China: Die neue „Weltmacht“ tickt anders

Dazu bestens passend: Statt Baerbock-Belehrung: Wo Deutschland und China gemeinsam die Zukunft bauen (berliner-zeitung.de)

China: Die neue „Weltmacht“ tickt anders

Wolfram Elsner ( in Hintergrund 9/10-23)

Die aufscheinende multipolare Weltordnung ist eng verbunden mit dem Wiederaufstieg Chinas. Entgegen der westlichen Erzählung strebt Peking keine neue globale Hegemonie an, sondern eine neuartige Re-Globalisierung.

China kann heute nicht ohne seine jahrtausendealte hochkulturelle Geschichte beurteilt werden. Der Anteil Chinas am Welt-Sozialprodukt (SP) betrug während der Song-Dynastie (960–1279) 40 Prozent, und noch 1820, unmittelbar vor dem Einfall der europäischen „Barbaren“, ein knappes Drittel.

Die eurasische Pax Sinica in Zentral-, Ost- und Südasien bis nach Vorderasien und Ostafrika währte 1500 Jahre, eine Zeit ohne nennenswerte Kriege in dieser Großregion, ohne Länder- und Völkervernichtungen und auch ohne Rassismus, der erst im Europa des 19. Jahrhunderts „erfunden“ wurde (wenn man vom europäischen Antisemitismus seit dem Mittelalter absieht). Sie kam auch ohne Sklaverei aus, anders als die europäische Antike, und ohne bäuerliches Leibeigentum, anders als das europäische Mittelalter. Eine handelsorientierte Kultur. Und auch die Expeditionen der gigantischen Drachenflotten dienten überwiegend der Handelsvorbereitung. Dabei war Zentralasien, namentlich entlang der entstandenen Alten Seidenstraßen und deren großen Handelszentren, immer multikulturell und multireligiös.

Nach dem Ende des „Jahrhunderts der Demütigung“ 1949 wurde China als zerschlagenes und ausgeplündertes Land hinterlassen, mit Dutzenden Millionen Toten und kranker Bevölkerung durch das Opium, das Groß-(Dealer-)Britannien in das Land hineingedrückt hatte, und mit noch 4,6 Prozent Anteil am Welt-SP (1950). In 110 Jahren war China vom reichsten Land zu einem der ärmsten Entwicklungsländer degradiert worden. Nach Hungersnöten und einer verheerenden „Kulturrevolution“ waren es 1980, am Beginn von „Reform und Öffnung“, noch 2,3 Prozent Welt-SP-Anteil.

„Abhängigkeit“ & „Bedrohung“?

Heute wird die „freie“ (neoliberal-hegemonial-kapitalistische) Welt angeblich durch einen Wiederaufsteiger bedroht, der uns alle „abhängig“ machen will: 2022 hatte China einen Anteil am Welt-SP von 18,9 Prozent, bei einem Weltbevölkerungsanteil von 18,5 Prozent. Chinas Anteil an den weltweiten Exporten ist dabei sogar unterdurchschnittlich: 15,5 Prozent. Exportanteil zu Bevölkerungsanteil: 0,8. Die Zahlen für die USA: Bevölkerungsanteil 4,3 Prozent, Exportanteil 7,9 Prozent, Faktor 1,8. Für Deutschland: 1,1 Prozent zu 7,3 Prozent, Faktor 6,6.

Wer also macht hier wen abhängig von seinen Gütern, entsprechenden Krediten, Kapitalexporten, seiner Währung – und am Ende seinen „Werten“? China hat das riskante „Exportweltmeister“-Modell schon vor zehn Jahren offiziell aufgegeben und überlässt dieses gefährliche, falsche und nicht nachhaltige Modell dem exportdrogenabhängigen Deutschland, das offenbar strukturell nicht anders kann.

Und es wäre geradezu unnatürlich, wenn ein Land nicht einen Welt-SP-Anteil entsprechend seinem Bevölkerungsanteil hätte. China wird als hocheffektives, innovatives, aufstrebendes Land den Anteil am Welt-SP allerdings noch erhöhen. Es werden keine 40 Prozent mehr, aber wir sind offenbar auf dem Weg zurück zu einer jahrtausendealten historischen Normalität. Also: Westen, bitte entspannen! Realitäten akzeptieren statt Abstiegshysterie!

