Diese Anweisung muss nicht weiter kommentiert werden, sie spricht für sich selbst und ihre Verfasser. Trotzdem möchte ich die Einleitung der Schweizer Kollegen voranstellen, die mir diese ARD-Anweisung zugänglich gemacht haben:
In den vier Monaten des Gaza Krieges sind mit mittlerweile gut 10‘000 Toten Zivilisten mehr unschuldige Opfer unter dem alttestamentarisch unbarmherzigen Bombardement der israelischen Luftwaffe gestorben als in den bald zwei Jahren seit Beginn des Ukrainekrieges. Westliche Kriegstreiber blockieren zudem einen Waffenstillstand im Gazastreifen, was zu unerhörten völkermörderischen Zuständen für die zwei Millionen Bewohner dieses Freiluftgefängnisses führt.
Mit jedem weiteren Krieg der Goldenen-Milliarde (Putin) gegen den grossen Rest der Welt verschlechtert sich die Situation auch bei uns, was in einer zusehends lähmenden Zensur zum Ausdruck kommt:
Natürlich werden Hamas-Kämpfer als Terroristen bezeichnet, um ja keinen Gedanken aufkommen zu lassen, dass sie in den muslimischen Ländern sowie auch in Russland und China usw. als Kämpfer oder Freiheitskämpfer bezeichnet werden:
Anhang: Im „Glossar Berichterstattung Nahostkonflikt. Zur internen Nutzung. Stand 18.10.2023“ zuhanden der Redakteure der deutschen ARD wird eine umfassende Regelung der Begriffe der Berichterstattung zu den Geschehnissen um Gaza vorgegeben.
Abgesehen von der Tatsache, dass neben den Hebräern auch Araber, also auch die Palästinenser, Semiten sind, wird nun so getan, als sei ein aufkommender Antisemitismus das Hauptproblem und nicht die Verweigerung der zwei Staaten Lösung durch Israel, das die völkerrechtswidrige Annexion ganz Palästinas anstrebt.
Glossar besteht NUR aus Zitaten aus bestehenden Quellen.
Die Quelle ist immer ÜBER dem Zitat kenntlich gemacht, inklusive Link und Datum.
Informationen sind nur gedacht als grobe Handreichung, KEIN Anspruch auf Vollständigkeit, ggf. sind Aktualisierungen nötig je nach Konfliktentwicklung.
Informationen aus dem Lexikon der ARD-Begriffsdatenbank sind blau unterlegt, quasi als interne Quelle.
Informationen zu speziellen Quellen, die keine Nachrichtenmedien sind:
Antisemitismusbekämpfung ist es, ein bundesweites Meldesystem zur Erfassung antisemitischer Vorfälle zu schaffen, insbesondere auch von Fällen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Für dieses, in Kooperation mit den Ländern, zivilgesellschaftlich getragene Projekt wurde im Oktober 2018 der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Bundesverband RIAS) e.V. in Berlin gegründet. Er wird mit Haushaltsmitteln des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen
Antisemitismusgefördert, der auch die Schirmherrschaft übernahm. Für die kommenden Jahre ist eine Förderung aus Mitteln des Programms
„
Demokratie leben“ des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie des Beauftragten vorgesehen.
Während über den Aufbau von Meldestellen vor Ort die einzelnen Länder selbst entscheiden, soll der Bundesverband RIAS den Aufbau eines solchen Meldesystems unter Berücksichtigung einheitlicher Standards unterstützen und begleiten. Ziel ist es, mit einheitlichen Kategorien eine Vergleichbarkeit bundesweiter Daten zu schaffen und so das Dunkelfeld besser auszuleuchten. Die so gewonnenen Erkenntnisse können das polizeiliche Lagebild ergänzen und helfen, ein möglichst realitätsnahes Bild der Entwicklung von Antisemitismus in Deutschland zu erhalten. Das Melden antisemitischer Straftaten auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze soll für die Betroffenen erleichtert werden. Die bundesweit einheitliche Erfassung der gemeldeten Fälle geschieht über das
„Ziel der Amadeu Antonio Stiftung ist es, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Den Herausforderungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit setzt sie Aufklärung, Sensibilisierung sowie Beratung und Förderung von lokalen Initiativen entgegen. Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt so
deutschlandweit Projekte in den Bereichen
demokratische Jugendkultur, Schule, Opferschutz und Opferhilfe, kommunale Netzwerke etc. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Arbeit gegen Hate Speech und Toxic Speech im Internet mit Monitoring-
,
journalistischen und pädagogischen Ansätzen. Die
Amadeu Antonio Stiftung ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen und hat die Selbstverpflichtung der Initiative Transparente Zivilgesellschaft unterzeichnet.“
Belltower.News ist eine News-Plattform für digitale
Zivilgesellschaft. Sie beschäftigt sich mit
Rechtsextremismus, Antisemitismus, den Facetten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und ihren Strategien und Argumentationsmustern. Außerdem mit digitaler Gewalt und Kommunikationskultur. Es geht um Fragen des konstruktiven Streitens, der Haltung und die Auseinandersetzung mit vielfältigen Antworten aus dem gesamten demokratischen Spektrum auf Rechtspopulismus und Rassismus.“ „Die ARD-Begriffsdatenbank wird vom WDR als anstaltsübergreifendes Sprachforum angeboten. Es soll der Debatte dienen über den Umgang mit Begriffen und der Wortwahl in unserer
ARD- Begriffsdatenbank
Berichterstattung. Die BDB fasst in thematisch geordneten Beiträgen Ergebnisse dieser Diskussionen zusammen. Über die Kommentarfunktion bleiben die Debatten stets für Anregungen geöffnet. Alle Einträge haben empfehlenden Charakter, sollen Perspektiven zur Reflexion aufzeigen und zur sprachlichen Präzision und Qualität in unserer Berichterstattung beitragen. Kein Eintrag ist bindend oder stellt eine Vorschrift dar.“
Wie macht es die Tagesschau? (E-Mail-Auszüge, 9.10.2023)
„
(…) nach unserem Austausch in der 10:30 Uhr heute noch mal ein Blick auf die Formulierungen in
der Berichterstattung über Nahost. Wie bereits gestern geschrieben, müssen wir das von Tag zu Tag anschauen, beispielsweise ob und wie wir das Wort „Krieg“ verwenden. Heute gibt es diese Hinweise und Bitten:
Wir sprechen weiterhin von „Angriff/en aus Gaza auf Israel“ oder „Terrorangriff/e auf Israel“. Es kann aber auch „Krieg gegen Israel“ verwendet werden.
Was unbedingt vermieden werden muss, sind Worte wie „Gewaltspirale“ – und auch „Eskalation in Nahost“ beschreibt die aktuelle Lage seit Samstag nicht ausreichend. Die Situation ist komplexer.
Bitte passt auch auf wie wir das Wort „Angriff“ genau verwenden: In dieser Situation sind es
„
Gegenangriffe von Israel auf Gaza“. Es ist verkürzt zu sagen oder schreiben „Angriffe auf Israel und
Gaza“.“
(…)
„
Als Reminder zudem die Rundmail von gestern:
Unsere AG Sprache beschäftigt sich in diesen Tagen noch mal intensiv mit Begriffen und Beschreibungen zur Nahost-Berichterstattung. Das Team macht das netterweise gerade in und zwischen den Schichten. Deshalb ist das erstmal eine schnelle Übersicht, die XXXX (Name anonymisiert) gerade übermittelt hat. Und sie hilft uns schon mal sehr weiter! Bitte alle, die bei uns schreiben und oder moderieren einmal die Beispiele unten durchlesen. Damit vermeiden wir Missverständnisse oder Fehler. Außerdem bei Übernahme von Agenturtexten bitte genau überlegen, ob die Formulierungen von dpa und Co. korrekt sind. Die Kolleginnen und Kollegen machen auch nicht immer alles richtig…“
(…)
„Hamas-„Kämpfer“ bitte vermeiden!
Wie bereits von der Chefredaktion festgelegt, sollten wir nicht euphemistisch von Hamas- Kämpfern“, sondern von Terroristen schreiben und sprechen. Als Synonyme bieten sich „militante
„
Islamisten“, „militante Palästinenser“. „Terrormiliz“ oder ähnliches an.
Die antisemitische Hamas wird international weitgehend als terroristische Organisation eingestuft. Auch unterscheidet die Hamas – im Gegensatz zur israelischen Armee – in ihren Aktionen nicht zwischen militärischen Zielen und Zivilisten. Erklärtes Ziel der Hamas ist vielmehr die „Vernichtung Israels“. Dazu bedient sie sich terroristischer Mittel, etwa durch das Verüben von Anschlägen, wahllosen Raketenbeschuss und ähnliches.
Gleiches gilt für Mitglieder des „Islamischen Dschihad“, die an dem Hamas-Angriff beteiligt sind.
Die Hamas ist klar islamistisch ausgerichtet – ihr Ziel ist die Errichtung eines islamischen Staates. Dieses Ziel teilen aber auch islamistische Organisationen, die nicht auf Terror setzen – etwa die Muslimbrüder in Ägypten oder die Ennahda-Partei in Tunesien. Die Hamas dagegen will dieses Ziel mit Gewalt durchsetzen. Wir empfehlen daher die Begriffe „militant-islamistisch“ oder „militante Islamisten“. Den Begriff Islamisten solo zu setzen, ist aber nicht falsch.
Bitte die „Gewaltspirale“ vermeiden
Die Floskel sagt wenig aus und geht in der Regel an den Realitäten vorbei. Im aktuellen Fall hat die Hamas Israel überraschend angegriffen – wir sollten daher auch vom „Hamas-Angriff auf Israel“ oder vom „Angriff auf Israel“ sprechen und schreiben.
Aktion und Reaktion
Mit der mutmaßlichen harten Reaktion der israelischen Armee wird sich in den kommenden Tagen der Fokus und damit auch unsere Berichterstattung auf den Gazastreifen und das Leid der dortigen Bevölkerung verschieben. Wir sollten dabei aber nicht ausblenden, dass die Hamas den aktuellen Konflikt begonnen hat.
Wer greift was an?
Die israelische Armee fliegt als Reaktion Angriffe im Gaza-Streifen. Ziele waren in der Vergangenheit stets militärische Einrichtungen der Hamas. Oft sterben dabei viele Zivilisten – die Hamas nutzt diese oft als menschliche Schutzschilde. Dennoch sollten wir stets klarmachen, dass es sich in der Regel um Angriffe auf militärische Ziele handelt.
In diesem Zusammenhang sollten wir auch auf die immer wieder auftauchenden euphemistischen
„
Luftschläge“ verzichten. Es handelt sich um Angriffe mit Raketen und Kampfjets.“
Quelle: ARD Begriffsdatenbank (Stand 11.Oktober 2023) Hamas ist ein Akronym und steht ausgeschrieben für „Harakat al-Muqawama al-Islamiya“. Im
„
Deutschen bedeutet dies übersetzt in etwa „Bewegung des islamischen Widerstands“. Den militärischen Arm der Hamas bilden die „Quassam-Brigaden“. Die Hamas wurde am 10. Dezember 1987 gegründet und ging aus der „Muslimbruderschaft“ hervor.
Die Hamas wird international weitgehend als terroristische Organisation eingestuft, unter anderem von den USA, der EU und Großbritannien. Auch unterscheidet die Hamas – im Gegensatz zur israelischen Armee – in ihren Aktionen nicht zwischen militärischen Zielen und Zivilisten. Erklärtes Ziel der Hamas ist die „Vernichtung Israels“. Dazu bedient sie sich terroristischer Mittel, etwa durch das Verüben von Anschlägen, wahllosen Raketenbeschuss und ähnliches. Gleiches gilt für Mitglieder des „Islamischen Dschihad“, die sich an Hamas-Angriffen beteiligen.
Die tagesschau vermeidet den Begriff „Hamas-Kämpfer“ und spricht von Terroristen. Als Synonyme bieten sich „militante Islamisten“, „militante Palästinenser“, „Terrormiliz“ oder ähnliches an.
Die Hamas ist klar islamistisch ausgerichtet – ihr Ziel ist die Errichtung eines islamischen Staates. Dieses Ziel teilen aber auch andere islamistische Organisationen, die nicht ausschließlich auf Terror setzen. Die Hamas will dieses Ziel mit Gewalt durchsetzen. Wir empfehlen daher die Begriffe „militant-islamistisch“ oder „militante Islamisten“. Den Begriff Islamisten solo zu setzen, ist aber nicht falsch.
Im Zusammenhang mit dem Großangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 fällt immer wieder der Begriff „Gewaltspirale“. Wir sehen diesen Begriff kritisch, denn die Eskalation ging hier einzig von der Hamas aus, die Israel angriff, worauf Israel unter anderem mit Luftangriffen im Gazastreifen reagierte. Wir empfehlen daher, vom „Hamas-Angriff auf Israel“ oder vom „Angriff auf Israel“ zu sprechen. Allerdings: Mit Blick auf die gesamte Entwicklung über die Jahre kann sehr wohl der Eindruck entstehen, dass es eine Gewaltspirale gab, wie uns Korrespondent Björn Blaschke erklärte.
