Kaspar Trümpys Kurz-Bericht über eine
Veranstaltung des Bündnises «Hände weg von Syrien»
23.November 2013, Gewerkschaftshaus, Basel
Dr. M. Sarkis Sarkis, Mitglied der Syrian Expatriates Union und T. Sarkis Fernandez, beide angereist aus Barcelona, referierten zur Situation in Syrien. Nach einem einleitenden Vortrag von M. Sarkis zur syrischen Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, beantworteten M. Sarkis und T. Sarkis Fragen aus dem Publikum. Gut 50 Besucher waren im voll besetzten Saal anwesend. Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung des abendfüllenden Verlaufs der Veranstaltung.
Referat von M. Sarkis
Mit seinen nicht weniger als 4.000 archäologischen Fundstätten ist Syrien eine Wiege der Zivilisation. Nach dem Zerfall der Römischen Provinz Syria und der Epoche der Kreuzritter befand sich Syrien unter wechselnder Herrschaft von Ägyptern und Osmanen. Nach dem I.Weltkrieg besetzte Frankreich das Land. Dazu die folgende Anekdote: Sie trampelten in Damaskus wie wild auf dem Grab von Saladin herum und skandierten: „wir sind zurück“. Das Sykes-Picot Abkommen von 1916 unterteilte den vorderen Orient in ein französisches und ein englisches koloniales Interessensgebiet. In der Balfour-Deklaration von 1917 wurden die zionistischen Bestrebungen bestätigt, in Palästina eine Heimstätte des jüdischen Volkes zu errichten. Ursprünglich wollte Frankreich keinen geeinten syrischen Staat, sondern beabsichtigte eine Aufteilung unter konfessionellen Kriterien in sechs Staaten. Schließlich schlossen sich zunächst die Gebiete um Damaskus und Aleppo zum Staat Syrien zusammen, 1937 kamen die Gebiete um Latakia und der Drusenstaat hinzu. Frankreich trat 1939 das Gebiet um Iskanderun an die Türkei ab. Gegen den Widerstand Frankreichs wurde 1946 der unabhängige Staat Syrien ausgerufen.
Seit 1970 regierte Hafiz al-Assad von der Arabisch-Sozialistischen-Baath-Partei Syrien, welche enge Beziehungen zur Sowjetunion unterhielt. Die Baath-Partei ist die dominierende Partei im nationalen Parteienbündnis Progressive-Nationale-Front, zusammen mit Kommunistischen Parteien sowie mehreren Blockparteien. Das Existenzrecht Israels wurde – unter der Voraussetzung der Räumung der besetzten Gebiete – anerkannt. Auf Hafiz al-Assad folgte im Jahr 2000 sein Sohn Baschar al-Assad als Präsident. Sein Reformkurs wurde behindert, auch durch Krisen im Ausland, etwa der Besetzung des benachbarten Irak durch die USA. Im sogenannten Damaszener Frühling wurden politische Forderungen im „Manifest der 99“ (Aufhebung des Ausnahmezustands usw.) formuliert. Die verbotenen Muslimbrüder meldeten sich zurück, Anhänger einer sunnitisch islamistischen Terrororganisation, die in den frühen 1980er Jahren blutige Anschläge gegen die säkulare Regierung von Hafis al-Assad verübten und tausende Regierungsbeamte und Alawiten ermordeten.
Die unter Baschar al-Assad eingeleitete Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung höhlte den Sozialismus aus, vor allem die großen Städte profitierten. Ländlichen Regionen, eine wichtige Basis der Baath-Partei, wurden vernachlässigt. Unter einem mächtigen Geheimdienst wuchs die Unzufriedenheit stark an. Unmittelbar nach dem Ausbruch der zunächst friedlichen Unruhen im März 2011 führten – von Saudi-Arabien und Katar mit Petrodollars ausgehaltene – Söldner mit Terroranschlägen und Kriegshandlungen eine humanitäre Katastrophe herbei. Damit sollte in altbekannter Manier, vergleichbar mit Jugoslawien oder Libyen, eine NATO-Intervention und der Sturz von Assad herbeigebombt werden. Seither geht es in Syrien um Sein oder Nichtsein.
