Dank an Herbert Steffes vom Geschichtsverein Eschborn, der diesen Artikel über das Buch der Historikerin Dr. Christine Wittrock auf dem Portal des „Historischen Eschborn“ veröffentlicht hat. Gerade in Mittel-Gründau haben die NSDAPler vom Röhm/Strasserflügel mit ihrer „antifeudalen“ Haltung bei nicht wenigen Anhängern der SPD und der KPD punkten können. Das ging so weit, dass der HJ-FähnleinFührer und DomänenPächtersohn die Pimpfe in den Wald geschickt hat, bewaffnet mit Kreuz- und Spitzhacken. Die Ysenburg-Büdingenschen Grenzsteine und die der beiden Hessen-Darmstadt und -Kassel, resp.des Königreichs Preußen sollten zerstört werden! Gegen die Feudalherren! Dabei musste das Fähnlein das von den Nazis umgeschriebene Lied singen: „Als Adam grub und Eva spann, Kyrieleis, wo war denn da der Edelmann Kyrieleis, Spieß woran drauf und dran, setzt aufs Klosterdach den roten Hahn … Wir wolln mit Pfaff und Adel raufen usw…. (nur eine Strophe dieses später leider auch von Yaak Karsunke für die Bauernoper unkritisch übernommenen Liedes stammte aus den BauernKriegen (siehe der Große Steinitz). Es wurde von den Nazis mit drei neuen Strophen ergänzt. Ironie eins des Schicksals: viele der HJler glaubten bis heute das Märchen der Schmerbeck und Schutt-Junioren: erst 1999 konnte einer der Beteiligten HJler erfahren, dass die Grenzsteine seit 1802 so gut wie keine Bedeutung mehr hatten, die Grenze war von Napoleon verschoben worden. Trotzdem mussten die Mittel-Gründauer für jedem in ihrer Ziegelbrennerei gebrannten Stein Zoll bezahlen, weil die wegen der willkürlich gezogenen Grenze im „Ausland“ lag. Selbst für den Ton und den Lehm, den die Dörfler aus Oberhessen zur Ziegelei brachten mussten sie Zoll bezahlen an die Fürsten… Dritte Ironie: auch die verschobene Grenze verlor mit der Reichsgründung 1871 ihre letzte Zollbedeutung. Ironie des Schicksals Nummer drei: ein paar der HJler haben offenbar das Lied und den Antifeudalismus zu ernst genommen: 1935 brannte die fürstliche Domäne Mittel-Gründau. Die Brandursache wurde zwar nie geklärt, aber es kursieren bis heute Gerüchte über junge Burschen… Die Mittel-Gründauer mussten dann in Fronarbeit die Domäne wieder aufbauen. Beim Richtfest stehen rund 50 Mittel-Gründauer im Hofgut für das Gruppenbild mit Hakenkreuzfahne 4 davon haben die Hand zum Regenmessen erhoben, einer hält die Fahne hoch, die anderen blicken mit verschränkten Armen und vorm Hosenstall gefalteten Händen und nicht sonderlich fröhlichen Gesichtern in die Kamera Während das Fürstenhaus lukrative Geschäfte mit den Nazis machte, (auch Steingutbecher für das Winterhilfswerk und KdF) und von denen mit der Zwangsarbeit von sogenannten Fulder-Mädchen und Bayern-Mädchen ( aus dem Programm „zur Bekämpfung der Rhön-Armut“), aber auch mit von Mussolini eingekauften Tirolern (als Schweizer) versorgt wurde , gaben sich die Strasseristen vor allem antifeudal, obwohl sie keine 10 Jahre zuvor gegen die Fürstenenteignung mobil gemacht hatten. Die Fürstenenteignung war für die verarmten Dörfer und Kleinstädte eine Existenzfrage, denn mit dem preussischen Gesetz der „Zwangsablösungen“ für Wald-, Holz-, Weide-, Fisch- , Wasser -und Jagdrechte hatten sich die Fürstenhäuser Unmengen an