(mit Material der AG Sprache bei ARD aktuell, Telefonat mit XXXX (Name nachträglich anonymisiert)
Die UNO spricht nicht von Terroristen, sondern von „bewaffneten Gruppen“. Die Chefsprecherin des UNO-Menschenrechtsbüros, Ravina Shamdasani, sagte am 11.10.23 der Deutschen Presse- Agentur in Genf: „Dies ist eine bewusste Wortwahl. Im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten definiert das humanitäre Völkerrecht den Begriff Terrorismus nicht. Wir sprechen deshalb von bewaffneten Gruppen. Bewaffnete Gruppen sind klar definiert, und sie haben die Verpflichtung, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Die Gewalt zwischen Israel und Gaza passiert im Kontext eines bewaffneten Konflikts und in einer Besatzungssituation. Hamas fällt unter das humanitäre Völkerrecht, weil es als bewaffnete Gruppe Teil des Konflikts ist.“
„Die Fatah ist eine palästinensische Partei. Ihr Name steht für „Harakat al-Tahrir al-Watani al- Filastini“ – “ Bewegung der nationalen palästinensischen Befreiung“. Die Partei wurde 1959 gegründet und gewann nach der israelischen Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens 1967 breite Unterstützung. Zunächst kämpfte die Fatah mit Guerillamethoden gegen Israel, ab den 1980er-Jahren schlug sie diplomatische Wege ein. Diese führten zu den Osloer Verträgen und dem Vorschlag einer Zweistaatenlösung.“
•
„Ihr Führer war lange Zeit Jassir Arafat, der die Fatah mitbegründete. Ihr heutiger Vorsitzender ist Mahmud Abbas, der auch Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde ist. Die Fatah kontrolliert das Westjordanland, die konkurrierende Hamas den Gazastreifen. Im Gegensatz zur Hamas erkennt die Fatah Israel an und strebt eine Zweistaatenlösung entlang der Grenzen an, die nach dem Sechstagekrieg von 1967 festgelegt wurden. Dies würde den Gazastreifen, das Westjordanland und Ostjerusalem als einen möglichen Staat Palästina definieren.“
„Die gemässigte Fatah führt die palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland und war bis 2007 auch im Gazastreifen vertreten. Die Organisation verfolgt laut eigener Verfassung von 1964 das Ziel zur «kompletten Befreiung Palästinas» und die «Gründung eines unabhängigen demokratischen Staates mit vollständiger Souveränität über die palästinensischen Gebiete und Jerusalem als Hauptstadt».“
•
„Die Fatah und die Hamas haben in der Vergangenheit auch Abkommen vereinbart, die eine Versöhnung und Zusammenarbeit zum Ziel hatten. Dies kam jedoch nicht oder nur teilweise zustande. In den vergangenen Jahren büsste die Fatah immer wieder an Rückhalt in der Bevölkerung ein. Die fehlende Führung durch die Fatah nutzte die Hamas jeweils, um sich als wichtigste Verteidigerin der Palästinenser aufzuspielen.“
3
.3 Hisbollah
Quelle: ARD Begriffsdatenbank (Stand 12. Oktober 2023) Hisbollah heißt übersetzt „Partei Gottes“. Sie ist im Libanon beheimatet und dort fest verankert
„
als „Staat im Staat“, indem sie unter anderem Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser betreibt, sowie Ausbildungshilfen und Renten zahlt. Außerdem vertritt sie ihre Anhänger im Parlament als politische Partei. Zudem hat die Hisbollah einen mächtigen militärischen Flügel. Die Hisbollah bezeichnet sich als „Der Widerstand“. Ihr Widerstand richtet sich gegen Israel und auch gegen den IS. Sehr viel deutlicher formulierte Hisbollah-Anführer Nasrallah, seine Organisation werde „die Existenz eines jüdischen Staates generell nicht akzeptieren und bis zur
angestrebten Vernichtung Israels weiterkämpfen“ (Universität New Brunswick, 1999). Im
Unterschied zur Hamas (sunnitisch) ist die Hisbollah schiitisch dominiert. Unterstützt wird die Hisbollah vor allem vom Iran, mit dem sie kooperative Beziehungen pflegt.
Unter anderem die USA, Großbritannien und die Niederlande stufen die Hisbollah
als Terrororganisation ein. Auch die Arabische Liga nahm diese Einstufung vor. Lediglich der militärische Arm der Hisbollah wird seit 2013 von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft. Die Bundesregierung erließ am 30.04.2020 ein Betätigungsverbot für die Hisbollah in Deutschland. Seitdem ist es unter anderem verboten, Kennzeichen der Hisbollah öffentlich, in einer Versammlung oder beispielsweise in Schriften sowie Ton- und Bildträgern zu verwenden.
Entsprechend der Einstufungen können wir mindestens bei den Angehörigen der Miliz von Terroristen sprechen und sie als militant-islamistisch bezeichnen.“
„Ein 365 Quadratkilometer großer Küstenstreifen am Mittelmeer zwischen Ägypten und Israel, den Israel im Junikrieg 1967 besetzt hatte. Im Sommer 2005 räumte Israel alle jüdischen Siedlungen im Gazastreifen und zog seine Soldat:innen von dort ab. Der Gazastreifen ist Teil der palästinensischen Autonomiegebiete. Seit 2006 ist die radikalislamische Hamas im Gazastreifen an der Macht. Die Grenzen kontrolliert jedoch weiterhin Israel. Im Gazastreifen kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästinenser:innen. Rund zwei Millionen Menschen wohnen im Gazastreifen, davon sind die meisten Flüchtlinge und deren Nachkommen.“
„Ein Jahr, nachdem die israelische Regierung 2005 die letzten jüdischen Siedlungen im Gaza- Streifen geräumt hatte, setzte sich die Hamas bei den Regionalwahlen durch. Seitdem beherrscht sie ihn. Wahlen haben seit 2006 nicht mehr stattgefunden.“
„Der Gaza-Streifen ist mit 2,3 Millionen Einwohnern eine der am dichtesten besiedelten Regionen der Erde, dabei aber vollständig auf israelische Lieferungen von Strom, Wasser, Nahrungsmitteln angewiesen. 80 Prozent der Bevölkerung sind auf Hilfslieferungen angewiesen, knapp die Hälfte hat nicht genug Nahrung. Die Arbeitslosigkeit liegt nach offiziellen Angaben ebenfalls bei fast 50 Prozent. 18.000 Palästinenser hatten zuletzt eine Arbeitserlaubnis in Israel. Der letzte Einmarsch israelischer Truppen in die Enklave erfolgte im Juli 2014 („Operation Protection Edge“) und endete sechs Wochen später mit einer unbefristeten Waffenruhe.“
„Gebiet westlich des Jordans, im Englischen auch „Westbank“ genannt, das im Junikrieg 1967 von Israel erobert wurde und seither unter israelischer Militärverwaltung steht. Heute sind circa 60 Prozent des Gebiets von Israel besetzt, die übrigen 40 Prozent bilden zusammen mit dem Gazastreifen die palästinensischen Autonomiegebiete. Das palästinensische Westjordanland wird von der Fatah-Bewegung kontrolliert.“
• •
„Das Westjordanland hat eine Fläche von etwa 5.800 Quadratkilometern und eine geschätzte Einwohnerzahl von 2,5 Millionen palästinensischen und 500.000 jüdischen Siedlern (Stand:
2
022).“
„Seit dem Osloer Friedensprozess ist das Westjordanland in A-, B- und C-Gebiete aufgeteilt. A- Gebiete stehen unter palästinensischer Polizei- und Zivilkontrolle, B-Gebiete unter israelisch- palästinensischer Polizei und palästinensischer Zivilkontrolle sowie C-Gebiete unter israelischer Polizei- und Zivilkontrolle.“
„Das Westjordanland steht zu weiten Teilen unter israelischer Militärverwaltung, etwa 60 Prozent sind von Israel besetzt. Der palästinensische Teil, in dem 80 Prozent der Bevölkerung leben, wird von der Fatah kontrolliert.“
„Palästina ist der ursprüngliche Name eines Gebietes an der südöstlichen Mittelmeerküste, welches das heutige Israel, Teile des heutigen Jordaniens, den Gazastreifen und das Westjordanland umfasste.“ „Heute bezeichnen die Palästinenser den Gazastreifen und Teile des Westjordanlands als Staat Palästina. Bei den Vereinten Nationen besitzt Palästina Beobachterstatus und es wird von vielen Staaten der Welt anerkannt, jedoch nicht von allen. Auch Deutschland hat Palästina nicht offiziell anerkannt.“
• •
„Der Staat Palästina umfasst eine Fläche von rund 6.000 Quadratkilometern. Dort leben etwa fünf Millionen Menschen. Ost-Jerusalem wird als Hauptstadt beansprucht.“ „Der Streit um das ursprüngliche Gebiet Palästinas zwischen Juden und Palästinensern ist der Kern des Nahostkonflikts, wobei es weitere Konfliktdimensionen außer der Frage nach dem Territorium gibt.“
„Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wurde während des Osloer Friedensprozesses 1994 eingerichtet, um formal Regierungsfunktionen wie die palästinensische Selbstverwaltung
zu übernehmen. Seit 2013 wird offiziell der Begriff „Staat Palästina“ statt „Palästinensische Autonomiebehörde“ verwendet, auch wenn die PA weiterhin mit ihren Organen existiert. In Deutschland ist bis heute der Begriff „Palästinensische Autonomiebehörde“ gebräuchlich. Seit 2005 ist Mahmud Abbas Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde.“
„Ohne den Aufbau jüdischer Siedlungen, der mit Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzte, wäre Israel nicht denkbar. Doch während frühere Einwanderer-Generationen sich am Aufbau eines Gemeinwesens beteiligten, in dem viele Irrtümer anderer Gesellschaften vermieden werden sollten, seien es Habgier oder Ausgrenzung, ist die jüdische Siedlungsbewegung mehr und mehr zu einem Projekt missionarischer Fanatiker geworden.“
„Hill Top Generation“ werden heute jene Siedler genannt, die ihre Besitzansprüche auf
„
heiligen Boden“ mit festungsähnlichen Trabantenstädten unterstreichen und nichts zutun
haben wollen mit den palästinensischen Dörfern der Umgebung. Sie betreiben kaum noch Ackerbau, sondern besetzen Hügelkuppen mit der Absicht, von dort aus zumindest symbolisch über die Umgebung zu gebieten. Obwohl sie mitunter schwer bewaffnet sind, wird die Existenz der Siedlungen vor allem durch die israelische Armee garantiert.“
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„Schon nach dem Sechstagekrieg gab es Bestrebungen, die „Israelisierung“ besetzter Gebiete mit der strategischen Ansiedlung jüdischer Einwanderer voranzutreiben. Es ging darum, wie Verteidigungsminister Mosche Dajan sagte, „neue Tatsachen“ zu schaffen. Doch spielten nationalreligiöse Motive dabei noch keine Rolle. Das änderte sich mit Amtsantritt des konservativen Premiers Menachem Begin 1977. Er subventionierte Siedlungsgründungen auch in solchen Gebieten, die strategisch bedeutungslos waren. Seither ist es erklärtes Ziel der Siedler, der Gründung eines palästinensischen Staates zuvorzukommen. 1977 lebten
1
.900 Juden in besetzten Gebieten, 40 Jahre später waren es schon eine halbe Million.“
„Die Frage der Grenzen eines palästinensischen Gemeinwesens ist eng verknüpft mit der israelischen Siedlungspolitik. Seit der Besetzung der palästinensischen Gebiete (sowie der syrischen Golanhöhen und zunächst auch der ägyptischen Sinai-Halbinsel) im Juni 1967 haben israelische Regierungen gleich welcher Couleur den Siedlungsbau vorangetrieben.“ „Selbst während des Osloer Friedensprozesses stieg die Zahl der Siedler kontinuierlich an. Von
•
1
992 bis zum Jahr 2000 verdoppelte sich ihre Zahl im Westjordanland von gut 100.000 auf
knapp 200.000. Laut eines Berichts der EU-Vertretung für die besetzten Gebiete lebten 2020 über 450.000 Siedler im Westjordanland und rund 230.000 in Ost-Jerusalem.“
•
„Nur in Einzelfällen wurden Siedlungen geräumt: beim Abzug aus dem Sinai 1982 und im August/September 2005, als Israel rund 9.000 Siedler aus dem Gaza-Streifen und – infolge massiven Drucks der USA – auch aus vier kleinen, isolierten Siedlungen im nördlichen Westjordanland abzog. Zudem kommt es immer wieder zur Räumung von
Siedlungsaußenposten, die (bislang) auch nach israelischem Recht illegal sind. Viele der Außenposten werden aber entweder im Nachhinein legalisiert, nur temporär geräumt oder nach Räumung an anderer Stelle wieder errichtet.“
• •
„Während ein Teil der Siedler aus religiösen oder zionistischen Beweggründen in den besetzten Gebieten lebt, sind viele Israelis in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen in die Siedlungen in und um Jerusalem und nahe der Grünen Linie gezogen. Denn Wohnraum ist dort aufgrund der staatlichen Subventionen oft wesentlich preisgünstiger als innerhalb Israels, staatliche Dienstleistungen sind in der Regel besser, und es locken teils erhebliche Steuervergünstigungen.“
