Offener Brief an die verantwortlichen Politiker: Mit welcher Begründung wurde es abgelehnt in Mittel-Gründau eine Straße nach dem AltBürgermeister und Widerstandskämpfer gegen die Nazis, Wilhelm Pfannmüller, zu benennen ? Weil er KPD-Mitglied war? Weil er im KZ Osthofen gefoltert wurde ? Weil er kämpferischer Bahngewerkschafter und ROT-Sportler war ? Weil er mit Flugblättern zum Sturz Hitlers aufgefordert hat ? Weil er sich nicht von SSlern von hinten hat erschiessen lassen nach den Brückenkopfkommandounternehmen der Wehrmacht im Raubkrieg gegen Jugoslawien, zu denen er im Strafbattaillon 999 gezwungen wurde? Weil er desertierte und sich der Partisanenarmee Titos angeschlossen und Jugoslawien mitbefreit hat? Weil er so auch mithalf, den Krieg zu verkürzen und Deutschland von der Nazi-Diktatur zu befreien? WARUM ?

Der Lebenslauf des kommunistischen Widerstandskämpfers und späteren SPD-Bürgermeisters Wilhelm Pfannmüller aus dem hessischen Gründau, mit seinem Ortsteil Mittel-Gründau, weist viele Parallelen zu den Biographien dreier berühmter Widerstandskämpfer auf, die alle meine väterlichen Freunde, Lehrer und Vorbilder waren und sind: Ernst Jablonsky – mit seinem in der Resistance beim Kampf gegen Klaus Barbie, den „Schlächter von Lyon“, angenommenen Tarnnamen Ernest Jouhy, Wolfgang Abendroth, der „Partisanen-Professor“ und Robert Jungk, der Zukunftsforscher ( siehe Fußnote).

Auch dieser Hintergrund ist ein Grund für den folgenden offenen Brief, den ich hier veröffentliche wegen des exemplarischen Charakters des provinzellen Umgangs mit WiderstandskämpferINNEn gegen den Faschismus. (Und Deutschland besteht zu 95% aus Provinz !!!)
In Sonntagsreden werden die „geehrt“, die man nicht verschweigen kann und das meist nur in den Zentren in mitunter pompösen Alibiveranstaltungen -auch und besonders für die ausländischen Medien, ansonsten wird im Alltag in der Regel die Geschichte des Widerstands unterdrückt, verschwiegen, umgeschrieben. Ja sogar Straßennamen werden gelöscht. In Hanau zum Beispiel wurde die Ernst-Thälmann-Straße im Stadtteil Lamboy, auf Betreiben des SPD-Koalitionspartners BHE 1954 in Berlinerstraße umbenannt (die heutige Dartforder Straße). Fast zeitgleich wird ein Sportplatz und die dahin führende Straße nach dem ReichsVorturner und HilterLiebling Carl Diehm benannt, der noch 1945 im Olympiastadion 10Tausende von Hitlerjungen auf den „Endsieg“ eingeschworen und ins Morden und Krepieren geschickt hat.

Offener Brief an die Fraktionen in der Gemeindevertretung Gründau

Dieser Brief geht an die Fraktionen in der Gemeindevertretung Gründau,

an den Bürgermeister der Gemeinde Gründau,

an die Parteivorstände

und an die Redaktionen (mit der Bitte um Veröffentlichung im vollen Wortlaut)

Mit welcher Begründung wurde es abgelehnt in Mittel-Gründau eine Straße nach dem AltBürgermeister und Widerstandskämpfer gegen die Nazis, Wilhelm Pfannmüller, zu benennen ?

Weil er KPD-Mitglied war? Weil er im KZ Osthofen gefoltert wurde ? Weil er kämpferischer Bahngewerkschafter und ROT-Sportler war ? Weil er mit Flugblättern zum Sturz Hitlers aufgefordert hat ? Weil er sich nicht von SSlern von hinten hat erschiessen lassen nach den Brückenkopfkommandounternehmen der Wehrmacht im Raubkrieg gegen Jugoslawien zu denen er im Strafbattaillon 999  gezwungen wurde? Weil er desertierte und sich der Partisanenarmee Titos angeschlossen und Jugoslawien mitbefreit hat? Wei er so auch mithalf den Krieg zu verkürzen und Deutschland von der Nazidiktatur zu befreien? WARUM ?

