Die Forschung des HDV* Mittel-Gründau zur Geschichte des Dorfes hatte 2011 noch einige Lücken, die nach und nach geschlossen werden. Nicht mit List & Tücken. Wenn wir sie noch fänden ohne Zeitungsenten, auch mit Dokumenten aus Darmstadt & Wiesbaden, wo man uns oft rief zum Blick ins Staatsarchiv in die Gründau-Schubladen, ein Einblick kann nichts schaden:

* Historisch-Demokratischer Verein Mittel-Gründau von 1848 i.d. IAS e.V.

Einladung / Pressemitteilung / Bitte um Ankündigung

Am Donnerstag, 01.12. 2011 findet der 19. Erzählabend des Historisch-Demokratischen Vereins Mittel-Gründau ab 18.30 in der Gaststätte Stenger/Heiss statt.

Der Regionalhistoriker und Archäologe Hans Kreutzer wird an diesem Abend einen PowerPoint-Vortrag zur Armut in Gründau um 1850 halten.

Eingeleitet wird der Erzählabend mit einigen Anmerkungen zur Geschichte des ältesten Hauses und Hofes freier Mittel-Gründauer Bauern aus dem Jahr 1782. 

Der Hof, bzw. die Scheune und die Ställe sind  vor einigen Tagen komplett abgebrannt, das Dach des Wohnhauses wurde bei den Löscharbeiten fast vollständig zerstört und leider ist zumindest der zweite Stock kaum noch zu retten. Ein Wiederaufbau des Wohnhauses wird wohl kaum zu finanzieren sein, wenn nicht die Denkmalschutzstiftung mit erheblichen Mitteln eingreift.

Von der geschichtlichen Bedeutung des Hauses her wäre das eigentlich geboten.  Sollte das Haus abgerissen werden müssen, so muss die Gemeinde Gründau unbedingt dafür sorgen, dass die Arbeiten von Historikern und Archäologen begleitet werden.

Das Wohnhaus gehörte mit seiner nach Osten weisenden Eingangsseite zum Bebauungsoval des Dorfplatzes um den zentralen Unterdorfer Schöpfbrunnen und markierte den Ortsrand des alten Mittel-Gründau zum Oberdorf Buchen, das sich nordwestlich anschloss …Am Baustil dürfte auch zu klären sein, ob die Meiningers aus Meiningen  (vielleicht zusammen mit den Grimmelshausens aus Grimmelshausen bei Meiningen?) oder aus dem Hanauer Land eingewandert sind.

Das Haus des Mittel-Gründauer Landtagsabgeordneten  Heinrich Otto, der in der Weimarer Republik von 1929 bis 1931als KPDler im Hessischen Landtag arbeitete, ist ein Zeugnis für den über 3 Generationen mit eigener Hände Arbeit geschaffenen bescheidenen Reichtum der Mittel-Gründauer freien Bauern. Aus Platzgründen wurde das ursprüngliche Krüppelwalmdach in ein reines Sattelbach umgebaut. Nach dem Einsturz der Hofgut-Remise

sind in Mittel-Gründau kaum noch Krüppelwalm-Dächer zu sehen.

Der  durch den 30-jährigen Krieg bis auf die Grundmauern zerstörte Hof, das Lehr’sche Gut gehörte zu dem Areal links des Haselbaches, das die Großfamilie Meininger nach ihrer Einwanderung als Glaubensflüchtlinge aus dem Hanauer Land (Hagenau) 1705 wieder aufbaute. Die “Neubürger” Meininger wohnten zunächst wie die teilweise überlebenden 5 Mittel-Gründauer Eingeborenen-Familien in notdürftig geflickten Kellern und Lößhöhlen am Hang oberhalb der heutigen Alten Schulstraße.

Die “Neueinrichter” Meininger und die dazu Eingewanderten verteidigten zusammen mit den Eingeborenen das Gebiet links des Hasselbaches gegen den Zugriff der Isenburg-Büdinger Fürsten, des Fürstbischofs von Mainz, des Deutschherren-Ordens und gegen die Prämonstratenser, die sich 1765 untereinander vor dem Reichskammergericht in Wetzlar und in Wien um Mittel-Gründau stritten.