„Für die palästinensische Bevölkerung hat der fortgeführte Bau von Siedlungen, Siedlungsinfrastruktur und Verbindungsstraßen eine immer stärkere Zerstückelung des für einen palästinensischen Staat vorgesehenen Territoriums, eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, eine fortgesetzte Präsenz des israelischen Militärs, das die Siedlungen und Zufahrtswege kontrolliert, sowie den Verlust von landwirtschaftlicher Fläche und Wasser mit sich gebracht. Dies hat nicht nur die palästinensische Landwirtschaft besonders im Jordangraben massiv eingeschränkt, sondern auch die Entwicklungsmöglichkeiten insgesamt beschnitten. Das gilt insbesondere für die sogenannten C-Gebiete des Westjordanlandes, die rund 60 Prozent seiner Fläche ausmachen.“
„Arabisch für „sich erheben, abschütteln“. Als Intifada werden zwei palästinensische Aufstände gegen die israelische Besatzungsmacht bezeichnet. Die Erste Intifada dauerte von 1987 bis 1993, die Zweite Intifada, auch Al-Aqsa-Intifada genannt, von 2000 bis 2005.“
„Die Erste Intifada begann im Dezember 1987, nachdem Spannungen zuvor stark angestiegen waren. Die Palästinenser reagierten zunächst mit Wirtschaftsboykotten, Demonstrationen, Steinwürfen und Molotow-Cocktails. Die israelische Armee setzte Schlagstöcke, Tränengas und Munition ein. Auch die Palästinenser griffen zu Waffen, die Gewalt eskalierte und weitete sich aus. 1988 rief der Palästinensische Nationalrat den Staat Palästina aus, der jedoch von vielen Staaten nicht anerkannt wurde. 1991 begannen in Madrid Friedensverhandlungen zwischen Israelis, Palästinensern und Jordaniern. Zwei Jahre später wurden die Osloer
Verträge zwischen Jassir Arafat und dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin unterzeichnet.“
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„Die Zweite Intifada begann nach dem Besuch des israelischen Oppositionsführers Ariel Scharon auf dem auch für Muslime heiligen Tempelberg im September 2000. Dies löste Massenproteste der Palästinenser aus. Wie schon bei der Ersten Intifada waren die Spannungen zwischen beiden Seiten zuvor größer geworden. Die Zweite Intifada unterschied sich von der Ersten dadurch, dass radikale palästinensische Gruppen, darunter die Hamas, zu Anschlägen innerhalb Israels übergingen. Die Zahl der Selbstmordattentate nahm stark zu. Ariel Sharon, der kurz nach Beginn der Intifada Ministerpräsident wurde, reagierte mit aller Härte auf die palästinensischen Anschläge, eine schwer gesicherte Grenzanlage zu den palästinensischen Gebieten wurde errichtet. Im Jahr 2005 endete die Zweite Intifada mit einem Waffenstillstand.“
„Es gab seither mehrere weitere Gewaltausbrüche gegen jüdische Israelis, die manchmal auch als Intifadas bezeichnet werden, etwa die „Messer-Initifada“ von 2015, bei der häufig arabische Jugendliche mit Messern Soldat:innen und Zivilist:innen angriffen, oder die „Tiktok-Intifada“ vom Frühjahr 2021, bei der arabische Jugendliche Videos in den sozialen Netzwerken teilten, in denen zu sehen war, wie sie jüdische Jugendliche drangsalieren.“
•
Mehr zur Verwendung auf Demos: → 3.1
3
.10 BDS
Quelle: ARD Begriffsdatenbank (Stand 13.Januar 2022)
„
BDS ist eine 2005 gegründete Kampagne, die anstrebt, Israel international zu isolieren. Die
Abkürzung steht für „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“. Die Teilnehmer der Kampagne sind mehr als 170 palästinensische Organisationen. Zudem erhält sie international Unterstützung von Solidaritätsgruppen sowie von Prominenten wie Roger Waters und Brian Eno. Sie drängen beispielsweise Künstler mit Kampagnen über Social Media dazu, Konzerte in Israel abzusagen. Auch auf Veranstalter wird Druck ausgeübt. Zuletzt machte BDS von sich Reden, als das Bündnis dazu aufrief, den European Song Contest 2019 in Israel zu boykottieren. Ähnlich geht BDS gegen Unternehmen vor, die Wirtschaftsbeziehungen zu Israel unterhalten. Die UNO führte in einem Bericht 2014 den Rückgang der ausländischen Investitionen in Israel um 46 Prozent auch auf den wachsenden Einfluss von BDS zurück.
Das politische Ziel von BDS lautet: Ende der „Besetzung und Besiedlung allen arabischen Landes“, Gleichberechtigung für arabisch-palästinensische Bürger und Rückkehr „in die frühere Heimat“. Die Einordnung ist durch die Vielzahl der Kampagnenteilnehmer und deren unterschiedliche Ausrichtungen schwierig. Insbesondere mit Blick auf eine möglichst distanzierte und unparteiische Formulierung in der Berichterstattung sollte berücksichtigt werden: Nicht alle Unterstützer der Kampagne können pauschal als antizionistisch oder antisemitisch bezeichnet werden.
Umgekehrt gibt es zahlreiche Äußerungen und Forderungen aus der BDS-Kampagne, die sehr wohl so eingeordnet werden können. Im Mai 2019 verurteilte z.B. derBundestagBoykottaufrufe gegen Israel als „antisemitisch“.
Insgesamt lässt sich die Kampagne BDS in jedem Fall als „anti-israelisch“ bezeichnen. In der Berichterstattung über bestimmte Teile der Kampagne kann auch die Einordnung
„
antizionistisch“ zutreffend sein, bzw. „antisemitisch“.
„BDS steht für boycott, divestment und sanctions und setzt sich für einen umfassenden Boykott Israels im Bereich von Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft ein.“ „Unterstützer/-innen und Sympathisanten/-innen von BDS betrachten die Kampagne als politisches Instrument, mit dem die israelische Regierung zu einer Änderung ihrer Politik gegenüber den Palästinenser/innen gezwungen werden soll.“
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„Kritiker/-innen der Kampagne betonen hingegen, dass es sich bei BDS um eine antisemitische Bewegung handelt, die nicht nur auf die Ausgrenzung einzelner staatlicher Akteure, Einrichtungen oder Institutionen abziele, sondern auf eine international organisierte, umfassende Isolation des jüdischen Staates und seiner Gesellschaft als Ganzes.“
„Hinter dem Kürzel steckt die Idee, Israel international unter Druck zu setzen, um die Besetzung der palästinensischen Gebiete zu beenden. Vorbild ist – nach eigenen Angaben – die internationale Isolierung Südafrikas in den 1990er Jahren, die zum Ende der Apartheid führte.“
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„Die Grundannahme der BDS-Aktivisten: Der Staat Israel sei in der Unterdrückung der Palästinenser mit dem „Apartheidsstaat“, der zwischen schwarzer und weißer Bevölkerung in Südafrika unterschied, vergleichbar. Israel könne seine Politik des „Kolonialismus“ nur fortführen, da es international unterstützt werde. Zwei Vorwürfe, Apartheid und Kolonialismus, die Israel vehement von sich weist.“
„Samidoun“ wurde 2011 in den USA gegründet. Nach eigenen Angaben geht es der Organisation darum, sich für palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen einzusetzen. Samidoun hat Ableger in vielen Ländern der Welt – unter anderem in Schweden, Frankreich, Kanada, Belgien, den Niederlanden und eben auch in Deutschland. Hierzulande wird die Organisation bereits seit einer Weile Verfassungsschutz beobachtet, auch in Berlin.“
• •
„Behördenchef Michael Fischer sagte der rbb24 Abendschau am Montag, dass man das Netzwerk als antisemitisch und israelfeindlich einschätze und daher als verfassungsfeindliche Bestrebung beobachte. Die Aktivitäten von „Samidoun“ hätten in den vergangenen zwei Jahren in Berlin deutlich zugenommen. Derzeit gehe der Verfassungsschutz in Berlin von einem
„Personenpotenzial im unteren zweistelligen Bereich“ aus, so Fischer.“
„Samidoun“ gilt als Unterstützerorganisation der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP), die die EU bereits seit 2002 als Terrororganisation einstuft. Sie bestreitet das Existenzrecht Israels und fordert offen zum bewaffneten Kampf gegen Israel auf. Der PFLP rechnet der Verfassungsschutz in Berlin ein Personenpotenzial von etwa 50 Menschen zu, Tendenz steigend: Im Jahr 2021 waren es noch 40 Personen.“
„Als im 19. Jahrhundert viele Juden in Osteuropa von anderen Menschen, die dort wohnten, bedroht wurden, also Opfer von antisemitischen Angriffen wurden, entstand als Antwort darauf der Zionismus. Hauptbegründer war Theodor Herzl (1860-1904).“ „Das oberste Ziel der zionistischen Bewegung war die Rückführung der in aller Welt lebenden Juden in das Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan. Dies war für die Zionisten das ursprüngliche Heimatland der Juden, hier wollten sie sich niederlassen und einen eigenen Staat gründen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts begannen viele jüdische Einwanderer mit dem Bau jüdischer Siedlungen in dieser Region. Immer wieder gab es Streit mit der arabischen Bevölkerung, die dort lebte.“
•
Mehr zur Verwendung des Begriffs auf Demos → 3.6
3
.13 Antisemitismus
Quelle: ARD Begriffsdatenbank (Stand 29. April 2022) Im WDR haben wir mit Fachkollegen über den Begriff gesprochen. Anlass waren auch jüngere
„
Ereignisse im Nahost-Konflikt. Hier ein paar Anmerkungen dazu vom Austausch:
Zunächst einmal: Es gibt keine rechtsverbindliche Definition von „Antisemitismus“. Allerdings orientieren sich z. B. Bundesregierung und EU-Kommission an der Definition der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance) aus dem Jahr 2016.
„
Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden
ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort und Tat gegen jüdische oder nicht-
jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen und religiöse Einrichtungen.“
Von diesem Punkt ausgehend ist es wichtig, die Ereignisse so konkret wie möglich zu schildern. Auf diese Weise lassen sich Pauschalisierungen am besten vermeiden. Beispiel Demonstration: „In Essen haben 200 Menschen gegen Israel demonstriert.“ Das völlig unkonkrete „gegen Israel“ öffnet Raum für jegliche Spekulationen. Wurde gegen den Staat Israel demonstriert? Steht „Israel“ hier stellvertretend für das Judentum? Oder richtete sich der Protest gegen die Politik der israelischen Regierung? Alles unklar. (Siehe 3-D-Check unten) Besser also konkret formulieren, denn zur Einordnung ist wichtig, was genau vor sich ging: „In Essen haben 200 Menschen gegen die Siedlungspolitik der israelischen Regierung demonstriert.“ Oder: „In Essen haben 200 Anhänger der palästinensischen Terrororganisation Hamas demonstriert.“
Pauschalisierungen zu vermeiden gilt auch mit Blick auf die Akteure: „Die Palästinenser“ gibt es genauso wenig, wie „die Israelis“. Hier agieren das israelische Militär und die Kämpfer der Hamas. Kurz: Je konkreter die Schilderung, umso besser lassen sich Pauschalisierungen wie „Anti-Israel- Demonstration“, „pro-palästinensische Kundgebung“ u. ä. vermeiden.
Zweiter wichtiger Punkt: Ursache und Wirkung richtig einschätzen, Kausalitäten prüfen: „Israel hat den Gaza-Streifen bombardiert.“ Ja, das stimmt, aber: In welchem Zusammenhang? Gibt es eine Kausalität? Oder gab es nur einen Vorwand? War es eine Reaktion? Dies alles lässt sich in kurzen nachrichtlichen Meldungen nicht ausführlich darstellen, ebenso ist das in kurzen Socialmedia- Postings nicht leistbar. Was aber geht: Zumindest den zeitlichen Ablauf erwähnen. „Die israelische Armee hat Gebäude im Gaza-Streifen bombardiert. Vorher waren von der palästinensischen Terrororganisation Hamas Raketen auf Tel Aviv abgefeuert worden.“ Bewusst haben wir in beiden Beispielen nicht den Begriff „(Raketen-)Angriff“ verwendet. Gerade in verkürzten Darstellungen triggert „Angriff“ automatisch eine Schuldzuweisung, die im Text meist nur unzureichend aufgelöst werden kann.
Kurz: Mangelnder Platz verdrängt viele Hintergründe, eine Darstellung im zeitlichen Ablauf bewahrt zumindest die neuesten Entwicklungen in einem Kontext.
Dritter wichtiger Punkt: Klare Benennung extremistischer Positionen. Äußerungen und Handlungen, die sich z. B. gegen die Existenz Israels richten oder den jüdischen Glauben, sind antisemitisch und müssen auch so bezeichnet werden. Genauso, wie außer Frage steht, was die Hamas betreibt, nämlich Terrorismus. Hinzu kommen unzählige Graustufen, die wir gar nicht alle aufzählen können an dieser Stelle. „Antisemitisch“ und „judenfeindlich“ können als Begriffe synonym verwendet werden. Geht es insbesondere um „islamischen Antisemitismus“, liegt als Synonym „muslimischer Antisemitismus“ nahe. Hierbei sollte bedacht werden: „Muslimisch“ stellt einen direkten Bezug zum Gläubigen her, während „islamisch“ den Bezug klar zur Religion vornimmt, also die differenziertere Formulierung ist.