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Empörung habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass in der Gemeindevertretung ein Antrag abgelehnt wurde, in Mittel-Gründau eine neue Straße nach unserem Altbürgermeister Wilhelm Pfannmüller zu benennen. Im Ort kursiert das Gerücht, die CDU/FWG Mehrheit in der Gemeindevertretung habe die Benennung der Straße nach dem Widerstandskämpfer Wilhelm Pfannmüller deshalb abgelehnt, „weil der doch einer verbotenenen Partei , der KPD angehört“ habe. Da Wilhelm Pfannmüller schon lange vor dem erneuten KPD-Verbot von 1956 Mitglied der SPD geworden war, muss bei dieser „Begründung“ seine Mitgliedschaft in der KPD der Weimarer Republik und der illegalisierten KPD im „Dritten Reich“gemeint gewesen sein.
Das habe – so das Gerücht im Gründauer Ortsteil – auch ein Mitglied der FWG-Fraktion im Gemeindeparlament auf die Nachfrage bestätigt, wer denn diese Partei verboten habe. Seine Antwort:“Die Nazis, natürlich!“

Das würde bedeuten, dass die CDU/FWG-Mehrheit deshalb die Staßenbenennung nach Wilhelm Pfannmüller ablehnt, weil er als Kommunist den Widerstand gegen die Nazi-Diktatur organisiert hat. Das wäre ein kaum überbietbarer Skandal.

Aber auch wenn dieses hartnäckige Gerücht nicht zutreffen sollte, ist die Ablehnung einer solchen Namensgebung allein schon Skandal genug.

Dazu fordere ich Sie auf, öffentlich Stellung zu nehmen.

Ihre Ablehnung ist kein harmloses übliches buissines as usual im parlamentarisch-politischen Alltag. Ich kann nur für Sie hoffen, das Sie nicht wußten, was sie damit ablehnen. Denn wenn Sie es wussten, dann war das ein bewusstes In-den-Dreck-Treten und Herumtrampeln auf dem Widerstand gegen die Nazi-Diktatur.

Wilhelm Pfannmüller hat seit den 20er Jahren als Gleisbauer, Kommunist und aktiver Bahn-Gewerkschafter für bessere Arbeitsbedingungen und menschenwürdige Löhne gekämpft. Er hat in Mittel-Gründau den Fußballverein ROTSPORT mit aufgebaut. Er hat zusammen mit seinen KPD-OrtsgruppenMitgliedern und den örtlichen Sozialdemokraten für die meist polnischen SaisonarbeiterINNEN im Hofgut höhere Löhne gefordert und dafür auch Aktionen durchgeführt. Aus gutem Grund: denn das Fürstenhaus bzw. die Domänen-Verwalter/Pächter haben die polnischen Tagelöhner immer als Lohndrücker gegen die Mittel-Gründauer LandarbeiterINNEN eingesetzt bis hin zum Einsatz von Hunderten von polnischen und russischen Zwangsarbeitern ab 1939/40, die überhaupt keinen Lohn erhielten. Schon vor 1933 war Wilhelm Pfannmüller mit seinen Genossen und Kollegen und deren Familien das Ziel des SA-Terrors. Aber der Widerstand in Mittel-Gründau gegen die Nazis war stark genug, um den Terror zunächst noch abzuwehren. Auch die jüdischen Familien konnten KPDler und SPDler zusammen vor den Nazi-Angriffen noch bis in die Mitte der 30er Jahre schützen, um ihnen dann bei der Flucht vor ihren Mördern zu helfen.
Dass Wilhelm Pfannnmüller den Widerstand im Dorf so gut organisiert hatte, war der Grund, warum die Nazis sofort nach der „Machtergreifung“ versuchten ihn zu verhaften.  Es gelang ihnen erst im zweiten oder dritten Anlauf:  Ende 1933 wurde er ins KZ Osthofen bei Worms und nach der Schließung dieses SA-KZs  in ein Emsland-KZ ins Moor verschleppt. Schliesslich wurde er in das Strafbattaillon 999 zwangsrekrutiert und für Brückenkopfaktionen im Raubkrieg gegen Jugoslawien eingesetzt, bei denen viele Kommunisten und Sozialdemokraten von hinten erschossen wurden. Bei einer solchen Brückenkopf-Aktion konnte Wilhelm Pfannmüller fliehen und sich der Partisanen-Armee Titos anschliessen. Nach der Befreiung Jugosdlawiens und dem Ende des Krieges kehrte Wilhelm Pfannmüller mit dem Fahrrad nach Mittel-Gründau zurück. Sofort nach seiner Rückkehr machte er sich an den Wiederaufbau des Sportvereins, sorgte dafür, dass der kommunistische ROTSPORT sich mit dem sozialdemokratischen Sportverein „Blau-Weiß“ zusammenschloss.  Beide um 1920 gegründeten Arbeitersportvereine waren von den Nazis verboten worden. Jetzt war Pfannmüllers Devise: „Hätten wir uns zusammengeschlossen gegen Hitler, wir hätten die KZs und den Krieg verhindern können, wenn wir uns jetzt zusammenschliessen, können wir verhindern, dass so was wiederkommt !“ Er sorgte mit dafür, dass aus ROTSPORT und „Blau-Weiß“ die Sport und Kultur-Gemeinschaft wurde, die SKG Mittel-Gründau. Neben dem Fußball war das Theaterspielen in der SKG eines seiner weiteren Arbeitsfelder. Das Wichtigste aber war für ihn die Organisation des Aufbaus der Mehrzweckhalle noch unter Bürgermeister Meininger: die Kinder sollten auch im Winter und bei schlechtem Wetter Sportunterricht haben können. Wilhelm Pfannmüller hat die Freiwilligen Bautrupps organisiert, seine Jungs und Mädels Sonntags aus den Betten zum Hallenbau geholt und immer selbst mit Hand angelegt. Die Mehrzweckhalle ist -obwohl er damals noch nicht Bürgermeister war- sein Werk, genauer gesagt, das Werk aller mithelfenden Mittel-GründauerINNEN unter seiner Bauleitung. .. Aber das nicht allein: die TrinkWasserbrunnen, das Gemeinschafts-Tiefkühlhaus im Dorfmittelpunkt , der Raiffeisen-Genossenschaft, die Planung des Kindergartens, die Sammlung und Planungen für ein Mittel-Gründauer Schwimmbad, Feldwegebau und -Verbesserung durch Betonierung und Asphaltierung,  …. die Liste ließe sich schier endlos erweitern.

