Es würde der Stadt Langenselbold gut tun, den Eingang der Stadt an der Kreuzung am Kinzig-Center mit einem Platz zu gestalten, als Gegenpol zur Jahrzehnte langen Bronce-Tafel-Ehrung des NS-Wehrwirtschaftsführers Kaus am Schwimmbad. Den lange brachliegenden Platz einer ehemaligen Tankstelle am südöstlichen Stadteingang hätte man zum 80. Jahrestag des faschistischen Terror-Todesurteils gegen den Zimmermann Schmidt „Valentin-Schmidt-Platz“ oder einfach nur „Valentins-Platz“ nennen können – mit einem Denkmal für einen mutigen demokratischen Arbeiter, der seinen „kleinen“ Beitrag für die Beendigung des faschistischen Terrors mit dem Leben bezahlen musste. Gut wäre auch der Platz vor dem Freibad. Noch besser geeignet für einen „Valentins-Platz“ wäre der Busbahnhof vor der Käthe-Kollwitz-Schule. Dafür müsste aber das Kollegium, der Elternbeirat, die Schulversammlung, die Schülerinnen-Vertretung, der Landrat und die Schulleitung gewonnen werden. Angesichts der NS-Geschichte Langenselbolds dürfte das nicht schwer sein.
Die Historikerin Frau Dr. Christine Wittrock hat dazu ein Buch verfasst:
Das Buch erschien dann ohne den Herausgeber Main-Kinzig-Kreis unter alleiniger Verantwortung der Historikerin Dr. Wittrock im Hanauer CoCon-Verlag und ist derzeit wieder vergriffen.
Das Todesurteil gegen Valentin Schmidt
von Christine Wittrock
( Ein Ausschnitt aus: Das Unrecht geht einher mit sicherem Schritt...)
In einem Fall wird der Gestapoterror in diesem Fuldaer Betrieb [Valentin Mehler AG Fulda] mit dem Tod bezahlt:
Der Langenselbolder Zimmererpolier Valentin Schmidt, der im Auftrag der Baufirma Kaus in Fulda tätig war, wird im November 1943 verhaftet und sollte nicht mehr nach Haus zurückkehren.
Wer damals den Stein gegen Valentin Schmidt ins Rollen brachte, läßt sich nicht mehr rekonstruieren. (geschwärzt im Original *) .Valentin Schmidt – wie die meisten Langenselbolder – eher der politischen Linken zugetan, aber keiner Partei zugehörig – machte aus seiner Einstellung gegen den Nationalsozialismus keinen Hehl. Vielleicht war er schon lange seinem (geschwärzt)-Chef und einigen faschistisch gesinnten Kollegen ein Dorn im Auge. Vielleicht wollte man dem selbstbewußten Polier aus Langenselbold auch nur mal einen Denkzettel verpassen. Jedenfalls nimmt das Drama im Herbst 1943 unaufhaltsam seinen Lauf.
Zwei Kollegen von Valentin Schmidt, der Zimmermann Christof Hanbuch aus Pfungstadt und der Maurer Philipp Ellermann aus Dieburg treten als Belastungszeugen gegen ihn beim Prozeß vor dem Volksgerichtshof in Berlin auf. Beide waren schon vorher in Fulda von der Gestapo vernommen worden und zwar, bevor Valentin Schmidt verhaftet wurde. Hanbuch wurde am 19. September 1943 vernommen, Ellermann am 2. November 1943. Zwei Tage später, am 4. November 1943 schlägt die Gestapo zu: Valentin Schmidt wird früh morgens an seinem Arbeitsplatz festgenommen. Er ist zunächst noch guter Dinge und sagt zu seinen Kollegen: Zum Frühstück bin ich zurück. Aber aus den Klauen der faschistischen Staatsmacht konnte er nicht mehr entkommen. Man bezichtigt ihn „defätistischer Äußerungen“ gegen Staat und Partei. Diese bestanden darin, daß sich Schmidt gegen das in der Betriebskantine aufgehängte Bild Hermann Görings wandte, daß er äußerte, der Krieg sei ohnehin verloren, es sei jetzt Zeit, die Uniformen und Parteibücher zu verbrennen, daß er kritisch gegen den Feldmarschall Rommel Stellung bezog oder in Bezug auf einen Besuch Goebbels‘ im zerstörten Köln sagt: Wenn die Polizei nicht gewesen wäre, so hätte die Bevölkerung Goebbels totgeschlagen.
Diese Äußerungen genügen, um ihn wegen Wehrkraftzersetzung und Vorbereitung zum Hochverrat anzuklagen.