Als gutes Hilfsmittel empfehlen wir den sogenannten 3-D-Check: Trifft mindestens ein D zu, liegt Antisemitismus vor. Dämonisierung (z. B. Vergleich Israels mit dem Nationalsozialismus), Delegitimierung (Zweifel am Existenzrecht Israels) und Doppelstandards (bzw. Doppelmoral, z. B. Kritik an einem Vorgehen Israels, das in vergleichbarer Form anderen Ländern nicht vorgeworfen wird). Kurz: Wann immer Zweifel an eigenen oder fremden Formulierungen aufkommen: Kurzer 3-D- Check. Und natürlich hilft auch stets die zusätzliche Einschätzung von Kolleginnen und Kollegen, das zeichnet eine Redaktion ja aus.“
„Bei einem Kibbuz (Plural: Kibbuzim) handelt es sich um eine Form jüdischer Gemeinschaftssiedlungen, in denen das tägliche Leben mehr oder weniger kollektiv organisiert ist. Der Begriff Kibbuz leitet sich vom hebräischen Wort „Kwuza“ ab und bedeutet
„
Gruppe“ oder „Versammlung“.
„Je nach Ausrichtung gibt es säkulare und religiöse Kibbuzim, in denen jüdische Traditionen unterschiedlich stark gepflegt werden. In ihrer ursprünglichen Idee sollten Kibbuzim sozialistisch und zionistisch geprägt sein. Als Ziel des durch die Vertreibung jüdischer Menschen im 19. Jahrhundert entstandenen Kibbuz-Gedanken stand die Vorstellung eines jüdischen Arbeiterstaates und die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft, in der Eigentum gemeinschaftlich verteilt wird.“
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„Im Laufe der Zeit verloren viele der ursprünglichen Ideen des Kibbuz ihre Bedeutung für die Mitglieder. Wirtschaftliche Faktoren und ein Erstarken konservativer Familienbilder, in denen Frauen die traditionelle Mütterrolle übernahmen, führten zunehmend dazu, dass der Kibbuz als kollektivistische Lebensform im modernen Israel an Attraktivität verlor.“
„Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diesen Begriff bereits 2008 in ihrer Rede vor der Knesset, dem israelischen Parlament, verwendet. Ihr Nachfolger Olaf Scholz hat ihn seit dem brutalen Überraschungsangriff der Hamas mit Hunderten Toten Israelis wiederholt.“ „In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz. Den Platz an der Seite Israels. Das meinen wir, wenn wir sagen: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung. Konkret bedeutet dies, dass Deutschland, wie andere Verbündete auch, Israels Recht auf Selbstverteidigung und die daraus folgenden Maßnahmen im Gazastreifen unterstützt.“
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„Es ist nie in Deutschland ausbuchstabiert worden, was das heißt“ erklärt der Militärexperte Carlo Masala, Professor an der Universität der Bundeswehr in München. „Wenn man es wirklich ernst meint, dass das Teil der deutschen Staatsräson ist, dann hat das moralisch, politisch eine Art Verfassungsrang. Dann bedeutet das, in dem Moment, wo die Existenz Israels auf dem Spiel steht, müsste Deutschland bereit sein, aktiv Israel zu verteidigen. Das ist die logische Konsequenz.“
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„Die „Staatsräson“ ist ein Konzept aus der Rechtstheorie und der internationalen Politik, das sich im Laufe der Jahrhunderte im westlichen politischen Denken entwickelt hat, als sich die Rolle, die Rechte und die Befugnisse von modernen Staaten herausbildeten. Man versteht unter
„Staatsräson“ den Grundsatz, wonach ein Staat berechtigt ist, sich bei der Rechtfertigung der
eigenen Außenpolitik darauf zu berufen, dass die Eigeninteressen der Nation Vorrang haben.“ „Staatsräson gibt staatlichen Interessen Vorrang vor anderen Werten“, sagt Marietta Auer, geschäftsführende Direktorin des Max-Planck-Instituts für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie,
zur DW. Sie warnt, der Schutz des Staates Israel könnte sich als ein Wert herausstellen, der andere deutsche Interessen konterkarieren könnte.“
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„Indem eine Regierungschefin oder ein Regierungschef die deutsche Position zu Israel zur „Staatsräson“ erhebe, gelinge es ihr oder ihm, die Debatte zu beenden, meint auch Klaus Dieter
Wolf, ehemaliger Professor für Internationale Beziehungen an der Technischen Universität Darmstadt im DW-Interview. „Ich erkläre eine bestimmte konkrete politische Absicht zur
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Staatsräson‘, um sie unangreifbar für Widerspruch zu machen“, sagte Wolf, der über die
Auswirkungen der „Staatsräson“ geschrieben hat.“
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„Dies habe „schwerwiegende Konsequenzen“ für die reale Politik, fügte er hinzu: Wenn ein Staat bestimmte Prinzipien einfach ausblenden könne – Prinzipien, die der Staat verteidigen müsse, wie demokratische Rechte, Menschenrechte und internationales Recht – dann höhle er sie damit aus.“ „Die Anwendung der „Staatsräson“ gibt einem staatlichen Interesse Vorrang – was wiederum mit dem Völkerrecht kollidieren kann. „Im Völkerrecht gibt es keine Hierarchie“, sagte Joost Hiltermann, der MENA-Programmdirektor der International Crisis Group, im Gespräch mit der DW. „Was auch immer Deutschland über sein intrinsisches Recht sagen mag, an der Seite Israels zu stehen, entbindet es nicht von seiner Verantwortung, das humanitäre Völkerrecht, das die Mittel der Kriegsführung regelt, zu beachten und dafür einzutreten.“
„Die Nakba markiert eines der zentralen Daten, wenn nicht das zentrale Datum in der Geschichte der Palästinenser*innen.“
„Die Nakba bezeichnet dabei die Flucht und Vertreibung eines Großteils der palästinensischen Einwohner*innen aus dem heutigen Staatsgebiet Israels: Zwischen 1947 und 1949 sahen sich zwischen 700000 und 750000 Palästinenser*innen gezwungen, das Gebiet zu verlassen. Zugleich bedeutete die Etablierung Israels im größten Teil des ehemaligen britischen Mandatsgebiets Palästina (auf rund 77 Prozent) den dauerhaften Verlust großer Teile des Territoriums, auf dem ein palästinensischer Staat hätte entstehen können.“ „Für Palästinenser*innen ist die Nakba nicht nur ein Ereignis, das in der Vergangenheit liegt. Vielmehr beschreiben sie mit dem Begriff auch ihre aktuelle Lebensrealität. Denn bis heute ist das palästinensische Streben nach nationaler Selbstbestimmung nicht erfüllt, leben die Flüchtlinge und ihre Nachkommen, oft staatenlos, im Exil, werden palästinensische Staatsbürger*innen Israels diskriminiert und Palästinenser*innen in den besetzten Gebieten verdrängt.“
„Das arabische Wort Nakba bedeutet Katastrophe oder Unglück. In Bezug auf den israelisch- palästinensischen Konflikt wird der Begriff Nakba (auch: al-Nakba) verwendet, um daran zu erinnern, dass viele Palästinenser während und nach dem ersten arabisch-israelischen Krieg von 1948 ihre angestammte Heimat verloren.“
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„Die meisten Palästinenser landeten seinerzeit als staatenlose Flüchtlinge im Gazastreifen, im Westjordanland und in arabischen Nachbarländern, nur eine Minderheit zog damals ins weiter
entfernte Ausland. Bis heute hat nur ein Bruchteil der nachwachsenden Generationen von Palästinensern in der Region eine andere Staatsbürgerschaft erhalten. Infolgedessen ist die Mehrheit der inzwischen rund 6,2 Millionen Palästinenser im Nahen Osten bis in die dritte oder vierte Generation staatenlos.“
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„Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA leben die meisten Palästinenser in der Region immer noch in Flüchtlingslagern. Diese haben sich im Laufe der Zeit zu Flüchtlingsstädten entwickelt. Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge leben heute hauptsächlich im Gazastreifen, im besetzten Westjordanland, im Libanon, in Syrien, Jordanien und in Ostjerusalem.“
„Der Begriff Intifada ist auch als Aufruf zur Gewalt und zur Zerstörung des israelischen Staates zu verstehen. Wenn etwa von einer „Intifada bis zum Sieg“ die Rede ist, bezieht sich das auf die „israelische Besatzung“. Im Nahen Osten ist damit jedoch selten der Rückzug des israelischen Militärs nur aus den umstrittenen Gebieten und die Anerkennung eines palästinensischen Staates an der Seite Israels gemeint, sondern vielmehr die Zerstörung des jüdischen Staates an sich“
„auf Deutsch: „Vom Fluß bis zum Meer – Palästina wird frei sein!“
„Gemeint sind der Fluss Jordan und das Mittelmeer – gefordert wird also ein Palästina, das sich über das gesamte Gebiet des heutigen Israel sowie der Westbank und des Gazastreifens erstreckt. Für einen jüdischen Staat bliebe da kein Platz, die Parole ist also als Wunsch nach dem Ende Israels zu verstehen. In der angeblichen Forderung nach „Freiheit“ steckt außerdem die Behauptung, das Land sei unter israelischer Kontrolle nicht frei und Israel ein illegitimes Besatzungsregime, das beseitigt werden müsse.“
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„Auch eine Landkarte, die das Gebiet „from the river to the sea“ zeigt, ist in diesem Kontext häufig zu sehen. Meist ist das gesamte Territorium in den Farben der palästinensischen Flagge gehalten. Das heißt: „Ganz Palästina“ soll von „den Zionisten“ befreit werden, Israel soll aufhören zu existieren und durch einen palästinensischen Staat ersetzt werden. Denjenigen, die diese Parole rufen, geht es also nicht um eine Zwei-Staaten-Lösung, sondern um eine Kein-Staat-Israel-Lösung“
„Angesichts des Terrorangriffs auf Israel wollen Berliner Staatsanwaltschaft und Polizei rigider gegen israelfeindliche Parolen bei Demonstrationen von Palästinensergruppen vorgehen. Die Verwendung der oft verwendeten Parole «From the River to the Sea,
Palestine will be free» werde jetzt von der Staatsanwaltschaft als strafbar eingeordnet, sagte eine Polizeisprecherin am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.“
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„Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer – dort wo sich jetzt Israel befindet. Entsprechende Landkarten zeigen bei Demonstrationen das Gebiet ganz in grün, der Farbe des Islam.“
„Daniel Poensgen, RIAS: „Es ist antisemitisch, die Befreiung Palästinas zu fordern, wenn damit die Abschaffung Israels und somit die Negierung des Rechts von Jüdinnen_Juden auf Selbstbestimmung gemeint ist. Dies ist beispielsweise in der Parole „From the river to the see, palestine will be free“ der Fall: Hier wird durch die Skizzierung der Grenzen Palästinas deutlich, dass Israel vernichtet werden soll. In der Forderung „Free Palestine“ ist dies jedoch nicht automatisch der Fall. Die Forderung nach gleichen Rechten ist nicht antisemitisch. Derartige Forderungen werden von RIAS nicht als antisemitische Äußerungen erfasst.“
„Das Motiv des kindermordenden Israel geht zurück auf die mittelalterliche antisemitische Ritualmordlegende, nach der Juden Kinder ermorden, um deren Blut für rituelle Zwecke zu verwenden. Die Bezeichnung Israels als „Kindermörder“ zeigt deutlich, wie antisemitische Stereotype auf Israel angewandt werden, das so zum „kollektiven Juden“ wird. Auch die Darstellung etwa von israelischen Politikern oder Soldaten als blutrünstige Bestien steht oft in dieser Tradition“
„Dieser Vorwurf ist schlicht und ergreifend erst einmal falsch“, sagt Samuel Salzborn im faktenfinder-Podcast. „Und zwar deshalb falsch, weil nicht Israel als Staat das Ziel hat, Kinder zu ermorden.“
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„Im Gespräch mit Anja Reschke erläutert der Antisemitismus-Beauftragte des Landes Berlin, es sei leider „keine Frage, dass bei kriegerischen Handlungen auch Kinder ums Leben kommen können. Aber dieser Vorwurf suggeriert, als sei es das politische Ziel Israels, Kinder zu ermorden.“ Es handele sich somit um Antisemitismus – und vor allem eine Lüge.“ „Das Motiv vom „Kindermörder Israel“ geht laut Wetzel auch zurück auf die sogenannte Ritualmord-Legende, nämlich auf die Behauptung, Juden würden Kinder entführen und sie dann umbringen, um deren Blut für Brot zu Pessach zu verarbeiten. Diese Legende habe beispielsweise kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen dazu geführt, dass ein Mob 42 Überlebende der Shoah umgebracht hat. Auch Bilder von israelischen Politikern, die als Kinderfresser und Blutsauger dargestellt wurden, stünden in dieser antisemitischen Tradition.“
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.5 „Hört auf zu tun, was Hitler Euch angetan hat“ („Stop doing what Hitler did to you“)