„Entwicklungsland“, „Süd-Süd“ & außenpolitische Prinzipien Chinas

Nur vor dem historischen Hintergrund ist Chinas heutiges internationales Selbstverständnis Chinas zu verstehen: Das Land versteht sich immer noch als größtes Entwicklungsland, obwohl es inzwischen in die Gruppe der Länder mit „oberem mittlerem Einkommen“ (lt. Weltbank) eingetreten ist. Sein Pro-Kopf-SP (nominal) liegt mit etwa 13.000 US-Dollar im Jahr aber immer noch unter dem weltweiten Durchschnitt.

Die chinesische Außenpolitik seit 1949 versteht sich daher als antihegemonial und multipolar; es werden multilaterale statt exklusiver Abkommen geschlossen, und das Land ist integraler Teil der Süd-Süd-Kooperation. Fast alle internationalen chinesischen Initiativen sind zudem in die UNO integriert, und dort dominiert bei Abstimmungen der globale Süden. Exemplarisch steht für das alles die Tatsache, dass seit 30 Jahren die erste Reise des chinesischen Außenministers im Jahr nach Afrika führt.

Das außenpolitische Prinzip der Friedlichen Koexistenz bedeutet die nationale Souveränität und territoriale Integrität aller Länder, die strikte Nichteinmischung, Nicht-(Erst-)Angriff, die Entwicklung von Win-win-Kooperationen. All das ist heute explizit in die neuen internationalen Organisationen wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit SCO (Shanghai Cooperation Organization), die BRICS oder das ostasiatische Freihandelsabkommen RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) integriert. China hat eine starke Friedens- und Nichtangriffsverpflichtung mit Verfassungsrang. Und die SCO bekräftigt seit 2001: Unsere Mitglieder werden niemals zuerst Atomwaffen einsetzen! (Man vergleiche die strategischen Leitlinien der NATO mit ihrem „präemptiven“ Ersteinsatz von Atomwaffen.)

Und die ständig betonten „chinesischen Charakteristika“ bedeuten übersetzt: Unser System gilt nur für uns und ist kein Exportprodukt! Anders als das eurozentrierte Denken: eben traditionelles asiatisches Denken.

Südchinesisches Meer & Pazifik-NATO

Für das Südchinesische Meer gibt es inzwischen zahlreiche regionale Konfliktlösungsformate zu den umstrittenen Inseln und Atollen sowie zur Malakka- und Taiwan-Straße. Von Verhandlungen zwischen China und Vietnam, die sich generell deutlich annähern, sowie China und Indonesien ist international (selten aber bei uns) zu lesen. Multilateral und regional integrierend wirken dabei auch RCEP und ASEAN.

Aber die Einmischungen von außen sind massiv. Die USA glauben, die Freiheit der Meere mit Flugzeugträgerflotten statt mit faktischem Handelsverkehr „sichern“ zu müssen, obwohl sie das Internationale Seerechtsabkommen selbst gar nicht unterzeichnet haben. Ganzjährige Militärmanöver der NATO vor den Küsten Chinas und 250 US-Militärbasen um China herum sind bei der Bewältigung regionaler Probleme durch die Beteiligten selbst zweifellos nicht förderlich. Die USA kreisen China aber auch mit ihren NATO-Töchtern wie QUAD und AUKUS ein.

Dazu kommt das Kriegsgeschrei des hysterisch hochgekochten Washingtoner Politzirkus: „In zwei Jahren (2025) sind wir im Krieg mit China!“ Wieso eigentlich erst in zwei Jahren?

Internationale diplomatische Initiativen Chinas

Internationale diplomatische Initiativen Chinas sind hierzulande weitgehend unbekannt: die Globale Entwicklungsinitiative GDI, die Globale Sicherheitsinitiative GSI oder die Globale Zivilisationsinitiative GCI, alle im Rahmen der UN installiert, mit jeweils mehr als 100 beigetretenen Ländern. China initiierte auch schnell eine zentralasiatische „C+C5“-Aufbaukonferenz mit allen Nachbarländern für Afghanistan, die die schlimmste Hungersnot dort verhindert hat und das Land wieder mit Zentralbankreserven ausstattete, die die USA dem Land gestohlen haben (neun Milliarden US-Dollar). Bekannt wurden durch unsere Medien immerhin die Versöhnungsinitiative Iran – Saudi-Arabien und die Ukraine-Friedensinitiative, an der heute auch andere Länder mitarbeiten.