Wäldern, Gewässern angeeignet, die den Dörfern dann fehlten und zum Beispiel den Betrieb kommunalen Wassermühlen verhinderte, zur Verschuldung beim Einkauf von Brennholz führte. (Lesen Sie dazu den Bericht aus dem „Frankfurter Journal“ (dem Vorgänger der FAZ) vom 26. September 1867 ganz am Ende dieses Artikels)) Viele Familien hatten so und so noch an den Schluden zu zahlen, die bei ihrem Freikauf aus der Leibeigenschaft und dem Fronverhältnis zu den Fürsten entstanden waren, beim Freikauf, den die Stein’schen Reformen und die frühen hessischen vordemokratisch-konstitutionellen Verfassungen ermöglichten… von der Fron- in die Schuldknechtschaft. Viele mussten dafür Äcker verkaufen, Wald und Wiesen … und an wen ? Oder Schulden aufnehmen ! Bei wem? Dieses Verfahren hat viel zur Wut auf Geldverleiher beigetragen. Und es verschwanden die im Hintergrund, die die eigentlich Schuldigen waren und am meisten davon profitierten. usw….
Die Auswirkungen dieses Gesetzes hat der hessischen Landtagsabgeordnete und Pfarrer Ellenberger in Haingründau in einer über 100-Seitigen Denkschrift an den Hessischen Landtag beschrieben, was für kurze Zeit um 1867 dieses Gesetz noch aufhalten konnte… Die Nazis haben den Fürsten die Wälder garantiert und sie für wehrwirtschaftswichtig und unverzichtbar erklärt. Das Holz ließ sich gut versilbern: Die Harzburger Front an Ruhr und Saar brauchte Grubenholz im Massen, Eisenbahnschwellen wurden gebraucht, Holz für Tunnel und Brückenbau für die reichsautobahnen besonders nach Osten, für den neuen Frankfurter Flughafen, wo die ersten Messerschmidt Düsenjäger getestet werden sollten und dann Tausende von Zwangarbeiterinnen die Urmutter der StarbahnWest und Nord bauen mussten und dabei vernichtet wurden. (siehe den Film „Die Rollbahn“ von Malte Rauch!) Auch der zusammengeraubte Holzreichtum der Ysenburger wurde von Zwangsarbeitern geschlagen. Im eigens errichteten Außenlager des KZ Hinzert wurden hunderte von russischen Kriegsgefangenen und „ostischen“ Zwangsarbeitern durch das Programm „Vernichtung durch Arbeit“ ermordet, wer zu schwach wurde zum Arbeiten wurde aus Sparerwägungen für die Front (jede Patrone wird an der Front gebraucht) nicht erschossen sondern im Oberlauf des Litterbaches, der Gründau ertränkt.
Es waren aber nicht nur Sparerwägungen! Die zum Teil in den kommunistischen Familien der umliegenden ehemaligen KPD Hochburgen zwangsrekrutierten meist jugendlichen KZ-Wächter waren den Nazis zu unzuverlässig. Deshalb bekamen die auch keine scharfe Munition in die Hände. Viele von ihnen trauen sich heute noch nicht öffentlich darüber zu sprechen, was sie gesehen, was sie gezwungen getan haben unter den Augen der scharfbewaffneten Oberaufseher der SS…… Die Traumatisierung ist unbeschreiblich. Und sie wurde nach dem Krieg immer wieder mit der These der Kollektivschuld verstärkt… So auch bei den HJ-Knaben, die die SS im nahen Waldensberg den angreifenden US-Soldaten entgegen warfen…. wie viele dort im Kugelhagel der SS und der US-Army verreckt sind, kann heute von den Überlebenden kaum jemand sagen..Zeugen werden gesucht. Von Waldensberg blieb so gut wie kein kein auf dem anderen, kein Haus mehr stehen…. Ein kleines Vogelsberger Freudenstadt !!
