Drei Stunden Geschichten aus Mittel-Gründau ausgetauscht
12.06.2010 – GRÜNDAU
Hartmut Barth-Engelbart von der „Initiative Alte Schule“ ruft Veranstaltungsreihe ins Leben
(maw). „Mittel-Gründau: Ein Dorf erzählt seine Geschichte(n)“ war der Titel, unter dem sich rund 20 Interessierte Mittel-Gründauer in der Gaststätte „Stenger/Heiss“ zusammenfanden, um über Gelesenes, Erlebtes und Gehörtes aus Mittel-Gründaus Vergangenheit zu sprechen.
Hauptinitiator des Treffens war Hartmut Barth-Engelbart von der „Initiative Alte Schule“ (IAS e.V.), der die Anwesenden zunächst begrüßte und mit der Geschichte des „Demokratischen Vereins Mittel-Gründaus“, der 1848 vom Arzt und Landtagsabgeordeten Dr. Christian Heldmann gegründet wurde, in den Abend einführte. Christian Heldmann, der Abgeordneter im Paulskirchen-Parlament von 1848 war, ist auch maßgeblich an der Eisenbahnanbindung von Mittel-Gründau und der Errichtung der Bahnstrecke Gelnhausen/Gießen und Hanau/Gießen beteiligt gewesen. Aber nicht nur die Geschichte der demokratischen Bewegung in Mittel-Gründau war Thema des Abends, die Anwesenden tauschten auch Anekdoten aus der Zeit der Nazi-Diktatur und der Nachkriegszeit im Dorf aus. So erinnerten sich Zeitzeugen beispielsweise daran, wie Wilhelm Pfannmüller als ehemaliger KZ-Häftling, Deserteur und Partisan in Titos Befreiungsarmee in Jugoslawischer Uniform auf dem Fahrrad aus dem Krieg zurückkam. Noch am gleichen Tag nahm der ehemalige Vorsitzende des kommunistischen Fußballclubs an einem Match gegen Rothenbergen teil. Auch wurde über die Entstehung der SKG Mittel-Gründau gesprochen, die nur deshalb als „Kulturverein“ gegründet wurde, weil die US-Amerikaner nach 1945 zunächst keine Sportvereine zulassen wollten. Bis zum Verbot durch die Nazis gab es in dem Dorf zwei Fußballclubs, von denen der eine von den Kommunisten dominiert wurde, der andere war sozialdemokratisch orientiert. Nach 1945 vereinten sich die Fußballer dann in der SKG Mittel-Gründau, zu der anfangs auch noch der Gesangverein gehörte. Auch einen Sportplatz gab es damals in Mittel-Gründau nicht und die Fußballer der Gemeinde mussten immer wieder auf verschiedene Wiesen ausweichen. Dass sie dabei nicht immer auf Wohlwollen stießen, wurde an mehreren Erzählungen deutlich, aus denen hervorging, dass die Besitzer dieser Wiesen manchmal auch nicht davor zurückschreckten, die Tore einfach ab zu sägen wenn ihnen das sportliche Treiben auf ihrem Grund missfiel.
Nach fast drei Stunden, in denen Anekdoten und Erinnerungen ausgetauscht wurden, waren sich die Anwesenden darüber einig, dass die Veranstaltung fortgesetzt werden soll. Der „harte Kern“ der Interessierten will sich künftig regelmäßig donnerstags treffen, um Erinnerungen und Erinnerungsstücke zu sammeln. An jedem ersten Donnerstag des Monats soll dann im großen Kreis zu verschiedenen Themen gesprochen werden und einzelne Personen die Möglicheiten haben, über Erlebtes und Gehörtes zu berichten.
Thomas Mann über den Kommunismus:
„Ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Wort Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche.
Der Kommunismus ist als Vision viel älter als der Marxismus und enthält auch wieder Elemente, die erst einer Zukunftswelt angehören. Älter ist er, weil schon die religiösen Volksbewegungen des Mittelalters einen eschatologisch-kommunistischen Charakter hatten: schon damals sollten Erde, Wasser, Luft, das Wild, die Fische und Vögel allen gemeinsam gehören, auch die Herren sollten um das tägliche Brot arbeiten, und alle Lasten und Steuern sollten aufgehoben sein. So ist der Kommunismus älter als Marx und das 19. Jahrhundert. Der Zukunft aber gehört er an insofern, als die Welt, die nach uns kommt, in der unsere Kinder und Enkel leben werden, und die langsam ihre Umrisse zu enthüllen beginnt, schwerlich ohne kommunistische Züge vorzustellen ist: d. h., ohne die Grundidee des gemeinsamen Besitz- und Genußrechts an den Gütern der Erde, ohne fortschreitende Einebnung der Klassenunterschiede, ohne das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit für alle.“
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(Thomas Mann, Ges. W., Frankfurt/M 1960, Bd. 12, S. 934)