vor 85 Jahren gab es überall im Land Volksentscheid-Kommittees in denen Kommunisten, Sozialdemokraten, zum Teil auch KABler zusammenarbeiteten, um die Kriegslasten von den Schultern derer zu nehmen, die der Krieg schon verkrüppelt hatte und die Versailler Lasten denen aufzubürden, die auch aus dem verlorenen Krieg als Kriegsgewinnler hervorgingen. So auch in dem (ober-) hessischen Dorf Mittel-Gründau (Im Folgenden ein Artikel von Nick Brauns aus der aktuellen jungenWelt):
Reichtum umverteilen: Kampagne für den Volksentscheid (1926, ohne Ortsangabe)
Foto: Bundesbildarchiv
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Ermutigt durch die Wahl des ehemaligen kaiserlichen Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten im April 1925 (siehe jW-Thema vom 26.4.2010) witterten die deutschen Fürstenhäuser wieder Morgenluft. Obwohl der mit der Novemberrevolution 1918 entmachtete Adel einschließlich des im holländischen Exil lebenden Kaisers Wilhelms II. hohe Zuwendungen von der Republik erhielt, stellten die Fürsten immer unverschämtere Entschädigungsforderungen in Höhe von zusammen 2,5 Milliarden Reichsmark für ihre enteigneten Ländereien und Besitztümer. Vor Gericht gaben im monarchistischen Geist erzogene Richter diesen Forderungen regelmäßig statt. Im Oktober ließ sich auch die preußische Regierung von Ministerpräsident Otto Braun (SPD) auf einen Vergleich ein, der dem ehemaligen preußischen Königshaus der Hohenzollern weitere 185 Millionen Reichsmark zusicherte. Große Teile der noch unter Reparationslasten leidenden Werktätigen empörten sich über solche Geschenke an die ehemaligen Herrscherhäuser, die schließlich die politische Verantwortung für die Entfesselung des Weltkrieges getragen hatten.
Breites Bündnis
Am 25. November legte der Fraktionsvorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Walter Stoecker, im Reichstag einen Gesetzentwurf vor, dessen erster Artikel lautet: »Das gesamte Vermögen der ehemals regierenden Fürsten sowie aller ihrer Familienangehörigen mit allen seinen unbeweglichen, beweglichen und sonstigen Bestandteilen wird ohne Entschädigung enteignet.« Die Vermögen sollten unter anderem zur Betreuung von Kranken und der Unterstützung von Kriegsinvaliden und Kriegshinterbliebenen verwendet werden, Ländereien an Kleinbauern und Pächter aufgeteilt und aus Schlössern und Herrenhäusern Kinderheime und Genesungsheime für Kriegsbeschädigte werden. Das Gesetz sollte rückwirkend zum 8. November 1918 gültig sein, so daß die Fürsten alle bisherigen Ansprüche verlieren würden, und seine Durchführung von einem aus den Gewerkschaften gewählten und öffentlich tagenden Gremium überwacht werden.
Am 2. Dezember, als im Reichstag über diesen Gesetzentwurf und einen wesentlich gemäßigteren Entwurf der liberalen DDP debattiert wurde und diese Inititativen anschließend in den Rechtsausschuß abgeschoben wurden, richtete der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann im Namen des Zentralkomitees einen offenen Brief an die Vorstände der SPD, des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), der Angestelltengewerkschaften sowie der proletarischen Wehrorganisationen Reichsbanner und Roter Frontkämpferbund. Thälmann schlug eine gemeinsame Kampagne für einen laut Weimarer Verfassung möglichen Volksentscheid zur entschädigungslosen Fürstenenteignung vor. Zu dessen Durchführung bildete sich am 6. Januar 1926 auf Anregung der KPD ein überparteilicher Ausschuß unter Leitung des Wirtschaftswissenschaftlers Robert René Kuczynski. Erst nachdem sich ihre Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung nicht erfüllt hatten und der Druck ihrer Parteibasis massiv angewachsen war, beschloß am 19. Januar endlich auch die Führung der SPD die Unterstützung der Kampagne. Ein vom Kuczynski-Ausschuß ausgearbeiteter Gesetzesantrag zur Fürstenenteignung wurde vom SPD-Vorsitzenden Otto Wels gemeinsam mit Thälmann und Kuczynski unterzeichnet.
Am 27. Januar 1926 demonstrierten 200000 Menschen in Berlin unter Losungen wie »Dem Volke die Schlösser, den Fürsten die Asyle«. Vielerorts bildeten sich Einheitskomitees aus Kommunisten, Sozialdemokaten, Parteilosen und Gewerkschaftern, aber auch pazifistischen Organisationen. Prominente Künstler und Wissenschaftler wie Albert Einstein, Käthe Kollwitz und Kurt Tucholsky warben für die Fürstenenteignung, und die Maler Otto Dix, George Grosz und John Heartfield unterstützten die Kampagne mit beißenden Karikaturen.
Trotz massiver Sabotage durch die Rechtsparteien vor allem in ländlichen Gebieten zeichneten sich 12,5 Millionen Wähler zwischen dem 12. und 17. März in die Listen zum Volksbegehren ein. Nachdem die bürgerliche Reichstagsmehrheit am 6. Mai 1926 den Gesetzentwurf ablehnte, wurde der Volksentscheid eingeleitet. Ein aus völkischen und deutschnationalen Verbänden und Parteien gebildeter »Reichsbürgerrat« gegen den Volksentscheid wurde nicht nur vom Reichspräsidenten unter Verstoß gegen die Verfassung mit einem zustimmenden Brief unterstützt, sondern auch von katholischen Bischöfen mit einem Hirtenbrief. Dennoch stimmten 14455184 Bürger oder 36,4 Prozent der Wahlberechtigten am 20. Juni für die Enteignung der Fürsten – das waren rund 3,5 Millionen mehr, als bei den letzten Reichstagswahlen ihre Stimme den beiden Arbeiterparteien gegeben hatten. In Berlin, Hamburg und Leipzig hatten jeweils mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten für die Enteignung gestimmt.
