Von Thierry Meyssan [Präsident des Voltaire-Netzwerks]
((hier die Vollständige Übersetzung von HaBE und Jürgen Heiser, die jW-Version ist aus redaktionellen Gründen gekürzt))
Im März 2000 räumte die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright ein, die Eisenhower-Regierung habe 1953 einen »Regimewechsel« in Iran organisiert, und dieses historische Ereignis erkläre die heutige Feindseligkeit der Iraner gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika. Anläßlich seiner Rede vor Muslimen in Kairo gab auch US-Präsident Obama offiziell zu, daß »die USA mitten im Kalten Krieg beim Sturz einer demokratisch gewählten iranischen Regierung eine Rolle gespielt haben«.1
Zu dieser Zeit wurde Iran von einer Marionetten-Monarchie unter der Führung Schah Mohammad Reza Pahlavis beherrscht. Er wurde von den Briten auf den Thron gesetzt, nachdem sie seinen Vater Reza Pahlavi, den früheren Oberkommandierenden der persischen Kosakenbrigade, wegen seiner Neutralitätspolitik gegenüber den Nazis zum Rücktritt gezwungen hatten. Der neueingesetzte Schah mußte sich allerdings mit dem nationalistischen Premierminister Mohammad Mossadegh auseinandersetzen, der mit Unterstützung des Ayatollah Abou-al-Qassem Kachani die Ölquellen nationalisierte.2 Völlig aufgebracht überzeugten die Briten die USA davon, daß dem Abweichen Irans ein Riegel vorgeschoben werden müsse, bevor das Land kommunistisch würde. Die CIA organisierte die »Operation Ajax«, um Mossadegh mit Hilfe des Schah zu stürzen und ihn durch General Fazlollah Zahedi zu ersetzen, den die Briten bis dahin wegen seiner Nazi-freundlichen Haltung interniert hatten. Zahedi ist verantwortlich für die Errichtung des grausamsten Terror-Regimes dieser Zeit, während der Schah gleichzeitig mit seinem Pomp die Klatschspalten der Massenmedien füllte.
Die »Operation Ajax« wurde von dem Archäologen Donald Wilber, dem Historiker Kermit Roosevelt (Enkel des Präsidenten Theodore Roosevelt) und General Norman Schwartzkopf Senior geleitet (dessen gleichnamiger Sohn später die »Operation Dessert Storm« geleitet hat). Die »Operation Ajax«ist das Paradebeispiel eines Regiebuches für Subversion. Die CIA entwickelte ein Szenario, das den Eindruck eines Volksaufstandes vermittelte, tatsächlich aber eine verdeckte Aktion der CIA war. Höhepunkt war eine Demonstration mit 8.000 von der CIA bezahlten Teilnehmern, womit den westlichen Medien glaubwürdige Bilder geliefert werden sollten.3
Wiederholt sich die Geschichte? Washington nahm Abstand von einem militärischen Eingreifen in Iran und hat Israel ebenfalls davon abgeraten, eine solche Initiative zu ergreifen. Für einen »Regimewechsel« bevorzugt die Regierung Obama das Spiel mit verdeckten Aktionen – weniger gefährlich, aber mit einem schwer einschätzbaren Ausgang. Nach den iranischen Präsidentschaftswahlen heizen riesige Demonstrationen in Teherans Straßen die Stimmung an. Auf der einen Seite die Anhänger Präsident Mahmoud Ahmadinedschads und des geistlichen Oberhaupts Ali Khamenei und auf der anderen die Anhänger des unterlegenen Kandidaten Mirhossein Mussawi und des früheren Präsidenten Akbar Hashemi Rafsandschani. Die Demonstrationen sind ein Zeichen der tiefen Spaltung der iranischen Gesellschaft zwischen einem nationalistischen Proletariat und einer Bourgeoisie, die darüber aufgebracht ist, daß sie nicht an der ökonomischen Globalisierung teilhaben kann.4 Mit seinen verdeckten Aktionen versucht Washington, die Konflikte weiter zu verschärfen, um den wiedergewählten Präsidenten zu stürzen.
