Trotz Urlaubszeit, ausgefallener Plakatierung und Nichtankündigung durch das „Gelnhäuser Tageblatt“ und die Anzeigenblätter „GT-Extra“ und „Gelnhäuser Bote“ kamen zum 3. Erzählabend des Historisch-Demokratischen Vereins Mittel-Gründau 1848 i.d. IAS e.V. 12 Mittel-GründauerINNEN ins Gasthaus Stenger. Hauptgast war der zweitälteste Feuer-Löscheimer Mittel-Gründaus: ein mit Pech gedichteter Ledereimer aus dem Jahr 1833.
Der Abend wurde durch ein Lied zum Mittel-Gründauer Wasserkrieg eingeleitet:
nach der Melodie: Wasser ist zum Waschen da …
Wasser kriegt dem Fürst sein Vieh
ist sonst im Dorf schon alles hie
die letzte Mühlbachpfütze
vertrocknet in der Hitze
und auch die Feuerwehr
hat kein Löschwasser mehr
Im Sommer wird das wasser knapp
das letzte gräbt der Fürst noch ab
und brennen Ställ und Schauern
das Hungervieh der Bauern
dann nützt die Feuerwehr
ohne Wasser auch nix mehr
Der Fürst heißt heut Veolia
RWE-ON, Vattenfallera
…………………
Zunächst wurde der Frage nachgegangen, warum die Feuerwehr das Unterdorfer
Backhaus als Feuerwehrhaus nutzte: hier lagerten die Feuerwehrleitern in den
überdachten Gefächern hinter dem Backhaus, hier lagerten Löscheimer im
Löschsand über dem Backofen, hier stand später die Wasserpumpe auf der
Viehwaage und das alles wo es weit und breit kein Wasser gab?
Der Ziehbrunnen am alten Dorfplatz hinter dem Meiningerschen Hof („Bei’s
Tobiase“) war zu weit entfernt, das Hochleiern des Löschwassers zu langwierig. Zum
Löschen mussten die Eimer an ausreichend fließendem Wasser schnell gefüllt
werden und das möglichst mitten im Dorf: die Lösung war der Mühlbach, der
vom Hasselbach noch vor dem Schafweiher abgezweigt über das „Mühlstück“ bis
zur Kirchgasse am Roten Löwen, dem heutigen „Nahkauf“ führte und hier an der
heutigen Haingründauer Straße entlang an der Alten Schule vorbei zurück
Richtung Hasselbach floss. So konnte direkt neben dem Backhaus das
Löschwasser entnommen werden.
Da in jedem Haus, in jedem Hof eigene Löscheimer vorhanden waren, konnte vom
Mühlbach aus sofort mit dem Löschen begonnen werden, ohne dass die Bauern
erst zum Hasselbach hinunter und das Wasser bergauftragen und/oder beim Fürsten um Löschwasser betteln mussten.
Denn als der Fürst das Wasser vom Rodenborn und vom Oberlauf des Hasselbaches
durch kilometerlange Holzrohre in die Domäne umleitete, blieb in den
Trockenzeiten für die Bauern weder Wasser fürs Vieh noch für die
Futterschrotmühlen, nicht für die Handwerkermühlen, und eben auch nicht fürs
Löschen.
Dann waren die Bauern bei Bränden gezwungen, beim Fürst um Löschwasser zu
betteln. In der Domäne floss ein so gespeister Brunnen, war neben der
Mistkaute ein immer gefüllter Löschteich vorhanden. Es reichte dem Fürsten nicht, dass er mit dem
Wasserabgraben die Bauern in seine Bannmühlen zwang.
Die Domäne war weitgehend gegen ein Übergreifen des Feuers aus dem Unterdorf
abgesichert: durch den sumpfigen Hasselbach, der die Grenze zwischen
Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel bildete, und durch die vorherrschende
West-Ost-Windrichtung.