Der Langenselbolder Zimmererpolier Valentin Schmidt.
Er wurde 1944 hingerichtet.
Die Staatsanwaltschaft formuliert:
Valentin Schmidt „wird beschuldigt, im Sommer und Herbst 1943 in Fulda fortgesetzt handelnd gehässige und hetzerische Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates und der Partei gemacht zu haben, die geeignet waren, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben.“ – „Der Angeklagte hat es dadurch unternommen, einen kommunistischen Umsturzversuch vorzubereiten sowie den Willen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen oder zu zersetzen.” Er hat „den Glauben an den Endsieg sowie das Vertrauen in die Führung des Reiches erschüttern“ wollen.
Valentin Schmidt wird zunächst in Fulda im Gerichtsgefängnis festgehalten. Seine Frau Maria fährt regelmäßig mit dem Zug von Langenselbold nach Fulda und besucht ihn. Valentin Schmidt äußert seiner Frau gegenüber den Verdacht, daß sein Kollege Philipp Ellermann, dessen Verhältnis zu ihm vielleicht von Neid geprägt war, ihn bei der Gestapo denunziert hat. Auch andere Arbeitskollegen von Schmidt vermuten das. Frau Schmidt wendet sich schriftlich an den Chef ihres Mannes, Wilhelm Kaus**), und bittet ihn, sich für ihren Mann einzusetzen. Aber Kaus denkt nicht daran. Im Gegenteil: Als Maria Schmidt drei oder viermal in seinem Büro anklopft, ist er nicht zu sprechen. Und schriftlich droht er ihr, daß, wenn sie weiterhin Philipp Ellermann verdächtige und sich nicht bei diesem entschuldige, werde er veranlassen, daß sie ihren Mann nicht mehr in Fulda besuchen dürfe. Offenbar verfügte Kaus über soviel Macht und Einfluß bei der Gestapo, daß sein Arm bis ins Gerichtsgefängnis reichte.
Todesurteil gegen Valentin Schmidt, Volksgerichtshof Berlin vom 27.3.1944
wegen Wehrkraftzersetzung.
Valentin Schmidt wird im März 1944 nach Berlin gebracht und dort vor den berüchtigten Volksgerichtshof gestellt. Entlastungszeugen werden nicht geladen. Es gibt nur zwei Belastungszeugen: Philipp Ellermann und Christof Hanbuch. Valentin Schmidt hat bis zuletzt auf seine Freilassung gehofft. Aber die faschistischen Henker waren unerbittlich. Allein der Berliner Volksgerichtshof verhängte etwa 5.000 Todesurteile. Insgesamt hatten deutsche Richter in wenigen Jahren zwischen 50.000 und 80.000 Todesurteile gefällt. Auch Valentin Schmidt wird im März 1944 zum Tode verurteilt. Das Urteil wird am 2. Mai 1944 mit dem Fallbeil vollstreckt.
An diesem Todesurteil wirkten mit: Volksgerichtsrat Lämmle, Kammergerichtsrat Dr. Makart, SS-Gruppenführer Petri, SA-Obergruppenführer Heß, SS- Obersturmbannführer Dörfler und Landgerichtsrat Dr. Scholz.
Die Witwe erfährt von der Hinrichtung ihres Mannes erst sechs Wochen später.
Daß man wegen ein paar Äußerungen gegen Hitlers Kriegspolitik hingerichtet werden konnte, gehört zu den Ungeheuerlichkeiten des faschistischen Staates. Die Ungeheuerlichkeiten nehmen aber ihre Fortsetzung, wenn man den Umgang mit diesen Ereignissen in der Nachkriegszeit betrachtet: Was sich zwischen 1945 und 1950 in diesem trüben Geschichtskapitel vollzieht, ist das, was Ralph Giordano die „zweite Schuld“ nennt.
Kaus, Ellermann und Hanbuch werden zwar zunächst zur Rechenschaft gezogen. Sehr bald aber verlieren sich die Versuche, die ehemaligen Nazis und ihre Zuträger zu verfolgen. Spätestens 1948 wird der große Frieden mit den Tätern angestrebt, die man im Sinne einer neuen antikommunistischen Politik in der Ära des Kalten Krieges wieder benötigte.
Die Familie von Valentin Schmidt wurde niemals entschädigt. Unter schwierigsten wirtschaftlichen Bedingungen zog die Witwe ihre Töchter auf. Die damalige Gemeinde und heutige Stadt Langenselbold vergaß ihren Toten; weder wurde der Versuch einer Wiedergutmachung gemacht noch wurde dem Toten ein öffentliches ehrendes Andenken zuteil. Die Nachkriegspolitik kehrte diese Geschehnisse unter den Teppich.
