Wie der Musikunterricht privatisiert wird

…… dass wir in eine Situation geraten sind, in der wir pädagogische Selbstverständlichkeiten in dieser Weise verkaufen müssen, wo der spätere eventuelle Marktwert des hinterletzten kindlichen Hirnbereichs scheinbar darüber entscheidet, ob ein Kind ausreichend gefördert werden soll oder nicht. Aber vielleicht muss man Kinderköpfe, die Musik und die Bildende Kunst in dieser ernüchternden Weise instrumentalisieren, um am Trog einen kleinen Platz zu ergattern. Freiheit der Kunst und Menschen-Kinderrechte sind vom Markt abhängig. So isses halt. Nicht nur in Hessen gelten Wolffs-Gesetze, die herrschenden „Eliten“ bereiten ihre Süppchen überall nach den gleichen Koch-Rezepten. …..

Fähigkeiten der Migranten nutzen

(KMK-Präsidentin Ute Erdsiek-Rave in der FR vom 3.6.2006) ((der folgende Replik-Artikel zu dem Rave-Artikel in der FR wurde am 6.6.2006 erstveröffentlicht und wird hier unverändert wiedergegeben. HaBE 2010))

Wider die Privatisierung von Bildung
– das Beispiel Musik

Fähigkeiten der Migranten nutzen!“, mit diesem Schlachtruf stürzte sich die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die schleswig-holsteinsche KuMi Ute Erdsiek-Rave in eine mediale Aufbauschlacht für Potemkinsche Bildungsdörfer in und vor den Toren der MigrantINNen-Ghettos unserer Metropolen und Provinzidyllen.
Tatsächlich werden aber unter dem Kampfruf nach dem „schlanken Staat“ den Schulen, Kindertagesstätten und Kindergärten die notwendigen Stellen, die notwendigen Qualifizierungen, die notwendigen Ausstattungen verweigert und gestrichen. Das Gerede von den Ganztagsschulen entpuppt sich immer mehr als Mix zwischen Zeitungsente und Ochsenfrosch. So wie in Hessen unter den Wolffs-Gesetzen die Mogelpackung Unterrichtsgarantie/Vertretungspool/Unterricht-PLUS mit Hilfe von unqualifiziertem und/oder unterbezahltem Personal vollgepackt und zu 50% mit heißerLuft gefüllt wurde- so wird nach wie vor kräftig an allen Ecken gekürzt, besonders an denen, die als „nicht zum Kerngeschäft gehörig“ deklariert werden: Musik, Bildende Kunst, Sport, Theater, und viele Kraetiv-AGs, soweit sie in der von den Kultusministern organisierten Unterbesetzung überhaupt noch zu realisieren waren.

Nicht nur gibt es einen dementsprechenden Boom bei der Gründung und dem Wachstum optimal ausgestatteter und sündhaft teuerer Privatschulen aller Stufen und eine gigantische Steigerung der dafür bereitgestellten staatlichen Mittel aus Steuern – neben diesem erdrutschartigen Trend zur Erodierung des staatlichen Schulwesens gibt es weitere etwas anders geartete Privatisierungen ganzer Bildungssektoren:

