Mittel-Gründau: wo Juden, Sinti & Roma kampierten : der „Judengrund“

Kein Grabstein, kein Denkmal aber eine Müll-Deponie …. Dass es in Gründau und besonders in Mittel-Gründau nur ein paar Wochen im Jahr nicht möglich ist, wegen des Güllegestanks in dickster Sommerhitze bei offenem Fenster wenigstens nachts etwas Abkühlung zu bekommen und man nicht ganzjährig in Abgasen zu ersticken droht, das liegt an dem unbeirrbaren Widerstand einer kleinen Mittel-Gründauer, Niedergründauer und Ronneburger Bürgerinitiative gegen den Main-Kinzig-Kreis, die „großen Volksparteien“ SPD und CDU und die Kreis-GRÜNEN. Örtlich wurde der Widerstand von den GRÜNEN , letztlich auch von SPDlern und auch von CDU- und FWGlern unterstützt. Für eine gigantische Groß-Mülldeponie suchte der Kreis einen Standort: eine quasi-Allparteien-Koalition im Main-Kinzig-Kreis hatte die potentiellen Standorte bereits fest im Auge oder drohte mit einer ebenfalls gigantischen Müllverbrennungsanlage, die dann ihre Asche dort ablagern sollte, mit in beiden Fällen katastrophalen Auswirkungen für Flora und Fauna, für die Luft und das Grundwasser. Ausgesucht waren bereits „Die Streit“, ein  teileweise bewaldetes Tal, das der Fürst von Ysenburg-Büdingen über Jahrhunderte Stück für Stück zwischen Niedergründau und Altwiedermus (Ronneburg) teils in offenem Streit (daher der Name) den Dörfern abgenommen hatte und das er jetzt als Deponiestandort versilbern wollte,  –  als nächster Standort der „Allmessengrund“ zwischen Niedergündauer und Mittelgründauer Gebiet, dort und dahinter, wo heute die Gülle-Hochebene durch eine Erdaushubdeponie entsteht, dann der „Sauerngrund“ mit seinen Quellgebieten nördlich des Rodenborn – und schließlich der „Judengrund“, ein Tälchen zwischen dem Modellflugplatz und dem ADAC-Übungsplatz, das heute bereits zu einem Drittel durch eine illegale Bauschuttdeponie verfüllt ist.

Die Flurbezeichnung  „Judengrund“ existierte bereits vor dem 30-jährigen Krieg. Den wandernden Land-Juden, den jüdischen Händlern und Hausierern wurde bis ins 17. Jahrhundert das Übernachten in den Dörfern von der Obrigkeit untersagt. Die fürstlichen Jäger jagten sie bei anbrechender Dunkelheit aus den Dörfern, die von den Feudalherren eingesetzten Schultheißen und Bürgermeister hatten ebenfalls dafür zu sorgen .. Im Gericht Gründau gab es einen zentralen Platz, auf dem jüdische Händler übernachten dürften: der „Judengrund“. Es war eine Flur, die mit ihrem versauerten Boden praktisch keine landwirtschaftlichen Erträge brachte .- so wie der sprichwörtliche „Sauerngrund“ auch. Es waren schlecht zu entwässernde Senken mit Riedgras und Binsen bewachsen, mit mannshohen Hecken finster und mit Legenden umgeben.

Als sich nach den Stein’schen Reformen ab 1812 in Preußen und mit der 1848er Revolution die Lage der Juden zu verbessern begann, verwaiste der „Judengrund“ zunächst etwas. Aber es waren schon Nachfolger da: sie sprachen zum Teil ein Gemisch aus „Jiddisch“ und Romanes. Sie waren wie die Landjuden „Fahrendes Volk“. die Sinti und Roma, die „Zigeuner“.

Für sie gab es in Gründau zwei geduldete Stellplätze: einen im Tannenwäldchen zwischen dem Tunneleingang der Bahnlinie Gelnhausen – Büdingen -Giessen und der (heutigen) Bundesstraße nach Büdingen und als Haupt-Stellplatz der „Judengrund“: hier kampierten Kesselflicker, Stuhl- und Korbmacher, Teppichflicker und -Händler, Scherenschleifer, Musiker, Artisten, …. Im Dorf wurden den Kindern schreckliche Geschichten über „die Zigeuner“ erzählt, die Wäsche, Kinder und Hühner klauten, schwarze Messen abhielten, wahrsagten und Blutopfer brachten – wahrscheinlich die geklauten Kinder…  Und manche „Warmsanierung“  wurde den „Zigeunern“ in die Fußlappen geschoben. Sie waren schuld an Feuersbrünsten, Epidemien … so wie früher die Juden.  Es gab allen Grund den „Judengrund“ zu meiden.

Kein Wunder also, dass kaum jemand im Dorf heute noch berichten kann, wieviele Sinti und Roma die SA und die Gestapo aus dem Tannenwäldchen und dem „Judengrund“ in die KZs verschleppt hatten, wie sie dort schon geschlagen und gefoltert wurden, um aus ihnen die Verstecke ihrer SippenMitglieder herauszupressen.

Eine Aufforderung an die Kreisregierung durch den Autor dieser Zeilen , statt einer Mülldeponie im „Judengrund“ dort ein Denkmal für die verschleppten und ermordeten Sinti und Roma zu errichten, verhallte ohne Antwort.  Der „Judengrund“ wurde weiter auf seine Eignung als Mülldeponie untersucht. Es war ein intensiv warnendes Bild, dass dann in nicht allzu ferner Zukunft die braune Brühe der Sickerwässer aus der Mülldeponie unser Grundwasser vergiften wird.  Wer seine Geschichte so wie Müll behandelt: vergraben, überdecken, verdrängen und verbrennen, wird darin umkommen.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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