*) Der hier geschwärzte Satz wurde durch Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 17. 12.1998 untersagt. Die Urteilsbegründung stützt sich auf die im Dezember 1948 erfolgte Rehabilitierung des Wilhelm Kaus durch seine Einstufung als „Mitläufer“. Ich messe dieser Einstufung keine Bedeutung zu, denn zu diesem Zeitpunkt wurden fast alle Täter zu „Mitläufern“ erklärt – d. Verf.
**) Damals Wehrwirtschaftsführer – d. Webmaster
NS-Chronik einer Stadt: Historikerin darf Mitläufer Täter nennen
Für Langenselbold und Christine Wittrock geht ein langer Rechtsstreit zu Ende
Von Astrid Ludwig
Die Historikerin Christine Wittrock hat im Streit um Schwärzungen in ihrem Buch „Das Unrecht geht einher mit sicherem Schritt“ vor dem Frankfurter Oberlandesgericht Recht bekommen. Der Klageführer Peter Kaus, Sohn des ehemaligen NS-Wehrwirtschaftsführers Wilhelm Kaus, ist unterlegen.
LANGENSELBOLD. Mit dem Urteilsspruch der Frankfurter Richter geht ein monatelanger Rechtsstreit um die Forschungsergebnisse der Historikerin zur NS-Zeit in Langenselbold (Main-Kinzig-Kreis) zu Ende. Peter Kaus hatte der Autorin Christine Wittrock vorgeworfen, die Textstellen in ihrem Buchkapitel über seinen Vater nur unzureichend geschwärzt zu haben. In einer einstweiligen Verfügung hatte die Kaus-Familie im vergangenen Jahr erreicht, dass Wittrock Teile ihrer Ausführungen unkenntlich machen mußte.
Dabei ging es in erster Linie um das Wort „Nazi-Chef“ und um einen Zusammenhang, den die Historikerin hergestellt hatte zwischen dem Todesurteil an dem Langenselbolder Polier Valentin Schmidt und dem Unternehmer und NS-Wehrwirtschaftsführer Kaus. Wittrock hatte vermutet, dass Kaus zur Verhaftung des Poliers beigetragen hatte.
In ihrem Buch hatte Wittrock die geschwärzten Textstellen durch einen Anhang erklärt und auf die Verfügung des Landgerichts hingewiesen; mit dem Zusatz: „Die Urteilsbegründung stützt sich auf die im Dezember 1948 erfolgte Rehabilitierung des Wilhelm Kaus durch seine Einstufung als Mitläufer. Ich messe dieser Einstufung keine Bedeutung zu, denn zu diesem Zeitpunkt wurden fast alle Täter zu Mitläufern erklärt.“ Ein Zusatz, den der Kaus-Sohn als Verstoß gegen die einstweilige Verfügung ansah und deswegen die Historikerin zu einem Ordnungsgeld oder Ordnungshaft verdonnert sehen wollte.
Schon das Frankfurter Landgericht hatte die Klage Kaus‘ zurückgewiesen, wie jetzt auch das Oberlandesgericht die Beschwerde in zweiter Instanz abwies. Begründung: Die Autorin habe nicht gegen das Unterlassungsgebot verstoßen. Die beanstandeten Passagen habe sie gestrichen und damit der Verfügung entsprochen.
Für Christine Wittrock ist das Verfahren damit zu Ende – zu ihrer Erleichterung, wie sie der FR sagte. Sie hatte die NS-Zeit in Langenselbold anfangs im Auftrag des Main-Kinzig- Kreises aufgearbeitet, dann – als Landrat Karl Eyerkaufer (SPD) sich von Wittrocks Studie wegen Klage-Androhungen von Nachfahren distanzierte – für diese selbst einen Hanauer Verlag gefunden.
In Langenselbold ist das Kapitel Kaus dagegen noch nicht ganz zugeschlagen. Am Eingang zum Freibad der Stadt hängt noch immer die bronzene Gedenktafel, die den ehemaligen Ehrenbürger Wilhelm Kaus für seine Verdienste um den Bau des Schwimmbades würdigt. Er hatte dessen Bau Ende der 60er Jahre mit einer großzügigen Spende ermöglicht. Wilhelm Kaus ist als ehemaliger Nazi-Aktivist vor allem seit dem Erscheinen des Wittrock-Buches umstritten. Seine Ehrenbürgerschaft gab der mittlerweile Verstorbene jedoch schon in den 70er Jahren zurück, als er im Stadtparlament wegen der Aussperrung von streikenden Mitarbeitern seiner Firma in die Kritik rückte.