auf kommunaler Ebene, wo sie zunächst als Bereicherung des schulischen Angebotes verkauft werden, sich aber (der öffentlichen und parlamentarischen Kontrolle weitgehend – weil „outgesourst“- entzogen) bei zunehmenden Mittelkürzungen als Entqualifizierung des Unterrichts und als schleichende Streichungen herausstellen.
Besonders deutlich wird das am Beispiel des Musikunterrichtes, der oft in den Ganztagsangeboten als Kompensation für vormittägliche Streichungen nachmittags von Ehrenamtlern, Musikvereinen, Musikschulen auf Honorarbasis (oder auch garnicht) angeboten wird. Das Gleiche gilt für Sport und Kunst … Da es den Schulen bereits an Mitteln für Vertretungslehrer für den Vormittagsunterricht fehlt, liegt es sehr nahe, dass zuerst an den „zusätzlichen“ Angeboten gekürzt wird. Das trifft nicht das „Kerngeschäft“ und fällt auch meist statistisch unter den Tisch. Eltern, die auf Musikunterricht bestehen, werden dann – soweit es ihr Einkommen zuläßt, das aus den Schulen herausgekürzte Angebot privat aufsuchen: private Musikschulen, die JugendKunstschule usw. die selbst outgesourste Teile den kommunalen Sozial- und Jugendämter, der Jugend-Kulturzentren (wo es sie noch gibt) waren oder Teile der Volkshochschulen, die selbst schon gezwungen werden, als betriebswirtschaftlich rechnende Privatschulen auf dem Bildungsmarkt mit anderen zu Marktpreisen zu konkurrieren. Die zu „events“ (kommt von eventuell) verkommenen Kurzauftritte der Musik- und KunstpädagogINNen, die stürmisch in der Lokalpresse zwecks Punktsiegergatterung im Schulranking von den Schulleitungen (= Management eines Dienstleistungsunternehmens) präsentiert werden, haben für die KleinKunstunternehmer im Werkauftrag den Vorteil, dass sie in den staatlichen BasisVersorgungsschulen ihre Bezahlkundschaft akquirieren können. Dafür muss man dann aber auch zum Dumpingpreis in der Schule auftreten! Eine nach Sparten sortierte private Bildungsversicherung (mit Musik wird’s etwas teurer) wird sich dann wohl in den nächsten Wochen auf dem Bildungsmarkt tummeln: nach obligatorischer Haftpflicht, kommt die zur Schulpflicht passende private Bildungspflichtversicherung bestimmt.

Es ist überall das Gleiche: Gute (Aus-)Bildung gibt es nur für Reiche!

…… dass wir in eine Situation geraten sind, in der wir pädagogische Selbstverständlichkeiten in dieser Weise verkaufen müssen, wo der spätere eventuelle Marktwert des hinterletzten kindlichen Hirnbereichs scheinbar darüber entscheidet, ob ein Kind ausreichend gefördert werden soll oder nicht. Aber vielleicht muss man Kinderköpfe, die Musik und die Bildende Kunst in dieser ernüchternden Weise instrumentalisieren, um am Trog einen kleinen Platz zu ergattern. Freiheit der Kunst und Menschen-Kinderrechte sind vom Markt abhängig. So isses halt. Nicht nur in Hessen gelten Wolffs-Gesetze.

Bei dem folgenden Text handelt es sich um die Sammlung wissenschaftlich abgesicherter Argumente für die Beibehaltung resp. den weiteren Ausbau eines musischen Schwerpunktes in den Allgemeinbildenden Schulen. Der Beitrag ist nach innen wie nach außen gerichtet. Er soll bestärken und ermutigen, besonders dann, wenn der „Gegensatz“ von Kernunterricht, Leistungsfächern auf der einen und musischen Fächern, AG’s und entsprechenden außerunterrichtlichen Aktivitäten auf der anderen Seite aufgebaut wird. Der Beitrag versucht ebenfalls, die wissenschaftliche Diskussion direkt auf die Bedingungen von Schulen in sogenannten „Sozialen Brennpunkten“ zu beziehen und daraus Konsequenzen abzuleiten.

Der Paderborner Musikpädagoge Hans Günther Bastian hat in einer wissenschaftlichen Langzeitstudie herausgefunden, dass intensives Musizieren in den ersten vier Schuljahren die Intelligenz steigern kann.. Während sich die ABC-Schützen bei ihrer Einschulung nicht wesentlich in ihren Intelligenzquotienten unterschieden, erzielten über 50% der musikorientierten Schüler eineinhalb Jahre später überdurchschnittliche Ergebnisse bei Intelligenztests. In der Vergleichsgruppe waren es nur 38%.“ (aus „Amadeo“ F/S 1998, GrunerJahr)

Der Abbau des Musikunterrichts an deutschen Schulen ist eine bildungspolitische Bankrotterklärung mit schlimmen mittel- und langfristigen Folgen für den Wirtschafts- und Kulturstandort Deutschland.“ (Dr. Peter Hansen-Strecker, Präsident des deutschen Musikverlegerverbandes in der Zeitschrift „Das Musikinstrument“) Dieser Satz stinkt zwar meilenweit zum Himmel, doch dieser standortoptimierende Versuch, den Moloch gegen sich selbst zu mobilisieren beschreibt eine sich ganz real abzeichnende Nebenwirkung, die der Kultusministerkonferenz bereits aufgestoßen zu sein scheint.: „Wer aber erkennt, dass hier Begabungen brachliegen, dass große Fähigkeiten -auch als Wachstumsfaktor der Gesellschaft (aha, die Migranten machen also noch in der allergrößten Not die Kinder, die uns fehlen seit die Ossies in den Gebärstreik getreten sind?? etwas zynische Anmerkung.d.Autors)- ungenutzt bleiben, lässt sich nur der Schluss ziehen: wir tuen gut daran, dies zu ändern. Diese Botschaft muss auch bei den Migranten selbst ankommen.“ (Ute Erdsiek-Rave in der FR 3.6.06).

