Einblick über den Tellerrand: Kolonial(d)henker, der Westen & der Taliban-Sieg / Ampel-Menschenrechts-Apostel verstehen bei ai-Apellen immer nur rassenr-ai-ne UKR-ai-NE /Kiew probt den SuperGAU, Selenski bleibt vorerst GAU-Leiter

https://www.jungewelt.de/artikel/432554.kolonialhenker.html

Aus: Ausgabe vom 15.08.2022, Seite 8 / Ansichten

Kommentar

Kolonialhenker , Der Westen und der Taliban-Sieg

Von Arnold Schölzel

Ein Jahr nach dem Einzug der Taliban in Kabul – Eroberung war mangels Widerstand nicht nötig – gehen die Geschäfte in den Staaten, die den Kolonialkrieg am Hindukusch 20 Jahre lang führten, ihren gewohnten Gang. Ein Interview mit der deutschen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigt zum Beispiel Bild am Sonntag mit Standardnichtigkeiten an: Faeser sehe »neue Gefahren von links und kämpft für mehr Zuwanderung sowie mehr Abschiebungen«. Das einzige Problem, das zu Afghanistan angesprochen wird, ist die Evakuierung der sogenannten Ortskräfte, das heißt auch der Agenten westlicher Geheimdienste.

Das ist für Herrenvolkdemokraten angemessen: Was gehen einen die Bürger eines Staates an, den man wegen »uneingeschränkter Solidarität« (Gerhard Schröder) mit den USA zertrümmern half? Sie erhielten »Demokratie« importiert und eine Nation aufgebaut – höchste Werte also. Wenn NATO und EU dafür ein Land bombardieren, mit Drohnen Tausende Zivilisten ermorden und insgesamt wahrscheinlich etwa 250.000 Tote hinterlassen, heißt das lediglich: Bewohner solcher Gegenden haben davon keine Ahnung. Sie werden nicht mehr »Primitive« genannt, nur hinterlassen die Kolonialhenker dieselbe Not wie zu Zeiten solcher Sprache. Russen sehen ja auch nur äußerlich wie Europäer aus.

Außerdem, so der damaligen Verteidigungsministers Peter Struck (SPD) 2002, musste die Bundeswehr »Landesverteidigung am Hindukusch« leisten. Afghanische Bürger – in der Bundesrepublik leben nach Vertreibung und Flucht laut Auswärtigem Amt heute 300.000 – waren zwar an den Anschlägen des 11. September 2001, die den Vorwand für die 20jährige »Selbstverteidigung« der USA lieferten, nicht beteiligt. Aber Tatsachen hinderten schon 2001 die regierenden SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht an der Zustimmung zu Kriegskrediten. PDS-Bundestagsabgeordnete, die damals Kritik übten, wurden so niedergemacht wie heute jemand, der die »Zeitenwende«-Waffenlieferungen und den Wirtschaftskrieg gegen Russland in Frage stellt. Geändert hat sich: Wer’s in der Linke-Fraktion macht, wird von den eigenen Leuten angezählt.

Die FAZ resümierte am Samstag, Afghanistan sei mit dem »investierten« Geld, das aus dem Westen vor allem in die Taschen der in Kabul installierten Politmarionetten floss, »eines der korruptesten Länder der Erde und eines der größten Drogenanbaugebiete« geblieben. Da kann sich die Bundesregierung nicht auch noch ums selbst verursachte Elend kümmern. Lebensmittel gebe es genug, sagte der Caritas-Vertreter in Kabul am Freitag, die Menschen hätten aber kein Geld. Mehr als 50 Prozent der 38 Millionen Einwohner litten Hunger, 95 Prozent unter größten wirtschaftlichen Problemen.

Die USA haben regelbasiert wie im Fall Russland auch aus dem Staatsbesitz Afghanistans Milliarden US-Dollar faktisch gestohlen und morden weiterhin mit Drohnen. Die Henkergeschäfte gehen ihren Gang.

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Der folgende Beitrag stammt nicht aus dem Hohen Berliner Hause der Ampel-Apostel der Menschenrechte, die bei allen Apellen von ai immer nur UKR-ai-NE verstehen

Apropos Menschenrechte: Wo bleiben jene des Palästinensischen Volkes?

GÖAB-Newsletter Analysen/Dokumente Nr. 27/2022

Posted am 14.8.2022

Apropos Menschenrechte: Wo bleiben jene des Palästinensischen Volkes?