Seit 2015 gibt es die chinesische Initiative „Global Energy Development and Cooperation“ in der UNO, seit 2020 den chinesischen Süd-Süd-Kooperations-Fonds, aufgehängt beim „High-Level Political Forum“ der UN, ferner einen chinesischen Klimafonds für die ärmsten Länder und seit 2021 (COP 15 in Kunming und Montreal) den chinesischen „Kunming-Biodiversitätsfonds“ für den globalen Süden.

Zahlreiche UN-Organisationen veranstalten internationale Reisen von Staatspräsidenten, Ministern und Journalisten nach China, zum Beispiel zu den riesigen neuen Waldgebieten als Maßnahme gegen die Wüstenbildung, zur Armutsbekämpfung und nach Xinjiang zum Thema Minderheitenpolitik und Berufsbildungsoffensive – Letzteres mit Lob vor allem von islamischen Staaten und auch der Weltbank, die seit 2017 die Berufsbildungsprogramme in Xinjiang fördert.

Die Neuen Seidenstraßen

Die Neuen Seidenstraßen (Belt and Road Initiative – BRI) sind der mit Abstand größte und am besten eingebettete, begleitete, analysierte und evaluierte Projektverbund der Welt. Zahlreiche internationale Institute, vor allem auch US-Universitäten, sind in die BRI involviert und bei der chinesischen Regierung an den internationalen Beratungs- und Bewertungsstrukturen beteiligt, so die Boston University (deren Global Development Policy Center – GDPC), die Johns Hopkins University (JHU), das World Resources Institute (WRI), die Carnegie Foundation, die Rhodium Group oder das australische Lowy Institute, die als Konsortium (GDPC/JHU/WRI) vermutlich die größte Datenbank der Welt dazu aufgebaut haben, zum Beispiel zu über 3000 Infrastrukturprojekten. Deren zweiwöchentliche Newsletter stellen ständig wertvolle Analysen bereit. Hierzulande alles unbekannt.

Die Transparenz, Begleitung und Evaluierung finden aber auch über kontinuierliche, meist zweijährliche multilaterale kontinentale Begleitgremien der beteiligten Länder statt. Da gab es das nun aus geopolitischen Gründen eher zurückgefahrene europäische Format „16+1“ (später „19+1“), für Afrika das Forum for China-Africa Cooperation (FOCAC), für Lateinamerika und die Karibik das CELAC und für die zentralasiatischen Republiken die erwähnte „C+C5“, alle mit regionalen Projektfonds ausgestattet. Große BRI-Projekte sind oft auch direkt in UN-Unterorganisationen integriert, die zudem formal Partnerorganisationen der BRI sind. Ein internationaler Beirat des Seidenstraßenforums besteht im Wesentlichen aus westlichen Ex-Ministerpräsidenten.

Die BRI steht mit dem Ziel der „gemeinsamen Entwicklung“ und des „gemeinsamen Wohlstands“ in der chinesischen Verfassung. Ihre Form sind Staatsverträge. Davon gibt es inzwischen über 215. Infrastrukturinvestitionen sind der Schwerpunkt. Inzwischen gibt es mehr als 150 Partnerländer, die mehr als 75 Prozent der Weltbevölkerung umfassen, und mehr als 40 internationale Partnerorganisationen. Die Weltbank und andere Institute analysieren regelmäßig, wie stark die BRI den Welthandel und das Welt-SP erhöht.

Wie Chinas außenpolitisches Prinzip der Nichteinmischung auch hier wirken kann, spiegelt sich in folgender Bewertung durch das GDPC im März 2022 wider:

„Die chinesischen außenpolitischen Prinzipien der friedlichen Koexistenz und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten (country systems approach) nehmen in Kauf, dass manchmal schwache Institutionen in den Gastländern der chinesischen Investitionen und Kredite zu Ineffektivitäten führen. Die Öko-Standards chinesischer Investitionen im Ausland erreichen daher nicht immer das Niveau, das in China herrscht … China sollte hier mehr strukturierend eingreifen … einen Mittelweg finden.“

Wenn US-Universitäten China auffordern, in Drittländern stärker einzugreifen, so ist das natürlich ein Schmunzler erster Güte.