Welche Botschaft bei den Migranten ankommt? Wenn ein Bundeswehr-Hubschrauber es schafft, ein Migranten-Boot an der Überfahrt nach Teneriffa zu hindern, diese Botschaft kommt an. Wenn HARTZ 4 noch weiter gekürzt wird und Zwangsumzüge exekutiert werden, diese Botschaft kommt an bei den BinnenMigranten von einem EinEURO-JOB zum nächsten, von einer unbewohnbaren Behausung zur nächstkleineren. Wenn die Polizei nachts in Wohnungen dringt und Familien zwecks Abschiebung kidnappt, diese Botschaften kommen an.

In dieser Situation werden verlässliche Anlaufpunkte der Kinder und der Eltern bis zur Unkenntlichkeit zusammengestrichen und die Arbeit mit den Kindern und Eltern als Gastarbeiter-„Sozialarbeiter-Romantik“ (Brumlik in der EW 2/2000 !) und als Kuschelpädagogik denunziert.

Was das Kürzen bei Musik und die geschilderte Privatisierung des Musikunterrichts für die Entwicklung der Kinder bedeuten, wird versucht im Folgenden aufzuzeigen:

„Musik macht Kinder intelligenter und sozial kompetent.“

„Verstärkte Musikerziehung hilft vor allem Schülern mit hohen Konzentrationsdefiziten. Kreativität und Leistungsvermögen steigen signifikant bei Kindern aus musikbetonten Grundschulen.“
Trotz des zu Ungunsten der klassischen „Leistungsbereiche“ verschobenen Stundendeputats geht der für Musik vermehrte Zeitaufwand „ganz eindeutig nicht zu Lasten der allgemeinen schulischen Leistungen.“
Im Gegenteil: „Der prozentuale Anteil der Kinder mit überdurchschnittlich guten Leistungen ist in der musikbetonten Grundschule sogar oft höher als in der herkömmlichen Grundschule. Dies gilt für die Fächer Mathematik, Deutsch, Englisch.“

Forschungsergebnisse aus Berlin und Frankfurt

Was sich hier liest wie Wunschträume einer Notgemeinschaft deutscher MusikerzieherInnen, die angesichts der Stundenreduzierungen in ihrem Bereich nach Argumenten gegen den herrschenden kultusministeriellen Trend suchen, ist kein Wolkenkuckucksheim sondern das Ergebnis einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mitfinanzierten Langzeitstudie: unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Günther Bastian (Universität Frankfurt/ Main und Paderborn) untersuchte ein Forscherteam an 30 Berliner Grundschulen die „Musik(-erziehung) und ihre Wirkung“ (als Buch erschienen bei Schott Musik International /2001).
Bastian steht mit seinen Forschungsergebnissen und seinen Forderungen nicht allein:
angesichts der Forschungsergebnisse fordert er, dass in allen Bundesländern die Grundschüler die Chance erhalten, neben einem mindestens zweistündigen Musikunterricht in der Schule ein Instrument zu erlernen und in einem Ensemble zu musizieren.

Schulversuchs-Ergebnisse aus der Schweiz

Unterstützt werden seine Thesen und Forderungen durch den schweizer Wissenschaftler Ernst Waldemar Weber, der nach seinen Forschungen bei einem Schulversuch an 50 Volksschulklassen in 10 Schweizer Kantonen zu dem Ergebnis kam, dass trotz einer 20-25%igen Reduktion der Lektionenzahl in den Hauptfächern dort keine „Leistungsverluste“ eintraten. Neben guten Entwicklungen im sprachlichen Bereich verbesserte sich das Sozialklima in den betreffenden Klassen erheblich. Das gleiche gilt für die allgemeine Leistungsmotivation und die Identifikation mit der Schule. Die Psychologin Maria Spychiger , vom Pädagogischen Institut der Universität Freiburg (Schweiz) begleitete einen eidgenössischen Schulversuch, in dem der Hauptfachunterricht zugunsten des Musikunterrichtes um mehrere Wochenstunden reduziert wurde.
Im Abschlußbericht schreibt Spychiger: „Über alle Klassen gemittelt, erbrachten die ‚musikalischen Versuchskaninchen‘ trotz eingesparter Hauptfachstunden keine geringere Leistung als die Kontrollklassen. Im Gegenteil: Beim Lesenlernen in der Grundstufe zeigte sich ein besonders deutlicher positiver Zusammenhang.“
(aus „Persönlichkeitsentfaltung durch Musikerziehung“, Josef Scheidegger / Hubert Eiholzer, ISBN 3907117107)