In jüngster Zeit überschlagen sich die westlich-demokratischen Regierungen und die mit deren Politik mehr oder minder eng verbundenen Mainstreammedien in ihren Bekenntnissen zu Demokratie, Menschenrechten und was sonst noch gerade passend sein mag. Bei manchen Themen kann man diesen kämpferischen Bekenntnissen auch durchaus zustimmen. Die russischen Aggression gegen die Ukraine ist zweifellos ein durch nichts zu rechfertigender eklatanter Bruch der nach 1945 geschaffenen völkerrechtlichen Ordnung. Dass sich die weitverbreitete Empörung, so sehr diese in einzelnen Fällen auch verständlich sein mag, aber im internationalen Gleichschritt immer wieder mit den gleichen Themen befasst und im nahezu selben Gleichschritt bestimmte Themen einfach unter den Tisch fallen lässt, fällt den westlich-demokratischen Atlantikern und ihren outlets kaum mehr auf.

Eines der eklatantesten Beispiele für diese Politik der Doppelstandards ist zweifellos der israelisch-palästinensische Konflikt. Dieser würde zweifellos anders aussehen, wenn die USA nicht spätestens seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts die völkerrechtswidrige Politik Israels, wer dort auch immer an der Macht war, ohne Wenn und Aber unterstützt und zudem mit Hunderten Milliarden USD finanzierte. Nun, diese Unterstützung von internationalen Rechtsbrecherregimen ist in der US-amerikanischen Politik nichts Neues, dort haben – wer auch dort immer gerade an der Macht war – mmer in erster Linie die eigenen Machtinteressen dominiert. („America first“). Und wenn es also den US-Interessen jeweils nützlich war/ist, hat man regelmäßig über Vergehen und Verbrechen von Alliierten hinweggesehen – soferne man nicht selbst direkt internationales Recht gebrochen hat.

Bei Europa ist das schon etwas komplizierter. Hier hat man – zumindest bislang – zumindest rhetorisch – die völkerrechtlichen und politischen Ansprüche des Palästinensischen Volkes unterstützt. Zu mehr hat es trotz zahlreicher Anlässe bislang nicht gelangt. Im Gegensatz zu anderen Konfliktsituationen, in denen Europa sehr wohl zu gravierenden Maßnahmen wie Sanktionen gegriffen hat, hat man davon bei diesem Konflikt nie Gebrauch gemacht. Um die Kritik von Doppelstandards aufzufangen, hat man aber die palästinensische Sache großzügig unterstützt. Dass man aber gleichzeitig auch Israel großzügig unterstützt hat, soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Dass führende europäische Staaten bilateral Israel auch militärisch unterstützen (alleine die deutschen U-Bootgeschenke haben alles in allem wohl die Milliardengrenze überschritten) und seit einigen Jahren dies auch seitens der EU gemacht wird, ist im Falle eines Staates, der de facto permanent in Kriegsaktionen verstrickt ist, höchst delikat. Dass zuletzt aufgrund des Druckes von besonders israelfreundlichen EU-Staaten bereits vereinbarte und zugesagte Förderungen für Palästina verzögert und mitunter auch gekürzt worden sind, ist ein weiterer Aspekt, der bezüglich der europäischen Haltung zum israelisch-palästinensischen Konflikt nach Nachdenken Anlass geben sollte.

Europa lässt die Palästinenser im Stich

Dass die EU und auch viele europäische Staaten sich inzwischen der US-amerikanischen Dopplestandardspolitik angenähert haben, ist offensichtlich. Dafür gibt es zweifellos globale und geostrategische Gründe, die in manchen Fällen auch durchaus nachvollziehbar sein mögen, aber der israelisch-palästinensische Konflikt – nimmt man die europäischen Menschenrechtsbekenntnisse nur einigermaßen ernst – ist dafür ein absolut unpassender Bereich. So war es für viele Beobachter und Experten absoiut nicht überraschend, dass zu den letzten israelischen Militäraktionen es in Europa mehr Solidarisierungserklärungen mit Israel und seinem „selbstverständlichen Selbstverteidigungsrecht“ als Verurteilungen gezielter Tötungen und des unangemessen Einsatzes von militärische  Gewalt gegen Wohngebiete und unbeteiligte Zivilisten gegeben hat.