Finanzierung & „Schuldenfallen“

Die Finanzierung erfolgt durch Alternativbanken zu IWF und Weltbank: die Asian Infrastructure Investment Bank, die New Development Bank der BRICS, die EXIM Bank, die China Development Bank. Sie geben günstigere und flexiblere Kredite ohne politische Bedingungen.

Laut der JHU wurden 2021 im Rahmen der BRI mehr als 840 Milliarden US-Dollar investiert, in mehr als 165 Ländern und in ca. 13.400 Infrastrukturprojekte. Zusammen mit vorhandenen Fondsbeständen wurden mehr als 5 Billionen US-Dollar investiert oder investierbar bereitgestellt. Gemessen an den chinesischen Währungsreserven könnten über die Hebelungen der Zentralbank und der Entwicklungsbanken längerfristig vermutlich 15 bis 20 Bio. USD mobilisierbar sein.

China hat 2020 wegen Corona Schuldenerlasse und Umschuldungen mit 70 Ländern durchgeführt. Die JHU sagt dazu: „Keine Anlageobjekte wurden in diesem Zusammenhang angeeignet.“ Und das GDPC sagt: „Den Schulden stehen höhere geschaffene Vermögenswerte der Zielländer gegenüber.“ Es sieht weder in Afrika noch in Lateinamerika chinesische „Schuldenfallen“. Zu Lateinamerika heißt es zum Beispiel: „China has not taken draconian action against countries unable to repay their Chinese debt.“ (GDPC 29.3.22)

Von 2000 bis 2019 hatte China auch in Afrika mehr als 5 Milliarden US-Dollar Schulden erlassen oder gestreckt. Eine gemeinsame Studie des GDPC, der Londoner SOAS und der Freien Universität Berlin kam jüngst zu dem Ergebnis:

„China spielt eine verantwortungsvolle Rolle, indem es eine Krisenfinanzierung bereitstellt für Länder, die anderenfalls keine attraktive Finanzierung hätten … Chinas Umschuldungen korrigieren die Ungleichheiten des Umschuldungssystems der westlichen Zentralbanken … während die USA/IWF ihre Finanzierungshilfen nur an Partner mit engen Wirtschaftsbeziehungen und nach geopolitischen Interessen vergeben … Chinesische Umschuldungen sind eine Alternative zu den unattraktiven IWF-Programmen … Das westliche Umfinanzierungs-Netz wirkt ungleich, spalterisch und von Geopolitik getrieben …“ (chinaglobalsouth.com 11.4.23).

China in Afrika

Im Rahmen des FOCAC, das schon seit 2000 existiert und alle Länder Afrikas als Mitglieder umfasst, hat sich der Handel bis 2021 verzehnfacht; es wurden 6000 Kilometer Schienen, 20 Häfen und 80 Kraftwerke neu gebaut. Reports der Unternehmensberatung McKinsey sprechen von einer „erstmaligen grundlegenden Industrialisierung Afrikas“, „neuen, angepassten Technologien“ (zum Beispiel einfache, billige Handys für Kleinstunternehmer), die „lokales Kapital entwickeln.“

Chinesische Unternehmen in Afrika engagieren lokale Zulieferer, mehr als 80 Prozent der Beschäftigten sind lokale Arbeitskräfte. Hochgerechnet waren laut McKinsey bereits 2019 zehn Millionen Afrikaner in chinesischen Unternehmen beschäftigt, zwei Drittel der chinesischen Unternehmen machen Aus- und Weiterbildungen für Afrikaner, das Führungspersonal ist zu 44 Prozent afrikanisch. Für kleinere und mittlere Unternehmen aus China gibt es seit jeher Verhaltensrichtlinien der chinesischen Regierung. Etwa 500.000 Afrikaner studieren in China und mehr als 200.000 haben schon einen chinesischen Studienabschluss.

„Land Grabbing“? China befindet sich tatsächlich auf Platz 19 der nichtafrikanischen Länder mit Landbesitz in Afrika, mit geringfügigem Landbesitz, weit hinter den Hauptländern des Westens, USA, Großbritannien, Singapur, Niederlande, Indien, Japan, Südkorea sowie Saudi-Arabien (landmatrix.org 2019).

