„Ende nach 50 Jahren“, schreibt Andreas Wehr und der ist nicht etwa irgendwer: ein tatsächlich sozialdemokratisches Schwergewicht, das über sich selbst schreibt:
1954 in Berlin geboren. Stationen in Ausbildung und Beruf: Realschule, Aufbaugymnasium, Abitur, Studium der Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin. Nach dem zweiten Staatsexamen tätig als Anwalt in einem Steuerberatungsbüro. 1989 bis 1990 Leiter des Büros der Senatorin für Bundes- und Europaangelegenheiten Heide Pfarr, dann Leiter des Büros des Regierenden Bürgermeisters Walter Momper.
Von 1991 bis November 1999 Angestellter in der Senatskanzlei u. a. als Leiter der Dienststelle Berlin des Europabeauftragten des Senats. Von Dezember 1999 bis Ende 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke des Europäischen Parlaments in Brüssel.
Von 1971 bis 1998 Mitglied der SPD. Funktionen in der Partei: Von 1980 bis 1982 Landesvorsitzender der Berliner Jungsozialisten, 1992 bis 1994 und von 1995 bis 1998 Beisitzer im SPD-Landesvorstand. Von 1993 bis 1995 Mitglied in der Kommission für Außen- und Sicherheitspolitik und von 1996 bis 1998 Mitglied in der Schwerpunktkommission Europa des Parteivorstandes der SPD. In den siebziger und achtziger Jahren an führender Stelle aktiv in der Berliner Friedensbewegung. Mitglied der Partei Die Linke von 2000 bis 2019.
1994 Kandidat für die SPD im Wahlkreis Reinickendorf für den Deutschen Bundestag. 1999 parteiloser Kandidat auf der offenen Liste der PDS bei den Wahlen zum Europäischen Parlament. 2005 Kandidat der Linkspartei. PDS im Wahlkreis Reinickendorf für den Deutschen Bundestag.
Mitglied in der Gewerkschaft ver.di. Bis 1999 Mitherausgeber der „Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft – spw“. Präsidiumsmitglied in der Internationalen Gesellschaft Hegel-Marx für dialektisches Denken. Gründer – zusammen mit Marianna Schauzu – des Marx-Engels-Zentrums Berlin. www.mez-berlin.de
„Warum ich nicht länger mehr Ver.di-Mitglied bin.“
Die Ver.di-Mitgliederzeitung Publik veröffentlicht regelmäßig eine Kolumne in der es vorgeblich um die Arbeitswelt in der Ukraine geht. Autorin ist Olha Vorozhbyt, die stellvertretende Chefredakteurin des Nachrichtenmagazins Ukraijinskyi Tyschden. Sie ist auch Autorin für die Website „Die Ukraine verstehen“ des „Zentrums Liberale Moderne“, ein Projekt der Grünen Ralf Fücks und Marie-Luise Beck, die sich als eifrige Propagandisten des Kiewer-Regimes einen Namen gemacht haben.
Über die katastrophale Arbeitswelt in der Ukraine, die schon lange vor Kriegsbeginn im Jahr 2022 gekennzeichnet war durch extreme Niedriglöhne, Arbeitsmigration und staatlich unterdrückte Gewerkschaften, erfährt man aus der Kolumne von Olha Vorozhbyt aber leider nichts. Stattdessen werden dem Leser Durchhalteparolen und pure Kriegspropaganda geboten, die sich in nichts von der Selenskyjs unterscheiden.
Bereits in der Ausgabe 1-2023 von Publik konnte man über den Arbeitsmarkt in der Ukraine lesen: „Seine stabile Entwicklung erfordert jedoch eines – den vollständigen Sieg der Ukraine in diesem Krieg.“ Das ist identisch mit dem Kriegsziel der ukrainischen Regierung.
Ich hatte mich daraufhin in einem Protestbrief an die Mitgliederzeitung gewandt. Dies führte zu einem schriftlichen Austausch mit der Chefredakteurin Petra Welzel, der jedoch am Ende zu nichts führte. Man muss wissen, dass Petra Welzel lange Zeit für die den Grünen nahestehende taz als Journalistin tätig war. Sie schrieb dort unter anderem über die jugoslawischen Bürgerkriege.