In die Offensive
Für eine Annahme des Gesetzes wären allerdings 20 Millionen Stimmen notwendig gewesen, da jede nicht abgegebene Stimme automatisch als Gegenstimme gezählt wurde. Als eine »starke, republikanische Demonstration, aber ohne jeden praktischen Erfolg, und darob ein getreues Spiegelbild jener Zeit« wertete der marxistische Historiker Arthur Rosenberg, der 1925 als Anhänger des ultralinken Flügels der KPD die mit dem offenen Brief eingeleitete Einheitsfronttaktik abgelehnt hatte, später die Kampagne zur Fürstenenteignung. Doch für die KPD ging es nicht allein um die Fürstenenteignung. Thälmann hatte bereits am 24. Februar 1926 vor dem Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale eine positive Zwischenbilanz vorgenommen, die auch nach dem Volksentscheid ihre Gültigkeit behielt. So sei es der KPD gelungen, »die Offensive zu ergreifen, die Führung zu behalten und die SPD und den ADGB zu zwingen«, sich der Kampagne anzuschließen. Dadurch sei »eine gewisse Lockerung des Verhältnisses zwischen den bürgerlichen und der Sozialdemokratischen Partei eingetreten« und die Klassengrundlage des Proletariats insgesamt gestärkt worden. Die Kampagne mit der Bildung von Einheitskomitees in vielen Orten Deutschlands habe der KPD erst die Möglichkeit gegeben, neben sozialdemokratischen und parteilosen Arbeitern auch Teile der Bauernschaft oder hinter der bürgerlichen Zentrumspartei stehende katholische Arbeiter anzusprechen. Während Thälmann dafür plädierte, dieses Bündnis durch eine gemeinsame Kampagne gegen die kapitalistischen Rationalisierungsmaßnahmen und ihre Folgen zu festigen, verweigerte der SPD-Vorstand bereits am Tag nach der Abstimmung wieder jede Zusammenarbeit mit den Kommunisten, um sich erneut den bürgerlichen Parteien anzudienen.
Quellentext. Aus dem offenen Brief des ZK der KPD vom 2. Dezember 1925
Nach der Revolution, als die Arbeiter und Soldaten die Macht dazu hatten, ist die sofortige entschädigungslose Enteignung in unverzeihlicher Weise mit Rücksicht auf die bürgerlichen Parteien versäumt worden. (…) Es wäre eine Schande für die Arbeiterschaft, wenn sie diesem Plünderungszug gegen die werktätige Bevölkerung tatenlos zusieht. Wir halten es für notwendig, daß alle Kräfte der organisierten Arbeiterbewegung mit größtem Nachdruck eingesetzt werden, um der Ausraubung Deutschlands durch die Hohenzollern, Wittelsbacher, Wettiner, Coburger und ähnliches Gelichter entgegenzutreten. Zu diesem Zweck müssen unseres Erachtens selbst die geringen Handhaben ausgenutzt werden, die die Weimarer Reichsverfassung bietet. (…) Die Frage der entschädigungslosen Enteignung würde bei der Volksabstimmung von Millionen und Abermillionen mit einem entschiedenen Ja beantwortet werden. Der siegreiche Ausgang des Volksentscheides wäre umso mehr gesichert, wenn die gesamte Kraft der freien Gewerkschaften, des Reichsbanners und aller übrigen proletarischen und republikanischen Organisationen dafür eingesetzt würde. Die Zeit drängt, da eine Reihe wichtiger Abfindungsverträge gegenwärtig in der Schwebe sind. Ihr Abschluß muß unter allen Umständen verhindert werden, damit Millionenwerte den Dynastien entrissen und den sozialen Interessen der werktätigen Massen dienstbar gemacht werden. (…)
Vielleicht könnt ihr diesen älteren Text einmal als vorläufigen Kommentar akzeptieren? Wenn ihr versteht, was ich meine!
Realpolitik ist ein verräterischer Begriff! Was bedeutet er, wenn man ihn ernst nimmt? Im Kapitalismus, in dem es vor allem um Profite geht, kann ;Realpolitik doch nur bedeuten, das zu tun, was für den Profit von Nutzen ist, jedenfalls nicht schädlich! Hier spricht man lieber von Marktwirtschaft, seit die CDU 1947 unvorsichtigerweise erklärt hatte, der Kapitalismus wäre den Bedürfnissen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden (Ahlener Programm) Das Wort Sachpolitik mildert diesen Befunde zwar, doch sie unterliegt letztlich den gleichen Zwängen.
Dafür haben wir jedoch bereits vier Parteien, eine fünfte brauchen wir dafür nun wirklich nicht! Das weckt nur falsche Erwartungen beim Wähler. Insofern handelt es sich bei den Querelen, die uns die Linken vorführen, hoffentlich nur um einen notwendigen Klärungsprozess.
Was bei Realpolitik am Ende herauskommt, haben uns ja die Grünen deutlich genug vor Augen geführt. ;Realpolitik auch bei den Linken? Nein, danke! Nicht schon wieder!
Als ehemaliger linker Grüner in einem Beirat in Bremen-Nord kann ich übrigens sogar verstehen, dass man keine Lust mehr hat, da wieder hinzugehen. Ein Sympathisant sagte mir – damals! – nach einer Beiratssitzung einmal:Was redest Du eigentlich? Dir hört doch sowieso keiner zu!!
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