Lieber Hans Christoph,
was Du am 02.12.2009 an Elias Davidsson schreibst, klingt über weite Strecken vernünftig. Wir sind uns sicher einig in der Beurteilung von Faschismus als Verbrechen. Doch wieder und wieder übergehst Du, worum es Elias im Kern geht, die Orientierung von uns ‚Linken‘ auf die wesentlichen Gefahren und Verbrechen (9/11, geführte und geplante Kriege, Abbau demokratischer Rechte,…) unserer Zeit.
Am Montag hat Michael Moore anläßlich der bevorstehenden Entscheidung, weitere Soldaten in den Krieg zu schicken, einen Offenen Brief mit der Frage „Wollen Sie wirklich der neue Kriegspräsident werden?“ an den US-Präsidenten geschickt. Darin beschreibt er, was die USA angerichtet haben, als
„Orwell’sche Hölle von acht Jahren Verbrechen… die in unserm Namen begangen wurden: Folter, Überstellung von Terrorverdächtigen, Aufhebung der Grundrechte, Überfall auf Nationen, die uns nicht angegriffen haben, das Bombardieren ganzer Stadtteile, in denen Saddam Hussein vermutet wurde (aber niemals war), das Morden ganzer Hochzeitsgesellschaften in Afghanistan. Wir beobachteten, wie hunderttausende von irakischen Zivilisten gemordet und zehntausende von tapferen Männern und Frauen getötet, verstümmelt oder lebenslang traumatisiert wurden – der ganze Terror, den wir kaum erahnen können.“
Wo sind Deine starken Worte gegen diese in der Tat menschenverachtende Politik (insbesondere von USA, Israel und NATO) und deren Unterstützung durch die deutschen Marionetten-Politiker fast aller im Bundestag vertretenen Parteien? Schnell hast Du den Begriff ‚faschistisch‘ zur Hand, warum aber nicht in Zusammenhang mit den gigantischen Verbrechen unserer Zeit? Statt das Bestreben von Elias zu würdigen, Verbrechen aufzuklären und zu ächten, das mit dem Islam-Feindbild operierende gigantische Propaganda-Gebäude zum Einsturz zu bringen, schickst Du am 01.12.2009 07:45 eine eMail an einen breiten Verteiler, in der es heißt:
„Hallo liebe Leute, Elias Davidsson ist offenbar ein Überzeugungstäter: jetzt diskutiert er mit den Burschis der ‚Normannia-Nibelungen‘ zu Bielefeld… Irre. Dem Mann ist nicht zu helfen… Also mailt das bitte weiter, damit die linke Öffentlichkeit Bescheid weiß, mit wem Fikentscher/Neumann und „Die Bandbreite“ da neulich im Club Voltaire ihren Auftritt hatten.“
Was ist das für ein Vokabular: Elias als Überzeugungstäter, als Kriminellen zu brandmarken, mit dem wir gemeinsame Sache machen. Hartmut Barth-Engelbart hat darauf geantwortet (http://www.barth-engelbart.de/?p=467):
„Man kann darüber streiten, ob es sinnvoll ist, vor Burschenschaftlern zu reden, mit ihnen zu diskutieren… Was mir stinkt, dass Du Elias Davidsson korrekten Vortrag vor Deiner Meinung nach nicht korrektem Publikum BENUTZT, UM DER ARBEITERFOTOGRAFIE VERBINDUNGEN ZUR RECHTEN NACHZUSAGEN. So was nennt man gemeinhin gezielten Rufmord… Und ich empfinde es als widerlich denunziatorisch, wenn ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der ja wohl auch nicht als korrekter LINKER geboren wurde, hier solche gegenreformatorischen inquisitionären Praktiken anwendet. Ich fordere Dich hiermit öffentlich auf, diese im Sinne unserer Gegner sehr nützlichen Angriffe auf die Arbeiterfotografie sofort einzustellen.“
Thomas Immanuel Steinberg ergänzt (http://steinbergrecherche.com/08argumente.htm):
„Mein politischer Freund, der kluge und liebenswerte Elias Davidsson, hat einen Vortrag über seine Recherchen zum 11. September 2001 gehalten, und zwar im Rahmen der Ideenwerkstatt der Burschenschaft Normannia-Nibelungen… Mein politischer Freund, der ebenfalls kluge und liebenswerte Hartmut Barth-Engelbart, weist Stoodts Diffamierung von Davidsson, den Arbeiterfotografinnen Fikentscher und Neumann und der Band ‚Die Bandbreite‘ in einer Antwort scharf zurück. Und macht an eigener Erfahrung deutlich: Mit allen möglichen Leuten lohnt das Gespräch. Das Kapital setzt viel daran, uns Linke gesellschaftlich zu isolieren. Kapseln wir uns selber ab, wie Stoodt höchst puritanisch fordert, dann wird es uns zermalmen.“
Elias bezeichnet die Burschenschaft, bei der er vorgetragen hat, als ideologischen Gegner. Ihm stattdessen ideologische Nähe zu unterstellen und sein Verhalten als ‚irre‘ zu bezeichnen, ist Diffamierung. Wir können unterschiedliche Auffassungen haben. Die können wir diskutieren. Das darf aber nicht dazu führen, daß wir jemanden inquisitorisch aus der Gemeinschaft der ‚Linken‘ ausstoßen, wie Du es tust, indem Du schreibst: „Aber damit disqualifizieren Sie sich und Ihre Positionen dann auch politisch selbst.“ Was würdest Du, lieber Hans Christoph, empfinden, wenn wir Dein Denken als ‚irre‘ bezeichnen und Deine Orientierung auf die sichtbaren Nazis als Ablenkungsmanöver bezeichnen, mit dem Du die großen Verbrechen unserer Zeit decken willst und Dich damit aus der Gemeinschaft der ‚Linken‘ verabschiedest?
Die Diffamierung von Elias, der ‚Bandbreite‘ und uns sowie der Aufruf zur Verbreitung dieser Diffamierung wäre Grund genug, Dich aus unserer Wahrnehmung zu streichen und mit Dir nicht mehr zu kommunizieren. Wir tun es trotzdem und fragen Dich: geht es Dir darum, unseren jahrzehntelangen gesellschaftlichen Einsatz mit einem Schlag zu diskreditieren (Dein Aufruf: „Also mailt das bitte weiter, damit die linke Öffentlichkeit Bescheid weiß…“)? Vergreifst Du Dich damit nicht in der Verhältnismäßigkeit der Mittel: warum diese extremen Angriffe gegen uns in dieser Form und dazu der Aufruf zur öffentlichen Verbreitung? Du stellst uns hin, als wären wir Schwerverbrecher, die öffentlich hingerichtet werden müssen.
Aber wieviel unsägliches Unrecht (…Vergewaltigung…) geschieht in einem Krieg? Wir sind in der Tat keine Bittsteller, die um die Beendigung der Kriege in Afghanistan und Irak sowie der Kriegsplanungen gegen den Iran ersuchen, sondern wir stellen die berechtigte Forderung nach Aufklärung der vorgeschobenen Kriegsgründe. Diesen Aufklärungsansätzen kannst Du Dich – sollten möglichst viele – sich anschließen, um die terroristischen Kriege zu delegitimieren. Für diese Aufklärung kannst Du eintreten, oder Du kannst die um Aufklärung Bemühten diffamieren. Bisher gehst Du den zweiten – den einfachen – Weg. Deshalb wiederholen wir unsere dringende Bitte: kehr um!
Sei gegrüßt von
Anneliese und Andreas