Die im 18. Jahrhundert durch fürstlichen Erlass eingerichtete
Pflichtfeuerwehr, war nicht etwa die Einrichtung einer Feuerwehr – die hatten
die Mittel-Gründauer sich nach dem 30jährigen Krieg spätestens mit der
Einwanderung der Meiningers 1705 selbst wieder aufgebaut. Ein Überleben der
rund 5 Überlebenden dieses Krieges im Dorf war so und so nicht anders als
mit Nachbarschaftshilfe möglich: beim Wiederaufbau, beim Löschen, beim
Ackern …
Der fürstliche Erlass war lediglich die Zwangsverpflichtung der Bauern für
Löscharbeiten bei den häufigen Bränden in der Domäne.
Heinz Vaupel konnte mit seinen Berichten über die Befestigung und
schließliche Asphaltierung der Kirchgasse/Hauptstraße/Haingründauer Straße
die Vermutung erhärten, dass das Backhaus an den Mühlbach angebunden sein
musste: er habe als Kind noch die Schlammpartie mitgemacht, wenn das
Regenwasser durch die Vonhäuser Hohl – die jetzige Vonhäuser Straße-
Schlammlawinen in das Dorf spülte – so wie kürzlich erst wieder in der
Orles-Siemen-Straße – der Schlamm sei bis in den Hof der Vaupelschen
Schmiede gespült worden. Der schulseitige Straßengraben der Kirchgasse war
tiefer als der auf der Seite der Gaststätte „Alte Post“ (heute
Energie-Lorenz: bis zu Renovierung des Anwesens schmückte das GlasVordach
über den Treppenaufgang zur Wirtschaft ein ArtDeko-Jugendstil-Glasmosaik mit
der Schrift „Alte Post“, das ist leider verschwunden).
Bei den Straßenbauarbeiten- so Heinz Vaupel wurde der Holzweg entdeckt, mit
dem die Bauern den versumpft-durchnässten Weg neben dem abfließenden Mühlbach
fahrtüchtig gemacht hatten: zwischen den querliegenden Knüppeln/Stämmen
fanden die Straßenbauer viele steckengebliebene Hufeisen, die die
Rückpferdegespanne beim Abtransport des Holzes aus dem Gemeindewald oberhalb
des Reitzeberges verloren hatten. Ihr Ziel war zunächst der
Langholz-Lagerplatz am Hasselbach vor der fürstlichen Domäne, dort, wo heute
die Volksbank steht.
Dass die Wasserverknappung durch das Abgraben oder Abzweigen von Wasser für
die Mittel-Gründauer Feuerwehr nicht nur in vergangenen Jahrhunderten ein
Problem war, berichtete Heinz Vaupel:
bei einem Fest im Dorf Mitte der 50er sei er nachts aus dem Bett geholt
worden; „Heinz, es is koa Wasser mei doa!“. Heinz Vaupel war im Dorf für die
Wasserversorgung zuständig. „Wassermeister“ oder so ähnlich. Ilse Vaupel
nickt bestätigend und berichtet weiter. „Er ist sofort zum Hochbehälter
gelaufen und hat kontrolliert; der Behälter war leer und Heinz musste den
Feuerwehr-Reservespeicher öffnen. …“ .
Die Wochenendsiedlungsbewohner am Reitzeberg „hatten ihre Swimmingpools“
gefüllt. Das Wasser aus dem einen Trinkwasserbrunnen vor der Sandkaute,- der
Mittel-Gründauer Freilichtbühne – reichte nicht mehr aus. In Folge dieses
Vorfalles wurde ein zweiter Trinkwasserbrunnen gebohrt – am Ende der
Orles-Siemen-Straße.
Ein weiterer Trinkwasserbrunnen wurde mit der Aussiedlung der Höfe zum
Stickelsberg/Johannisstauden gebohrt. Ein direktes Anbohren der Wasserader
des trockengefallenen „Keltenbrunnens“ am Stickelsberg hätte nicht
ausgereicht – außerdem wurde das Quellgebiet im Mittel-Gründauer Wingert bei
der Flurbereinigung mit Erdaushub und Müll verfüllt und eingeebnet. Der
Trinkwasserbrunnen entstand dann unterhalb der Bahnlinie in der Gründau-Aue.