Ergebnisse langjähriger Praxis an Wiener Hauptschulen

Ähnlich lautende Ergebnisse werden aus den Wiener Hauptschulen mit besonderem musikalischem Schwerpunkt berichtet, die seit über 24 Jahren erfolgreich arbeiten. Der Leiter einer solchen Hauptschule, Direktor Walter Kern, verglich mehrere Jahre lang die Leistungen von SchülerInnen in Klassen mit und ohne musikalischen Schwerpunkt. In einem detaillierten Bericht schreibt er „Nach vier Jahren war der Notendurchschnitt in den Musikklassen – bei gleichen Lehrern – um 0,7 bis 0,8 besser, und das, obwohl die Kinder hier durch den Schwerpunkt Musikunterricht zwei Wochenstunden mehr Unterricht hatten und zusätzlich Übungszeit für das Instrument, das für diesen Schultyp Pflicht ist, aufwenden mussten.“
( Psychologie heute, 7/97)

Mathematisches Denken durch Musik? Forschungsergebnisse aus den USA

Amerikanische Wissenschaftler um die Psychologin Dr. Frances Rauscher (University of Wisconsin) und den Physiker Dr. Gordon Shaw (University of California) haben herausgefunden, dass Musikunterricht die Intelligenz von Kindern um ein Vielfaches besser fördert als EDV-Unterricht (ohne damit etwas gegen frühe Informatik-Übungen zu sagen):

„Wesentliche Grundlagen für mathematisch-naturwissenschaftliche Schulfächer, nämlich Abstraktionsvermögen und die Fähigkeit analytisch zu denken, sind allein durch Musik eindeutig verbessert worden.“, heißt es in einem Bericht in der renommierten US-Zeitschrift für Musikerziehung, NAMM Playback (4/97)
“ Ihren Studien zufolge wird bereits durch frühe Erfahrungen bestimmt, welche Gehirnzellen sich mit anderen vernetzen, bzw. welche absterben werden. Diese neuronalen Verbindungen sind für alle Formen der Intelligenz verantwortlich. Daher wird das Intelligenzpotential eines Kindes nur dann ausgeschöpft, wenn es bereits in der frühen Kindheit die notwendigen stimulierenden Erfahrungen macht. Kultusminister und Pädagogen sollten in ihren Lehrplänen berücksichtigen, dass Musikerziehung und Musizieren den Intellekt stimuliert und langfristig eine akademische Leistungssteigerung herbeiführt.“
(Aus NAMM Playback 4/97)

„Soziale Kompetenz und soziale Reflexionsfähigkeit durch Musikerziehung erheblich verbessert“

In den Grundschulen mit musisch-musikalischem Schwerpunkt ist die Zahl der ausgegrenzten Kinder sehr deutlich geringer als in den über 6 Jahre miterforschten konventionellen Grundschulen.
Die Studien in Berlin, wie in der Schweiz und in Österreich haben ergeben, dass Kinder mit ausgedehnter Musikerziehung besser in der Lage sind, aus Erfahrungen zu lernen, Transferleistungen zu erbringen und Situationen des Alltags adäquat zu erfassen und zu beurteilen.

Erhöhung der kommunikativen Kompetenz …

… durch erweiterte Musikerziehung in ethnisch einheitlichen wie in multiethnischen Schulen Die im letzten Abschnitt genannten Kompetenzsteigerungen beinhalten die positive Entwicklung im sozial-emotionalen Bereich der kindlichen Psyche. In einer Schule wie der unseren muss dies besonders berücksichtigt werden.