Aber zurück zur Volksabstimmung über die Fürstenenteignung:
„Es wäre sehr zweckmäßig, um die Gelüste der verflossenen ‚Fürsten‘ und ihrer Sachwalter ein wenig zu dämpfen, ihnen von Zeit zu Zeit populäre Kollegs über das Lebensende von Karl I. von England, Ludwig XVI. von Frankreich und Nikolaus IL von Rußland halten zu lassen.“ V. Den Fürsten keinen Pfennig! Nach jeder Staatsumwälzung sind die Vermögensverhältnisse, und das heißt immer die Machtbasis, der gestürzten Herren neu zu regeln. Die auf halbem Weg steckengebliebene deutsche Revolution von 1918/19 versäumte diese Aufgabe. Zwar hatten überall in Deutschland Arbeiter- und Soldatenräte fürstliches Vermögen beschlagnahmt; eine gesetzliche Regelung unterblieb jedoch. Die staatstragend ausgerichtete Sozialdemokratie hatte kein Interesse daran. So fragte beispielsweise der Arbeiter- und Soldatenrat des Freistaates Lippe an, wie das Vermögen der früheren Fürsten zu behandeln sei. Er erhielt im Dezember 1918 vom Rat der Volksbeauftragten die unmißverständliche Antwort, daß die Frage „eine Rechtsfrage [sei], deren Entscheidung dem zuständigen Gericht vorbehalten bleiben“ müsse. Mit diesem Verweis einer politischen Frage auf die juristische Ebene verpaßte man in Deutschland die Chance, die vermögensrechtliche Seite der Revolution neu zu ordnen. Das wäre für den neuen Staat, der seine Legitimation aus dem revolutionären Willen des deutschen Volkes bezog, durchaus möglich gewesen – wenn man die Stimmung der Bevölkerung Ende des Jahres 1918 in Betracht zieht. Die Republik Österreich wich dieser Aufgabe übrigens nicht aus. Sie enteignete ihre Habsburger sofort beim Sturz der Monarchie 1918/19. In Deutschland aber war das Vermögen der entthronten Fürsten nicht angetastet worden. Man hatte es beschlagnahmt und die Regelung der Eigentumsverhältnisse auf ruhigere Zeiten verschoben. Nach dem Wahlerfolg Hindenburgs im Jahr 1925 hielt der Adel die Zeit für gekommen, sein Vermögen zurückzufordern. Verschiedene Fürstenhäuser begannen gegen die republikanischen Landesregierungen zu klagen. Und sie hatten gute Aussichten auf Erfolg; denn die meist monarchistisch gesinnte Richterschaft brachte ihnen viel Verständnis entgegen. „Als im November 1918 sich das Volk erhob, da waren sie froh, als einige Landesregierungen Auseinandersetzungsverträge mit ihnen schlossen, die ihnen einen Teil ihrer riesenhaften Vermögen beließen. Seitdem sind sie längst wieder aus ihren Mauselöchern hervor gekrochen. Ihre Ansprüche sind von Jahr zu Jahr frecher geworden, jetzt wagen sie es sogar, zu einem entscheidenden Schlag auszuholen und verlangen zweieinhalb Milliarden für Abfindung und Aufwertung“, schrieb die Frankfurter ‚Volksstimme‘ im März 1926. Das sind radikale Töne für eine sozialdemokratische Zeitung. Aber es war den Linksparteien SPD und KPD tatsächlich einmal gelungen, sich zu einigen und gemeinsam zu einem Volksentscheid über die entschädigungslose Enteignung der Fürsten aufzurufen. Die Enteignung sollte zum Wohl der Allgemeinheit stattfinden: Ländereien und Forstgebiete sollten den kleinen Bauern, Pächtern und Landarbeitern zufallen, während die Schlösser und andere Gebäude als Genesungs- und Versorgungsheime für Kriegsbeschädigte und Sozialrentner sowie als Kinderheime Verwendung finden sollten. Das Barvermögen der ehemaligen Fürsten sollte dem Staat unterstellt und zur Erhöhung der Kriegsopferrenten eingesetzt werden. Etwa 4 Millionen mußten die Durchführung des Volksentscheids befürworten; etwa 20 Millionen Stimmen