Außerdem wurde erzählt, dass der heutige Schafweiher am Ende der Bachgasse
mit seiner Schafhalle in seiner heutigen Form erst nach dem Hochwasser 1911
errichtet wurde – als Verbesserung des Hochwasserschutzes. der alte
Schafweiher war flacher und lag etwas höher und näher an der rechten
Geländekante Richtung Reitzeberg. Bei dieser Baumaßnahme müssen auch die
Reste des Mühlbachwehrs verschwunden sein. Ebenfalls müssen große Mengen des
Aushubs von der Tieferlegung des Hasselbaches zum Zuschütten des Mühlbaches
verwendet worden sein, der bei steigenden Wassermassen die zusätzliche
Gefahr der Überschwemmung von oben bedeutete.
Insgesamt wurde der Hasselbach tiefergelegt, der Schafweiher wurde per Hand
„ausgebaggert“ und das Erdreich entweder links und rechts zur Trockenlegung
der Sumpfwiesen verwendet oder zum Aufschütten des „Dammes“ vor dem
Schafweiher.
Dass die schon lange vor 1911 umsichgreifende Trockenlegung der Talauen des
Hasselbaches der eigentliche Grund für die Hochwassergefahr war, hat man
damals (und heute noch) nicht erkannt. Insofern waren die
Hochwasserschutzmaßnahmen von damals eher Maßnahmen zur Einleitung weiterer
Hochwässer. Dass die Sorge für schnellen Abfluss des Wassers in den
Oberläufen und Quellgebieten in der Folge für Hochwasser flussabwärts
sorgen, macht uns leider noch kaum Sorgen.
Dass die Wasserräuber heute nicht mehr Fürst sondern Veolia, RWE, E-ON und
Vattenfall heißen, wurde am Beispiel des trockengefallenen Gettenbaches
deutlich, der wie durch ein Wunder- nach Protest aus der Bevölkerung und aus
allen Parteien- plötzlich wieder Wasser führte.
Wie kam das Wunder zustande?
Dass die Feuerwehren -also wir- heute nicht mehr vor dem Domänentor um
Löschwasser betteln müssen, ist soweit klar, nur kaum jemand macht sich
Gedanken darüber, dass die Gemeinde und der Main-Kinzig-Kreis unser
Trinkwasser an Großkonzerne verkauft hat und wie jetzt jeden Tropfen Trink-
und Löschwasser bei denen überteuert bezahlen müssen.
Kann sein, dass die eine zeiltlang billiger sind als kommunale
Wasserversorger, aber wenn sie alle kassiert haben mit Hilfe ihrer
Dumpingpreise und der „Liberalisierung“ des Wassermarktes, dann ziehen
auch ihre Preis an und wir sind ihnen ausgeliefert wie früher dem Fürsten.
