War Heinrich Barth, in den 1880ern Pfarr-Vikar in Haingründau & verhasster „Richter Gnadenlos“ die Vorlage für den Film „Das weiße Band“?

Dieses Portrait-Foto des „Richters Gnadenlos“ könnte noch in Haingründau bzw bei einem Hoffotografen in Büdingen in den End-1880ern entstanden sein

Sicher nicht, denn der Film spielt in der Nähe von Greifswald und der „Richter Gnadenlos“ wirkte im Großherzogtum Hessen-Darmstadt in Oberhessen.

Heinrich Barth begegnete mir bei meinen Recherchen zum Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat des oberhessischen/kurhessisch-preußischen Gründau-Tales und zu dessen führendem Mitglied Johannes Weinel, dem „Marine-Hannes“, der so genannt wurde, weil er beim Marine-Aufstand in Kiel beteiligt war, der zur Beendigung des ersten Weltkrieges führte. Die aufständischen Matrosen haben 1918 das Auslaufen eines letzten großen Schlachtschiffes in Kiel verhindert. Johannes Weinel dürfte aber schon lange vorher als Sozialdemokrat und Bau-Gewerkschafter zu den entschiedenen Gegnern des „Richters Gnadenlos“ gehört haben.

Bei den Recherchen im Niedergründauer Heimatmuseum stieß ich auf eine Beschwerde der Haingründauer Handwerker, Arbeiter und Bauern über den gnadenlosen Ortsrichter und Pfarrvikar Heinrich Barth.

In den 1880ern war die Pfarrstelle der Laurentius-Kapelle in Haingründau nicht ordentlich besetzt. Der heutige Gründauer-Ortsteil zwischen Gelnhausen und Büdingen war wie Mittel-Gründau Grenzort zwischen Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel. Beide Dörfer „gehörten“ den Fürsten von Isenburg-Büdingen. Die Fürsten waren auch die Kirchen-Patrone und die Pfarrer mussten nach deren Pfeife tanzen.  Und besonders Vikare mussten sich ihre Sporen verdienen als treue Diener des Herrn und der Herrschaft. Heinrich Barth, Sohn eines rheinhessischen Bauern/Winzers in Lonsheim hatte die Alternative zur Realteilung des elterlichen Hofes als 3. Sohn mittellos überstanden: der  erste Sohn wurde Hoferbe, der zweite Offizier (wenn es dafür reichte), der dritte Pfarrer (wenn es dafür reichte) und der vierte  bekam als Baby ein Schlag auf den Schädel und wurde Hofknecht, Klein-Vieh-Dorf-Hirte oder Dorf-Depp oder beides.

Schon im rheinhessischen Heimatdorf war die Mehrheits-Devise: „Hör immer auf die Obrigkeit, bis an Dein kühles Grab … „  Diese Devise wurde vererbt. Wie der Vater, so der Sohn. Aber mit Klein-Bauernschläue stellten sich nicht wenige der Kleinbauern innerlich gegen die Herrschaft.  Da revoltierte es im Stillen nach der anderen Devise: „Ich denke, was ich will  und was mich beglücket, doch alles in der Still und wie es sich schicket …“  und die herrschaftlichen Nackenschläge – auch die während der „Franzosenzeit“- schickte dann eben das „Schicksal“! Auch die 1848er brachten nur eine kurze Atempause. Da Rheinhessen zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt gehörte, ging Heinrich Barth zum evangelischen Theologie-Studium nach Gießen oder Darmstadt. Ob an der Mainzer Universität damals die Möglichkeit des evangelischen Theologie-Studiums bestand, weiß ich nicht. Für den evangelischen Studenten Heinrich Barth, wäre wohl die Unterbringung im katholischen Mainz eher schwierig gewesen. Ob er in Gießen oder Darmstadt ein kirchliches Stipendium erhielt, konnte ich bisher auch nicht herausfinden. Er dürfte aber in Gießen oder Darmstadt so wie seine Söhne später in der evangelischen, (nicht-schlagenden) Burschenschaft „Wingolf“ und deren Studentenbuden untergekommen sein, deren gut vernetzte Alte Herren die „Wingolfiten“ unter ihre Fittiche nahmen und Stellen vermittelten, eben auch in evangelischen Grafschaften und Fürstentümern.