waren für die Enteignung nötig. Der Aufruf der SPD und KPD, die Fürstenhäuser entschädigungslos zu enteignen, rief bei den Rechtsparteien flammende Empörung hervor. Auch Hindenburg, als Staatsoberhaupt eigentlich zu strikter Neutralität verpflichtet, mischte sich in die öffentliche Auseinandersetzung ein und bezeichnete die Forderung nach Enteignung der Fürsten als großes Unrecht. In einem als Privatbrief kaschierten Elaborat machte er Stimmung gegen den Volksentscheid. Die rechte Presse, auch das Gelnhäuser Tageblatt, druckt Hindenburgs Machwerk ab, in dem es wörtlich heißt: „Daß ich, der ich mein Leben im Dienste der Könige von Preußen und der deutschen Kaiser verbracht habe, dieses Volksbegehren zunächst als ein großes Unrecht, dann aber auch als einen bedauerlichen Mangel an Traditionsgefühl und als groben Undank empfinde, brauche ich Ihnen nicht näher auszuführen… Es verstößt gegen die Grundlagen der Moral und des Rechts.“ In Flugblättern und Annoncen schilderte eine beauftragte Werbeagentur der Hohenzollern die trostlose Lage des ehemaligen Kaiserhauses und appellierte an das Mitleid der Bevölkerung. Allerdings wirkte die Tatsache, daß der Ex- Kaiser zusätzlich zu seinen nach Holland mitgenommenen Millionen nochmals 300.000 Morgen Land, Schlösser und zahlreiche Besitzungen in einem Gesamtwert von 183 Millionen Goldmark forderte, auf Arbeiter und kleine Angestellte eher ausgesprochen miserabel. Ein Arbeiter verdiente zu dieser Zeit bei den Klinkerwerken in Meerholz 51 Pfennnig je Arbeitsstunde. Allein die Rente Wilhelms II. – 50.000 Mark monatlich – stand in so krassem Mißverhältnis zum Durchschnittseinkommen, daß sich auch der Mittelstand über die Habgier der Monarchisten empörte. Nun war die Durchführung des Volksentscheids von der Reaktion nicht mehr aufzuhalten. Der Stein war ins Rollen gebracht. Im März 1926 mußten in allen Städten und Gemeinden Listen ausgelegt werden, in die sich alle Wählerinnen eintrugen, die ein Volksbegehren befürworteten. Der Erfolg war überwältigend: 12,5 Millionen Unterschriften – das waren dreimal soviel wie erforderlich. Auch in Stadt und Kreis Gelnhausen war das Ergebnis hoch: Obwohl nur 10 Prozent der Wahlberechtigten der letzten Wahl nötig waren, hatten sich über 36 Prozent in die Listen für das Volksbegehren eingetragen. Die Analyse zeigte, daß über linke Wählerstimmen hinaus auch im bürgerlichen Lager zahlreiche Stimmen gewonnen wurden, bis in die Zentrumshochburgen hinein. Nun formierten sich die Repräsentanten der alten Mächte, allen voran die Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP), die Deutsche Volkspartei (DVP) und die Deutschvölkische Freiheitsbewegung, zum Gegenschlag. Die katholischen und evangelischen Autoritäten sekundierten und gaben mit oberhirtlichen Erklärungen ihrer monarchischen Gesinnung Ausdruck. Das erprobte Bündnis von Thron und Altar bewährte sich auch hier aufs Neue. Der Bischof von Meißen bat den Reichskanzler Marx in einem Brief auf das Zentrum einzuwirken, damit es sich auch weiterhin zum entschiedenen Anwalt „des naturgesetzlichen, göttlichen und christlichen Rechtes [und] des … Privateigentums“ mache. Nur so sei zu verhindern, daß in Zukunft die Vermögen der Kirche ebenfalls konfisziert würden. Die Rechten rufen dazu auf, der Stimmabgabe fernzubleiben und werben mit der Furcht vorm Bolschewismus und einem Zitat Hindenburgs, Gelnhäuser Tageblatt vom 16. Juni 1926
Gelnhäuser Tageblatt vom 5. Juni 1926
Auch die NSDAP ist gegen die Enteignung der Fürsten.