HaBE-Foto ca. 1990 Die Stallungen des Bauern Betz in der Obergasse (heute Alte Schulstraße). Der Hof stand spätestens ab 1992 unter Denkmalschutz, wurde aber trotzdem abgerissen. Die Bagger machten einfach „Denkmal-Schubs!“ Der Bauer Betz war SPD-Mitglied und bis Anfang 1933 Mittel-Gründauer Bürgermeister

Die Büdinger, wie die anderen Streitparteien konnten jedoch für das Gebiet links des Hasselbaches keine Besitz-Dokumente vorlegen. Auch nicht für das links des Hasselbachs gelegene „Reh’sche Gut“, das auf einer Anhöhe im Auen-Schwemmland des Haselbaches lag und über den 30-jährigen Krieg zumindest seine Steinmauern retten konnte. Die Meininger bauten auch dieses Gut wieder auf.

Lediglich die Dominikaner des Groß-Klosters Arnsburg konnten den Besitz eines kleinen Klosters (an der heutigen Straße “Im Klösner” westlich der Flur „Hinterm Kirchhof“) nachweisen. Die Kapelle des später aufgegebenen ((wahrscheinlich durch Napoleonischen Eingriff säkularisierten und den Bauern zugeschlagenen)) Klein-Klosters im Mittel-Gründauer Oberdorf (ehemals Buchen) , war um 1860 so baufällig, dass sie abgerissen werden musste. Die Steine und die Balken kaufte der Bauer Betz 1867 zur Erweiterung seiner Stallungen oberhalb des Mühlbaches, der „Obergasse“. Die verarmten „Untergässler“, die im Hochwasser-gefährdeten Bereich am Haselbach „Land gewinnen mussten“, mussten immer wieder im Schlamm um Haus, Hof und Vieh kämpfen, bis Staubecken gebaut wurden, die aber nicht ausreichend waren.

Die Intensivierung der Landwirtschaft und die Not auf immer schmaler werdenden „Handtüchern“ mit Aufgabe der „Drei-Felder-Wirtschaft“ der dörflichen Allmende, zwangen zur Beseitigung von Feldholz, Wegrainen, zur Auslaugung und Verdichtung der Böden durch Dauerpflügen und immer schwereren Landmaschinen. Dies allerdings besonders bei der beginnenden Monokultur der adeligen Domänen und bei den sich herausbildenden „Groß-Agrariern“, den ab 1812, 1830, 1850, 1862 und 1871 prosperierenden, mit dem Landadel verbandelten Großbauern und Landhändlern.

(Hier ist unklar, ob sich die im Heimatmuseum befindliche Quittung auf die Reste der Oberdörfer Kloster-Kapelle bezieht oder auf die ebenfalls abgerissene Kirche am alten Friedhof des Unterdorfes, wo heute das Kriegerdenkmal steht. Nachgeforscht werden muss auch das Wechseln der Zugehörigkeit zu verschiedenen Kirchenobrigkeiten in Hessen, das noch im neuen Jahrtausend noch nicht aufgehört hat. Haingründau, Breitenborn, Gettenbach gehörten zur Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck (EKKW), Mittel-Gründau zur Evangelischen Kirche Hessen-Nassau (EKHN) Die Grafen Solms-Wernigerrode waren die Kirchenpatrone des Klosters Arnsburg, die Büdinger Fürsten die Patrone der Niedergründauer Bergkirche, die schon vor der Kaise3rkrönung in Versailles bist auf der Turm abgerissen & mit Reparationsgeldern aus Frankreich 1871 pompös erweitert wurde. War der Abriss beider Mittel-Gründauer Kirchen vielleicht das Ergebnis eines Machtkampfes zwischen zwei hessischen Landeskirchen? Kassel (EKKW) gegen Darmstadt (EKHN)? Oder auch eines Machtkampfes zwischen zwei feudaladeligen Herrschaften? Den Büdinger Fürsten war das gleichgültig: sie waren spätestens ab dem Neubau der Niedergründauer Bergkirche unter Preußens Gloria Patrone beider Landeskirchen . Da waren zwei Dorfkirchen und eventuell auch noch Pfarrstellen in Mittel-Gründau zu viel. Hier spielt der preußisch-österreichische Bruderkrieg von 1862 eine Rolle, die Verlegung der Preußisch-Darmstädter Grenze, die Verfolgung der ersten Bahngewerkschaften, der Turner, der Feuerwehren und der Sozialdemokraten durch Bismarck und seine „Sozialistengesetze“ die die „Demagogen-Gesetze“ und das Wanderverbot, die Verbote gegen die Burschenschaften der „Heiligen Allianz“ ablösten. Letztere waren nicht mehr nötig, da sich die Burschenschaften und einige Turnvereine seit „Turnvater Jahn“ und Ludwig Uhland auf die Seite der Monarchie geschlagen hatten.

