von Hartmut Barth-Engelbart — Nachfragen veröffentlicht 29.01.2002 , zuletzt geändert 07.10.2007, 2024 erneut gestellt und bebildert. In der Hoffnung, dass meine noch überlebenden KollegINNen Auskunft geben können.
Dieses Plakat mit Portrait hing nach meinem Berufsverbot 1978 zur Begrüßung meines Nachfolgers an der Tafel. Er hat lange gebraucht, um den Kindern zu erklären, dass er nicht für mein Berufsverbot verantwortlich ist. Nach 40 Jahren hat er mir dieses Foto geschickt. Ich hoffe, dass er sich wieder mal maildet
Von 1976 bis 1978 habe ich an der Asbest-verseuchten Villa-Kunterbunt mit dem glänzenden Pädagogen Helmut Breiter zusammengearbeitet. Mein leistungssportlicher alkoholfreier Schulleiter ist an Leberkrebs gestorben. Mich hat es (bisher) nicht erwischt.
Hohe Giftkonzentrationen in vielen öffentlichen Gebäuden des Main-Kinzig-Kreises? Mit möglicher Weise tödlichen Folgen?
Die nach mehr als einem Duzend Jahren Verzögerung endlich energischer angegangene Entgiftung der Maintaler Grundschule „Villa Kunterbunt“ war Anlass für Erfahrungsaustausch zwischen betroffenen GewerkschafterINNEn aus GEW, ver.di, IG-Metall und dem DGB-Ortskartell Maintal. Nach PCP-Funden in Hanauer KITAs stellt sich die Frage nach einer vom DGB koordienierten Kampagne „für bessere Schulen und Kindergärten“.
Erste Leserbriefe und Stellungnahmen von GewerkschafterINNen drängen in diese Richtung.
„Der erste Schulleiter der ‚Villa-Kunterbunt‘, Helmut Breiter, ist an Leberkrebs gestorben. Er war nicht nur fast ununterbrochen in der Schule, sondern auch in seiner Freizeit als Hallenhandballer in oft Holzschutzmittel-getränkten Turnhallen. Auch von daher liegt die Forderung nach Untersuchung auch dieser öffentlichen Einrichtungen auf der Hand. Denn das PCP der Holzschutzmittel reichert sich hauptsächlich in Leber und Niere an, wo es zu Krebserkrankungen führt.“
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„Dass der Schulträger Main-Kinzig-Kreis in der Maintal-Bischofsheimer Grundschule ‚Villa Kunterbunt‘ bei der PCB- und Asbest-Sanierung nur Flickwerk leistet, das werden weder der Elternbeirat noch das Kollegium inklusive Schulleitung zulassen. Man hat in Bischofsheim jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit dem Schulträger in diesen Fragen. Das Kollegium wurde vor einem guten Duzend Jahren nach Beschwerden zunächst mit der Auskunft abgewimmelt, es wären keine giftigen Materialien verbaut worden. Erst als eine Kollegin erheblich später per Zufall auf eine Substanz stieß, die aus der Wand austrat, diese Masse in einem Chemielabor auf eigene Initiative untersuchen ließ und die Ergebnisse ‚positiv‘ waren, begann der Kreis allmählich zu reagieren. Nicht zuletzt deshalb, weil die Sache öffentlich gemacht wurde und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft das Kollegium juristisch, arbeitsrechtlich und publizistisch unterstützte – bis hin zur Vermittlung eines unabhängigen Gutachters.
Das sind die eigentlichen Gründe, warum in der Villa Kunterbunt seit 1996 doch einiges an Sanierungsmaßnahmen geschah. Nicht die Verzögerung dort ist der eigentliche Skandal:
Was ist mit den anderen Maintaler Schulen, mit den Kindergärten, den Horten und anderen öffentlichen Einrichtungen?
Bleiben wir bei den Schulen und der Verantwortung des Main-Kinzig-Kreises. Wo bleiben die längst überfälligen flächendeckenden Untersuchungen aller Maintaler Schulen und aller Schulen im Main-Kinzig-Kreis? Wann werden überall im Kreis nicht nur die PCB- und Asbest- sondern auch die Holzschutz/Brandschutzmittelverseuchungen untersucht. Besonders die Flachdachkonstruktionen der 70er Jahre sind voll davon.