Aber zurück zum „WasserWunder am Gettenbach“: die Brunnen im Gettenbacher
Wald dürfen von Mainova, E.-ON usw.. nicht bis unter eine Grenzmarke
leergepumpt werden. Darüber wachen die Gemeinden, die Naturschützer, da gibt
es öffentlichen Protest. Um aber trotzdem weiter abpumpen zu können, holen
sich die großen Wasserräuber das Wasser aus dem hohen Vogelsberg, wo es
noch niemand bemerkt hat, wo die Gemeinden besser zu erpressen sind und das
Maul halten. Mit diesem Wasser werden die Gettenbacher Brunnen soweit immer
wieder aufgefüllt, dass da ruhig weiter abgepumpt und unser Wasser nach
Frankfurt und noch weiter profitabel verkauft werden kann. Und dabei bleibt
noch soviel übrig, dass dann das Wasser aus dem Hohen Vogelsberg den
Gettenbach wieder sprudelnd fließen und die Teiche füllen läßt. Und dann
geben FWGSPD und CDU endlich Ruh. Aber Gottseidank gibts die
Vogelsberg-Rebellen, die so was melden und die uns die Trockenrisse in ihren
Feldern und Wäldern und in ihren Häusern zeigen und sich wehren…. Auch,
wenn der eine oder andere Mal wegen der unzulässigen thermischen Entsorgung
von Raubbrunnen verurteilt wird. (Die Müllverbrennungsanlage, die unser
Landrat Erich Pipa in Hanau Mal bauen lassen wollte, nannten die
Spezialisten „Anlage zur thermischen Entsorgung“)
Der Erzählabend brachte viele kleine Runden mit sich, die sich um die
mitgebrachten Bilder bildeten, wo man UrUropas und Omas, Schulfeundinnen,
alte Lehrer, die Familen Hecht, die Schutts und viele andere mehr
wiedererkannte. Und Wilma erzählte von den Storchennestern die ihr Vater aus
Wagenrädern schmiedete und auf die Zentscheune des Hofgutes montierte. Die
Kornbrennerei, die Unterflurmühle, das Drama des Storchennestes auf dem
BrennereiSchornstein, die „Einwanderug“ der „Kuhl“s und die Einrichtung der
Kuhlschen Metzgerei und Gaststätte – der heutigen Gaststätte Stenger. Dass
der Schwiegersohn des Metzgermeisters Kuhl – Dr. Göckel- seine Praxis in den
Räumen der Kuhlschen Metzgerei einrichtete, tat dem guten Ruf des Arztes
keinen Abbruch. Viele berichteten von dem Behandlungs- oder Wartezimmer in
dem unter Denkmalschutz stehenden Arzthaus, dass man dort durch die
Textiltapeten (Rupfen) immer noch die Kachelung der Metzgerei erkennen
konnte. Ob man sie heute noch sehen kann? Frau Dr. Göckel wird es beim
nächsten Erzählabend berichten…
Aus der Mitte der ErzählerINNEN kam der Vorschlag, in Mittel-Gründau ein Heimatmuseum zu errichten: der neu Eigentümer des Karl Otto’schen Hofes (früher Paree’scher Hof) will einen Eichenbalken mit Inschrift und Jahrezahl, einen Feuerlöscheimer vom Dachboden dafür spenden, eine ganze Fotogalerie könnte jetzt schon ausgestellt werden, ein historisches Dienstsiegel des Volksstaates Hessen aus der alten Bürgermeisterei. Vorschläge zur Zusammenlegung von IAS-Bücherei und Heimatmuseum wurden besprochen und ob es nicht im Hofgut dafür eine Möglichkeit gäbe – nachdem die Alte Schule dafür nicht mehr zur Verfügung steht.
Ach so, wer nicht weiß wo die Vaupelsche (Huf-)Schmiede war: direkt gegenüber vom Gasthaus Stenger, viele Schmiedewerkzeuge sind noch vorhanden. Und die erste Tankstelle im Dorf war die Schmiede auch: bis in die 90er stand im Hof noch die stillgelegte Tanksäule von Stinnes ? Gasolin ?, Aral ?, Heinz Vaupel wird es das nächste mal erzählen. Oder hatten die Uffelmanns die erste Tankstelle woanders? Der Kurt solls korrigieren.
Sollte ich noch etwas vergessen haben aufzuschreiben – bitte mailden!
Ach ja. wer noch mehr weiß, wer es besser weiß oder wer noch nix weiß .. der
soll zum nächsten Erzählabend kommen, am ersten Donnerstag im September, am 2.9. und dann erst um 18.30 /19 Uhr, weil doch viele Berufstätige erst dann kommen können oder erst dann mit dem FußballTraining fertig sind.
Dass dann der Erzählabend mit der Probe des Gesangsvereins „Eintracht“ ab 20 Uhr kollidiert ist leider, leider nicht zu vermeiden. Ursprünglich hatten wir den Termin ja extra früh auf 18 Uhr gelegt, damit die Sänger nach dem Erzählen noch zum Proben gehen können. Schaumerma.