Bei der geplanten Sanierung der Umkleide- und Sanitäranlagen des Bades im Herbst wird die Mauer fallen, an der die Kaus-Gedenktafel hängt. Sie werde dann wohl auch nicht wieder angebracht werden, erklärte Bürgermeister Heiko Kasseckert (CDU) auf Nachfrage der FR.
FR 26.5.2000
Valentin Schmidt
Im Mai 1944 – vor 70 Jahren –wurde der Zimmererpolier Valentin Schmidt aus Langenselbold hingerichtet.
Sein Chef, der Bauunternehmer und NS-Wehrwirtschaftsführer Wilhelm Kaus, der ebenfalls aus Langenselbold kam, hatte im Nationalsozialismus eine Nutzniesser-Karriere gemacht. Er profitierte nicht nur von der Arisierung jüdischer Firmen, sondern verfügte auch über beste Kontakte zur Gestapo. Diese schafft in den Kaus-Betrieben ein Klima von Gesinnungsterror. Das ist kein Wunder, schliesslich ist Kaus eng befreundet mit dem Gestapo-Chef Hans Tänzer. In einem Fall wird der Gestapoterror in einem Fuldaer Kaus-Betrieb mit dem Tod bezahlt: Der Langenselbolder Zimmererpolier Valentin Schmidt wird im November 1943 verhaftet und sollte nicht mehr nach Haus zurückkehren.
Wer damals den Stein gegen Valentin Schmidt ins Rollen brachte, läßt sich nicht mehr rekonstruieren. Valentin Schmidt – wie die meisten Langenselbolder – eher der politischen Linken zugetan, aber keiner Partei zugehörig – machte aus seiner Einstellung gegen den Nationalsozialismus keinen Hehl. Vielleicht war er schon lange seinem Chef und einigen faschistisch gesinnten Kollegen ein Dorn im Auge. Vielleicht wollte man dem selbstbewußten Polier aus Langenselbold auch nur mal einen Denkzettel verpassen. Jedenfalls nimmt das Drama im Herbst 1943 unaufhaltsam seinen Lauf.
Zwei Kollegen von Valentin Schmidt, der Zimmermann Christof Hanbuch aus Pfungstadt und der Maurer Philipp Ellermann aus Dieburg treten als Belastungszeugen gegen ihn beim Prozeß vor dem Volksgerichtshof in Berlin auf. Beide waren schon vor Schmidts Verhaftung in Fulda von der Gestapo vernommen worden. Am 4. November 1943 schlägt die Gestapo zu: Valentin Schmidt wird früh morgens an seinem Arbeitsplatz festgenommen. Er ist zunächst noch guter Dinge und sagt zu seinen Kollegen: Zum Frühstück bin ich zurück. Aber aus den Klauen der faschistischen Staatsmacht konnte er nicht mehr entkommen. Man bezichtigt ihn „defätistischer Äußerungen“ gegen Staat und Partei. Diese bestanden darin, daß sich Schmidt gegen das in der Betriebskantine aufgehängte Bild Hermann Görings wandte, daß er äußerte, der Krieg sei ohnehin verloren, es sei jetzt Zeit, die Uniformen und Parteibücher zu verbrennen, daß er kritisch gegen den Feldmarschall Rommel Stellung bezog oder in Bezug auf einen Besuch Goebbels‘ im zerstörten Köln sagt: Wenn die Polizei nicht gewesen wäre, so hätte die Bevölkerung Goebbels totgeschlagen.
Diese Äußerungen genügen, um ihn wegen Wehrkraftzersetzung und Vorbereitung zum Hochverrat anzuklagen.
Die Staatsanwaltschaft formuliert:
Valentin Schmidt „wird beschuldigt, im Sommer und Herbst 1943 in Fulda fortgesetzt handelnd gehässige und hetzerische Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates und der Partei gemacht zu haben, die geeignet waren, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben.“ – „Der Angeklagte hat es dadurch unternommen, einen kommunistischen Umsturzversuch vorzubereiten sowie den Willen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen oder zu zersetzen.” Er hat „den Glauben an den Endsieg sowie das Vertrauen in die Führung des Reiches erschüttern“ wollen.