Gelnhäuser Tageblatt vom 9. Juni 1926
Der Volksentscheid zur Fürstenenteignung 1926 erregt die Gemüter. Kommunisten und Sozialdemokraten sind für die Enteignung der Fürsten.Plakat der SPD zur Fürstenenteignung
Anzeige in der Tages-Zeitung für den Kreis Gelnhausen vom 12. März 1926 Auch Prinz Ernst Diether zu Ysenburg, der in Büdingen residierte, fand klare Worte. Er vertrat in einem Brief an den Reichskanzler die Ansicht, daß jeder Beamte „vom Reichspräsidenten und Reichskanzler herab bis zum Gerichtsvollzieher“, der sich in den Dienst des Volksbegehrens stelle, „zum gemeinen meineidigen Schuft“ gestempelt sei. Im Frühjahr 1926 finden überall Veranstaltungen zum Thema Fürstenenteignung statt. Im März beruft der KPD-Vorsitzende Gustav Rennert eine Versammlung auf dem Gelnhäuser Obermarkt ein. Der kommunistische Landtagsabgeordnete Rehbein aus Hanau spricht zum Thema. Die Liste dessen, was die Fürstenhäuser im Lauf der Jahrhunderte auf dem Kerbholz hatten, ist lang: Der Redner argumentiert mit dem Menschenhandel der deutschen Fürsten in den amerikanischen Freiheitskriegen, mit der Empörung der deutschen Bauern gegen ihre ausbeuterischen Herren in den Bauernkriegen und mit dem Adel, der in der Vergangenheit seine entmachteten Gegner nie entschädigt hatte. Auch blieb nicht unerwähnt, daß am gleichen Tag, an dem Wilhelm II. im November 1918 sich nach Holland absetzte, ein Matrose noch wegen Fahnenflucht hingerichtet wurde.
Kurze Zeit später hält die NSDAP, die zu diesem Zeitpunkt noch keine Ortsgruppe in Gelnhausen hatte, in der ‚Schönen Aussicht‘ eine Veranstaltung ab: Der Redner ist gegen eine Enteignung der Fürstenhäuser, weil dieses eine Spaltung des deutschen Volkes und „ein Unglück für die nationale Gesinnung“ bedeuten würde. Der Adel gehöre zum deutschen Volk, er trage seinen Teil an Kriegs- und Inflationsopfern wie jeder andere Deutsche. Die Rechtsparteien rufen zum Boykott des Volksentscheids auf – mit Erfolg, wie sich herausstellte. Denn das Wahlgeheimnis war damit praktisch aufgehoben. Jeder, der ins Wahllokal ging, war als ‚Roter‘ zu erkennen. Gerade in ländlichen Gebieten hatten sich viele von der Teilnahme am Volksentscheid abhalten lassen – vor allem dort, wo Guts- und Fabrikbesitzer gedroht hatten, jeden Befürworter von Enteignungen sofort zu entlassen. Die liberale Tages-Zeitung für den Kreis Gelnhausen ist gegen den Boykott. Sie kommentiert: „Das Ja bedeutet, daß den Fürsten unzweifelhaftes Privateigentum genommen wird; der Not sind sie deshalb nicht ausgesetzt, denn es bleibt jedem von ihnen trotzdem noch ein großes Vermögen… Stimmt man mit Nein, so gehen Milliardenwerte, die unzweifelhaft dem Volke gehören, dem Staat verloren… Das Allerbedenklichste aber ist das Fernbleiben von der Abstimmung: es bedeutet nicht nur Verneinung des Gesetzentwurfs, sondern