Es geht nicht an, dass nur dort untersucht wird, wo sich sach- und fachkundige Kollegien und Elternschaften nachdrücklich und lautstark beschweren und erste Untersuchungen auf eigene Kosten organisieren. Wer als Schulträger so träge und nur punktuell reagiert, der macht bestenfalls Flickwerk.
Es ist oder grenzt an fahrlässige Körperverletzung, wenn offizielle Untersuchungen und Sanierungen erst nach Auftreten von Gesundheitsschäden durchgeführt werden. Die Stadt Hanau hat es sinnvoller Weise nicht bei der Untersuchung und Sanierung einer Kindertagesstätte aus des 70er Jahren belassen, bei der die PCP/Holzschutzmittelverseuchung bereits nachgewiesen wurde. Alle Kinderhorte/Tagesstätten aus diesen Jahren werden jetzt untersucht und die giftbehandelten Holzkonstruktionen werden (hoffentlich)ausgetauscht.
Aber auch bei der Stadt Hanau stehen die Untersuchungen bei den Schulen noch aus. Die Sanierung der baugiftverseuchten Limesschule in Hanau-Großauheim war nicht gerade ein Ruhmesblatt der Märchenstadt. Sie wurde erst auf Initiative von Eltern und Lehrern von der Stadt beschlossen und dann fast genau so lange verzögert, wie die Sanierung der Villa Kunterbunt.“
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„Gespräche mit Kollegen aus dem Bauhandwerk ergaben, dass der Einsatz von Materialien mit extrem gesundheitsgefährdenden und krebserregenden Substanzen (Asbest/PCB/PCP/PVC u.a.) besonders von öffentlichen Bauherren in den 60er und 70er Jahren zwingend vorgeschrieben wurde. Es ist davon auszugehen, dass nahezu alle öffentlichen Gebäude dieser Baujahre in Maintal und im ganzen im Main-Kinzig-Kreis mit Baugiften gesättigt sind und dass dort die Gifte zum Teil bereits durch Ausgasung an die Beschäftigten und die Besucher, die Schul- und Hortkinder, die Patienten usw. ‚abgegeben‘ wurden. In diesem Zusammenhang stellt sich die dringende Frage, ob die Villa Kunterbunt auch auf Holschutzmittel untersucht wurde. Die in den 70er Jahren verwendeten Mittel, die jetzt auch in den Flachdächern Hanauer Kitas gefunden wurden, enthalten krebserregendes PCP, das sich in Niere und Leber einlagert. Der erste Schulleiter der Villa Kunterbunt ist nach mehr als 10 Jahren Dienst in dieser Schule an Leberkrebs gestorben.“
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„Die fast noch druckfrische scharfe Kritik des Bundesrechnungshofes am jämmerlichen baulichen Zustand der Schulen im Main-Kinzig-Kreis sollte der Kreis-Ausschuss als Chance nutzen und endlich an die Sanierung der Schulen gehen. Zu diesem Zweck sind umfassende Mängelerhebungen unumgänglich. (Der DGB und die GEW könnten ihre bereits bestehenden Mängellisten dem Schulträger noch einmal zur Verfügung stellen. )
Bei dieser Gelegenheit müssen die Schulen des Main-Kinzig-Kreises flächendeckend nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik auf Baugifte untersucht und saniert werden. Genau so dringend ist die Untersuchung der Schulkinder und der Lehrerinnen. Der Kreis sollte zusammen mit dem Land Hessen Vorschläge unterbreiten, wie seelisch/körperliche Beeinträchtigungen und Schäden bei Lehrinnen und Schulkindern ausgeglichen werden können, die Jahrzehnte lang in kontaminierten Räumen arbeiten mussten.
Nach mehr als 40 Jahren stellt sich die Frage nach der Zahl der Opfer: wie viele KollegINNen und SchülerINNEN sind in dieser Zeit an Krebs gestorben? Gab es eine Ursachenforschung? Gab es Entschädigungs, Schmerzensgeld- Sterbegeld-Zahlungen seitens des Kreises?
Zur Kritik des Rechnungshofes: Da gings u.a. um Wärmedämmung, Verglasung etc. aber auch um den verlotterten Allgemeinzustand der Schulen des Main-Kinzig-Kreises.
Zur Kunterbunt. Kann sein, dass die Zusammenarbeit des Kreises mit den schulischen Gremien gut läuft, dies aber erst nach langem zähem Drängen der KollegINNen und der Elternvertreter.
Ist Holzschutzmittel verwendet worden? Ist das gesondert gemessen worden? Unabhängig davon muss gefordert werden, dass in ganz Maintal alle Grund- und weiterführenden Schulen nach dem neusesten Stand der Technik gemessen und im Bedarfsfall saniert wird :Waldschule, Erich-Kästner-, Werner-von-Siemens, Kälte-Fachschule, Einstein-Gymnasium, die KITAS, Kindergärten, Jugendzentren (wo’s noch welche gibt), Hallenbad, Turnhallen eben auch Räume in denen die Kinder nicht andauernd aber mit intensiver Inhallation anwesend sind. (Personal !!!) Im Hallenbad gibts feine Mixformen der Chlorchemie))
Diese Forderung muss auf den Kreis und die Stadt Hanau ausgedehnt werden, schon wegen der Berufsschulen und der mit Einstein konkurrierenden Hanauer Gymnasien.“
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„Die Kritik ist, dass eben nicht flächendeckend so intensiv untersucht wird wie in den durch die Betroffenen bekanntgemachten Fällen (Limesschule HU-Großauheim, Villa Kunterbunt…), dass es keine statistische Erfassung von (Baugift-allergenen) Krankheiten unter den SchülerINNEn bzw. keine Reihenuntersuchungen gibt (hier wäre das Kreisgesundheitsamt gefordert) . der DGB soll sich mal in Bayern nach den dortigen Reihenuntersuchungen erkundigen oder die GEW und dann mit uns die entsprechende Forderung auf den Tisch knallen.“
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Auf Betreiben der GEW-Schulgruppe, der Gesamtkonferenz usw. gab es schon früher Forderungen nach Untersuchungen: Ein Dr.Menzel hat die Raumluft untersucht, die KollegINNen sind z.T. untersucht worden mit unterschiedlichen Ergebnissen, Dünne hatten höhere Werte Dicke niedrigere, die Schüler sind nicht untersucht worden. In Bayern werden derzeit in solchen Fällen bei den Schülern Reihenuntersuchungen gemacht. Hier nicht.
Die ersten Forderungen aus dem Kollegium nach Untersuchungen wurden mit der Auskunft abgespeist, es seien keine giftigen Materialien verwendet worden.
Nur durch Zufall entdeckte eine Kollegin dann später, wie etwas aus der Wand austrat: Dichtungsmasse, Kleber, o.ä. . Sie hat es von ihrem Mann in der Uni in einem Labor untersuchenlassen, der wurde voll fündig: PCB, Asbest…
Zu erfragen wäre noch, ob bei der Flachdachkonstruktion und bei den Wänden Holzelemente benuzt wurden und wie die behandelt waren gegen Fäulnis z.B. und zur Brandsicherung.
Diese Untersuchung muss für alle Maintaler Schulen gefordert werden und für den Kreis sowie die Stadt Hanau, weil ja nicht wenige Maintaler Kinder und Jugendliche in Hanau in die Schulen gehen.“
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„Die Kolleginnen hatten bei der Beihilfestelle und der Unfallfürsorge des Landes Hessen beantragt, diesen Angriff auf ihre Gesundheit als Arbeitsunfall o.ö. anzuerkennen und Wiedergutmachung/Schmerzensgeld oder Teilentlastung gefordert, weil sie bis über zwanzig Jahre in schwer belasteten Räumen arbeiten mussten. Das alles wurde grundweg abgelehnt.
Die rechtliche Betreuung der KollegINNen hat ein Anwalt im Auftrag der GEW gemacht.“