Eine große Mehrheit der Afrikaner sieht einen positiven Einfluss Chinas in Afrika, zum Beispiel weil man „auf Augenhöhe“ miteinander umgeht (zum Beispiel Afrobarometer 2019). Asfa-Wossen Asserate (Neffe des äthiopischen Kaisers Haile Selassie) sagte kürzlich:

„China stellt die territoriale Einheit der afrikanischen Länder nicht infrage, hat nie Soldaten sondern medizinisches Personal geschickt und Befreiungsbewegungen unterstützt … (sie) haben das Leben der Afrikaner verbessert, bauen Straßen, Flugplätze, Wasserkraftwerke, Häfen, Mobilfunkanlagen …“ (Neue Zürcher Zeitung 12.4.2023).

China in der EU & in Deutschland

Stellungnahmen von Gewerkschaften und Unternehmensverbänden sowie Universitätsstudien wie die der Ruhr-Universität Bochum im Jahr 2020 hatten stets die Verlässlichkeit der chinesischen Investitionen betont, ebenso die Arbeitsplatzsicherung, das langfristige Engagement, auch bei geringen Renditen, die „Aufwertung der Unternehmen“ und die kulturelle Einfügung in die deutsche Betriebsverfassung.

Aber die „Industriepolitik“-Verordnungen Deutschlands und der Europäischen Union (EU) sind zunehmend politisiert, protektionistisch und selektiv gegen chinesische Investitionen gerichtet worden. Die Trump’sche Forderung nach Entkopplung wird hier politisch umgesetzt, und chinesische Investitionen in Deutschland und der EU gingen in der Tat seit 2018 drastisch zurück.

Neuerdings richtet sich der bürokratisch-autoritäre Staatsinterventionismus (vor allem durch von der Leyen und Habeck) auch gegen westliche Investitionen in China: Komplette Investitionsverbote werden vorbereitet. Die deutsche Industrie schützt sich nun gegen Dirigismus und mögliche Sanktionen aus Berlin und Brüssel dadurch, dass sie einen von deutschen Zulieferern abgekoppelten und z. T. rechtlich verselbstständigten, quasi-autarken deutschen Wirtschaftsraum in China mit chinesischen Zulieferern aufbaut. Die wichtigsten Zulieferer der deutschen Konzerne bauen als Reaktion darauf nun selbst auch große Produktions- sowie F&E-Stätten in China auf.

Handel auf der China-Europa-Bahntrasse: Seit Beginn der Zugfahrten 2009 sind ca. 50.000 Containerzüge auf jetzt 78 Zugstrecken zwischen China und Europa gefahren, in heute 180 Städte in 23 europäischen Ländern. 2014 waren dies noch 25.000 Container, 2017 schon 145.000, 2021 1,5 Millionen. Allein im Jahr 2021 fuhren 15.000 Züge nach Westeuropa, vor allem zum Binnen-Hub Duisburg und weiter nach Rotterdam, Hamburg, Mannheim, Paris oder Madrid. Das sind rechnerisch 1,7 Züge pro Stunde mit je 100 Containern und einem Gesamtwarenwert von 75 Milliarden US-Dollar (2021). Die 11.000 Kilometer werden in zehn Tagen zurückgelegt, kontaktlos, versiegelt, ohne größere Grenzaufenthalte, da mit GPS-Trackern ausgestattet. Sie ersetzen Flugzeug und Dieselschiff und fahren inzwischen auch fast voll beladen mit deutschen Produkten wieder zurück. Die Deutsche Bahn (DB) macht hier mit Cargo endlich einmal Gewinn! Für die DB ein „Key-Effekt für die EU-Bahnindustrie“, wie ein DB-Vertreter sagt. Und er rechnet vor, dass hier 95 Prozent weniger CO2 als bei Luftfracht und 80 Prozent weniger als beim Lkw-Transport entstehen.