Der Pfarr-Vikar Heinrich Barth war von ca. 1875 bis mindestens 1880 in Haingründau der „Richter Gnadenlos“. Er musste sich bei seiner Obrigkeit als radikaler Verfolger jeglichen Widerstands gegen die adeligen Kirchen-Patronen und das Preußentum, den Berliner Kaiser hervortun, um überhaupt eine Pfarrstelle in Hessen-Kassel oder in Hessen-Darmstadt zu erhalten, die Büdinger Fürsten, die Fürsten von Goertz, die Barone von Riedesel, die Grafen von Solms-Wernigerode beobachteten den Pfarrernachwuchs sehr genau.

Der Pfarrvikar Heinrich Barth verfolgte und bestrafte außer schwereren Gewaltverbrechen alle kleinsten „Straftaten“ der verarmten Haingründauer Kleinbauern, Bahnarbeiter, Bäuerinnen, Kleinhandwerker, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und anderer „vaterlandsloser Gesellen“, Mägde, Knechte, Fronarbeiter, Juden und Sinti, Katholiken bei vor-/außerehelichem Geschlechtsverkehr, Abtreibung, Ehebruch, Waldfrevel, illegaler Fischerei, Wilddieberei, Mundraub, Majestätsbeleidigung, Arbeitsverweigerung, Streiks, Desertion, Befehlsverweigerung, Versammlungen, Maifeiern … mit öffentlichem Abkanzeln, Prangerstehen und Ortsgefängnis. Nach seiner jahrelangen Bewährungszeit, in der er die Friedberger Kaufmannstochter Philippi kennenlernte & heiratete, bekam er eine Pfarrstelle in Großen-Buseck bei Gießen.

Pfarrer Barth mit seiner Großfamilie im Pfarrgarten in Großen-Buseck ca. 1901

Die Haingründauer Kirchenbücher, in denen alle Abgabepflichten, alle Kirchen- und Vorstrafen, auch alle Abgabe-Schulden verzeichnet waren, haben die Haingründauer Mitglieder des Arbeiter-, Bauern und Soldatenrates unter Führung des „Marine-Hannes“ Weinel aus Rache und Vorsicht vor der Einsicht der späteren SA und SS ca. 1919 verbrannt, kurz vor dem Kapp-Putsch

Zurück ins 18. Jahrhundert

Das Reichskammergericht Wetzlar/Wien/Regensburg entschied 1765 nach der Befragung der als Zeugen und nicht als Prozesspartei geladenen Bauern Karl Meininger und Boller, dass das Areal links der Hasselbach im Besitz der Bauern verbleibt. Das Reichskammergericht in Wien bat die nach Wienangereisten Mittel-Gründauer Bauern in einem im Heimatmuseum einsehbaren Brief (Kopie) inständig, nicht weiter vor den Eingangstoren solchen unerträglichen Lärm zu machen und nach Mittel-Gründau zurückzukehren. Sie bekämen ja ihr Recht.