Diskussion
– Frage: Gibt es einen Unterschied, ob die Syrer von Assad oder von Obama unterdrückt werden, der kleine Mann zahlt immer die Zeche.
-Antwort: Assad setze seine Panzer und die Flugwaffe gegen Terroristen und nicht gegen das Volk ein. Das säkulare Syrien kämpft gegen Söldner, ausgehalten von arabischen, absolutistischen Monarchien. Beim Giftgasanschlag von Ghouta, nahe Damaskus im September dieses Jahres bestand ein grosser Teil der offiziell 1400 Toten aus von Terroristen herbeigeschafften Kindern, die vorher in Latakia entführt worden waren. Bei früheren Giftgasanschlägen, für die Syrien eine UNO-Untersuchung angefordert hatte, wurden nie ernsthaft nach ihren Urhebern gesucht. Von tschetschenischen Terroristen ausgeübte Massaker in von Alewiten und Christen bewohnten Dörfern wurden von der UNO ebenso wenig untersucht.
– Frage: Hat Westen nicht neuerdings Angst vor einem Sturz von Assad?
-Antwort: Zu Beginn der Revolte gab der Westen Assad zwei Wochen, später dann doch einige Monate. Auch fanden keine massenhaften Desertierungen aus der Armee statt. Die Unterstützung durch Russland und China wurde unterschätzt. Die Rebellion einer reaktionären Minderheit ist nicht legitim. Nordkorea und Syrien haben keine Schulden im Westen. Syrien ist autonom bei den Nahrungsmitteln. Kinder von Kleinbauern können an der Uni studieren. Monsanto darf seine Produkte in Syrien nicht verkaufen. Dies alles missfällt den USA schwer, welche jedoch nur noch militärisch und in schwindendem Mass ideologisch eine hegemoniale Stellung innehaben.
–Frage: Regiert in Syrien nicht ein Clan, der tausende Tote auf Gewissen hat, sodass aktuell ein Kampf zwischen Pest und Cholera stattfindet?
-Antwort: In Syrien ist eine Volksfront an der Macht, mit einer internationalistischen Gesinnung, vergleichbar etwa zu Kuba. Zusammen mit den Muslimbrüdern hat Hamas diese Solidarität verraten. Gibt es in Israel mit seiner Apartheid oder in Jordanien etwa eine Demokratie? Nach der Definition der Soziologie ist Syrien mit der breiten Verankerung der Bath-Partei im Volk keine Diktatur. Die Mehrheit des Volkes unterstützt das Militär. Henry Kissinger, der früher postulierte, Syrien müsse man von innen her zerstören, findet neuerdings anerkennende Worte zur Kampfbereitschaft des syrischen Volkes.
–Frage: Wie erklärt sich die bei uns weit verbreitete Ignoranz zu den Vorgängen in Syrien?
-Antwort: Diese Überheblichkeit nehme nicht zur Kenntnis, dass gegenwärtig die effektive Multipolarität der Welt klar hervortrete. Die von den USA angestrebte Unipolarität existiert nicht. In diesem Zusammenhang sei ein wichtiges Detail im Referat von M. Sarkis zum mysteriösen Raketenvorfall vom 03.09.13 im Mittelmeerraum erwähnt: Zwei ballistische Raketen seien in östlicher Richtung abgefeuert worden, wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilte. In deeskalierender Absicht meldete die Nachrichtenagentur Ria-Novosti nur, die Raketen seien ins Wasser gefallen. Jedoch hat Russland mit dem effektiven Abschuss dieser israelischen Raketen seine Unnachgiebigkeit im Syrienkonflikt unterstrichen.
Resolution
Am Schluss der sehr lebhaften und interessanten Veranstaltung wurde noch eine vom Bündnis „Hände weg von Syrien“ verfasste Resolution verabschiedet, die das Schwesterbündnis in Wien der dortigen Syrischen-Botschaft übergeben wird. Österreich ist übrigens eines der ganz wenigen westeuropäischen Länder, welches – ganz im Gegensatz zur ebenfalls „neutralen“ Schweiz – die diplomatischen Beziehungen zu Syrien nicht abgebrochen hat.
04.12.2013, Kaspar Trümpy