Mit Spannung erwarte ich Ihre Stellungnahmen

und
möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen vorzuschlagen, wie Sie wenn schon nicht mit einem Straßennamen dann aber mit einer viel besser passenden „Taufe“ Wilhelm Pfannmüller noch gebührend ehren können:

Ich stelle den Antrag, der bisher noch namenlosen Mittel-Gründauer „Mehrzweckhalle“  den Namen „Wilhelm-Pfannmüller-Halle“ zu geben und im Eingangsbereich eine Tafel mit der Biografie unseres Altbürgermeisters anzubringen.

Da ich als einfacher Bürger Gründaus nicht antragsberechtigt bin, bitte ich die Fraktionen in der Gemeindevertretung, diesen Antrag zu übernehmen.

Ich möchte meinen Antrag abschließend auch mit einem Zitat eines berühmten hessischen Nachkriegspolitikers begründen:

„Ob es Sozialdemokraten, Kommunisten, Bürgerliche oder Konservative, Kirchenvertreter, Atheisten, Einzeltäter, Verschwörergruppen waren, durch diese Menschen gab es in Deutschland, trotz allen Leidens, ein Stück der Besinnung und der Courage, den die Nationalsozialisten nicht brechen konnten.“

Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Barth-Engelbart

Fußnote:

… besonders klar sind die Parallelen zu Wolfgang Abendroth, bei dem ich gegen Ende der 60er Jahre und besonders von 1968 bis 1970 in meiner Zeit als Büroleiter der SDS-Bundesvorstands und Mitglied des Bundesvorstands der Unabhängigen und sozialistischen Lehrlinge & Schüler (AUSS) in Seminaren, Tagungen, Konferenzen und Diskussionszirkeln meine politische Grundausbildung erhielt. Besonders der Widerstand des SDS und des AUSS gegen den völkermörderischen US-Krieg in Vietnam, gegen das von des USA installierte Shah-Regime im Iran und gegen die Notstandsgesetze in der Bundesrepublik war von ihm inspiriert. Der 1968er Aufruf zum Generalstreik gegen die Notstandsgesetze, den ich im Licht des „Abendroths“ verfasst habe, hat zwar nicht die dazu notwendige aktive Massen-Resonenz in den Betrieben und Gewerkschaften gefunden, aber allein der versuch hat viele bis heute stabile Verbindungen und Freundschaften und die Basis für kontinuierliche politische Arbeit mit und in den Gewerkschften geschaffen. Gerde in sich zuspitzender Lage, bei Tendenz zur Massenverelendung und drohenden Revolten dagegegen wird deutlich, wie wichtig die Abendrothschen Impulse für den Widerstand gegen „die NS-Gesetze“ – wie wir sie damals etwas überspitzt nannten – auch noch heute sind.

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert