Suchmeldung: Volksschullehrer Paul Nagel aus Mittel-Gründau wird vermisst

Der Sohn des Büdingen-Vonhäuser (Fronhäuser) Lehrers Nagel, Paul Nagel, der eine Stellung als Volksschullehrer im oberhessischen Dorf Mittel-Gründau innehatte, wird seit einigen Jahren vermisst.

Sachdienliche Hinweise, die zum Wiederauffinden des Mittel-Gründauer Lehrers Paul Nagel führen, nimmt jedes Mitglied des Historisch Demokratischen Vereins Mittel-Gründau von 1848 entgegen. Genauer gesagt, wird Paul Nagel seit nunmehr fast 160 Jahren vermisst. Zu hoffen ist, dass wie bei der „Fahndung nach Bernhard Kaffenberger“ so wie Rich Kaffenberger aus Connecticut sich ein Nachfahre Paul Nagels aus den Staaten bei uns meldet. (Wenn das Ehepaar Nagel die Überfahrt lebend überstanden und in den USA noch Kinder bekommen hat,  Immerhin muss Paul Nagel bei seiner Auswanderung über 55 Jahre alt und vom Zuchthausaufenthalt gesundheitlich schwer geschädigt gewesen sein.

Zuletzt wurde Paul Nagel im fürstlich Isenburg-Büdingenschen Zuchthaus Marienschloss  1830 gesehen. Seitdem gilt er als verschollen. Paul Nagel war der Schriftführer der Mittel-Gründauer Bauern,  die den Zug der oberhessischen aufständischen Bauern nach Büdingen anführten, um dort ihre Forderungen dem Fürsten zu übergeben. Paul Nagel hatte sie nach langen Diskussionen aufgeschrieben und sollte sie in Büdingen übergeben. Bei der Übergabe würde er von fürstlichen Jägern festgenommen und sofort ins Zuchthaus verbracht. Erst im Nachhinein dürfte er verurteilt worden sein.  Sein Name befindet sich auch nicht in der Liste der nach einigen Jahren Zuchthaus und etlichen Morgen Äcker- und Waldabtretungen und Zahlungen an den Fürsten begnadigten Mittel-Gründauer und anderer oberhessischer  Bauern und Handwerker.

 

Auch in dem 1880 nach Aktenlage geschriebenen Bericht eines Giessener OberLandesGerichtsrates  über den Oberhessischen Bauernaufstand wird der Lehrer Paul Nagel nicht erwähnt.  Tatsache aber ist, dass die Schule in Mittel-Gründau zur Bestrafung der „Untertanen“ für mehr als ein Jahr geschlossen blieb. Eine hier vorliegende Liste der Lehrer in Mittel-Gründau belegt, dass es nach Paul Nagel ab 1830 über zwei Jahre im Dorf keinen Lehrer und keinen öffentlichen Unterricht gab.

Erst 1854 gab es wieder eine Spur, die vermutlich auf den Verbleib des Lehrers Paul Nagel hinweist: der Frankfurter Historiker und Mitglied der Hessischen Historischen Kommíssion, Dr. Manfred Köhler hat in einer in der damaligen Presse veröffentlichten Passagierliste eines Auswandererschiffes die Meldung entdeckt, dass aus Mittel-Gründau ein Paul Nagel und seine Frau nach Amerika auswanderten. Dr. Köhler schrieb:

„…bei einer Durchsicht meiner Unterlagen (aus anderem Anlass) bin ich auf eine Anzeige zum Lehrer Paul Nagel gestoßen (aus der Darmstädter Zeitung 90 vom 31.3.1854). Ich weiß nicht, ob ich sie dir schon mal zugängig gemacht habe, auf jeden Fall kann man sie in die Arbeit des Historisch-Demokratischen Vereins einbeziehen, zur Diskussion um die Frage, warum Leute ausgewandert sind, wie die Auswanderung vonstatten ging etc. ….“

 

Noch ist nicht geklärt, ob es sich eventuell um einen Verwandten, einen verheirateten Sohn oder eben um den Lehrer und seine Frau selbst handelt.  Erstaunlich ist jedoch, dass dieser Mittel-Gründauer Einwohner sich nicht unterschriftlich an den Resolutionen und Eingaben des Demokratischen Vereins Mittel-Gründau beteiligt hat.  Die Unterschriftenlisten enthalten sonst die Namen aller Mittel-Gründauer Familienoberhäupter: Weinel, Noss, Schwinn, Dauth, Mohn, Boller, Birkenstock (ja, der berühmte Schumacher Birkenstock war ein demokratischer, republikanischer Revolutionär), Schwarzhaubt,  usw..außer denen der in höheren fürstlichen Diensten stehenden Personen wir z.B. den Pächtern/Verwaltern der fürstlichen Domäne.

 

Zu erklären wäre diese politische Enthaltsamkeit des Paul Nagel mit den Auflagen für die Begnadigungen und mit seinem seit 1830 geltenden Berufsverbot. Die Nagels müssen sich als Knecht und Magd durchgeschlagen haben.  Wahrscheinlich wurden sie durch die kleinbäuerlichen und mittelbäuerlichen Betriebe und die Handwerksstätten immer weitergereicht. In etwa so, wie die Familien der in die KZs verschleppten Mittel-Gründauer Antifaschisten von 1933 bis 1945 auch  unterstützt wurden.

 

Als 1851 dann auch der Nachfolger Paul Nagels, der Lehrer Bernhard Kaffenberger wegen seiner Teilnahme an der 1848er demokratischen Revolution und seiner darin führenden Rolle als Schriftführer des Demokratischen (Wahl-)Vereins Mittel-Gründau und seiner Unterstützung für den linken republikanischen Demokraten und Bahnpionier Dr. Christian Heldmann vom Darmstädter Großherzog aus Mittel-Gründau nach Darmstadt geholt und dort vor die wahl gestellt wird: entweder Zuchthaus oder Auswanderung in die USA, da muss sich Paul Nagel entschlossen haben, auch auszuwandern. Er war in Mittel-Gründau nicht mehr sicher, als das Dorf  vom Fürsten um letzte (Allmende-)Waldstücke und Äcker beraubt und seine Bewohner gezwungen wurden, 1852 in Fronarbeit den Eingangsturm für die Domäne zu bauen.

Dass die Mittel-Gründauer trotz ihrer in Folge der fürstlicher Räuberei entstandenen Armut ab den 1830er Jahren für eine neue , große eigene Schule Geld und Baumaterial sammelten und diese dann 1878 fertiggestellt hatten, spricht für die auch qweiterhin ungebrochene demokratische Gesinnung dieses Dorfes.

 

Der nächste Erzählabend des Historisch-Demokratischen Vereins Mittel-Gründau von 1848 findet am Donnerstag, dem 12.12. 2013 statt, wie immer in der Gaststätte Stenger/Heiss in der Haingründauerstraße 4  um 18.30 Uhr

 

Das Hauot-Theama dieses bends wird de Mittel-Gründauer Schul-Kampf sein von der ersten Schule am Hasselbach um 1632 bis heute, wo es darum geht, den schulstandort Mittel-Gründau zu sichern gegen alle Kaputtsparpläne von Kreis, Land, Bund und EU….  in den 90ern des letzten Jahrhunderts stand die Mittel-Gründauer Grundschule schon Mal auf einer Schließungsliste und die Gemeinde Gründau erwog den Abriss der „Alten Schule“, was die Mittel-Gründauer glücklicher Weise verhindern konnten. Der Mittel-Gründauer „Initiative Alte Schule“ ist es zu verdanken, dass das Gebüde unter Denkmal- und das gesamte Kerndorf unter Ensembleschutz steht.  Aber trotzdemn ist die Vorsicht die Mutter dcer Porzellankiste: die Libloser Zigarrenfabrik ist auch verschwunden, obwohl sie unter Denkmalaschutz stand: da ist einfach „aus Versehen“ ein Bagger in die Giebelwand gefahren  …

 

Autor: Hartmut Barth-Engelbart

Autor von barth-engelbart.de

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