Einmal mehr ist Iran ein Experimentierfeld für innovative subversive Methoden. Dabei stützt sich die CIA 2009 auf eine neue Waffe: die Kontrolle der Mobiltelefone. Seit der weltweiten Demokratisierung der Mobiltelefone haben die anglo-amerikanischen Geheimdienste ihre Abhörkapazitäten enorm erweitert. Während man sich für das Abhören von Festnetztelefonen in die jeweiligen Netze einschalten muß und dafür Agenten vor Ort braucht, können Mobiltelefone aus der Entfernung über das Echelon-Netzwerk abgehört werden. Allerdings kann über dieses System nicht die Kommunikation von »Skype«-Mobiltelefonen abgehört werden, was den Erfolg der Telefonie via »Skype« in Konfliktregionen erklärt.5 Deshalb hat sich die Nationale Sicherheitsagentur (NSA) darum bemüht, die großen Internetprovider zur Kooperation zu bewegen. Wer mitmachte, erhielt größere Zuwendungen.6
In Ländern wie Irak, Afghanistan und Pakistan überwachen die anglo-amerikanischen Besatzer die gesamte Mobile und Festnetz-Telekommunikation. Dabei ist nicht das Ziel, Protokolle aller Gespräche anzufertigen, sondern »soziale Netzwerke« zu erfassen. Mit anderen Worten, Telefone sind Überwachungsinstrumente, um herauszufinden, wer mit wem Kontakt hat. Erstens hoffen die Dienste, damit Widerstandsnetzwerke aufzuspüren. Zweitens ermöglichen Telefone es, Ziele zu lokalisieren und sie zu »neutralisieren«. Deshalb befahlen afghanische Rebellen im Februar 2008 verschiedenen Mobilfunkanbietern, ihren Betrieb täglich von 5 bis 15 Uhr einzustellen, damit die Besatzer ihre Standorte nicht ermitteln können. Die Funkantennen der Anbieter, die sich weigerten, wurden zerstört.7
Die israelische Armee hingegen stellte während ihrer »Operation Cast Lead – Gegossenes Blei« in Gaza vom Dezember 2008 bis Januar 2009 sicher, die dortigen Telekommunikationseinrichtungen nicht zu zerstören – mit Ausnahme einer Vermittlungsstelle, die versehentlich getroffen wurde. Das ist ein kompletter Wechsel in der Strategie. Seit dem Golfkrieg war die vorherrschende Strategie die des Colonel John A. Warden mit seiner »Theorie der fünf Kreise«: die Bombardierung der Telefoninfrastruktur galt als strategisches Ziel, um die Bevölkerung zu verwirren und gleichzeitig die Verbindungen zwischen Kommandozentralen und kämpfenden Einheiten zu unterbrechen. Jetzt gilt das Gegenteil als richtig: die Infrastrukturen der Telekommunikation sind zu schützen ! Während der Bombardierungen Gazas bot das Telekommunikationsunternehmen Jawaal8 seinen Nutzern zusätzliche Gesprächszeit an – offiziell, um ihnen zu helfen, tatsächlich aber diente das den israelischen Interessen.
Anglo-amerikanische und israelische Geheimdienste gingen noch einen Schritt weiter und entwickelten Methoden der psychologischen Kriegführung auf der Basis extensiver Nutzung des Mobiltelefons. Im Juli 2008 – nach dem Austausch von Gefangenen
und Gefallenen zwischen Israel und der Hisbollah – wurden libanesische Mobiltelefone mit Zehntausenden von computergesteuerten Anrufen überschwemmt: ein Stimme warnte auf Arabisch vor der Teilnahme an jeglicher Widerstandsaktivität und verhöhnte die Hisbollah. Der Libanesische Minister für Telekommunikation, Jibran Bassil9, reichte daraufhin bei den Vereinten Nationen eine Beschwerde ein gegen diese eklatante Verletzung der Souveränität seines Landes.10 Nach der gleichen Methode erhielten im Oktober 2008 Zehntausende Libanesen und Syrer einen automatischen Anruf, mit dem ihnen 10 Millionen Dollar für Informationen angeboten wurden, die zum Aufenthaltsort und zur Befreiung israelischer Gefangener führen. Personen, die zur Kollaboration bereit seien, sollten eine Nummer in Großbritannien anrufen.11 Diese Methode wurde jetzt angewendet, um die iranische Bevölkerung in die Irre zu führen, um Schreckensmeldungen zu verbreiten und die daraus entstehende Wut zu kanalisieren.