Vernichtung, gegen den jüdischen Staat in Stellung zu bringen. Der Nationalsozialismus und die Schoah werden hier instrumentalisiert, um Israel schlimmstmöglicher Verbrechen anzuklagen, die es nicht begangen hat und nicht begeht“
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„Davon verspricht man sich Verständnis und Unterstützung für die eigene Situation – selbst wenn man der Angreifer ist. Dies ist eine für den Post-Schoah-Antisemitismus typische Täter-Opfer-Umkehr, mit der zudem der Nationalsozialismus und die Schoah relativiert und verharmlost werden. Wenn Israel als antisemitische Chiffre für „die Juden“ als Wiedergänger des Nationalsozialismus imaginiert wird, „darf“, ja, „muss“ man Israel und Israelis hassen. So lassen sich antisemitische Gefühle ausleben, ohne sich selbst eingestehen zu müssen, dies zu tun. Zudem sind antisemitische Ressentiments, die sich hinter vermeintlich harmloser ‚Israelkritik‘ verbergen, gesellschaftlich kaum verpönt, während etwa plumper Rassenantisemitismus nationalsozialistischer Prägung viel stärker sanktioniert wird.“
„Daniel Poensgen vom Bundesverband Report Antisemitism RIAS*: „Es ist antisemitisch, das Agieren Israels mit der Schoa und den Verbrechen der Deutschen in den Zeiten des Nationalsozialismus gleichzusetzen. Diese Täter-Opfer-Umkehr ist Teil eines
Schuldabwehr-Antisemitismus: Das eigene, beispielsweise nationale oder religiöse Kollektiv wird dabei als Schuldfrei imaginiert, während man die historischen Opfer zu ebenso schlimmen Täter_innen macht – und somit die Verbrechen der Nazis legitimiert. Formen der antisemitischen Täter-Opfer-Umkehr sind in Deutschland weit verbreitet, wie zuletzt auch zahlreiche Demonstrationen gegen die Corona-Politik gezeigt haben: Hier inszenierten sich viele Teilnehmer_innen als verfolgte Jüdinnen_Juden von heute, wenn sie beispielsweise sogenannte Judensterne mit der Inschrift ‚ungeimpft‘ trugen.“
„Tom Uhlig von der Bildungsstätte Anne Frank*: „Der Zionismus ist eine komplexe und sehr heterogene Bewegung, in deren Zentrum der Wunsch nach einer eigenen Heimat für Jüdinnen und Juden steht. Neben religiösen Motiven steht dahinter auch der Gedanke, vor Verfolgung sicher zu sein. Die Gleichsetzung von Zionismus mit Terrorismus soll den israelischen Staat delegitimieren und ist deshalb als antisemitisch zu bewerten.“
„Tom Uhlig, Bildungsstätte Anne Frank: „Hier verbindet sich Nationalismus mit islamischem Antijudaismus. Der Ruf bezieht sich auf den Feldzug Mohammeds im Jahr 628 gegen die von Juden besiedelte Oase Khaybar. [Anmerkung der Red.: Im heutigen Saudi-Arabien gelegen, etwa 150 Kilometer nördlich von Medina.] Hier wird eine antisemitische Vernichtungsdrohung ausgesprochen.“
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.8 „Meine Stimme gegen Siedlungskolonialismus und ethnische Säuberung“
„Daniel Poensgen vom Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus RIAS: „Es ist antisemitisch, Israel beispielsweise als koloniales oder rassistisches Gebilde zu bezeichnen. Wird diese Bezeichnung den historischen Fakten nicht gerecht, dient sie vor allem dazu, Israel als Nationalstaat zu delegitimieren und somit allein Jüdinnen_Juden das Recht auf (nationale) Selbstbestimmung abzusprechen.“
„Um Israel als koloniales Projekt bezeichnen zu können, fehlt schlicht das koloniale Mutterland – diese Rolle erfüllten die Briten in keiner Weise. Eine Kolonie ist ein auswärtiges abhängiges Gebiet ohne eigene politische und wirtschaftliche Macht. Auch dies trifft auf Israel nicht zu.“
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„Der Vorwurf des Kolonialismus gegenüber Israel ist, wie auch jener der Apartheid und des Rassismus, nicht neu. Mit der Entstehung neuer sozialer Bewegungen wie Black Lives Matter, die sich auch als „antikolonial“ verstehen, wurde er aber in jüngster Zeit prominenter. Das scheint auch eine Folge davon zu sein, dass solche Bewegungen insbesondere im angloamerikanischen Raum entstanden und dann mit Verzögerung in Deutschland angekommen sind. Während in Deutschland das Schlimmste, womit man Israel vergleichen kann, der Nationalsozialismus ist (vgl. Vergleich israelischer Politik mit der Schoah und dem Nationalsozialismus), nehmen eine vergleichbare Stellung in der Geschichtsschreibung von Großbritannien und den USA häufig der Kolonialismus und der Rassismus ein. Beide Vorwürfe an Israel sind also auch als Entlastungsantisemitismus zu deuten. Es wird behauptet, die Juden und Jüdinnen, also die früheren Opfer, täten das Gleiche, was die eigenen Vorfahren getan haben. So wird der Kampf gegen den jüdischen Staat bei einigen auch zur Abwehr der eigenen Geschichte.“
„Tom Uhlig, Bildungsstätte Anne Frank: „Liebe zu einer Nation einzufordern, weil man ansonsten rassistisch sei, legt ein ziemlich verqueres Verständnis von Rassismus nahe und suggeriert im Kontext der Demonstrationen, Solidarität mit Israel sei rassistisch motiviert. Der Kausalzusammenhang, der in der Aussage konstruiert wird, ist fadenscheinig, denn nicht nur in Israel gibt es Rassismus, auch in Palästina, vom Antisemitismus ganz zu schweigen.“
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.10 „Liebe Deutschland, stoppt die Bewaffnung Israels“
„Tom Uhlig: „Antimilitarismus ist eine legitime, vielleicht sogar notwendige politische Haltung. Einseitig auf Israel ausgelegt [Anmerkung der Red: wie in diesem Fall einer anti- israelischen Demonstration] bedeutet sie aber, zu wollen, dass der jüdische Staat schutzlos sein möge. Solange Waffenlieferungen an die Hamas zum Beispiel durch den Iran erfolgen, sind Waffenlieferungen an Israel eine Frage des Überlebens.“
„In letzter Zeit haben mehrere Menschenrechtsorganisationen – darunter palästinensische NGOs wie Al Haq1 oder das Al Mezan Center for Human Rights, 2 aber auch Human Rights Watch und Amnesty International – die Politik Israels in den besetzten Gebieten als
„
Apartheid-Politik“ kritisiert. In dem jüngsten Jahresbericht vom 28. März 2023 hat Amnesty
International Israel erneut mit dem Apartheid-Vorwurf in Verbindung gebracht.“ „Nicht nur in den israelischen Medien sind die Apartheitsvorwürfe der Menschenrechtsorganisationen auf Kritik gestoßen; vor allem der Amnesty-Bericht sieht sich mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert. Auch wissenschaftliche „Think- Tanks“ wie die International Human Rights Clinic der Harvard Law School oder die SWP haben sich u.a. mit dem Amnesty-Bericht zu Apartheid-Vorwürfen gegen Israel auseinandergesetzt und dabei auch eigene politische und juristische Bewertungen vorgenommen.“
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„Auch im Rahmen des VN-Menschenrechtsrats (Human Rights Council) ist das Thema
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Apartheid in den Palästinensergebieten“ seit Jahren auf der Tagesordnung – erwähnt sei
u.a. der Bericht des VN-Sonderberichterstatters Richard Falk.“
„Am 1. Februar 2022 präsentierte Amnesty International einen umfassenden Bericht, in dem es Israel vorwirft, an den Palästinenserinnen und Palästinensern Apartheid zu verüben und damit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Der Amnesty-Bericht reiht sich ein in eine Serie von Publikationen palästinensischer, israe•lischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen, die in Israel bzw. den palästinensischen Gebieten nunmehr die Schwelle zur Apartheid überschritten sehen. Dabei gehen die Meinungen in den einzelnen Berichten darüber auseinander, in welchem Gebiet solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden.“
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„Die Bundesregierung sollte sich den Apartheid-Vorwurf nicht ohne sorgfältige Prüfung zu eigen machen, die gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die der Amnesty- Bericht dokumentiert, aber ernst nehmen. Daraus erwachsen Deutschland allein schon auf Basis der Genfer Konventionen direkte Rechtspflichten.“
„Es wird behauptet, der Staat Israel sei ein Apartheidstaat. Aber: Minderheiten besetzen hochrangige Positionen und bekleiden öffentliche Ämter, sie sind in allen Gesellschafts- und Lebensbereichen vertreten und integriert. Israel ist kein Apartheidstaat. Das zu behaupten, dämonisiert und delegitimiert den israelischen Staat (siehe 3-D-Test). Mehr noch: Es befeuert Aufrufe zum Boykott Israels und nötigt deutsche Jüdinnen*Juden zur Positionierung. Nicht zuletzt verharmlost es die Verbrechen des Apartheidstaates Südafrika.“
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„Apartheid“, ein völkerrechtlicher Begriff, bezeichnet eine systematische Politik der
„
Rassentrennung“ innerhalb eines Staates. Der Terminus entstand während der Herrschaft
der weißen Minderheit über die Schwarze Mehrheit in Südafrika. Für weiße und Schwarze Menschen galten dort zwischen 1948 und 1994 unterschiedliche Gesetze“ „Schwarzen Menschen war in Südafrika die Ausübung öffentlicher Ämter und Machtpositionen verboten, sie hatten kein oder lediglich ein eingeschränktes Wahlrecht, sie durften keine Beziehungen mit Weißen führen und kein Land besitzen. Diese staatlich geregelte Unterdrückung strukturierte das gesamte öffentliche und private Leben, sie regulierte den Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem, zu Arbeitsplätzen und Wohnorten.“
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„Die Anti-Apartheid-Konvention (1973), die auf Initiative der UN-Generalversammlung entstand, definiert Apartheid als ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. 1998, nach dem Ende der Apartheid in Südafrika, nahm der Internationale Strafgerichtshof „Apartheid“ ins Völkerstrafrecht auf“
sondern in der Sowjetunion, die aus geopolitischen und ideologischen Gründen die arabischen Staaten in ihrem Kampf gegen Israel unterstützte. 1975 verabschiedete die UN- Generalversammlung eine Resolution, in der Zionismus mit Rassismus gleichgesetzt und dementsprechend Südafrika in einem Atemzug mit Israel genannt wurde. Sie wurde 1991 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des realsozialistischen Staatenblocks zurückgenommen. Die Gleichsetzung ist aber nach wie vor präsent, zum Beispiel während der jährlich weltweit stattfindenden „Israel-Apartheid-Woche“ in Veranstaltungen etwa an Universitäten. Auch die Gleichsetzung Israels mit dem Apartheidstaat Südafrika findet bis heute weltweit große Resonanz, sie ist eines der zentralen Ideologeme der globalen Kampagne für den Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen ( BDS) gegen Israel.“
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„Die kontrafaktisch erhobenen Vorwürfe, Israel sei ein Apartheidstaat oder Zionismus sei Rassismus, reihen sich ein in die antisemitische Tradition, Israel als grundlegend rassistisch zu delegitimieren, mit dem Ziel, seine Existenz als jüdischer Staat zu beenden. Dies ist deshalb antisemitisch, weil Israel als jüdischer Souverän Juden und Jüdinnen vor den Folgen des Antisemitismus schützt.“
„Die Parole „Israel ist unser Unglück!“, die insbesondere in der extremen Rechten verbreitet ist, dämonisiert den Staat Israel (siehe 3-D-Test). Sie knüpft unmittelbar an die Parole „Die Juden sind unser Unglück!“ (1879) des Historikers und Politikers Heinrich von Treitschke an. Im Nationalsozialismus wurde Treitschkes Parole in der Unterzeile der antisemitischen Propagandazeitung „Der Stürmer“ von Julius Streicher verwendet“ „Hinter der Parole steckt die Überzeugung, das „Weltjudentum“ wolle die Menschheit und die Völker der Erde versklaven und ins Unglück treiben. Für die Verbreitung des antisemitischen Mythos einer „jüdischen Weltverschwörung“ spielten die „Protokolle der Weisen von Zion“ (1903) eine wesentliche Rolle. Die fiktionalen „Protokolle“ geben vor, echte Geheimprotokolle mächtiger „Juden“ zu sein, die eine Weltverschwörung planten. Das antisemitische Pamphlet wurde zum Bestseller, es erschien rasch in unzähligen Auflagen und Sprachen.“
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„Der Mythos einer „jüdischen Weltverschwörung“ lieferte im NS-Staat den Vorwand, Jüdinnen*Juden zu entrechten, zu verfolgen und zu ermorden. So wird die antisemitische Verschwörungsideologie zur Vernichtungsideologie. Heutzutage werden antisemitische Verschwörungsideologien oft mit Antiamerikanismus vermengt. Das wird in den Codes