Ein Zitat eines der wenigen guten China-Kenner hierzulande könnte insgesamt zur Entspannung der westlichen Parteien- und Polithysterie beitragen. Der jahrzehntelange China-Korrespondent Wolfgang Hirn fordert Rationalität:

„Wir wollen uns offenbar nicht die Mühe machen, China auch nur annähernd zu verstehen … Das gilt v. a. für die deutsche Politik … Es soll wichtige Minister und Abgeordnete geben, die noch nie in der VR China waren, aber meinungsstark das Land be- und verurteilen … Statt ihre angelesene Meinung mit der chinesischen Wirklichkeit zu konfrontieren, fliegen manche von ihnen lieber nach Taiwan. Kann man machen, aber auch Beijing hat einen Flughafen.“ (ChinaHirn 30.1.23)

Ausblick zu globalem Wandel, Diplomatie & Völkerrecht

Bei SCO und BRICS stehen die Beitrittskandidaten und ständigen Beobachter Schlange. Jeweils mehr als 20 Länder sollen inzwischen interessiert sein. In Südafrika werden auf der BRICS-Konferenz im August 2023 vermutlich Argentinien, Iran und Saudi-Arabien aufgenommen.

Zu Beginn der russischen Intervention in den Ukraine-Krieg evakuierte China 8000 Chinesen aus der Ukraine, was weitgehend unbeachtet geblieben ist. Die meisten waren am Bau von Infrastrukturen einer Nord-Süd-Spange zwischen der nördlichen (Moskau) und der südlichen (Türkei) Haupttrasse der Neuen Seidenstraßen beschäftigt, die zentral durch die Ukraine führen sollte. Kritischen Beobachtern ist aufgefallen, dass nun nicht nur jede eurasische Kooperation auf Generationen hinaus unmöglich gemacht wurde (der angelsächsischen geopolitischen Maxime seit John Mackinders Heartland-Theorie 1904 folgend), sondern Kriege auch oft dort „entstehen“, wo die Seidenstraßen entlanglaufen und Eurasien integrieren könnten.

„Next stop is“ Taiwan? Historisch wurde Taiwan seit 20.000 v. u. Z. vom Festland aus besiedelt, im 1. Jahrtausend v. u. Z. übernahm das chinesische Zhou-Königreich die Insel, später kamen auch noch Polynesier. Seit dem 17. Jahrhundert, dem Beginn der mandschurischen Qing-Dynastie, gehörte Taiwan kontinuierlich politisch zum Festland. Der US-Außenminister hat nach seinem Besuch in Beijing im Juni 2023 immerhin die Ein-China-Politik bekräftigt, ebenso die UN-China-Resolution 2758 von 1971 sowie das US-China-Shanghai-Abkommen von 1972. Innenpolitisch ist Taiwan gespalten zwischen der US-orientierten, sozialdemokratisch-antikommunistischen DPP und der neuen alten konservativen Guomindang, die nicht nur weiter die Ein-China-Politik verfolgt, sondern auch die Kommunalwahlen 2022 gewonnen hat und die nationalen Wahlen 2024 gewinnen dürfte. Eine repräsentative Umfrage Ende 2022 ergab, dass mehr als 80 Prozent der Taiwanesen am Status quo festhalten möchten, von dem sie als Inländer auf dem Festland bei Reisen, Einkäufen und Investitionen profitieren.

Die Welt wird kein Zurück zu einem alles beherrschenden Hegemonialsystem mehr zulassen. Die westliche Abstiegspanik, und nichts anderes ist die bisherige gesteigerte Aggressivität, ist dabei völlig abwegig. Ein Wettbewerber im Markt, der Marktanteile verliert, holt auch nicht die Kalaschnikows aus dem Schrank und geht zum Headquarter des Wettbewerbers, um es zusammenzuschießen. Normal wäre, die eigene Strategie zu überdenken und sich unter neuen Marktbedingungen neu zu erfinden.

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Und damit nicht Alles so bierernst reinheitsgebietend daherkommt, HaBE ich hier etwas Satire zum Thema beigetragen, wobei zuvor angemerkt werden muss, dass CORONA eine Mexikanische Biermarke ist. Das älteste chinesische Bier wird nach deutschem Reinheitsgebot seit über 110 Jahren in der ehemaligen deutschen Kolonie Tsingtau gebraut und wird heute auch in Deutschland getränke-gehandelt:

corona 165: Mit TEMPO die CORONA-Pandemie bekämpfen – barth-engelbart.de

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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