Als erstes wurden während der Nacht der Stimmenauszählung SMS verschickt, wonach der Wächterrat, der über die Verfassung wacht (vergleichbar mit einem Verfassungsgericht) Mirhossein Mussawi über seinen Wahlsieg informiert hätte. Danach erschien die Bekanntgabe des amtlichen Wahlergebnisses, wonach Mahmud Ahmadinedschad mit 64 Prozent der abgegebenen Stimmen wiedergewählt war – als eine gigantische Fälschung. Noch drei Tage zuvor schätzten Mussawi und seine Freunde einen haushohen Sieg Ahmadinedschads als sicher ein und versuchten das mit Nachteilen im Wahlkampf zu erklären. So schilderte auch Ex-Präsident Akbar Hashemi Rafsandschani seine Beschwerdegründe detailliert in einem offenen Brief. Die US-Meinungsforschungsinstitute im Iran sagten einen 20-Punkte-Vorsprung Ahmadinedschads vor Mussawi voraus.12 Mussawis Sieg schien zu keinem Zeitpunkt möglich, auch wenn man annimmt, daß einige Stimmenfälschungen den Abstand zwischen den beiden Kandidaten noch verändert hätten.
Als zweites wurden iranische Bürger per Internet zum Chatten bei Facebook oder Twitter Feeds ausgewählt oder angeworben. Sie erhielten Informationen – wahre oder erfundene (immer per SMS) über die Entwicklung der politischen Krise und die andauenden Demonstrationen. Diese anonymen Meldungen verbreiteten Nachrichten über Schußwechsel und zahlreiche Todesfälle, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestätigt waren. Wegen einer unglücklichen Datumsüberschneidung wurde vermutet, daß Twitter seinen Service eine Nacht für Wartungsarbeiten am System unterbrechen müßte. Die US-Regierung griff ein mit ihrer Forderung nach Verschiebung der Wartungsarbeiten.13 Nach Berichten der New York Times trugen diese Vorgänge dazu bei, in der Bevölkerung Aufsässigkeit und Trotz zu verbreiten.14 Meldungen, die Mord und Totschlag beschreiben, Polizeiüberfälle auf Wohnungen etc. wurden von Leuten verschickt, die weder zu identifizieren noch zu lokalisieren sind.
Übersetzung aus dem Englischen von Hartmut Barth-Engelbart und Jürgen Heiser
1 Vgl. »Obama Speech In Cairo«, Voltaire Network, 6. Juni 2009.
2 Vgl. Arthur Lepic: »BP-Amoco, coalition pétrolière anglo-saxonne«, Voltaire Network, 10. Juni 2004.
3 Nachschlagewerk zum Putsch von 1953: Stephen Kinzer: All the Shah’s Men. An American Coup and the Roots of Middle East Terror, John Wiley & Sons 2003, S. 272 ff.
4 Vgl. Thierry Meyssan: »La société iranienne paralysée«, Voltaire Network, 5. Februar 2004.
5 Vgl. Glen Owen: »Taliban using Skype phones to dodge MI6«, Mail Online, 13. September 2008.
6 Vgl. Lewis Page: »NSA offering ›billions‹ for Skype eavesdrop solution«, The Register, 12. February 2009.
7 Vgl. Noah Shachtman: »Taliban Threatens Cell Towers«, Wired News, 25. Februar 2008.
8 Jawwal gehört zu PalTel (Inhaber ist die Firma des palästinensischen Milliardärs Munib Al-Masri).
9 Jibran Bassil ist einer der führenden Köpfe der Freien Patriotischen Bewegung, der nationalistischen Partei Michel Aouns.
10 »Freed Lebanese say they will keep fighting Israel«, Associated Press, 17. July 2008.
11 Der Verfasser dieses Artiekls war zeuge der eingehenden Anrufe. Siehe auch: »Strange Israeli phone calls alarm Syrians. Israeli intelligence services accused of making phone calls to Syrians in bid to recruit agents«, Syria News Briefing, 4. December 2008.
12 Zitiert in: Flynt Leverett u. Hillary Mann Leverett: »Ahmadinejad won. Get over it«, Politico, 15. Juni 2009.
13 »U.S. State Department speaks to Twitter over Iran«, Reuters, 16. Juni 2009.
14 »Social Networks Spread Defiance«
Autor: Hartmut Barth-Engelbart
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