Nicht selten sind die Musik, das Musizieren in allen seinen Formen (wie auch die Ausdrucksmöglichkeiten im Bereich der bildenden Kunst) die ersten und oftmals einzigen Wege, die für unsere Kinder untereinander wie für LehrerInnen ohne große Schwellenängste gemeinsam begehbar sind. Hier gehen sie die ersten Schritte aufeinander zu.
Dieses Medium ermöglicht die unmittelbare emotionale Erfahrung von Selbstwert, von Akzeptanz, von Aufgehobensein und Aufgefangenwerden in einer sonst (oft noch) fremden und nicht selten bedrohlich wirkenden Umgebung.

Vermittlung grundlegender Fähig- und Fertigkeiten „so nebenbei“

Das tägliche Stimmen der Instrumente, das Sortieren der Glas- oder Metall-Glockenspiele, das gemeinsame stimmige und/oder zu stimmende Singen, das Sich-gegenseitig-(auch kontrollierende)-Vorsingen , all das enthält viele logopädische Elemente, die bessere Ausgangsvoraussetzungen für den (Fremd-, Zweit-, Mutter-) Spracherwerb und für den Leselernprozess schaffen (Gehörschulung, Geräusch- und Tondifferenzierung).
Ohne dass das Lesenlernen explizierter und für die Kinder eventuell angstbefrachteter Musikunterrichtsbestandteil ist, lernen die Kinder z.B. die Liedertexte teils nebenbei, teils bewusst und gezielt, um ?mit dabei sein zu können?, um zum Gelingen eines gemeinsamen Auftritts beizutragen etc.

Musikerziehung und emotionale und kognitive Intelligenz

Neurologische Forschungen haben ergeben, dass unterschiedliche Bereiche des Hirns für die emotionale und für die kognitive Entwicklung der Kinder „zuständig“ sind. Beide sind voneinander abhängig. Wobei die emotionelle Entwicklung zunächst Grundlage für die kognitive ist. Bleibt der emotionale Bereich unterentwickelt, hat der kognitive Bereich keine Entwicklungsmöglichkeit. Erschließt der kognitive nicht ausreichend emotionale Felder, beeinträchtigt dies wiederum die Weiterentwicklung des kognitiven Bereiches. Auditive, visuelle, sensomotorische u.a. emotionale Erfahrungen sind das Futter für die kognitive Entwicklung.
So hat der Wiener Neurophysiologe Hellmuth Petsche durch EEG-Reihen-Messungen herausgefunden, dass bei musizierenden Menschen sich die rechte gefühlsbetonte Hirnhälfte und die linke , für Sprache und Intellekt zuständige Hirnhälfte stärker miteinander verknüpfen. Komponieren, Fixieren von Klangbildern (also auch das Reimen) aktiviert die Nervenzellen im Frontalhirn, wo das Kurzzeitgedächtnis verankert ist.
(Hellmuth Petsche in „Amadeo“ 1998)

Den Spaß an der Musik und die Kinder ernst nehmen

Die Kinder sind im Musikunterricht, beim Chor wie beim Musik-Instrumentenbau sowohl am Ergebnis (Endprodukt) orientiert als auch am Prozess.
Aus beiden Orientierungen ergeben sich verbindliche, für die Kinder leicht akzeptierbare, weil klar ersichtliche Regeln und Leistungsanforderungen.
Hier eröffnen sich für viele Kinder leichter begehbare Wege zur Einordnung, zur Teamfähigkeit, zur emotional und rational bejahten Integration ohne Assimilationszwang Grundvoraussetzung (nicht nur) dafür ist, – dass die Kinder die Musik ernst nehmen, dass sie sich in die Musik praktizierend vertiefen, dass die Musik sich ihnen so entschlüsselt und sie Teil davon werden, dass das Musizieren ein authentischer Prozess wird dass die Kinder auch musikalisch dort abgeholt werden, wo sie sich befinden, d.h. musikalisch bei einer Mischung aus jeweils individueller ethnischer Kultur, den aktuellen Radio/TV-Charts, eigenaktiv zu bewältigenden Rhythmen und Melodien, kindlich beherrschbaren Instrumenten, subkultureller Semantik, -subkulturellen Codes und muttersprachlichen Elementen.

Erweiterte Musikerziehung = gleichzeitige Förderung von Stärkeren und Schwächeren

Prof. Bastians Langzeitstudie hat erwiesen, dass Kinder aus den Musik-Modellschulen mit überdurchschnittlichem IQ und deutlichen Vorsprüngen bei den kognitiven Fähigkeiten beides erheblich deutlicher steigern als gleichbegabte Kinder in den Kontrollgruppen der Schulen ohne Musikschwerpunkt.