Jedenfalls landete Heinrich Barth nach dem Abschluss seines Theologie-Studiums im Kirchen-Patronat der Isenburg-Büdinger Fürsten in Haingründau auf einer unbesetzten Pfarrstelle. Hier musste er der Obrigkeit zeigen, dass er geeigneter, strenger Pfarrverwalter und Ortsrichter ist. Und das wurde er auch: sonntäglich wurden die „armen Sünder“ in der Kirche „abgekanzelt“: Mundraub, Waldfrevel, vor- oder außerehelicher Geschlechtsverkehr …. , dafür gab es Pranger und Karzer. Wo sich der örtliche Karzer befand, muss ich bei einem Haingründauer Historiker noch erfragen. Schwangerschaftsabbrüche konnte der geistliche Dorfrichter als Kindstötungen nicht mehr ahnden. Das war dann schon Sache der oberen Gerichte in Büdingen oder Gießen oder Darmstadt

Dieses Bild entstand bereits im Garten des Pfarrhauses in Großen Buseck bei Gießen ca. 1903von links nach rechts stehend: Sohn Herrmann, Pfarrer Heinrich Barth, seine Frau Elisabeth-Sophie geb. Philippi (aus der Friedberger Kaufmannsfamilie), Sohn Gustav-Adolf, Sohn Max. – mittlere Reihe sitzend: Tochter Hilde, Tochter Erika (das Nesthäkchen, mit einem von Geburt an verkrüppelten Arm), Tochter Dora – in der Mitte sitzend: die Zwillinge Hans und Heinrich Barth (mein Vater), Sohn Franz fehlt auf diesen Bild. Möglicher Weise war er als Ältester schon bei der Reichswehr. Der älteste Sohn Franz und die ältesten Töchter Hilde und Dora könnten noch in Haingründau geboren worden sein.

Bisher noch nicht ganz klar, wann der Vikar Heinrich Barth sein Vikariat in Haingründau erfolgreich beenden konnte ud wann er Haingründau verließ und ob er zwischen Haingründau und Großen-Buseck noch eine weitere Pfarrstelle erhielt.

Franz Barth (eventuell schon Offizier), Gustav-Adolf Barth, Herrmann Barth (ca. 1913/Anfang 1914), alle drei Theologen wie auch der vierte, Max Barth. Die vier wurden hurrah-patriotisch-evangelisch vom Vater in den Krieg geschickt, den Erbfeind immer fest im Blick

Grabstein in Großen-Buseck. Das mit dem Vaterland ist etwas verlogen, denn die vier hatten von ihrem Vater und auch vom Großvater nicht ein einziges Stückchen Land geerbt. Eigentlich waren es -wie ihr Vater schon- „vaterlandslose Gesellen“.

Das Scheckensregiment des „Richters Gnadenlos“ herrschte auch in der Familie. Wer die Verfilmung eines solchen Terror-Regimes ansehen möchte, muss sich „Das weiße Band“ ansehen. Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte – Wikipedia

Mein Vater ergriff noch als Gymnasiast die Flucht aus dem Elternhaus, wenigstens während der Ferien zu seinem Onkel nach Lonsheim, „zum Unkel“ nach Rheinhessen und arbeitete dort auf dem Hof als Aushilfsknecht. Seine Aufgabe war u.a. das Schweinestall-Ausmisten. „Wenn sich die Schweine dann ins frische Stroh legten, legte ich mich dazu zur Sau, die schupperte sich an mir und ich mich an ihr. Das war für mich wie im Paradies. Ich habe mich da wirklich sauwohl gefühlt!“

Gerade 18jährig wollten die Zwillingsbrüder Hans und Heinrich Barth keine Theologie studieren sondern Heinrich Landwirtschaft und Hans Forstwirtschaft. Da winkten über den „Wingolf“ und die adeligen Pfarr-Patrone und Gutsbesitzer langfristig sichere Stellungen.

Doch dann kam der Krieg dazwischen und „Richter Gnadenlos“ schickte den 19-jährigen Heinrich in den Krieg nach Verdun gegen den Erbfeind, auch um dort nach seinen vier vermissten Brüdern zu suchen: „Du kommst mir nicht wieder ins Pfarrhaus ohne Deine Brüder!“. Als er schwerverletzt durch den Sturz seines Pferdes aus dem Lazarett ohne seine Brüder doch nachhause kam, erließ der „Richter Gnadenlos“ ein Gebot: „In diesem Hause wird nicht mehr gelacht!“

wird fortgesetzt

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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