„
Jewnited States“ und „USrael“ deutlich. Sie zeigen, dass heute anstatt „Juden“ oft das
Wort „Israel“ genutzt wird, wenn eine jüdische Weltverschwörung angedeutet werden soll. Israel wird gesagt, „die Juden“ sind gemeint“
„Der Pop-Song der Hamas „Udrub Udrub Tal Abib“ (ungefährer Wortlaut: „Bombardiert, bombardiert Tel Aviv“) ist ein beliebter Song der Feinde Israels. „Oh Qassam, oh Liebling – schlag zu, zerstör Tel Aviv“ ist eine Sympathiebekundung zur Hamas. Qassam sind von der Hamas entwickelte Raketen. Die „Qassam-Brigaden“ sind zudem der militärische Flügel der Hamas.“
„Khaybar Khaybar yā Yahūd, jaysh-i Muḥammad sawf-a ya‘ūd“ („Khaybar, Khaybar, ihr Juden, Mohammeds Heer kehrt zurück“) ist eine antisemitische Vernichtungsparole, die häufig auf Demonstrationen skandiert wird. Diese Parole bezieht sich auf die Schlacht von Khaybar aus der islamischen Geschichtsschreibung. Im Jahr 628 soll Mohammed, die jüdisch-besiedelte Oase Khaybar (im heutigen Saudi-Arabien) gewaltsam erobert haben.“
Quelle: MMST17-4574.pdf(nrw.de)(Stellungnahme Landesverband der jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe, 2021)
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„Die Parole ist demnach ein implizierter Gewaltaufruf gegen Jüdinnen und Juden und war unseren Erkenntnissen nach u.a. auf entsprechenden Demonstrationen in Münster, Bielefeld und Gelsenkirchen zu hören.“
„Das Hamas-Emblem zeigt den Felsendom, zwei gekreuzte Schwerter und eine Karte des heutigen Israel, inklusive Westjordanland und Gazastreifen, komplett als Palästina dargestellt.“
„Das Wappen der palästinensischen Autonomiebehörde, aus als Flagge auf weißem Grund. Die Palästinensische Autonomiebehörde (abgekürzt PNA oder PA) war eine quasistaatliche Einrichtung, die seit 1994 nominell Regierungsfunktionen in den Palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland und dem Gaza-Streifen ausübte.“ „Am 7. Januar 2013 ordnete Präsident Mahmud Abbas an, künftig im Amtsverkehr die Bezeichnung „Staat Palästina“ statt „Palästinensische Autonomiebehörde“ zu verwenden. Er löste die Autonomiebehörde formal jedoch nicht auf und ihre Organe arbeiten unter dem neuen Namen weiter.“
„Der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) ist eine seit 2003 terroristisch agierende salafistische Miliz. Die Terrorgruppe tyrannisiert vor allem die Bevölkerung in den Krisenländern Syrien und Irak. Der IS kontrollierte jahrelang riesige Gebiete in beiden
Ländern. Das Ziel des IS ist es, ein Kalifat (Gottesstaat) im Nahen Osten zu errichten. Ein anderer Begriff für den sogenannten „Islamischen Staat“ ist Daesch, Daesh oder Da’esh (ausgesprochen Da-esch).“
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„Das Akronym wird abwertend verwendet, es erinnert an andere arabische Begriffe, die etwa für „Zwietracht säen“ oder „zertreten“ stehen und weist den Anspruch des IS zurück, den die islamistischen Fundamentalist:innen selbst erheben: Das Staatsgebilde zu sein, in dem alle Muslime weltweit auf die einzige Weise leben, die wahrhaft islamisch sein soll.“
„Die Ülkücü-Bewegung ist eine heterogene türkisch-rechtsextremistische Bewegung. Laut Verfassungsschutz hat die Ülkücü-Bewegung in Deutschland mindestens 11.000 Mitglieder. Die Flagge der Ülkücü-Bewegung (türkisch: „Idealisten“) zeigt einen Wolf in Halbmond auf rotem Grund.“
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„Die Bundeszentrale für politische Bildung bezeichnet die Gruppierung, die unter dem Namen „Graue Wölfe“ bekannt ist, als „größte rechtsextreme Organisation Deutschlands“. Ihr Logo ist ein Wolfskopf, der aus einem alttürkischen Mythos stammt und Stärke und Aggressivität der Bewegung symbolisieren soll. Die Aktivist:innen propagieren einen
„
ethnischen Nationalismus“, ihr großes Ideal ist „Turan“, ein großtürkisches Reich, sowie
„Die „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (Palästinensische Nationale Arbeitskommission, PFLP) wurde am 11. Dezember 1967 in Reaktion auf die Niederlage mehrerer arabischer Staaten gegen Israel im Sechstagekrieg gegründet und gehört damit zu den ältesten der militanten Palästinenser-Organisationen. Das erklärte Ziel der Volksfront: „Die Befreiung ganz Palästinas im bewaffneten Kampf und die Errichtung eines demokratischen und sozialistischen palästinensischen Staates.“ Von 1967 bis 1972 organisierte sie Flugzeugentführungen und Geiselnahmen. Später verübte sie vor allem
Sprengstoffanschläge in den besetzten Gebieten und in Israel selbst. In der EU und in den USA gilt die PLFP als Terrororganisation.“
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„Die PFLP verübt zwar keine Selbstmordattentate. Anders als die Hamas oder der Islamische Dschihad ist sie keine radikal-islamische Organisation. Sie versteht sich eher als marxistisch-leninistische, säkulare Bewegung und verbindet arabisch- nationalistische Ziele mit dem Ziel der Befreiung Palästinas, was die Zerstörung Israels impliziert. Und dabei spielt der bewaffnete Kampf immer eine entscheidende Rolle. Die
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Märtyrer-Abu-Ali-Mustafa-Brigaden“ sind der militante Arm der marxistisch-leninistischen
„Der Palästinensischer Islamische Jihad (PIJ) ist eine palästinensische islamistische Gruppe. Sie lehnt eine Zwei-Staaten-Lösung ab und hat die Vernichtung Israels zum Ziel. Der bewaffnete Arm des PIJ sind die Al-Quds-Brigaden (Al-Quds ist der arabische Name für Jerusalem). Die Al-Quds-Brigaden sind hinter der Hamas die zweitgrößte Gruppe in Gaza. Der PIJ und die Al-Quds-Brigaden sind für eine Reihe von Anschlägen, unter anderem Bombenanschläge und Raketenbeschuss auf Israel, verantwortlich. Der PIJ wird von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft.“
„Die Fatah ist die größte Bewegung innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), der die Hamas nicht angehört. Die Fatah wurde 1965 von Jassir Arafat gegründet und hat jahrzehntelang den palästinensischen Kampf um einen eigenen Staat angeführt. Sie hat faktisch die Verhandlungen mit Israel geführt und Vereinbarungen unterzeichnet. Derzeitiger Chef der Bewegung ist Präsident Mahmud Abbas.“
„Die Hisbollah (arabisch: „Partei Gottes“), ist eine schiitische Bewegung im Libanon. Als Israel im Juni 1982 im Libanon einmarschiert, war die Geburtsstunde von Hisbollah gekommen: Auf Betreiben des Iran wurde diese neue Miliz gegründet. Als „Staat im Staat“ kontrolliert die islamistische Hisbollah seither den Libanon über ihre Miliz nicht nur militärisch, sondern über ihre Partei auch politisch. Die Hisbollah ist in Deutschland verboten.“
„Besonders auf Demonstrationen mit Bezug zur „Nakba“ (im arabischen Sprachgebrauch die Flucht und Vertreibung von arabischen Palästinensern aus dem früheren britischen Mandatsgebiet Palästina bezeichnet) sind oft Schlüssel zu sehen.“
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„Diese sollen das Rückkehrrecht palästinensischer Geflüchteter symbolisieren.“ „Im Zuge der Staatsgründung Israels und des Krieges mit seinen arabischen Nachbarstaaten mussten etwa 700.000 Araber:innen ihre Häuser verlassen, die heute auf dem Staatsgebiet Israels liegen – zum Teil geschah das freiwillig, zum Teil wurde von der israelischen Armee Gewalt eingesetzt. Anders als allen anderen Geflüchteten ist diesen Geflüchteten bei der UN ein eigenes Hilfswerk gewidmet, die UNRWA. Diese definiert den Status als Geflüchtete, ebenfalls einzigartig, so, dass er auch auf Nachkommen anwendbar ist.“
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„In der Folge gelten heute etwa 5 Millionen Menschen als palästinensische Geflüchtete, eine „Rückkehr“ dieser Menschen nach Israel hätte zur Folge, dass Jüd:innen in Israel zur Minderheit würden.“
„Auf antiisraelischen Kundgebungen wird immer wieder ein Rückkehrrecht für die arabischen Flüchtlinge gefordert, die im Zuge des israelischen Unabhängigkeitskrieges (1947–1949) das heutige Israel verließen oder vertrieben wurden. Das Symbol hierfür ist ein Schlüssel, der für den Zugang zu den Häusern der arabischen Flüchtlinge steht. Diese Schlüssel behielten die Geflüchteten in der Hoffnung auf eine baldige Rückkehr“
„Ein unter Israelfeind:innen beliebtes Symbol ist die israelische Landkarte in den palästinensischen Farben. Mit solchen Darstellungen will man zum Ausdruck bringen, dass Israel kein Existenzrecht habe und impliziert eine Kein-Staat-Israel-Lösung.“ „Daneben erfreut sich besonders auf Instagram eine Landkarte Israels und Palästinas in Farben der Kufiya (umgangssprachlich auch “Pali Tuch”) zunehmender Beliebtheit. Während die Kufiya ein übliches Gebrauchskleidungsstück ist, wird es im europäischen Kontext oft mit gegen Israel kämpfen Palästinenser*innen assoziiert und gilt als Symbol des palästinensischen Kampfes. Eine entsprechend gefärbte Landkarte spricht Israel das Existenzrecht in seiner heutigen Form ab.“
„Der kleine Junge Handala, der stets nur von hinten zu sehen ist, ist eine bekannte Comicfigur in der arabischen Welt und wurde auf den von RIAS Bayern beobachteten antiisraelischen Demonstrationen immer wieder gezeigt.“ „Handalas Kleidung ist zerschlissen und geflickt, auf seinem Kopf sprießen nur spärlich die Haare. Sein Schöpfer, Naji al-Ali, floh während des israelischen Unabhängigkeitskrieges
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948 im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie nach Syrien und wurde später Cartoonist.
Er bestand Zeit seines Lebens auf einer „Lösung“ des sogenannten Nahostkonflikts, die das gesamte Land zwischen Jordan und Mittelmeer ( From the river to the sea) palästinensisch machen sollte. Für Israel gäbe es da keinen Platz, es dürfte in den Augen von al-Ali also nicht existieren“
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„Während al-Ali in seinen Cartoons auch arabische Politiker kritisiert – sie werden als Schnecken dargestellt, die nichts für die „palästinensische Sache“ täten –, gilt sein Hauptaugenmerk Israel und den USA. Israelische Soldaten werden stets in antisemitischer Weise gezeichnet, haben etwa große Nasen oder werden als „Spinne im Netz“ dargestellt. Handala ist meist passiver Beobachter, manchmal aber wird er auch aktiv, etwa um eine israelische Flagge anzuzünden.“
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„Handala wurde spätestens seit den 1980er Jahren von linken antiimperialistischen Gruppen auch in Deutschland als Symbol der Solidarität mit dem sogenannten palästinensischen Befreiungskampf verwendet. Die Figur ist zudem das Maskottchen der antisemitischen BDS-Kampagne, die seit 2005 zum Boykott Israels aufruft und in deren Rahmen es immer wieder auch zu offen antisemitischen Aktivitäten kommt.“ „Eine der drei Kernforderungen von BDS ist wiederum das sogenannte Recht auf Rückkehr. Handala passt also als Maskottchen bestens zu einer Kampagne, die auf das Ende Israels als jüdischer Staat zielt und zu deren „Nationalkomitee“ unter anderem die Palestinian National and Islamic Forces gehören, in denen auch palästinensische Terrororganisationen wie die Hamas, der Palästinensische Islamische Djihad und die PFLP vertreten sind.“ „Nach außen tritt Handala meist gewaltfrei auf, obwohl er manchmal auch eine Schusswaffe oder eine Steinschleuder in den Händen hält. Handala ist ein Symbol für die Zerstörung Israels, und die Cartoons seines Schöpfers sind durchzogen von antisemitischen Stereotypen.“
Krieg zwischen Israel und Hamas: Kurz erklärt – wer ist wer und was ist was im Nahost-Konflikt? Christian Böhme, Daniel Erk, Annett Heide, Kai Müller
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7. Oktober 2023
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Kein anderer Konflikt erregt die Gemüter schon so lange und so intensiv wie der Nahost-
Konflikt, keiner strahlt so stark auf die anderen Weltregionen aus, keiner ist auf Dauer so ermüdend.
Bei allen Wendungen und Eskalationen, die er genommen hat, bei all den Kriegen und Kämpfen, Ausschreitungen und Anschlägen, ist es schwer, den Überblick zu behalten. Es gibt viele Akteure, politische Entscheidungen und historische Wegmarken. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Begriffe.
Wie kam es zum Nahost-Konflikt?