Der Hauptschub bei der durch „erweiterte Musikerziehung“ erreichten IQ-Steigerung tritt erst nach ca. 4 Jahren dieses Treatments auf , beim Eintritt in die Pubertät, beim Wechsel zu den weiterführenden Schulen, bis zum Ende der Förderstufe.

Sozial benachteiligte und in ihrer kognitiven Entwicklung weniger geförderte Kinder (mit unterdurchschnittlichem IQ) profitieren von einer „erweiterten?“ Musikerziehung. Sie legen über die Jahre hinweg in der Tendenz kontinuierlich zu, was für unterdurchschnittlich kognitiv entwickelte Kinder in den Vergleichsschulen ohne erweiterte Musikerziehung nicht festgestellt werden konnte.
Beide Punkte sind für Schulen in „sozialen Brennpunkten“ von zenraler Bedeutung:

Abbau von Angst und Aggression – Emotionale Stabilisierung

Dass erweiterte Musikerziehung erheblich dazu beiträgt die Identifikation mit der Schule zu verstärken, ein emotional positives soziales Klima zu schaffen und vorhandene oft im Umfeld aber auch in der Schule aufgeladene und entstandenen Aggressionspotenziale abzubauen, kreativ und konstruktiv umzusetzen wissen und bestätigen Kinder, Eltern und LehrerINNEN der Schulen in denen solche Konzepte kontiniuerlich verfolgt werden.
Dass die Musikerziehung ebenfalls erheblich dazu beiträgt Ängste, Abwehrhaltungen und Verschlossenheit abzubauen liegt nach meinen über 35 Jahren Erfahrungen mit solchen Langzeit-Musikprojektenebenfalls auf der Hand.

Dass unsere Kinder durch die Musikerziehung ausgeglichener, emotional stabiler und weniger schüchtern werden und wurden, dass sie sich trauen frei vorzusingen, Instrumente vorzuspielen, dass sie keine Angst haben vor Publikum aufzutreten, sich mit ihren Fähigkeiten (und auch Mängeln )zu zeigen, das alles wissen wir aus unmittelbarer Anschauung und jahrelanger Erfahrung.

P.S.: mir persönlich tut es leid, dass wir in eine Situation geraten sind, in der wir pädagogische Selbstverständlichkeiten in dieser Weise verkaufen müssen, wo der spätere eventuelle Marktwert des hinterletzten kindlichen Hirnbereichs scheinbar darüber entscheidet, ob ein Kind ausreichend gefördert werden soll oder nicht. Aber vielleicht muss man Kinderköpfe, die Musik und die Bildende Kunst in dieser ernüchternden Weise instrumentalisieren, um am Trog einen kleinen Platz zu ergattern. Freiheit der Kunst und Menschen-Kinderrechte sind vom Markt abhängig.
So isses halt.

Anhang:

Eine US-amerikanisch/britische Untersuchung über Gemeinsamkeiten bei allen heute erfassbaren Nobelpreisträgern aller Disziplinen hat ergeben, dass es in der Biographie/Sozialisation dieser Menschen nur eine klar definierbare Gemeinsamkeit gibt: es sind nicht gute Schulabschlüsse, besondere Förderung (Nachhilfe etc.) in den Kernfächern (auch nicht in den Bereichen, in denen es später die Preise gab), es sind auch nicht teuere Privatschulbesuche oder Internate:
Die einzige Gemeinsamkeit in der kindlichen Entwicklung der Nobelpreisträger war und ist die Möglichkeit eines weitestgehend freien, kreativen Umgangs mit selbst gewählten Materialien, des spielerischen, angstfreien Umgangs mit jeglichen Materialien ohne dabei irgendeinem Leistungsdruck ausgesetzt zu werden. Das Material reicht vom Matsch ((nicht das englische Wort für Spiel, obwohl das sehr passend klingt)), vom Lehm bis zu musik-, ton-, geräuscherzeugenden Instrumenten und Werkzeugen.

Mit diesem Untersuchungsergebnis (u.a.) werben private und unbezahlbare US- und britische Grundschulen zur Förderung von Hochbegabten und allen, die dafür gehalten werden oder es nach dem Willen ihrer meist superreichen Eltern einmal werden sollen. Diese Institute wissen, dass ihr Klientel die Bedeutung der kreativ-musischen Erziehung kennt.