Publik setzte ihren Kurs in der Ukraine-Politik unbeirrt fort. In der aktuellen Ausgabe 2-2024 schrieb Olha Vorozhbyt nun: „So pathetisch es auch klingen mag, es ist schwierig, eine Entwicklungsstrategie für die Ukraine zu formulieren, ohne eine Strategie zum Sieg über Russland“. Dies würde aber bedeuten, dass es keine Entwicklungsstrategie für die Ukraine gibt, denn ein Sieg über Russland, was den vollständigen Rückzug aller russischen Truppen und die Aufgabe der eroberten Territorien, einschließlich der Krim, bedeuten würde, ist illusorisch. Dies würde vielmehr die Fortführung des Kampfes mit weiteren unzähligen Toten und Verletzten auf beiden Seiten und die weitgehende Zerstörung der Ukraine bedeuten. Jeder sachkundige Beobachter der Situation weiß das.
Der Krieg wird sehr wahrscheinlich mit einem Kompromiss enden und dies hoffentlich bald. Ein dringend notwendiger Friedensprozess könnte mit einem „Einfrieren“ des Konflikts beginnen, so wie es der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich im Bundestag angesprochen hat. Wäre es für eine Gewerkschaftszeitung da nicht angebracht, diese Position zu unterstützen, statt publizistisch mit der Forderung nach dem Sieg der Ukraine immer nur Partei für eine Seite des Krieges zu ergreifen?
Doch die Gewerkschaft ver.di scheint sich in der Rolle des Scharfmachers zu gefallen. Auf dem 6. ordentlichen Gewerkschaftskongress im September 2023 wurden alle Anträge, die eine aktive friedenspolitische Rolle der Gewerkschaft forderten, ohne Aussprache abgelehnt. Sie sieht sich ganz offensichtlich als Teil einer neuen Burgfriedenspolitik, die in Zeiten des Krieges auf eine bruchlose Zusammenarbeit zwischen Staat, Unternehmen und Gewerkschaft orientiert. Zu dieser neuen Koalition des Burgfriedens gehört auch die IG Metall, deren Vorstand sich kürzlich in einer gemeinsamen Erklärung mit dem SPD-Wirtschaftsforum und dem Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie für die Stärkung der deutschen Rüstungsindustrie eingesetzt hat. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich die deutschen Gewerkschaften für eine aktive Friedenspolitik, für eine Reduzierung des Bundeswehretats und für die Konversion der Rüstungsindustrie eingesetzt haben.
Auffällig ist zudem das Schweigen von Publik zum völkermörderischen Krieg Israels gegen die palästinensische Bevölkerung des Gaza-Streifens. So findet man in der aktuellen Ausgabe 2-2024 der Zeitschrift nicht ein einziges Wort zu dem rücksichtslosen und brutalen Vorgehen der israelischen Armee. Diesen Krieg scheint es für die Redaktion gar nicht zu geben!
Ein solches Verhalten kann und will ich aber nicht länger mit einer Mitgliedschaft unterstützen. Vor fünfzig Jahren, als in einem Krankenhaus Beschäftigter, trat ich im April 1974 der Gewerkschaft ötv bei. Mein Berufsleben, das ich zu einem großen Teil im Ausland verbrachte, ließ nie gewerkschaftliche Aktivität zu. Mein Kontakt zur Gewerkschaft ötv und dann zu Ver.di bestand allein aus der Zahlung des Beitrags und dem Erhalt der Gewerkschaftszeitung. Auch wenn es nur eine passive Mitgliedschaft war, so wollte ich damit zumindest meine Solidarität mit den Organisationen der Lohnabhängigen zum Ausdruck bringen. Diese Solidarität besteht auch weiterhin, vor allem mit den dort gegen die für die Gewerkschaften so verhängnisvolle Burgfriedenspolitik Kämpfenden. Diese Aktiven will ich künftig mit meinem eingesparten Beitrag unterstützen. Auf die Mitgliederzeitung Publik verzichte ich gern.
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