilt. Bourgeoisie und Proletariat, Regierung und Opposition, Konservative und Linke, haben sich endlich vereint und einen gemeinsamen Gegner in den „Querdenkern“ gefunden. Gestern noch ein Ausdruck von Nonkonformität werden diese Querdenker heute leichtfertig mit Nazis, Antisemiten und Reichsbürgern gleichgesetzt. Wer sich mit denen sehen lässt, der hat auch in der „Junge Welt“ ausgespielt. Eine Kritik an Corona-Maßnahmen, an der ungezügelten Profitmaschine der Pharmakonzerne oder selbst der geringste Zweifel an der Schwere der Pandemie führt zur Stigmatisierung, man wird ausgestoßen, zensiert und gelöscht. Unter dem Deckmantel der Pandemie scheint alles möglich. Wozu eigene Recherche? Die Regierung liefert uns doch täglich die nötigen Begründungen für einschränkende Maßnahmen. Statt kritisch zu hinterfragen bequemt sich die Junge Welt zusätzliches Wasser auf die Mühlen der Hysteriker zu gießen, die den Schuldigen längst ausgemacht haben. Wer Impfstoffe ohne echte Zulassung ablehnt, wird zum Impfgegner, wer die außerordentliche Gefahr dieser Pandemie für Leib und Leben anzweifelt, wird zum Corona-Leugner abqualifiziert. Schon der Hinweis auf schwindende Bürgerrechte macht verdächtig und kann nur vorgeschoben sein. Es braucht erheblichen Mut, sich gegen diesen Dauerbeschuss aus den Medien einen gesunden Menschenverstand zu bewahren. Dass die Spaltung der Gesellschaft zu nicht hinnehmbaren Ausfällen an Journalisten führt, verwundert nicht, haben sich diese in ihrer Mehrheit längst dem herrschenden Narrativ untergeordnet. Da erwarte ich mir von einer „sozialistischen“ Tageszeitung doch mehr Differenziertheit statt dem Ruf nach mehr Staatsgewalt. Was uns fehlt, ist Solidarität gegen die, für die Corona nur das Geschäft ihres Lebens ist.
Robert Weber, Michelstadt
Aus: Ausgabe vom 30.12.2021, Seite 4 / Inland
PRESSEFREIHEIT
»Kugeln in den Kopf«
Journalisten berichten über Angriffe von »Querdenkern« und fehlenden Schutz durch die Polizei Von Nick Brauns
Sachelle Babbar/imago images/ZUMA Wire
»Querdenker« bedrängen Journalisten bei einer Demonstration gegen Coronamaßnahmen (München, 24.1.2021)Schon bei den Demonstrationen der rassistischen Pegida-Bewegung ab 2014 gehörte der Schlachtruf »Lügenpresse« zur Normalität – verbunden mit Übergriffen auf Journalistinnen und Journalisten. Eine deutliche Steigerung erfuhren solche Angriffe ab dem Frühjahr 2020 im Umfeld der Proteste von Coronaleugnern, »Querdenkern« und Impfgegnern, darunter einer wachsenden Zahl offener Faschisten. Unter dem Hashtag »#AusgebranntePresse«, der am Dienstag im deutschsprachigen Netzwerk des Kurznachrichtendienstes Twitter trendete, berichten Journalisten und Fotoreporter von ihren Erfahrungen. Angestoßen hatte diese Twitterkampagne ein 28jähriger freier Fotojournalist aus Passau, der unter dem Pseudonym Rèsi Lucetti seit fünf Jahren von Demonstrationen und Protesten aller Art im In- und Ausland berichtet. »Ich wurde bei Abreisen verfolgt, in einem Zug angegriffen, bei Telegram geleakt, habe Morddrohungen erhalten. Ein Schwurbler trägt ein Schild mit meinem Klarnamen«, schrieb Lucetti über seine Erfahrungen mit den Coronademonstrationen der letzten Monate. Schon kurz nachdem sich der Fotograf mit über 14.600 Twitter-Follower seinen Frust vom Leibe geschrieben hatte, griffen andere Medienschaffende den Hashtag auf.
»Körperlich attackiert zu werden ist Alltag«, schrieb Sophia Maier, die für »Stern TV« arbeitet und seit anderthalb Jahren von »Querdenker«-Demos berichtet. Nach der Ausstrahlung ihrer Berichte bekomme sie Nachrichten wie »Fotze«, »Stück Scheiße« und »Hurenreporterin«. Seine Privatadresse und Handynummer seien in Telegram-Kanälen mit Tausenden von Followern verbreitet worden, zusammen mit dem Aufruf, »mir mal die Meinung zu sagen«, berichte Tagesspiegel-Korrespondent Julius Geiler aus Berlin. Er sei danach wochenlang über Umwege nach Hause gelaufen, um vermeintliche Verfolger abzuschütteln. Ähnliches schrieb Alexander Roth von der Onlineredaktion des Zeitungsverlages Waiblingen. Seit er über die »Querdenker«-Szene berichte, werde er bedroht und beleidigt. Er werde als »Alexander Toth« bezeichnet und ihm werde mit »Kugeln in den Kopf« gedroht. Aufgrund von TV-Interviews, aber auch, weil die »Querdenker« sein Bild auf Telegram verbreiteten, werde er auf der Straße erkannt. Dies belaste sein Privatleben sehr, so der Journalist, der vor Demoberichten und öffentlichen Auftritten mit seiner Familie über die Risiken spricht. Zudem hätten bekannte Köpfe der regionalen »Querdenker«-Szene mehrfach vor dem Waiblinger-Verlagsgebäude gestanden, um ihn zu filmen. Die Botschaft dahinter laute: »Wir können jederzeit an dich ran kommen. Und zeigen auch allen anderen mit unseren Videos, wie einfach das ist.« Nicht nur unter körperlichen Angriffen leiden die Journalisten. Seitdem er von »Querdenker«-Demos im Saarland berichte, hätten sich Forderungen nach Gegendarstellung und Anwaltsdrohungen verstärkt, schrieb der für die Saarbrücker Zeitung tätige Reporter Tom Peterson.
Mehrere Journalisten beklagten fehlenden Schutz durch die Polizei oder sogar aktive Behinderung ihrer Arbeit durch die Beamten. Viele Journalisten würden ihre Presseausweise nicht mehr offen um den Hals tragen, da ihre Adressen darauf zu lesen sind, schrieb die Berliner Fotojournalistin Kim Winkler. Auf einer Versammlung habe die Polizei deswegen versucht, sie festzunehmen. Nachdem sie sich als Journalistin ausgewiesen habe, durfte sie zwar weiterarbeiten. Doch nun war sie als Reporterin entlarvt und wurde von einer Demonstrantin angegriffen, während Polizisten lachend zusahen.
Medienvertreter würden »angespuckt, geschlagen, mit Pfefferspray besprüht, das Equipment zerstört, oder sie werden privat bedroht«, berichtete Jörg Reichel am Mittwoch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) von Übergriffen in mindestens 19 Städten allein im Dezember. Der Berliner Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalistenunion (DJU) in der Gewerkschaft Verdi war im Sommer selbst bei einer »Querdenker«-Demonstration in Berlin vom Fahrrad gerissen und verprügelt worden.