ermöglicht die Verwirklichung der angedrohten Vergeltungsmaßnahmen, so daß hierdurch die Freiheit der Abstimmung bedroht wird. Auch ist es auf keinen Fall Recht, die 12,5 Millionen Volksgenossen, die den Volksentscheid begehrt haben, als Bedroher von Recht und Sitte und als Internationale zu bezeichnen. Weit eher trifft dies auf einen großen Teil der Fürsten aller Zeiten und Länder zu. Daß auch antisemitische Flugblätter in Massen gegen den Volksentscheid verbreitet werden, kann nicht Wunder nehmen …“ Der Volksentscheid zur Enteignung der deutschen Fürstenhäuser scheitert; die schwarz-weiß-rote Presse jubelt. Knapp 15 Millionen hatten sich für die Enteignung ausgesprochen, trotz Repressionen; das war eine ungeheuer große Zahl, wenn man in Rechnung stellt, daß die Zahl der an einer Wahl teilnehmenden Staatsbürgerinnen in dieser Zeit rund 30 Millionen betrug. Nach parlamentarischen Regeln hätte ein solches Ergebnis die absolute Mehrheit bedeutet, nach den plebiszitären Bestimmungen der Weimarer Verfassung war der Volksentscheid gescheitert. Die Vorschriften für die Volksgesetzgebung waren nicht erfüllbar. Auch in Stadt und Kreis Gelnhausen haben von fast 32.000 Stimmberechtigten (nicht etwa abgegebenen gültigen Stimmen!) etwa 15.000 für die Enteignung gestimmt; das sind über 46 Prozent. Bemerkenswert ist, daß die Abstimmung von Ort zu Ort höchst unterschiedlich ausfällt: Während in den Fürstenwohnsitzen Wächtersbach und Birstein nur eine Minderheit die Enteignung befürwortet (in Wächtersbach 24 Prozent, in Birstein knapp 10 Prozent), sind es in der Zentrumshochburg Bad Orb über 74 Prozent. Offensichtlich war hier die Basis anders gesonnen als die Kirchen- und Zentrumsführer. In der Kreisstadt Gelnhausen gibt es 36 Prozent Ja- Stimmen. Am auffälligsten unterscheiden sich die Dörfer in ihrem Abstimmungsverhalten: in Breitenborn mit Lützel, Großenhausen, Lanzingen, Lichenroth, Mosborn, Oberreichenbach, Völzberg, Wettges und Wüstwillenroth sind unter 10 Prozent der Wahlberechtigten für die Enteignung der Fürsten. In Mosborn gab es nur eine einzige Stimme für die Enteignung! Ganz im Gegensatz dazu die Orte Breitenborn A.W., Haitz, Hellstein, Neuenschmidten, Roth, Udenhain, Weilers und Wittgenborn, wo die Befürworter der Enteignung über 70 Prozent erhalten. An der Spitze liegen hier die Arbeiterdörfer Hellstein und Breitenborn A.W., wo gut 91 Prozent der Stimmberechtigten ihre Fürsten gern enteignet gesehen hätten. Den Fürstenhäusern blieb aller Reichtum, den sie durch Gerichte wiedererlangt hatten. Der Reichstag fand keine Mehrheit, die Frage des Fürstenvermögens gesetzlich zu regeln. Damit hatte Weimar seine Feinde bestens ausgestattet für den Kampf gegen die Republik. Sieben Jahre später gab es die Republik nicht mehr. Aus:
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