Valentin Schmidt wird zunächst in Fulda im Gerichtsgefängnis festgehalten. Seine Frau Maria fährt regelmäßig mit dem Zug von Langenselbold nach Fulda und besucht ihn. Valentin Schmidt äußert seiner Frau gegenüber den Verdacht, daß sein Kollege Philipp Ellermann, dessen Verhältnis zu ihm vielleicht von Neid geprägt war, ihn bei der Gestapo denunziert hat. Auch andere Arbeitskollegen von Schmidt vermuten das. Frau Schmidt wendet sich schriftlich an den Chef ihres Mannes, Wilhelm Kaus, und bittet ihn, sich für ihren Mann einzusetzen. Aber Kaus denkt nicht daran. Im Gegenteil: Als Maria Schmidt drei oder viermal in seinem Büro anklopft, ist er nicht zu sprechen. Und schriftlich droht er ihr, daß, wenn sie weiterhin Philipp Ellermann verdächtige und sich nicht bei diesem entschuldige, werde er veranlassen, daß sie ihren Mann nicht mehr in Fulda besuchen dürfe. Offenbar verfügte Kaus über soviel Macht und Einfluß bei der Gestapo, daß sein Arm bis ins Gerichtsgefängnis reichte.
Valentin Schmidt wird im März 1944 nach Berlin gebracht und dort vor den berüchtigten Volksgerichtshof gestellt. Entlastungszeugen werden nicht geladen. Es gibt nur zwei Belastungszeugen: Philipp Ellermann und Christof Hanbuch. Valentin Schmidt hat bis zuletzt auf seine Freilassung gehofft. Aber die faschistischen Henker waren unerbittlich. Allein der Berliner Volksgerichtshof verhängte etwa 5.000 Todesurteile. Insgesamt hatten deutsche Richter in wenigen Jahren zwischen 50.000 und 80.000 Todesurteile gefällt. Auch Valentin Schmidt wird im März 1944 zum Tode verurteilt. Das Urteil wird am 2. Mai 1944 mit dem Fallbeil vollstreckt.
An diesem Todesurteil wirkten mit: Volksgerichtsrat Lämmle, Kammergerichtsrat Dr. Makart, SS-Gruppenführer Petri, SA-Obergruppenführer Heß, SS- Obersturmbannführer Dörfler und Landgerichtsrat Dr. Scholz.
Die Witwe erfährt von der Hinrichtung ihres Mannes erst sechs Wochen später.
Daß man wegen ein paar Äußerungen gegen Hitlers Kriegspolitik hingerichtet werden konnte, gehört zu den Ungeheuerlichkeiten des faschistischen Staates. Die Ungeheuerlichkeiten nehmen aber ihre Fortsetzung, wenn man den Umgang mit diesen Ereignissen in der Nachkriegszeit betrachtet: Was sich zwischen 1945 und 1950 in diesem trüben Geschichtskapitel vollzieht, ist das, was Ralph Giordano die „Zweite Schuld“ nennt.
Kaus, Ellermann und Hanbuch werden zwar zunächst zur Rechenschaft gezogen. Sehr bald aber verlieren sich die Versuche, die ehemaligen Nazis und ihre Zuträger zu verfolgen. Spätestens 1948 wird der große Frieden mit den Tätern angestrebt, die man im Sinne einer neuen antikommunistischen Politik in der Ära des Kalten Krieges wieder benötigte.
Die Familie von Valentin Schmidt wurde niemals entschädigt. Langenselbold vergaß ihren Toten; weder gab es eine Wiedergutmachung, noch wurde dem Toten ein öffentliches ehrendes Andenken zuteil. Die Nachkriegspolitik kehrte diese Geschehnisse unter den Teppich.
Die 1998 publik gemachte Forschungsarbeit, in der diese Geschehnisse dokumentiert worden waren, wurde von den Nachfahren des NS-Wehrwirtschaftsführer Kaus mit Klagen attackiert. Um weitere langjährige und kostspielige Gerichtsverfahren zu vermeiden und die Arbeit als Buch herausbringen zu können, wurden wenige Zeilen geschwärzt.
Eine unrühmliche Rolle in dieser Auseinandersetzung spielte der damalige Landrat des Main-Kinzig-Kreises Karl Eyerkaufer, der die Studie zwar in Auftrag gegeben hatte, aber angesichts der Drohungen der Familie Kaus einknickte. Die Autorin veröffentlichte das Buch daraufhin auf eigene Verantwortung. 1999 konnten zwei Auflagen im CoCon Verlag Hanau erscheinen.
Die Ereignisse sind näher beschrieben in:
Wittrock, Christine: „Das Unrecht geht einher mit sicherem Schritt. Notizen über den Nationalsozialismus in Langenselbold und Schlüchtern“, Hanau 1999, nur noch antiquarisch erhältlich.
Der Langenselbolder Zimmererpolier Valentin Schmidt (9. September 1903 – 2. Mai 1944)