Es folgte darauf ein verschärfter “Wasserkrieg” der Isenburg-Büdinger gegen die Mittel-Gründauer Bauern, zapften ihren Quellen und dem Allmende-Mühlbach das Wasser ab. Die Fürsten machten den Bauern die Waldweide, die kaiserlich seit Barbarossa verbrieften Holzrechte streitig, ließen ihre Jäger das Rot- und Schwarzwild in die Felder treiben und sich dort fettfressen und verfolgten die Bauern als “Wilddiebe”, wenn die sich dagegen zur Wehr setzten.

Trotz alledem schafften es die Mittel-Gründauer Bauern innerhalb dreier Generationen, von 1705 bis 1782 eine Scheune am Hasselbach wieder als Schule auszubauen –,  bis die den Kindersegen nicht mehr aufnehmen konnte und den Bauern auch zu hochwassergefährdet und mit dem ebenerdigen Stampfboden zu schlecht heizbar war. Dann bauten die Bauern um 1760 in der “Alten Schul-Straße”, der damaligen Obergasse, direkt neben dem Mühlbach am Hang eine neue größere Schule.(deren Hochkeller heute noch steht, das Fachwerk im ersten Stock wurde durch Hohlbocksteine ersetzt). Nach dem Bau der neuen Schule, wurde aus der alten (wieder) ein Hirtenhaus gemacht, also wieder eine Scheune, in dem der Dorfhirt mit seinem Vieh hauste.

Blick in die Kirchgasse/Haingründauer Straße zum Backhaus mit den Schlammlawinen aus der Vonhäuser Hohl nach dem katastrophalen Hochwasser von 1911

In dieser Zeit wurden nach und nach auch die (immer noch Behelfs-)Wohnhäuser der Bauern aus-, um- und neu gebaut: in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war das Herrschaftssystem der Isenburger noch nicht wieder so gefestigt, die eingeborenen und eigenständig früh eingewanderten Bauern waren zu rebellisch. Die Fürsten holten sich lieber abhängige Glaubensflüchtlinge  zur Wiederbesiedlung, Wiederbearbeitung ihrer Domänen und Dörfer: Inspirierte, Waldenser, Herrenhuter Brüder (die Zinsendorfianer)….

Die noch nicht wieder gefestigte feudale Herrschaft ließ es auch zu, trotz der vielen Grenzen der verschiedenen Grafschaften, Fürstentümer, Bistümer …  die landwirtschaftlichen Produkte ohne größere Zollbelastungen offen oder geschmuggelt auf die Märkte zu bringen nach Selbold, nach Düdelsheim, nach Büdingen (zumindest in die Vorstadt), nach Hanau (auch in die Vorstadt), nach Gelnhausen (in die Burgsiedlung außerhalb der Stadtmauer) ….

Die hoffentlich noch erhaltene Stuckdecke in der guten Stube des schwer brandgeschädigten Bauernhauses ist meines Wissens noch nicht datiert. . Es könnte sein, dass die Stuckdecke erst nach dem Einmarsch der Franzosen und der Säkularisierung der Klöster, nach der Verringerung der Grenzen und Zölle entstanden ist. Die anfängliche “Franzosen-Zeit” brachte für die Bevölkerung zunächst viele Vorteile, Rechte und Steuererleichterungen… bis zur Vorbereitung des Russlandfeldzuges die Zwangsdienste (Bau der Trasse für die neue Leipziger Straße als Heerstraße, die möglichst nicht mehr durch die engen Ortskerne führte sondern als Umgehungsstraße gebaut wurde) und die Einquartierungen und Requirierungen kamen …

Von da an haben sich die Bauern gegen Napoleon gestellt und ihm auch die Kriegskasse in Rothenbergen im Keller vom Gasthof Fass (der heutigen Volksbank) geraubt und sich so ihre Zwangsdienste entlohnt. Dass der Russlandfeldzug Napoleons gegen Russland scheiterte, ist so -zumindest zum Teil- den Bauern in der Region zu verdanken.