Ergo: wer im kreativ-musischen Bereich den Unterricht, die Mittel, die Stellen für FachlehrerInnen und die Fortbildungsmöglichkeiten streicht, der verhindert letztendlich Entwicklung und Entfaltung von Begabung bei unseren Kindern, der raubt ihnen bewusst Lebenschancen, die dann denen vorbehalten bleiben, deren Eltern das nötige Kleingeld haben.

Einige Ausführungen über den Zusammenhang von Sprache und Musik sowie von Emotion und Intellekt

Eine wichtige Verbindung zwischen Musik und Sprache ist die Sprachmelodie, der Sprachrhythmus, der Rhythmus und der Klang der Wörter, das Spielen mit Sprache (? Spiel nicht mit dem Essen!!!!?) auch vor ihrer kognitiven Erschließung. Es ist der angstfreie Umgang mit (Sprach-) Material, der nicht nach Sinn fragt, der intellektuell-kognitiv UNSINN produziert – aber emotional dabei sehr viel Sinn macht. Jedes Kind lernt seine Muttersprache in (scheinbar) sinnlosem Gebrabbel, das aus Anlage und Nachahmung geformt ist/wird. Jede(r) von uns hat wohl ihre/seine ersten Erfahrungen mit dem unverstandenen Nachsingen irgendwelcher anglo-amerikanischer Schlager/Hits gemacht. Damit fangen unsere Kids an Englisch zu sprechen, zu hören (und noch nicht zu lesen). Entsprechend nicht sinn- sondern emotionsentnehmend sprechen und hören sie:
eine komplette erste Grundschul-Klasse singt so mittlerweile den von Spencer Davis popularisierten US-Folk-Blues ?Midnight Special? mit vollständigem Text und als Chorus, andere singen so ?Marina, Marina?, ohne ein einziges Wort Italienisch zu verstehen. Aber langsam wissen alle, was bon giorno, una bella, ma carina oder ciao bello bedeutet. Sie haben sich über die Sprachmelodie, den Sprachrhythmus an die Sprache herangespielt .(?Let the Children play?, sagt Cat Stevens.)

Und jetzt beginnen sie mit der Sprache auch BEWUSST Unsinn zu machen, erschließen mit Intellekt/kognitiven Fähigkeiten neue emotionale Felder: Sprachspiel, Sprachwitz…….

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx „unter schlag zeilen – befreite worte – gebrochene reime zur lage“ Nach einmonatiger Untersuchungshaft wurden sie dann doch noch zur Leipziger Buchmesse 2005 von der Hanauer Staatsanwaltschaft herausgegeben: 45 zentrale Texte des Lyrk- Grafikbandes: „unter schlag zeilen – befreite worte – gebrochene reime zur lage“ / 320 Seiten politische Lyrik und Grafik mit einem Vorwort von Ingrid und Gerhard Zwerenz, /erschienen 2005 im Zambon Verlag unter der ISBN 3-88975-107-5 / für 15 Euro in jeder Buchhandlung, signiert aber nur bei meiner nächsten Lesung Noch rechtzeitig zu Ottos Abschiedsfeier: Die Ziege und der Minister hARTmut bARTh-engelbART (text) Barbara Braguti (bilder) „Die Ziege ZORA“ das bilderbuchunartige fabelhaft neue Kinder-Bild- Lesebuch von der Ziege Zora und ihren sieben Geißlein in den Hauptrollen; in Nebenrollen Minister Killy, Nachbar Haftlinger, Christa Ganzen auf dem Bildschirm mit NachrichtenParade-Hengst Ulrich Wiehert sowie ein Schnelles Anti-Graffitty-Kampfhubschrauber-CitySäuberungs-EingreifKommando des Sicherheitsdienstes für familienfreundliche 7 Euro 90 Cent zu erhalten beim Zambon Verlag FFM (zambon@zambon.net) oder in der Buchhandlung Ihres Vertrauens unter der ISBN 3-88975-128-8 mehr Nachrichten aus 3 X ART gibt es bei www.barth-engelbart.de.vu ; www.autorenhessen.de/autoren/barth-engelbart; http://kz-adlerwerke.frankfurt.org/de/aktionen/auffuehrung/einleitung.html

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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