Es ist hoch an der Zeit, dass jene Europäerinnen und Europäer, welche Menschen- und Völkerrecht für universelle  Werte betrachten, der in den letzten Jahren auch in Europa Einzug gehaltenen Politik  der Doppelstandards auf das Schärfste entgegentreten. Wird diesem Trend nicht Einhalt geboten, ist Europa auf dem besten Wege, ein zweitklassiger Vasalle der USA zu werden. Wenn es noch so etwas wie „europäische Werte“ geben sollte, dann sind diese jetzt und sofort zu verteidigen, auch im Nahen Osten aber nicht nur dort.

Ich verweise abschließend nochmals auf die Erklärung der GÖAB sowie auch auf unser Protestschreiben an BM Schallenberg. Die „Wiener Zeitung“ hat in ihrer Wochenendausgabe eine unwesentlich gekürzte Fassung des Briefes veröffentlicht, siehe Beilagen.

Des weiteren empfehle ich auch die beiliegenden Analysen des israelischen Journalisten Gideon Levy und des israelischen (von dort aber bereits vor Jahren weggemobbten) Historikers Ilan Pappe.

Mit besten Grüßen!
Fritz Edlinger
Generalsekretär

https://www.haaretz.com/opinion/2022-08-11/ty-article-opinion/.premium/when-roger-waters-cried/

Wir würden uns auch über möglichst viele „likes“ freuen!

Wir danken für das große Interesse an unserem Newsletter. Zuletzt haben wir auch in zunehmendem Maße Bestellungen von Personen erhalten, welche bislang nicht im Verteiler der GÖAB gewesen sind. Sollten Sie auch die regelmäßigen postalischen Aussendungen und Veranstaltungseinladungen erhalten wollen, so geben Sie bitte Ihre Postanschrift bekannt.


 
Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen
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Tel.: +43 1 526 78 10, Fax: +43 1 526 77 95
E-Mail: office.vienna@saar.at
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Österreich lässt die Palästinenser (und auch gleich das Völkerrecht) im Stich!

Hat es eines neuerlichen Beweises für eine radikale Änderung der österreichischen Nahostpolitik bedurft, so liegt sie nunmehr schriftlich vor. Auf Twitter findet sich einen Tage nach den dreitägigen massiven Bombardierungen des Gazastreifens durch die israelische Armee, in deren Verlauf nicht nur zwei Angehörigen des Islamischen Dschihads „gezielt getötet“ sondern weitere 44 Menschen, darunter 15 Kinder und 4 Frauen getötet und 311 verletzt worden sind, folgende Eintragung:

“We utterly condemn the firing of rockets against Israel and the indiscriminate targeting of civilians. We fully stand by Israel‘s right to self-defense and are concerned about a further escalation, leading to the loss of any civilian lives.“

Diese Stellungnahme übertrifft an mehr oder minder bewusstem Zynismus gerade noch die Erklärung des EU-Vizepräsidenten und Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borell, der lediglich das Selbstverteidigungsrecht Israels betonte. Beide Stellungnahmen sind entweder ohne genaue Kenntnis der tatsächlichen Ereignisse abgegeben worden oder eine bewusste Solidarisierung mit einem Staat, dessen Verstöße gegen Menschen- und Völkerrecht hinlänglich bekannt sind. Im ersten Fall wäre die professionelle Qualifikation der Akteure infrage zu stellen, im zweiten ihre politische und vor allem humanitäre.

Durchaus glaubwürdigen Informationen aus Gaza – die inzwischen auch von verschiedenen anderen Quellen bestätigt worden sind –  ist zu entnehmen, dass die Raketenabschüsse aus Gaza erst dann begonnen worden sind, nachdem die gezielte Tötung der beiden Kommandanten des Islamischen Dschihads abgeschlossen war.

Diese neuerliche Solidarisierung mit Israel durch die Österreichische Bundesregierung ist skandalös, da sie ohne weitere Wenn und Aber die brutale und vor allem notorisch völkerrechtswidrige Besatzungs- und Vertreibungspolitik nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern auch aktiv unterstützt. Es ist dies ein totaler Bruch einer vermittelnden Nahostpolitik, für die Österreich über Jahrzehnte hindurch bekannt war und auch geschätzt worden ist. Zudem stellt es unserer Meinung auch einen Richtungsänderung dar, welche mit der Neutralitätspolitik Österreichs nur schwer in Einklang zu bringen ist.

Über die Motive dieses Richtungswechsels kann nur spekuliert werden. Ob es eine Spätfolge der türkis-blauen Bundesregierung ist, in der die für ihre rassistische und durchaus im Kern nach wie vor antisemitische Haltung bekannte FPÖ eine eigentümliche, auch kaum glaubwürdige, Versöhnung mit Israel bewerkstelligen wollte, oder ein Einschwenken auf die zuletzt unter Donald Trump (und von Joe Biden weitgehend fortgesetzte) wieder besonders israelfreundlich ausgestaltete US-Nahostpolitik darstellt, bleibt zunächst der Spekulation überlassen. Möglicherweise haben wir es auch mit einer Konsequenz der durch die russische Ukraine-Aggression ausgelösten stärkeren sicherheits- und energiepolitischen Kooperation zwischen den USA, Europa und weiteren als hard-core-prowestliche Staaten (wie eben Israel!) eingestuften Akteuren. Für letztere These gibt es einige Hinweise. Sowohl in militärischer als auch in energiepolitischer Hinsicht ist Israels jedenfalls äußerst umworben, was auch die zahlreichen Besuche österreichischer Spitzenpolitiker*innen zum Ausdruck bringen.

Welche Motive auch immer für den radikalen Richtungswechsel Österreichs beim israelisch-palästinensischen Konflikt verantwortlich sind, so kann und darf es nicht unwidersprochen hingenommen werden, dass in einem der gravierendsten völkerrechtlichen Problemfällen seit 1945 aus welchen Beweggründen auch immer Völker- und Menschenrecht relativiert und zum Verhandlungsgegenstand degradiert werden. Das österreichische Verhalten ist daher auf das Schärfste abzulehnen.

Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen
Wien, 9.8.2022

Ukraine-Krieg

https://www.jungewelt.de/artikel/432522.ukraine-krieg-iaea-besuch-weiter-blockiert.html

Aus: Ausgabe vom 15.08.2022, Seite 2 / Ausland

IAEA-Besuch weiter blockiert

Moskau fordert erneut Besuch von Inspektoren im AKW Saporischschja in Energodar. Amnesty will seinen Bericht zur Ukraine aufarbeiten. Von Matthias István Köhler  

Der ständige Vertreter Russlands bei der UNO in Wien, Michail Uljanow, fordert Kiew erneut auf, den Beschuss des Atomkraftwerks (AKW) Saporischschja zu beenden und die Sicherheit der Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu garantieren. »Ein internationales Team kann nicht unter ständigem Artilleriebeschuss arbeiten«, sagte er in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur TASS, das am Sonntag veröffentlicht wurde.

Uljanow kritisierte zudem, dass das UN-Sekretariat keine Begründung dafür abgegeben habe, warum es den Besuch des AKWs durch Expertinnen und Experten der IAEA blockiert habe. Dabei habe man sich bereits bis zum 3. Juni sowohl auf die Route als auch den Zeitplan für den Besuch geeinigt gehabt.

Laut Moskau haben die ukrainischen Streitkräfte in den vergangenen Tagen wiederholt das AKW in der Stadt Energodar angegriffen, die seit Monaten von russischen Truppen kontrolliert wird. Zum Einsatz kamen dabei sowohl Artillerie als auch Drohnen. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge konnten jedoch die meisten Angriffe von der Luftabwehr vereitelt werden.

Der ukrainische Staatschef Wolodimir Selenskij forderte unterdessen den Westen auf, Sanktionen gegen Russlands Atomindustrie zu verhängen. Moskau benutze das AKW im Süden der Ukraine, um die ukrainische Führung und die ganze Welt zu erpressen, sagte Selenskij am Samstag abend in einer Videoansprache.

Wie am Sonnabend bekannt wurde, will Amnesty International die Entstehung seines Berichtes zu Kriegsverbrechen der ukrainischen Armee aufarbeiten. Externe Experten würden den Vorgang gründlich prüfen, heißt es in einem der Deutschen Presseagentur vorliegenden Statement der Organisation vom selben Tag. Die Ergebnisse hätten eine hohe Dringlichkeit.

Die Menschenrechtsorganisation hatte Anfang August Kiew vorgeworfen, mit seiner Militärtaktik unnötig das Leben von Zivilisten zu gefährden. So hätte die ukrainische Armee Militärposten unter anderem in Schulen und Krankenhäusern eingerichtet, dies sei »ein Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht«, hieß es in dem Bericht. Im Anschluss hatte es starke Kritik an Amnesty gegeben. Aus Kiew hieß es unter anderem, die NGO habe eine Täter-Opfer-Verkehrung betrieben.
 

https://www.jungewelt.de/artikel/432442.krieg-in-der-ukraine-kiew-probt-den-super-gau.html

Aus: Ausgabe vom 13.08.2022, Seite 1 / Titel

Krieg in der Ukraine

Kiew probt den Super-GAU

AKW in Saporischschja: Russland begrüßt mögliche IAEA-Inspektion, Ukraine lehnt ab. Warnungen vor Katastrophe Von Knut Mellenthin

Moskau lehnt die Übergabe des AKW-Komplexes Saporischschja an die ukrainischen Behörden ab. Die Anlage war am vorigen Wochenende und am Donnerstag mit Artillerie und Raketen beschossen worden. Beide Seiten machen sich gegenseitig für die Angriffe verantwortlich. Eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle hat bisher nicht stattgefunden und wird anscheinend von den westlichen Verbündeten der Regierung in Kiew auch gar nicht gewünscht.

Indessen ist offensichtlich, dass Russland keinen logischen Grund hat, das Atomkraftwerk anzugreifen, das seit März von seinen Soldaten kontrolliert wird. Auf der anderen Seite entsprechen Provokationen dem Stil der ukrainischen Nationalisten. Sie wollen nicht nur den Waffenstrom aus den NATO-Staaten in ununterbrochenem Fluss halten, sondern stehen auch unter Zeitdruck. Der Bürochef von Präsident Wolodimir Selenskij, Andrij Jermak, sprach am Donnerstag von dem Zwang, »maximale Maßnahmen zu ergreifen, um den aktiven Teil des Krieges bis Ende Herbst zu beenden«, vor Beginn der kalten Jahreszeit. Außerdem werde die angestrebte Rückeroberung der mehrheitlich von einer russischsprachigen Bevölkerung bewohnten Gebiete immer schwieriger, je länger sich bewaffnete Ortskräfte und militärische Einheiten aus Russland dort aufhalten.

Die Lage in Saporischschja, dem größten AKW-Komplex in Europa, ist brisant. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) verlangt seit Monaten, dort gemäß dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen eine Inspektion vornehmen zu können. Während Russland dieser Forderung nicht nur zugestimmt hat, sondern geradezu auf den baldigen Besuch einer IAEA-Delegation in Saporischschja drängt – am liebsten noch vor Ende August –, lehnen alle zuständigen ukrainischen Stellen bis hinauf zur Regierung in Kiew kategorisch ab. Eine Inspektion zum jetzigen Zeitpunkt und unter den gegenwärtigen Voraussetzungen würde, so lautet ihre Begründung, den Aufenthalt russischer Truppen in der Anlage und ihrer Umgebung legitimieren. Nach russischer Darstellung war ein Kontrollbesuch der IAEA, dessen Leitung Generaldirektor Rafael Grossi selbst übernehmen wollte, im Juni schon einmal konkret vereinbart und verabredet, sei dann von der Sicherheitsabteilung des Sekretariats der Vereinten Nationen verhindert worden.

Vor diesem Hintergrund fand am Donnerstag (Ortszeit) eine von Russland geforderte Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats statt. Die Vertreterin der USA, Staatssekretärin Bonnie Denise Jenkins, verlangte den Abzug aller russischen Streitkräfte aus der gesamten Ukraine als Voraussetzung einer IAEA-Inspektion in Saporischschja und als Sofortmaßnahme die Schaffung einer »entmilitarisierten Zone« rund um den AKW-Komplex. Die Vertreter der anderen westlichen Staaten schlossen sich ihr an. Schon am Mittwoch hatten die Außenminister der G7-Staaten Russland aufgefordert, die Anlage »unverzüglich wieder der vollständigen Kontrolle der Ukraine zu unterstellen«.

Moskau hat indes verlautbart, einem Abzug seines Militärs aus dem Atomkraftwerk zuzustimmen, jedoch die Kontrolle behalten zu wollen. »Das ist eine vernünftige Forderung mit der Entmilitarisierung des AKW Saporischschja, ich denke, wir werden das unterstützen«, sagte der Vizechef des Außenausschusses im russischen Parlament, Wladimir Dschabarow, am Freitag der Agentur Interfax zufolge. Das russische Außenministerium warnte, dass eine Fortsetzung der ukrainischen Angriffe auf Saporischschja zu einer Katastrophe führen könne, die den Atomunfall von Tschernobyl 1986 bei weitem übertreffen würde.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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