Leider gibt es beim Kulturwanderweg Rothenbergen keine Hinweistafel auf Napoleons Station im FASS und auch keinen auf diesen (leider von der Volksbank für einen halben Parkplatz zubetonierten) historisch wichtigen Bierkeller-Eingang.

Mehr (oder weniger) dazu am 1.12. 2011 beim Stenger. (Die Jahreszahlen in diesem Text sind aus dem Kopf geschrieben und deshalb nicht alle haargenau. Hans Kreutzer oder Erwin Rückriegel werden sie sicher korrigieren können.)Hartmut Barth-Engelbart

Nachwort zur Armut in Mittel-Gründau

Die Alte Schule vom Ahl aus gesehen/ HaBE-Grafitzeichnung von 1991 (Ausschnitt)

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen/ Ursachen für die sich (wieder) entwicklende Armut der Bauern in Mittel-Gründau. In Mittel-Gründau gab es im 18 Jahrhundert – wahrscheinlich auch noch bis weit in das 19. Jahrhundert wegen der nicht so weit fortgeschrittenen Arbeitsteilung (Hauptberufe außer “Bauer” gab es nur wenige: Schmied, Wagner, Metzger, Bäcker – aber auch die lebten zumeist hauptsächlich von der Landwirtschaft, weil die meisten Bauern/Bäurinnen auch diese Gewerke leidlich beherrschten und man z.B. zusammen Brot backte, schlachtete usw…

Das Häuschen der Oma Heiss in der Alten Schulstraße mit der 1870 erneuerten Wetterseite. Die Giebelwand bestand auf „Meddel-Grenner Russe“ und Gail’schen gelben Edel-Klinkersteinen aus Gießen-Schwarzerde. Rechts am Rand die Mühlbach Stützmauer am Vorgarten des Betz’schen Hofes. Am linken Rand ist das „Eigenbrötler“-Backhaus/Schlachtküche eines reicheren Bauern zu sehen, aufgebaut auf der Mühlbach-Stützmauer.

Für die nach 1705 stark zunehmende Einwohnerzahl hätten die Bauernfamilien mehr Acker unter den Pflug nehmen müssen, die Allmende-Weiden und Wälder ausdehnen müssen. aber das Gegenteil war der Fall: die Fürsten eigneten sich immer mehr Wald und Feld an. Den immer kinderreicheren Bauern-Familien blieb so nichts anderes übrig als die “überzähligen” wegzuschicken (Hänsel & Gretel!!) zur Arbeitssuche in den Städten oder sie als Hintersassen in Wüstungen und noch nicht in fürstlichen Besitz genommenen Sauren Gründen siedeln zu lassen (Hüttengesäß, Etzengesäß, Weitengesäß. Bösgesäß ….).  Doch vor und parallel zu dieser Aussiedlung kam die Erbteilung von Haus, Hof und Wald und Feld und die (Wieder-)Verdingung in Fron-/Lohnarbeit beim Fürsten. Wer sich aus der alten wie der neuern Fron freikaufen wollte, wer in der Not Kredite aufnehmen musste, “anschreiben ließ“ für Holz und Kartoffeln, Getreide .. fürs fast nackte Überleben oder auch für die Rettung der freien eigenen Landwirtschaft, der musste sich aus den Allmenden zur Sicherheit Stücke sichern. Wer keine Sicherheit bot, kein Besitzbürger wurde, hatte weder Kreditwürdigkeit noch später Wahlrecht , war kein Freier sondern Knecht..usw.  Diese Entwicklung löste für eine kurze Rettung aus der Not den Allmendenverband, die Gemeinde, die Solidargemeinschaft des Dorfes auf. Dann war jeder allein, vereinzelt seines (meist Un-) Glückes Schmied. Denn mit dem nicht mehr Gemeineigentum sondern Privatbesitz, waren die Gemeindewälder und Felder bald Privatbesitz der Kreditgeber. Die meisten (Klein-) Bauern wurden rückzahlungsunfähig. In der Zwangslage, viele Mäuler aus immer weniger Acker stopfen zu müssen, gaben immer mehr Bauern die Dreifelder-Wirtschaft auf, die nur als Dorfgemeinschaft sinnvoll zu betreiben war und die Böden nicht auslaugte.