Seinem Kern nach wird der Palästina- oder Nahost-Konflikt um die Frage geführt, wer in der Region zwischen Jordan und Mittelmeer leben darf. Wer sagen darf: Das ist mein Land. Seit
jüdische Siedler sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkt in der Region niederließen, waren sie auch Angriffen durch arabische Banden ausgesetzt. So wuchs der Wunsch nach einem eigenen Staat. Der Zionismus erhielt Auftrieb durch den wachsenden Antisemitismus in Europa. Nach dem Holocaust und der Vertreibung vieler Juden aus ihren Heimatländern wuchsen die Spannungen zwischen jüdischen und arabischen Milizen in dem von den Briten regierten Mandatsgebiet. Sie schlugen 1948eine Aufteilung vor, die durch eine UN-Resolution völkerrechtlich abgesichert wurde. Kompakt, schnell und interaktiv Der tägliche Überblick am Morgen und Abend Wo Israel und Palästina jeweils anfangen und enden, kommt immer noch sehr auf den jeweiligen Standpunkt an und verschiebt sich ständig. Obwohl Israel seine Grenzen nie offiziell festgelegt hat, akzeptieren die meisten Staaten der internationalen Gemeinschaft die Linien, die der Waffenstillstand 1949 vorsah. Durch ihn wurde Jerusalem geteilt und Westjordanland (Westbank) und Gazastreifen als geopolitische Einheiten innerhalb der „Palästinensischen Gebiete“ geschaffen.
Dass die UN sich mit ihrer ersten großen Maßnahme gegen arabische Interessenpositionierte, ist aus Sicht muslimischer Freiheitskämpfer ein Beleg für die Fortsetzung kolonialer Interessen in dieser Region. Tatsächlich betrachten sich Akteure auf beiden Seiten als Spielfiguren in einem viel größeren Machtkampf. So agieren islamistische Gruppierungen wie Hamas und Hisbollah als Teile des Großkonflikts zwischen Sunniten und Schiiten. Der führende schiitische Staat ist Iran, sein Gegenpart auf sunnitischer Seite ist Saudi-Arabien. Iran ist Bestandteil der chinesisch-russischen Achse, und Arabien steht auf amerikanischer Seite. Auf diese Weise wirken weltpolitische Interessen auf einen vergleichsweise kleinen Regionalkonflikt ein. Denn sowohl Russland und China, als auch Amerika und Europakonkurrieren um die Energie-Ressourcen des Nahen Ostens. Die Loyalität zu Israel steht auf westlicher Seite deshalb in ständigem Konflikt zu den guten Beziehungen in die arabische Welt, die man zur Deckung des eigenen Energiebedarfs benötigt.
Die sich anbahnende Partnerschaft von Israel und Saudi-Arabien, die durch US-Vermittlung forciert wird, dürfte das Kräfteverhältnis zugunsten Israels und des Westens verschieben. Die Palästinenser kommen in dieser Allianz, zu der noch Ägypten, Jordanien sowie die Vereinigten Arabischen Emirate („Abraham-Abkommen“) zählen, nicht vor.
Gaza
Der etwa 40 Kilometer lange Küstenstreifen, benannt nach der größten Siedlung Gaza und kaum größer ist als das Stadtgebiet von Bremen, verdankt seine Existenz dem Vorstoß ägyptischer Truppen auf palästinensisches Territorium 1948. Sie hatten ihren Vormarsch kurz nach der israelischen Unabhängigkeitserklärung sowie dem Ende desbritischen Mandats gestartet. Die Ägypter besetzten und kontrollierten das Gebiet, bis sie im Sechs-Tage-Krieg 1967von Israel verdrängt wurden. Die Israelis behielten die Kontrolle bis zum Friedensprozess von Oslo. Mitte der 1990er Jahre wurde das 360 Quadratkilometergroße Gebiet der palästinensischen Selbstverwaltung übergeben. Ein Jahr, nachdem die israelische Regierung 2005 die letzten jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen geräumt hatte, setzte sich die Hamas bei den Regionalwahlen durch. Seitdem beherrscht sie ihn. Wahlen haben seit 2006 nicht mehr stattgefunden. Der Gaza-Streifen ist mit 2,3 Millionen Einwohnern eine der am dichtesten besiedelten Regionen der Erde, dabei aber vollständig auf israelische Lieferungen von Strom, Wasser, Nahrungsmitteln angewiesen. 80 Prozent der Bevölkerung sind auf Hilfslieferungen angewiesen, knapp die Hälfte hat nicht genug Nahrung. Die Arbeitslosigkeit liegt nach offiziellen Angaben ebenfalls bei fast 50 Prozent. 18.000Palästinenser hatten zuletzt eine
Arbeitserlaubnis in Israel. Der letzte Einmarschisraelischer Truppen in die Enklave erfolgte im Juli 2014 („Operation Protection Edge“)und endete sechs Wochen später mit einer unbefristeten Waffenruhe.
Hamas
Die palästinensische Organisation wurde Ende der 80er von muslimischen Geistlichen und politischen Aktivisten vor allem aus dem Gazastreifen nach dem Vorbild der Muslimbruderschaft gegründet. Der Name spielt sowohl auf die arabische Selbstbezeichnung
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Islamische Widerstandsbewegung“ als auch auf die Worte „Kampfgeist“ und „Eifer“ an.
Die Bewegung verstand sich als Gegenkraft zur PLO und besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: einer politischen Partei, sozialen Einrichtungen und den paramilitärischen Kassam- Brigaden. Ihr militärischer Arm führt regelmäßig Anschläge auf israelische Grenzpolizisten, Militärs und seit Mitte der 1990er auch auf Zivilisten aus. In den USA und Europa gilt die Hamas deshalb als Terror-Organisation. Außerdem weigert sie sich, die Existenz des Staates Israel anzuerkennen und hat sich dessen Zerstörung zum Zielgesetzt. Seit ihrer Machtübernahme im Gaza-Streifen 2007 ist sie in der Lage, Israel mit Raketen anzugreifen. Die Bewegung, die seit 2017 von Ismail Haniyya aus dem Exil geführt und in Gaza selbst von Yahya Sinwar geleitet wird, finanziert sich überwiegend durch Hilfszahlungen ausverbündeten Ländern wie Katar, Syrien, Iran und Saudi-Arabien, durch lokale Abgaben, aber auch durch finanzielle Unterstützung im Rahmen der Entwicklungshilfe. Sie wird über der Hamas nahestehende Hilfsorganisationen an diese weitergegeben.
Was sind PLO, Fatah – und wer ist Jassir Arafat?
Das Ziel wird schon im Namen deutlich. Die „Organisation zur Befreiung Palästinas“(Palestine Liberation Organization), kurz PLO, strebt die Errichtung eines unabhängigen Staates für die Palästinenser an. Sie versteht sich als einzig legitime Volksvertretung und setzte jahrzehntelang auf einen bewaffneten Kampf und Terrorismus gegen den Staat Israel. Die PLO wurde 1964 auf Betreiben des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser als Dachverband zahlreicher palästinensischer Gruppen gegründet. Sie alle eint der Wunschnach einer „Befreiung Palästinas“ und nationaler Unabhängigkeit, bündelt allerdings ganzunterschiedliche politische Strömungen. Die säkulare Fatah ist die weitaus stärkste Parteiinnerhalb der PLO, gegründet 1959 in Kuwait tritt sie heute für eine Zweistaatenlösung mit diplomatischen Mitteln ein. 1974 wurde die PLO von der UN-Generalversammlung als legitime Vertretung des palästinensischen Volkes anerkannt und erhielt den Status eines Ständigen Beobachters.
Jassir Arafat war es, der die PLO in aller Welt bekannt machte. Mehr als 35 Jahre (von1969 bis zu seinem Tod 2004) stand der Mann mit dem Palästinensertuch (Kufiya) auf dem Kopf an ihrer Spitze und war zugleich Mitbegründer der Fatah. Er nannte sich selbsteinen Freiheitskämpfer, der spätere Friedensnobelpreisträger bevorzugte aber lange Zeitblutige Anschläge, um der
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palästinensischen Sache“ zum Sieg zu verhelfen.
Nach Arafats Tod wurde Mahmud Abbas 2004 PLO-Vorsitzender. Heute ist er Chef der Autonomiebehörde und Präsident der Palästinenser. Allerdings hat sich der 87-Jährigeseit Jahren keiner Wahl mehr gestellt. Er regiert autoritär und verliert immer weiter an Zuspruch. Mit der Hamas ist seine Fatah verfeindet, mehrere Versöhnungsversuche scheiterten.
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wurde 1994 während der Osloer
Friedensprozesse eingerichtet. Ihre Aufgabe ist es, nominell zu regieren sowie die palästinensische Selbstverwaltung zu garantieren, also die Grundversorgung mit Strom und Wasser, Müllabfuhr und das Schulsystem. Jassir Arafat war der erste palästinensische Präsident. Nach seinem Tod wurde im Januar 2005 Mahmud Abbas zum Chef der Behörde gewählt. Ein Jahr später fanden Parlamentswahlen statt, die eine Mehrheit für die Hamas ergaben. Sie übernahm darauf die alleinige Kontrolle im Gazastreifen. Die Amtszeit von Abbas lief 2009 ab. Die beiden Wahlen sind die einzigen seit der Einrichtung der PA. Unter Palästinensern hat Abbas keinen guten Ruf. Da seine Autorität sich uneingeschränkt nur auf 18 Prozent des Territoriums im Westjordanland erstreckt, weitere20 Prozent unter geteilter Kontrolle mit Israel stehen und 62 Prozent der Fläche zu den „C-Gebieten“ zählen, in denen die israelische Armee die alleinige Kontrolle hat, gilt er als Vasall des jüdischen Staates. Außerdem hat seine Behörde kaum Befugnisse dazugewonnen, seit Netanjahu regiert.
Westjordanland
Das Westjordanland, auf Englisch „Westbank“, bildet zusammen mit dem Gazastreifen und Ostjerusalem die Palästinensischen Gebiete. Die Palästinenser bezeichnen den Gazastreifen und Teile der Gebiete heute als Staat Palästina, in Israel wird es offiziell Judäa und Samaria genannt. Der Streit darum ist der Kern des Nahostkonflikts. Es geht um die Region westlich des Flusses Jordan an der Grenze zu Jordanien, die1948 von jordanischen Truppen erobert und fast zwanzig Jahre lang kontrolliert wurde. Rund 3 Millionen Menschen leben dort, knapp 500.000 davon sind jüdische Siedler. Das Westjordanland steht zu weiten Teilen unter israelischer Militärverwaltung, etwa 60Prozent sind von Israel besetzt. Der palästinensische Teil, in dem 80 Prozent der Bevölkerung leben, wird von der Fatah kontrolliert.
Das historische Palästina, das etwas über die heutigen Grenzen hinausgeht, gehörte bis1918 zum Osmanischen Reich. Dann übernahm die Mandatsmacht Großbritannien die Kontrolle.
Was sind israelische Siedlungen?
Ohne den Aufbau jüdischer Siedlungen, der mit Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzte, wäre Israel nicht denkbar. Doch während frühere Einwanderer-Generationen sich am Aufbau eines Gemeinwesens beteiligten, in dem viele Irrtümer anderer Gesellschaften vermieden werden sollten, seien es Habgier oder Ausgrenzung, ist die jüdische Siedlungsbewegung mehr und mehr zu einem Projekt missionarischer Fanatiker geworden.
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Hill Top Generation“ werden heute jene Siedler genannt, die ihre Besitzansprüche auf heiligen Boden“ mit festungsähnlichen Trabantenstädten unterstreichen und nichts zutun
haben wollen mit den palästinensischen Dörfern der Umgebung. Sie betreiben kaum noch Ackerbau, sondern besetzen Hügelkuppen mit der Absicht, von dort aus zumindest symbolisch über die Umgebung zu gebieten. Obwohl sie mitunter schwer bewaffnet sind, wird die Existenz der Siedlungen vor allem durch die israelische Armee garantiert.
Schon nach dem Sechstagekrieg gab es Bestrebungen, die „Israelisierung“ besetzter Gebiete mit der strategischen Ansiedlung jüdischer Einwanderer voranzutreiben. Es ging darum, wie Verteidigungsminister Mosche Dajan sagte, „neue Tatsachen“ zu schaffen. Doch spielten nationalreligiöse Motive dabei noch keine Rolle. Das änderte sich mit Amtsantritt des konservativen Premiers Menachem Begin 1977. Er subventionierte Siedlungsgründungen auch in solchen Gebieten, die strategisch bedeutungslos waren. Seither ist es erklärtes Ziel der
Siedler, der Gründung eines palästinensischen Staates zuvorzukommen. 1977 lebten 1.900 Juden in besetzten Gebieten, 40 Jahre später waren es schon eine halbe Million.
Intifada
Unter „Intifada“, arabisch so viel wie „sich erheben, abschütteln“, versteht man zweilangjährige Aufstände der Palästinenser gegen die israelische Besatzung. Der Siedlungsbau und die Besatzung des Gazastreifens führten zu Wut und Perspektivlosigkeit unter den Palästinensern und mündeten 1987 in der Ersten Intifada. Sie ist auch als „Krieg der Steine“ bekannt. Die Palästinenser warfen zunächst Steine und Molotowcocktails, worauf die israelische Armee zurückschoss. Sodann griffen auch Palästinenser zu Waffen. 200 Israelis und mehr als 1.100 Palästinenser starben bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen. Sie endeten erst mit der Unterzeichnung der Oslo-Abkommen 1993. Die Zweite Intifada oder auch Al-Aqsa-Intifada begann im Jahr 2000, nachdem die Friedensverhandlungen gescheitert waren. Als der israelische Oppositionsführer Ariel Scharon am 28. September den auch für Muslime heiligen Tempelberg in der Altstadt von Jerusalem besuchte, kam es am Tag darauf zu gewalttätigen Demonstrationen. Dabei wurden vier Menschen getötet. Darauf begannen im Gazastreifen und im Westjordanlandgewaltsame Auseinandersetzungen und die Zweite Intifada wurde ausgerufen. Sie ist vor allem durch Terroranschläge und Selbstmordattentate in Israel gekennzeichnet und endete erst 2005 mit der Unterzeichnung eines Waffenstillstands. Rund 1.100 Israelis und4.900 Palästinenser waren ums Leben gekommen.
Hisbollah
Die Hisbollah ging als schiitische Organisation aus dem libanesischen Bürgerkrieg hervor, der den multiethnischen Staat zwischen 1975 und 1990 verwüstete. Wobei es erst der Machtergreifung des Ayatollah-Regimes in Teheran und dessen Wunsch bedurfte, eine islamistische Miliz vom Libanon aus in einen Kampf gegen Israel zu führen, bis die „HisbAllah“ (Partei Gottes) 1982 entstand. Schon ein Jahr später lenkte sie einen mit 910Kilogramm Sprengstoff beladenen Lastwagen in die US-Botschaft in Beirut. Die Bewegung, die seit 1992 von Hassan Nasrallah geleitet wird, tritt einerseits als politische Partei auf, stellt aber auch eine regionale Macht dar, die vor allem im Süden und im Baalbek- Tal im Nordosten eigene halbstaatliche Strukturen unterhält. Ihr militärischer Arm griff auf Weisung des iranischen Regimes ab 2012 im syrischen Bürgerkrieg zu Gunsten des Diktators Baschar al-Assad ein. Die Zunahme an Terroraktionen gegen Israel, bei denen israelische Soldaten sowie Bürger getötet und verletzt wurden, führte 2006 zum Libanonkrieg, in dessen Verlauf die israelische Armee Hisbollah-Einrichtungen im gesamten Libanon bombardierte. Ein militärischer Angriff auf Israel ist für die Hisbollah – anders als für die Hamas – mit der Gefahr verbunden, den Rückhalt in der libanesischen Gesellschaft zu verlieren, da diese sich von Israel nicht direkt drangsaliert fühlt.
Kassam-Brigaden
Die Elite-Miliz, die „Bataillone des Märtyrers Izz ad-Din al-Qassam“ heißt, fungiert als paramilitärische Einheit der Hamas. Ihr werden mehr als 90 Selbstmordanschläge sowie zahllose Bombenattentate zugerechnet, denen 650 israelische Zivilisten zum Opfer fielen. Sie wurde im Verlauf der Ersten Intifada ab 1987 mit dem Ziel gegründet, den Friedensprozess von Oslo durch Gewalt und Anschläge zu sabotieren.
Dass die Hamas 2007 im Gaza-Streifen die Macht erlangte, verdankt sie vor allem ihren paramilitärischen Fähigkeiten, die sie auch gegen die eigene Bevölkerung und oppositionelle Stimmen einsetzt. So soll sie im internen Machtkampf mit der palästinensisch- nationalistischen Fatah auf schätzungsweise 3.000 Kassam-Soldatenzurückgegriffen haben. Ziel ihrer Anschläge waren vor allem Grenzübergänge, an denen hunderte Menschen getötet und verletzt wurden. Der Nachschub an Waffen und anderen Gütern erfolgt über eine so genannte „Tunnel- Wirtschaft“. So dient der Hamas ein weit verzweigtes Tunnelsystem an der Grenze zu Ägypten als Versorgungssystem. Auf diese Weise versuchte sich die Hamas der israelischen Kontrolle zu entziehen, durchaus unterstützt von ägyptischer Seite, bis sich die islamistischen Kämpfer mit separatistischen Terrorgruppen auf der Sinai-Halbinselverbündeten.
Die Kassam-Kommandeure sind in der Hamas-Hierarchie weit oben angesiedelt. Soleitete Yahiya Sinwar, ein in Israel verurteilter Mörder, jahrelang die Geschicke der Kassam-Brigaden, bevor er 2016 zum Führer der Hamas im Gazastreifen aufstieg.
Wie kam es zur Aufteilung von Israel und palästinensischen Gebieten?
Über Jahrzehnte schon war die Ankunft jüdischer Siedler nach Palästina nicht abgeebt, als der Holocaust alles änderte. Im Zweiten Weltkrieg versuchten mehr Juden denn je, im britischen Mandatsgebiet Schutz zu finden. Tausende trafen aus Europa ein, viele illegal und unter großen Gefahren.
Der starke Zustrom an jüdischen Einwanderern führte zu wachsenden Spannungen mitarabischen Milizen, die die britische Kolonialregierung immer weniger in den Griff bekam. Britische Truppen wurden zudem selbst vermehrt Ziele von Anschlägen. So arbeitete die eben erst gegründete UNO einen Teilungsplan für das Gebiet aus, der Jerusalem unterinternationale Aufsicht stellte und einen israelischen und einen arabischen Staat vorsah. Während die jüdischen Gruppen den Plan begrüßten, lehnte ihn die arabische Seite kategorisch ab. Es kam zu Spannungen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, sodass der UN- Teilungsplan in der Form nie umgesetzt wurde. Mit Auslaufen des britischen Mandats in Palästina, erklärte der Staat Israel 1948 seine Unabhängigkeit und wurde kurz darauf von einem breiten Bündnis arabischer Staaten angegriffen, darunter Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien und Irak. Allerdings verfügten die Angreifer nicht über die militärische Stärke, die ihnen eine Zerschlagung des jüdischen Gebildes erlaubt hätte. Stattdessen eroberte Israel Gebiete, die ihm ursprünglich gar nicht zugestanden hätten. Palästinenser flohen in großer Zahl in benachbarte Länder sowie in das Westjordanland und den Gazastreifen, wo dauerhaft Flüchtlingslager entstanden. Auf Vermittlung der UN wurde 1949 ein
Waffenstillstandvereinbart, dessen Linien allgemein als Staatsgrenzen anerkannt werden.
Nakba
Die Nakba (deutsch: Katastrophe, Unglück) ist für Palästinenserinnen und Palästinenser der zentrale Begriff für das kollektive Trauma von Flucht und Vertreibung aus ihrer Heimat. Damit ist ein Prozess gemeint, der am 15. Mai 1948 begann – genau einen Tag nach der Gründung Israels und am Tag des Angriffs mehrerer arabischer Armeen auf den neuen jüdischen Staat. Schätzungsweise 700.000 Palästinenser flohen aus dem früheren britischen Mandatsgebiet oder wurden gewaltsam vertrieben. Die israelische Armeezerstörte Hunderte arabischer Dörfer, den Palästinensern wurde die Rückkehr verwehrt.
Mit einem präventiven Militärschlag gegen Jordanien und Ägypten kam Israel 1967 dem Angriff seiner Nachbarn zuvor. Es eroberte dabei sämtliche von ihnen gehaltenen Gebiete einschließlich Ost-Jerusalems sowie die Sinai-Halbinsel. Nur Ansprüche auf diese letztgenannte Eroberung hat Israel im Rahmen der Friedensverhandlungen mit Ägypten 1979 wieder abgetreten. Ost-Jerusalem wurde 1980 annektiert. Obwohl Israelvor einem solchen Schritt bezüglich Westjordanland und Gaza-Streifen zurückschreckte, baute es seine Präsenz dort sukzessive mit einem Siedlungsprogramm aus, dessen Gebietsgewinne international nicht anerkannt werden.
Jom-Kippur-Krieg
Der überraschende Angriff von Syrien, Ägypten und weiteren arabischen Staaten im Oktober
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973 konnte von Israel zwar nach drei dramatischen Wochen erfolgreich zurückgeschlagen
werden, doch hatte er einen verheerenden Effekt auf die jüdische Angst vor der Vernichtung. So hatten sich die Feinde den höchsten jüdischen Feiertag für ihren Überfall gewählt. Ihre Attacke traf das Land vollkommen unvorbereitet, Einheitenmussten erst mobilisiert werden, um den feindlichen Vormarsch zu stoppen.
Nach zwei Tagen ging die Israelische Armee zu Gegenoffensive über, vertrieb Syrien von den Golanhöhen und drang auch im Sinai weit über die frühere Waffenstillstandslinie hinaus bis zum Suez-Kanal vor. Der Krieg verändert die geopolitische Landkartenachhaltig. Denn gestärkt durch ihre anfänglichen Erfolge, ließen sich zumindest Ägypten und Jordanien später auf Friedensverhandlungen ein. Und auch in Israel setzte sich der Gedanke durch, dass Sicherheit wichtiger als Land sei.
Ist der Friedensprozess in Oslo gescheitert?
Nachdem Israel sich 1979 auf ein Friedensabkommen mit Ägypten eingelassen hatte, strebte es einen Friedensvertrag auch mit Jordanien an, mit dem es die längste Grenze teilt. König Hussein machte zur Bedingung, dass die palästinensische Frage Teil der Verhandlungen sein müsse, weil „jedes mal, wenn eine palästinensische Familie um ein Mitglied trauert, in Jordanien jemand mitweint“. Doch die Verständigung mit der PLO von Jassir Arafat gestaltete sich weitaus schwieriger. Die Unterredungen der verfeindeten Parteien mussten anfangs über inoffizielle Kanäle erfolgen. So traf der israelische Hochschulprofessor Yair Hirschfeld den PLO-Finanzminister Ahmed Qurei erstmals 1992 in London. Dem Gespräch waren dreijährige Anbahnungen vorausgegangen. Dann verbot die Knesset Anfang 1993 jeglichen Kontakt zur PLO. Worauf Hirschfeld und Qurei verdeckt weitermachten. Als Außenminister Simon Peres im August des Jahres nach Oslo reiste, um den Friedensprozess offiziell einzuleiten, hatten die Unterhändler sich auf Grundzüge des Abkommens geeinigt: Beide Seiten erkannten einander als souveräne Vertreter an. Die PLO verpflichtete sich, die Vernichtung Israels aus ihrer Charta zu streichen. Im Gegenzug sollten Gazastreifen und Westjordanland von einer palästinensischen Autonomiebehörde regiert werden. Weiterhin strittige Fragen wie der Status Jerusalems blieben ausgeklammert und sollten in späteren Verhandlungen geregelt werden. Nachdem im September 1995 in einemzweiten Schritt festgelegt wurde, welche Zonen im Westjordanland die volle, geteilte oder gar keine palästinensische Autonomie erhalten sollten, wurde Premierminister Rabinermordet. Trotz zahlreicher Versuche kam danach keine Einigung zwischen Fatah und Israel mehr zustande. Der Prozess, der Wege in den dauerhaften Frieden finden sollte, wurde nicht mehr als ein
solcher verstanden. Die Netanjahu-Regierungen glaubten, sich nicht länger um ihn kümmern zu müssen.
Wird es eine Zweistaatenlösung geben?
Populär war das Konzept nie, „zwei Staaten für zwei Völker“ vorzusehen, deren Hauptstadt jeweils Jerusalem sein würde. Weder unter Israelis, die sich aus Teilen ihres Stammlands zurückziehen müssten, noch unter Palästinensern, die den Verlust ihrer ursprünglichen Heimat endgültig hinzunehmen hätten, war der Zuspruch groß. Zuletzt sank er weiter, sodass er einer Umfrage vom April 2023 nach einen historischen Tiefpunkterreichte. Nur noch 35 Prozent der Israelis hielten die Zweistaatenlösung für praktikabel.
Doch alle Alternativen, die den Dauerkonflikt ins Innere eines Staates oder eines Staatenverbundes verlagern würden, versprechen noch weniger Aussicht auf Erfolg zur
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friedlichen Lösung der Palästinafrage“, wie sie in mehreren UN-Resolutionen gefordert wird.
Palästinenser und Israelis in zwei Staaten voneinander zu trennen, die „Seite an Seite innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen“ existieren würden, geht auf den UN-Teilungsplan von 1948 zurück. Wobei sich Israel noch in dem Jahr eine staatliche Struktur gab, die Palästinenser jedoch nicht. Mit der Aufnahme der Friedensgespräche in Oslo zu Beginn der
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990er Jahre ging die gegenseitige Anerkennung von Israel und PLO einher. Doch bezahlte
Israel die Annäherungen an palästinensische Positionen mit einer Anschlagsserie auf dem eigenen Gebiet, die von der radikal-islamischen Hamas gesteuert wurde. Der Wunsch vieler Israelis nach mehr Sicherheit führte ab Ende der1990er zu einer Abschottung und dem Bemühen, sich durch eine Spaltung der palästinensischen Bewegung in Fatah und Hamas vor einer Fortsetzung des Friedensprozesses drücken zu können.
Als Haupthindernis für eine Zweistaatenlösung gilt auf palästinensischer Seite der fortschreitende Siedlungsbau in von Israel besetzten Gebieten im Westjordanland, der in mehreren UN-Resolutionen als völkerrechtswidrig verurteilt wird. 53 Prozent der palästinensischen Zivilbevölkerung befürworten einen bewaffneten Kampf zur Gründungeines unabhängigen Staates – ein Anstieg um 12 Prozent im Vergleich zu 2022.“