Jetzt laugten die Bauern ihre Böden aus, es häuften sich Missernten auf den immer kleiner werdenden Parzellen, die Preise der Lebensmittel stiegen im notwendig gewordenen Zusatz-Einkauf. Die Preise der Kleinbauern, die sie für ihre Produkte bei Ablieferung erzielen konnten, stagnierten oder stiegen nicht ausreichend. Die fürstlichen/bischöflichen Bannmühlen mit ihren Mahlmonopolen verlangten nicht mehr zahlbare Preise, den kommunalen Mühlen wurde das Wasser abgegraben und /oder das Mahlen von der Obrigkeit direkt verboten = Wasserkrieg!”..  alles Mögliche wurde von der Herrschaft besteuert: Viehsteuer, Hundesteuer, Fenster- und Türsteuer, Stocksteuer, Treppensteuer, Grundsteuer, Salzsteuer, Brand(wein)steuer , wahrscheinlich gab es auch eine Ofensteuer..

Selbst mit der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Kreise um Justus von Liebig entwickelte Nothilfe durch Kunstdünger war die Armut nicht zu verhindern. Zum Teil wurde sie noch verschärft, weil die kleineren Bauern sich diesen Dünger nicht kaufen konnten, sich dafür verschulden mussten… und die Schulden dann wieder mitsamt ihren Äckern und Höfen loswurden . Meist reichte auch das nicht aus und die Schuldknechtschaft zwang immer mehr zur Lohnknechtschaft…. Auch die aufkommende Genossenschaftsbewegung  wurde nach anfänglichen Erfolgen zur großen Enttäuschung, weil sie den Pferdefuß des Privateigentums an Grund und Boden nicht beseitigte. Auch gegenüber den Genossenschaften und den sich aus ihnen entwickelnden Sparkassen und  Raiffeisen- und Volksbanken hafteten die Kleinbauern mit ihrem Grundbesitz, mit ihren Höfen, samt Vieh und Wohnhäusern, die meist letztlich auch nur notdürftig ausgebaute Ställe waren. Schulden sind erblich: die zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach der französisschen Revolution aus Angst vor derselben bzw. Angst vor ihrem Übergreifen auf die deutschen Kleinstaaten zugestandene Möglichkeit, sich aus den Leibeigenschafts- & Fron-ähnlichen Zwangsarbeitsverhältnissen freizukaufen (um überhaupt als Bürger anerkannt zu werden und z.B. Stimmrecht  selbst nur für die feudalen ständischen Landtage zu erhalten) , diese Freikaufmöglichkleit brachte unzählige Familien in so große Schuldknechtschaft, dass sie nicht nur ihren gesamten Grund und Hausbesitz loswurden, sondern auch noch ihre Urenkel mit den Schulden belastet wurden und bis weit ins 20. Jahrhundert daran abzuzahlen hatten. Eine weitere Schulderbschaft ist hier noch gar nicht erwähnt: Unterernährung der Kinder, Zwang zur industriellen und großagrarischen Kinderarbeit, damit verbunden nur mangelhafte Schulbildung (Was Schule ? Du musst arbeiten gehen!!). Und Kinder mit schlechter Ausbildung oder ohne, weil das Lehrgeld nicht gezahlt werden konnte, weil die Lernmittel unbezahlbar waren .. das alles hatte wieder Armut zur Folge und grenzenlosen Reichtum auf der anderen Seite (des Hasselbaches, wo im Treppenhaus noch 1995 die Bilder der Isenburg-Büdingenschen Besitzungen in Brasilien, Argentinien, West-Ost- und Süd-Afrika hingen)

Heute ist alles nicht mehr so schlimm? Man sollte sich Mal genauer ansehen, wieviele Höfe, Wohnhäuser, Äcker usw. tatsächlich den Banken gehören und wieviel von denen, die sie bewohnen, bearbeiten zum großen Teil allein die Zinsendienste kaum noch zahlen können..

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

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